Autor Thema: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.  (Gelesen 7445 mal)

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Offline Lichtbringer

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Nur eine Kleinigkeit, die ich mal eben loswerden wollte:
Mir wird häufiger das eine oder andere generische System (vor allem das eine - ihr wisst schon, welches) damit angepriesen, es sei eben generisch und außerdem wundervoll gebalancent (im weiteren Verlauf werde ich das deutsche Wort "gerecht" verwenden). Das finde ich jedes Mal wieder überraschend, denn die beiden Aussagen schließen sich per definitionem gegenseitig aus.

Lassen wir die recht schwammige Bedeutung von "universell" und "generisch" beiseite und sehen uns eine Art MinimalKonsens an: Ein System, mit dem ich sowohl mittelalterliche Fantasy als auch im einundzwanzigsten Jahrhundert spielen kann. (Zumindest wurde mir bisher kein selbsterklärt generisches System präsentiert, das dies nicht von sich in Anspruch nimmt.)

Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
Ein einfaches Beispiel: Was ist das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt? Da das Gros der Leute körperliche Arbeit leistet, wird es ein körperliches Attribut sein (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution o. Ä.). Wenn ich das System in dieser Welt gerecht haben will, muss ich die Mechanismen so ausrichten, dass die Gewichtung der Attribute eine Gerechtigkeit erzeugt. (Stärke mag wichtig sein, aber dafür richten wir die Fertigkeiten so ein, dass hier Intelligenz viel bringt. So macht es beispielsweise D&D 3, da dort die Zahl der Fertigkeitspunkte von der Intelligenz abhängt.)
Jetzt gehen wir in eine andere Welt: Unsere eigene. Was ist das wichtigste Attribut in unserer Zeit? Ohne Frage Intelligenz, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Hier müssten die Regelmechanismen völlig anders für Gerechtigkeit sorgen. (Wenn ich auch noch mehr Fertigkeitspunkte für die ohnehin so nützliche Intelligenz bekomme, wird die Ungleichheit noch verstärkt.)
Dieses Spiel kann man beliebig weiterspielen: Wenn ich das System so einrichte, dass man das wichtigste Attribut je nach Welt auswählen kann und sich die Regeln ändern, dann brauche ich nur eine Welt zu finden, in der zwei Attribute sehr wichtig sind. Ad infinitum. (Hinzu kommt: Wenn ich die Regeln alle abwandle, um diesen Effekt zu kompensieren, habe ich dann nicht ein neues System erschaffen?)

Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.

El God

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #1 am: 30.09.2011 | 09:31 »
Ich stimme deiner Beobachtung grundsätzlich zu, halte aber Balancing für massiv überbewertet und verorte es ohnehin in großen Teilen beim Spielleiter, der seine Gruppe auf solche Art mit Herausforderungen konfrontieren sollte, dass für jeden was dabei ist - unabhängig vom "Machtgefälle" oder dergleichen in der Gruppe. Insofern: Kein großes Problem, aber gut erkannt.

Offline Lichtbringer

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #2 am: 30.09.2011 | 09:35 »
Ich halte es auch nicht für so wichtig. Daher wollte ich ja auch nur kurz loswerden, dass es Unsinn ist. Ich höre diesen Unfug halt so oft.

Ein

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #3 am: 30.09.2011 | 09:38 »
Du konstruierst hier einen Fall, um deine Behauptung zu untermauern.

Nehmen wir z.B. als Beispiel BESM. Hier hängt weder die Anzahl der Fertigkeiten von einem Attribut ab (was eh schlechtes Design ist), noch sind die Kosten fix. Vielmehr hängen die Kosten der Werte von dem jeweiligen Setting ab. Je bedeutender ein Wert in einem Setting ist, desto teurer ist er.

Bei GURPS wurde schon vor Jahrzehnten die Kosten für ST gesenkt, da nur wenige Fertigkeiten davon abhängig sind.

Ich verstehe aber auch nicht, was das mit Balance zu tun haben soll.

