Ich habe eigentlich das persönliche Prinzip, nicht über neue, mir nicht bekannte Systeme und auch nicht über geschäftliches Gebaren zu schreiben. Aber an dieser Stelle kann ich mich nicht beherrschen; obwohl mir schwant, dass ich es bereuen werde.
Meschen sind und erst einmal alles Madig machen was wir nicht kennen
Mag sein, dass wir das eigentliche Produkt (bzw. die bis jetzt davon existierenden Ideen) nicht kennen. Was wir aber sehr wohl kennen und vergleichen können sind Werbemethoden, Informationspraxis und Crowdfunding-Projekte. Und das hier vorliegende Vorgehen erscheint mir auf mehreren Ebenen... wenig durchdacht oder wahlweise frech. Ich finde das allerdings eher traurig als ärgerlich.
Das folgende ist eine ganz persönliche Darstellung einer Meinung!!!Der Verlag und die Urheber sind noch nicht mit vergleichbaren Produkten bekannt. Dennoch gibt es außer dürftigen Leseproben kein Anschauungsmaterial. Dinge wie die strukturellen Dynamiken der Spielwelt und des Regelwerks (also für das Spiel entscheidende Merkmale) werden überhaupt nicht thematisiert. Dadurch ist die zu erwartende (auch subjektive) Qualität nicht zu bewerten. (Sie kann natürlich großartig sein. Aber wenn unbegründete Möglichkeiten den Grund zum Zahlen darstellen, kann ich auch Lotterielose kaufen.)
In diesem Zusammenhang finde ich "Everything is possible" schon grenzwertig. Ich möchte wissen: "Was kann ich spielen?" "Was tue ich im Spiel?" "Wie wird das umgesetzt?"
Noch schlimmer wird es bei: "Wir haben große Erfahrungen und Leidenschaft im Bezug auf Rollenspiel!" Das ist leider ebenfalls ein Nicht-Argument (kein Gegenargument, sondern einfach gar kein Argument). So etwa wie:
Gebt mir Geld für einen abendfüllenden Spielfilm - ich war schon so oft und mit so großer Begeisterung im Kino, das bekomme ich hin! Gebt mir einen Plattenvertrag - ich höre viel Musik! Verlegt mein Buch - ich lese unablässig! usw."Es gibt noch kein Steampunkrollenspiel..." Wirklich? Recherche? Grade die Unterscheidungsmerkmale zu bereits existierenden Produkten (Castle Falkenstein, Iron Kingdoms, Space 1889, GURPS Steampunk, Etherscope usw. usf.) hätten mich interessiert. Und als Nicht-Steampunk-Kenner habe ich jetzt grade mal nur Dr. Google zu "Steampunk RPG" befragt...
Risiken und Herausforderungen sind nur mit ein paar Allgemeinplätzen formuliert. Grade bei einem so unbekannten Verlagshaus und Null Referenzen in diesem Bereich, möchte ich da konkrete Einschätzungen hören.
Richtig daneben ist dann aber die Ankündigung von
Übersetzungen als Stretch-Goals!
Situation A Ich spreche Deutsch und Englisch. Ich finanziere also zunächst das deutsche Produkt und dann evtl. noch die englische Übersetzung - dann habe ich zweimal das gleiche Produkt (nur in zwei Sprachen, die ich verstehe). Was für ein Mehrwert!
Situation B Ich spreche nur Deutsch. Deswegen finanziere ich das Produkt. Sollte ein Überschuss entstehen habe ich gar nichts davon...
Situation C Ich spreche nur Englisch. Deswegen hoffe ich, dass die Übersetzung zustande kommt. Finanziere aber zunächst immense Arbeiten (Schreiben, Lektorat und deutsches Layout) die mir absolut nicht zugute kommen. Mit dem zusätzlichen Risiko, dass es nachher nur ein Produkt gibt, dass ich nicht verstehe.
Stretchgoals sollten nach meinem Empfinden einen Mehrwert für den Kunden bieten. Eine Übersetzung als Stretchgoal bietet vor allem den Mehrwert für den Verlag - nämlich den Ausbau der Zielgruppe.
Das Schlimmste für mich ist, dass ich den Leuten im Video sogar ihren Idealismus und Enthusiasmus abkaufe. Die haben da Bock drauf, die sind Fans und der Kommerz steht nicht an erster Stelle. Da möchte jemand sein Hobby zum Beruf machen. (Legitim und mutig.) Aber dann ist der Kickstarter blauäugig und gedankenlos zusammen gestellt - und vor allem als Geschäftsmodell zu diesem Zeitpunkt viel zu früh angesetzt. Da möchte jemand mit dem Kopf durch die Wand; Olympionik werden, ohne jemals an Kreismeisterschaften teilgenommen zu haben.
Ich schreibe mir das von der Seele, da ich in der Möglichkeit deutscher Kickstarter (bei guter Qualität) durchaus eine Chance für die Szene sehen würde.