Nun, ich gehöre zu den Leuten, denen "Balance" / "Gerechtigkeit" im Regelwerk wichtig ist. Ich mag es nicht, wenn dem SL auch noch die Aufgabe aufgebürdet wird, die Balance zwischen den Charakteren herzustellen, weil sowas dem Regelwerk egal ist.
Sir_paul hat auf den aus meiner Sicht wichtigsten Punkt bereits hingewiesen: es geht nicht um den Vergleich der durchschnittlichen Normalbevölkerung, sondern um einen Vergleich von Abenteurern. Der ist zugegebenermaßen immer auch abhängig von der konkreten Spielwelt, der konkreten Kampagne und dem am Tisch üblichen Spielstil.
Allerdings gibt es ein paar sehr häufig, ich würde fast sagen in jeder Kampagne, auftretende Aspekte. Konflikte finden statt, die entweder als Kämpfe oder als soziale Interaktion gespielt werden. Wenn es dabei zu Verletzten oder in ihrem Selbstbewusstsein erschütterten Charakteren kommt, brauchen die ärztliche Hilfe. Die Gruppe muss oft Heimlichkeits- und Einbruchsaufgaben bewältigen, und einige generelle Situationen erfordern Sportlichkeit und Beweglichkeit (Klettern, Schwimmen, Balancieren usw.) Vielleicht kommen dazu noch Wettrennen irgendeiner Art (Pferde, Kutsche, Auto, Raumschiff...). Dies kann bis hin zum Fahrzeug- oder Massenkampf gehen. Diese Sachen kommen so häufig vor, dass ein generisches Regelwerk hier für Ausgleich unter Klassen und Fertigkeiten sorgen muss - und kann.
Daneben gibt es einige Settingspezifische Angelegenheiten - Wildnisfähigkeiten sind in der Fantasy oder in Far Outer Space Pulp-Sachen wahrscheinlich nützlicher als in 1930er- oder Cyberpunk-Settings. Recherche ist dagegen in 30er-Jahre Detektiv- oder Horrorsettings besser, während Wissen(Computer) beim Cyberpunk seinen Nutzen hat. Und das ist tatsächlich so eine Sache, wo das generische System ins Schleudern kommen kann. Allerdings sind das nur verhältnismäßig kleine Gebiete, die mit settingspezifischen Zusatzregeln ausgewogen werden können.
Nach meinem Eindruck ist ein Regelwerk dann gebalanced, wenn es den Charakteren der Spieler ermöglicht, in allen wichtigen Gebieten der Kampagne einen wichtigen Beitrag zum Gruppenerfolg zu leisten.
Das kann über Nischenspezialisierungen laufen, was aber dann Nachteil hat, dass mehrere auf die gleiche Nische spezialisierte Charaktere in einer Gruppe sich die Butter vom Brot nehmen und hier (z.B. im Falle eines Klassensystem) systeminterne Ungerechtigkeit sich gravierend auf die Stimmung ausübt.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass unterschiedliche Charaktere auf unterschiedliche Weise im Teamwork gleichermaßen zum Gruppenerfolg beitragen. Beispielsweise können in D&D(4) alle Charaktere im Kampf etwas wichtiges leisten - selbst wenn sie außerhalb des Kampfes unterschiedliche Nischen besetzen. Auch in diesem Fall muss auf eine faire Verteilung der Chancen geachtet werden, ansonsten provoziert man am Tisch nur Stress.