Offline Terrorbeagle

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #4 am: 30.09.2011 | 09:38 »
Balancing ist eh fast immer so stark situationsabhängig und von einer Vielzahl Situationen abhängig, dass Balancing im Rollenspiel von vorneherein eher eine Absichtserklärung oder Ideal, auf das man hinarbeitet und kein in Stein gemeißeltes Konstrukt. Balancing muß aktiv angegangen und umgesetzt werden, daher halte ich die hier geäußerte Überlegung für nicht stichhaltig - eher im Gegenteil: Je flexibler und anpassungsfähiger ein System ist, desto umfangreicher ist das Instrumentarium, dass den Mitspielern und insbesondere dem Spielleiter an die Hand gegeben wird, um Balancing anzustreben oder punktuell zu erreichen. Daher sind generische Systeme -sofern sie mit Hand und Fuß gemacht und wohl überlegt gestaltet sind (also Gurps heißen ;D) von der Grundsubstanz besser für "gerechtes" Spiel geeignet als einseitige und unflexiblere Systeme.
Würde ich tatsächlich jedes Mal, wenn ich sinnbildlich Lehrgeld bezahlen würde, tatsächlich Geld verteilen, wäre ich arm.

Offline sir_paul

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #5 am: 30.09.2011 | 09:43 »
Ich kann dem nicht ganz zustimmen. Zugegeben wir Leben in einer Wissensgesellschaft, Wissensfertigkeiten sind wichtig! Aber wollen wir im Rollenspiel wirklich eine Gruppe Wissenschaftler spielen welche sich gegenseitig mit ihren Wissensfertigkeiten übertrumpfen sollen? Ich denke nicht!

Also sollten wir uns mal daran machen nicht die "reellen" Gesellschaften zu untersuchen sondern welche Abenteuer wir erleben möchten. Und ja, ich bin der Meinung das unter anderem auch dieses eine Rollenspiel es recht gut hinkriegt für Gerechtigkeit zwischen den Spielern zu sorgen, egal in welchen Setting wir uns bewegen.

Mir wird häufiger das eine oder andere generische System (vor allem das eine - ihr wisst schon, welches) damit angepriesen, es sei eben generisch und außerdem wundervoll gebalancent (im weiteren Verlauf werde ich das deutsche Wort "gerecht" verwenden). Das finde ich jedes Mal wieder überraschend, denn die beiden Aussagen schließen sich per definitionem gegenseitig aus.

Da wir uns hier aber im Theoriebereich bewegen, würde ich gerne mal deine Definitionen von "generisch" und "gerecht" in diesem Zusammenhang kennen lernen.

Denn meiner Meining nach ist jedes System "gerecht". Es bevorzugt keinen aufgrund von persönlichen Abneigungen, jeder hat die gleichen Möglichkeiten es liegt nur an ihm sie zu nutzen!

El God

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #6 am: 30.09.2011 | 09:45 »
Um es (hoffe ich) im Sinne eines hier Gebannten zu sagen: Ein GUTES System lässt zwar Luschen zu, ermöglicht aber jedem Spieler mit seinem Charakterkonzept einen EFFEKTIVEN Charakter zu bauen. Man muss nur wollen. (oder so) Was eine LUSCHE ist und was ein echter KÖNNER, entscheidet sich dann am SETTING der Kampagne. (Und die Ergänzung ist eher wieder die Dolge'sche Lesart: Und gerecht kann der Charakterbau nur vollzogen werden, wenn ALLE Spieler vorher wissen, um was es in der Kampagne gehen soll.)

Zitat
Da wir uns hier aber im Theoriebereich bewegen, würde ich gerne mal deine Definitionen von "generisch" und "gerecht" in diesem Zusammenhang kennen lernen.

Oh bitte nicht  :P

Offline sir_paul

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #7 am: 30.09.2011 | 09:49 »
Ach keine Definitionen, na gut dann blubbern wir mal ein bisschen vor uns hin damit jeder am Ende recht haben kann weil er sowieso was anderes unter "gerecht" und "generisch" versteht. Na dann viel Spass  ;D

El God

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #8 am: 30.09.2011 | 09:50 »
Genau. Eine generische Diskussion, die ist dann wenigstens gerecht.

*SCNR*

Back to topic?

Pyromancer

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #9 am: 30.09.2011 | 09:52 »
Ich stimme der Ursprungsthese nicht zu und liefere auch gleich als Gegenbeispiel ein generisches und gerechtes System: Seucor.

Offline gunware

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #10 am: 30.09.2011 | 09:59 »
Warum kann ein solches System nicht gerecht sein? Weil wir die Gerechtigkeit eines Regelsystems danach bewerten, welche Möglichkeiten und welche Macht es den SC innerhalb der Spielwelt gewährt. Doch in unterschiedlichen Welten sind unterschiedliche Fähigkeiten in unterschiedlicher Zahl wichtig.
...
Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Das sehe ich nicht so, weil ich es nicht verstehe. Warum sollte es sich ausschließen? Ich finde es gerade deswegen gerecht, weil ich Charas aus allen Welten zusammen nehmen kann und spielen.
Diese Art der "Ungerechtigkeit" trifft doch jeden Chara egal in welcher Welt, es kommt zu Situationen, in denen ein Chara optimierter als ein anderer ist. Ein Magier in der Hackerszene, ein Adliger in der verbrecherischen Hafenkneipe - überall da, wo der Chara in eine für ihn andere Welt eintaucht, wird er gedisst. Wenn man es bis auf einzelnen Szenen runterbricht, dann stellt man auch fest, dass einige Charas besser als die anderen passen. Aber das würde ich nicht als Ungerechtigkeit bezeichnen.

EDIT: Ihr schreibt mir zu schnell... Es waren nur 2 Einträge, als ich angefangen habe zu schreiben. Ich finde es ungerecht, dass meine generische Befähigung zum Schreiben hier so ungerecht behandelt wird.   :ctlu:
« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 10:02 von gunware »
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Ein

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #11 am: 30.09.2011 | 10:03 »
Zitat
Ein GUTES System lässt zwar Luschen zu, ermöglicht aber jedem Spieler mit seinem Charakterkonzept einen EFFEKTIVEN Charakter zu bauen. Man muss nur wollen. (oder so) Was eine LUSCHE ist und was ein echter KÖNNER, entscheidet sich dann am SETTING der Kampagne.
Nein, ein gutes Rollenspiel verhindert es, dass ein Spieler aus Versehen eine Lusche baut, außer er will es explizit, denn ein Luschen-Charakter schränkt die Möglichkeit der Spielteilnahme enorm ein.

Beim generischen Rpg besteht nun aber das Problem, dass der Autor des Systems vorher nicht wissen kann, was genau der Spielleiter vorhat. Daher kann er nur Hinweise zu der Balance in den einzelnen Subsystemen geben und Standardfälle explizit beschreiben. Erst in Setting-QBs kann dann noch einmal im Detail auf das Zusammenspiel und die Bedeutung von bestimmten Fertigkeiten und Items eingegangen und natürlich Vorschläge und Bauanleitungen für setting-typische Charaktere geliefert werden.

Da kann man Gurps vorwerfen, was man möchte, aber auf diese Punkte wurde schon immer intensiv eingegangen, weswegen die Gurps-QBs ja auch zu Recht seit jeher einen sehr guten Ruf genießen.
« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 10:06 von Ein »

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #12 am: 30.09.2011 | 10:04 »
Ich finde das Konzept, Stärke sei das wichtigste Attribut in einer mittelalterlichen Welt absolut unzutreffend und ergo die darauf fussende These damit völlig unfundiert.
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

El God

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #13 am: 30.09.2011 | 10:07 »
Ein: Dann sind wir gar nicht soweit voneinander entfernt. Denn ich sehe den SL als regulierenden Mann bei solchen Systemen in der Pflicht. Wenn sich ein Spieler eine Lusche baut, kann der SL ihn warnen: Hey, was du da machst, passt nicht zur Kampagne, ändere doch lieber mal dies und jenes. Und wenn der Spieler das dann immer noch nicht macht, hat er sich halt für eine Lusche entschieden und soll sie von mir aus auch spielen. Das ist allerdings dann kein Grund für den SL, diesen Spieler dafür zu bestrafen, dass er sich keinen hocheffektiven Charakter gebaut hat - nur um dem Argument vorzubeugen.

Offline gunware

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #14 am: 30.09.2011 | 10:21 »
Ich sehe es in generischen Systemen als ziemlich schwierig, sich eine Lusche zu bauen. (Klar, für ein zwei Abenteuer locker möglich, aber für eine jahrelange Kampagne?) Wie will man es denn schaffen, dass die Lusche dann aufgrund dessen, dass sie eine Lusche ist, nicht Spotlight bekommt, weil sie gerettet, behütet usw. muss oder dass sie in den Bereichen, in denen sie dann gut ist (in irgendetwas gut muss sie sein - und auch wenn es nur in der unzähligen Anzahl der Fertigkeiten sein sollte, die sie minimal beherrscht, denn eine kleine Gruppe kann nicht alles abdecken und es findet sich bestimmt eine Nische), irgendwann mal an die Reihe kommt, wo sie dann (fast) zwangsläufig im Vergleich zu den anderen "glänzen" kann?

Als kurzfristige Angelegenheit eine Lusche zu haben? - Möglich. Als langfristige Möglichkeit? - Keine Chance.
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El God

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #15 am: 30.09.2011 | 10:36 »
Bei Spielstile, wo es wirklich "Luschen" gibt, bekommt die Lusche kein Spotlight. Sie stirbt. Zeitig.

Offline gunware

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #16 am: 30.09.2011 | 10:40 »
Bei Spielstile, wo es wirklich "Luschen" gibt, bekommt die Lusche kein Spotlight. Sie stirbt. Zeitig.
So großes Spotlight zu bekommen kommt bei uns sehr sehr selten vor. Meistens müssen sie sich weiter quälen.  8)

Aber um ernst zu bleiben: deswegen sagte ich: jahrelange Kampagne. Wenn die Lusche zeitig stirbt, dann war sie nicht in jahrelangen Kampagne, dann hatte sie nur kurzen Auftritt. So oder so bleibe ich dabei, eine Lusche für jahrelange Kampagne in generischen Systemen zu bauen ist fast unmöglich.

EDIT: noch den ernsteren Beitrag hinzugefügt.
« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 10:45 von gunware »
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Ein

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #17 am: 30.09.2011 | 10:42 »
Leider hat Spotlight je nach Stil ganz andere Quellen. In herausforderungsorientierten Runden haben Luschen einfach keine Möglichkeiten sinnvoll im Spiel zu agieren und damit im Mittelpunkt zu stehen, sondern sie behindern auch noch die anderen SCs.

Balance ist aber eben überhaupt nur in solchen herausforderungsorientierten Runden von Bedeutung. In Runden mit anderen Stilen kann man seine Spotlights jeder Zeit aus anderen Quellen, also nicht aus den Charakterwerte, ziehen.
« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 10:45 von Ein »

Offline OldSam

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #18 am: 30.09.2011 | 10:46 »
Ich würde zustimmen, dass in mittelalterlichen Welten im Schnitt Attribute wie Stärke und Konstitution bedeutsamer sind als in einer modernen Industriegesellschaft mit hohem Bildungsniveau, wo einfach viel höhere Anforderungen und Möglichkeiten in Bezug auf mentale Leistungen bestehen.

Deine Schlußfolgerung halte ich aber für ziemlich irreführend: Grundsätzliches Balancing-Problem ist sowieso immer die Abhängigkeit von einer konkreten Situation. Wenn ich z.B. einen starken Mittelalter-Barbarenkrieger spiele, die meisten Sessions aber in Form von Stadtabenteuern mit viel gesellschaftlicher Interaktion, Intrigen, Untersuchungen u.ä. stattfinden und bei Kämpfen womöglich noch die Stadtwache auf die eigene Seite gebracht werden kann, ist mein Char ziemlich extrem benachteiligt - bspw. gegenüber einem schwachen Barden, ein Chartypus, der ja im Allgemeinen nicht grad für seine Power berüchtigt ist hier aber sehr viel mitmischen könnte ;)
Solche "Probleme" hat man immer auch bei nicht-generischen Systemen.

Entscheidend ist ja die Frage für welchen Char die Spieler sich selbst vor dem Hintergrund der bestehenden Regeln entscheiden, sie wissen worauf sie sich einlassen und können sich überlegen wie sie aktiv ihre Vorteile zur Geltung bringen könnten. Und bei den guten generischen Systemen hat dann auch alles trotzdem seine Vorteile, auch wenn die Gewichtung notwendigerweise situativen Variationen unterliegt. Bspw. wird man Stärke auch in modernen Abenteuern oft brauchen, etwa Soldaten-Chars, die viel Equipment/Panzerung tragen, Feuerwaffen mit viel Rückstoß einsetzen oder auch mal ohne Waffen bestehen müssen usw.
Überdies sind Attribute wie Stärke oft zum ÜBERLEBEN wichtiger als etwa Intelligenz, was auch in der Moderne noch gilt und dementsprechend auch für RPG-Chars eine höhere Wertigkeit bedeutet als für Otto Normalverbraucher ;)
IMHO geht es v.a. um POTENTIAL, das durch die Punkte ausgedrückt wird! Der Spieler hat die Möglichkeit durch geschickten, kreativen Einsatz seiner Char-Vorteile viel aus seinem Potential herauszuholen - trotzdem passt nicht jedes Blatt in jeder Situation, mal gewinnt man, mal verliert man, alles andere wäre auch langweilig...
Last but not least gibt es natürlich auch sehr viele, die ein Charakterkonzept v.a. plausibel umsetzen möchten und dabei sind Punktwertigkeiten nicht immer bedeutend  - zudem man vielleicht den gleichen Char auch mal per Zeitreise woanders hinschicken will, jedes Mal die Punkte umändern wäre dann alles andere als glücklich... ;)

« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 10:53 von OldSam »

ChaosAmSpieltisch

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #19 am: 30.09.2011 | 10:50 »
auch nicht zu vergessen, dass viele Volkssagen darum gehen, Gegner zu besiegen, die man nicht körperlich besiegen kann, sondern austricksen muss (beliebt ist hier ja in Europa der Teufel).

Daher mag für Otto Normalbauer im Mittelalter Ausdauer und Kraft wichtiger gewesen sein, als Intelligenz, seine Helden waren aber Leute die listig und klug waren.

Otto Normallohnsklave braucht keine Stärke mehr, sondern Intelligenz und (meiner Meinung nach wichtiger) Charisma um zu überleben (hier gleich seinen Job zu behalten), seine Helden sind aber Stark und Geschickt.

Offline Horatio

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #20 am: 30.09.2011 | 10:57 »
Ich komm nicht ganz mit. Wenn in einem Setting ein bestimmter Bereich mehr wert ist, was zwingt mich dann nicht in diesen wichtigen Bereich zu investieren? Wenn Intelligenz weniger wichtig ist als Stärke, warum soll ich dann Stärke kaufen? Wenn bestimmte Konzepte in dem Setting wenig Sinn machen (wie der Krieger in einer Diplomatenkampange), warum bin ich dann gezwungen dieses Konzept zu wählen?

Zusätzlich was ist mit Systemen wie PDQ, FATE und vielen vielen anderen bei denen man Werte selbst definieren kann bzw. ein Charakter weniger über „Realismus“ als über „thematische Bedeutung“ gebaut wird?

Ebenso, warum messen wir zwangsläufig Gerechtigkeit in Form von „Charaktereffizienz“? Was ist mit Spotlight? Ein Großstadbewohner in der Wildnis wird aufgrund seiner „Schwächen“ vermutlich mehr, zumindest aber anderes Spotlight bekommen als der Großwildjäger, während ein Barbar in einer modernen Großstadt ebenso sehr viel Spielzeit abgreifen wird oder zumindest das Potenzial dazu hat; wieder über seine Unfähigkeiten.

Wenn ich ehrlich bin - aber vielleicht hat mich das Internet auch einfach nur verbittert - sehe ich in dem Ausgangspost mit den Andeutungen und dem gewählten Beispiel nur eine Kritik an GURPS die in etwa aussagt: „GURPS wird seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht“. Dazu muss ich sagen das meines Wissens GURPS seit den 90ern stark zurückgerudert hat, was den „für alles ein System“ Anspruch betrifft; auf jeden Fall so etwas als Theoriethread zu "tarnen" ist schon etwas frech ;).
« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 21:16 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
that would be revealed after the fact, not before.
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Offline sir_paul

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #21 am: 30.09.2011 | 11:02 »
[...] mit den Andeutungen und dem gewählten Beispiel nur eine Kritik an GURPS die in etwa aussagt: „GURPS wird seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht“.

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Samael

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #22 am: 30.09.2011 | 11:23 »
Ich kann die Argumentation nicht nachvollziehen.

Der Spieler WEISS doch, wenn er sich den Charakter erstellt in welcher Hintergrundswelt gespielt wird. Wie kann es dann ungerecht sein, wenn STÄ in einem Setting weniger wichtig ist?

Offline Horatio

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #23 am: 30.09.2011 | 11:25 »
@ Sir Paul
Das macht es nicht weniger frech :P.


Ergo: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
Dann fordere ich die Schlussfolgerung des Ausgangsposts doch mal heraus und bitte mir zu zeigen, wo und wie PDQ (gerne auch #, das kenne ich besser^^) als generisches System mit selbst festlegbaren Werten (oder auch RISUS, das ist weniger zu lesen ;)) nicht genrisch ist oder nicht gerecht ist ;).. oder wo SR4 als nicht generisches System das Problem der unterschiedlichen Effizienz von Chrakterkonzepten besser in den Griff bekommt ;).

Schlechtes Design hat nichts mit „Universalität“ zu tun und kann so oder so nur an den Designzielen gemessen werden, was wieder heißt man muss die Ansprüche die das Produkt an sich selbst stellt heranziehen und sehen ob es diese erfüllt (und wenn man soweit zurück gehen will, ob diese überhaupt sinnvoll sind). Fällt unter das Schlagwort „Focused Design“ und dafür ist SW oder D&D4 (3 kenne ich nicht wirklich) jeweils ein Paradebeispiel.
« Letzte Änderung: 30.09.2011 | 12:15 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
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Offline Oberkampf

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Re: Generisch und gerecht schließen sich gegenseitig aus.
« Antwort #24 am: 30.09.2011 | 11:53 »
Nun, ich gehöre zu den Leuten, denen "Balance" / "Gerechtigkeit" im Regelwerk wichtig ist. Ich mag es nicht, wenn dem SL auch noch die Aufgabe aufgebürdet wird, die Balance zwischen den Charakteren herzustellen, weil sowas dem Regelwerk egal ist.

Sir_paul hat auf den aus meiner Sicht wichtigsten Punkt bereits hingewiesen: es geht nicht um den Vergleich der durchschnittlichen Normalbevölkerung, sondern um einen Vergleich von Abenteurern. Der ist zugegebenermaßen immer auch abhängig von der konkreten Spielwelt, der konkreten Kampagne und dem am Tisch üblichen Spielstil.

Allerdings gibt es ein paar sehr häufig, ich würde fast sagen in jeder Kampagne, auftretende Aspekte. Konflikte finden statt, die entweder als Kämpfe oder als soziale Interaktion gespielt werden. Wenn es dabei zu Verletzten oder in ihrem Selbstbewusstsein erschütterten Charakteren kommt, brauchen die ärztliche Hilfe. Die Gruppe muss oft Heimlichkeits- und Einbruchsaufgaben bewältigen, und einige generelle Situationen erfordern Sportlichkeit und Beweglichkeit (Klettern, Schwimmen, Balancieren usw.) Vielleicht kommen dazu noch Wettrennen irgendeiner Art (Pferde, Kutsche, Auto, Raumschiff...). Dies kann bis hin zum Fahrzeug- oder Massenkampf gehen. Diese Sachen kommen so häufig vor, dass ein generisches Regelwerk hier für Ausgleich unter Klassen und Fertigkeiten sorgen muss - und kann.

Daneben gibt es einige Settingspezifische Angelegenheiten - Wildnisfähigkeiten sind in der Fantasy oder in Far Outer Space Pulp-Sachen wahrscheinlich nützlicher als in 1930er- oder Cyberpunk-Settings. Recherche ist dagegen in 30er-Jahre Detektiv- oder Horrorsettings besser, während Wissen(Computer) beim Cyberpunk seinen Nutzen hat. Und das ist tatsächlich so eine Sache, wo das generische System ins Schleudern kommen kann. Allerdings sind das nur verhältnismäßig kleine Gebiete, die mit settingspezifischen Zusatzregeln ausgewogen werden können.

Nach meinem Eindruck ist ein Regelwerk dann gebalanced, wenn es den Charakteren der Spieler ermöglicht, in allen wichtigen Gebieten der Kampagne einen wichtigen Beitrag zum Gruppenerfolg zu leisten.
Das kann über Nischenspezialisierungen laufen, was aber dann Nachteil hat, dass mehrere auf die gleiche Nische spezialisierte Charaktere in einer Gruppe sich die Butter vom Brot nehmen und hier (z.B. im Falle eines Klassensystem) systeminterne Ungerechtigkeit sich gravierend auf die Stimmung ausübt.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass unterschiedliche Charaktere auf unterschiedliche Weise im Teamwork gleichermaßen zum Gruppenerfolg beitragen. Beispielsweise können in D&D(4) alle Charaktere im Kampf etwas wichtiges leisten - selbst wenn sie außerhalb des Kampfes unterschiedliche Nischen besetzen. Auch in diesem Fall muss auf eine faire Verteilung der Chancen geachtet werden, ansonsten provoziert man am Tisch nur Stress.  
Dans un quartier qui est triste à tuer
Prends des bombes de peinture et bombe tout
Ecris se que tu penses sur les murs!
Couleurs sur Paris...nanana...
Il est temps de changer... na nana na