Die nächste Schicht kriegen Ray, Jas, und abermals Winston.
„Warum wollt Ihr mir nicht sagen, wo die Fahrt hingeht?“, fragt Winston. Unüblicherweise sitzt er hinten, statt auf dem Fahrersitz. Ray fährt den Lieferwagen heute.
„Weil Peter gesagt hat, Du hättest möglicherweise Einwände gegen unseren heutigen Arbeitsort!“, kichert Jas, „Also sagte Phil daraufhin, wir sollten es Dir erst verklickern, wenn wir da wären. Damit Du auch mitmachst. Phil meinte, wenn Du erstmal da bist, lässt Du uns nicht hängen, aus Pflichtgefühl, Bruder!“
„Ich weiß nicht genau, ob ich nicht
selber auch Einwände habe …“, murmelt Ray.
Winston sagt spöttisch, „Was weiß denn Venkman schon?! Wieso, was hat er denn gesagt?“
Ray meint defensiv, „Na, wegen Christentum und so!“
Jas nickt demonstrativ, „Ja, Bruder, Du hast doch im Central Park angeblich so weihnachtlich daher geredet! Richtig fromm sollst Du auf den seltsamen Simon Alderwick eingewirkt haben, am Schluss!“
„Ach, das. Das war eigentlich nur, um den von seiner fixen Idee abzubringen. Ihr hättet sehen sollen, wie die drei Weißbrote rumgestottert haben, haben sich richtig einen abgebrochen. Und überhaupt, Ray,
Du bist doch derjenige, der mal auf der Priesterschule war!“
Stantz nickt, „Bis ich dort gelernt habe, dass Religion nicht wirklich was für mich ist, das war die größte Lektion, die ich dort bekommen habe! Aber das hier, also, heute, also, der Einsatzort …“
Winston grinst, „Na, was kann es schon sein? Eine Zweigstelle von den Scientology-Spinnern? Ein städtischer Satanskult? Die Hauptstelle von McDonalds?“
Ray winkt ab, „Nee nee, nichts dergleichen. Halb so wild. Wirst es gleich sehen. Meine Güte …!“
Jas kichert, er findet das alles offensichtlich total spaßig.
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„... Ein
Stripclub?!“, fragt Winston, als sie vor dem Gebäude gehalten haben. Sie sind mitten in der Rotlichtmeile der 42nd Street.
„Auch an Orten des Frohsinns wie diesem kann es spuken!“, sagt Dr. Elliott, als er den Kofferraum des Vans aufmacht.
„Hättet Ihr mir gleich sagen können“, sagt Winston amüsiert, „Hey, Jungs. Ich war Marine, und Taxifahrer. Dachtet Ihr etwa, mein Glaube hätte mich davon abgehalten, mit meinen damaligen Kollegen in einen Schuppen wie diesen rein zu gehen?“
Ray sagt, „Oh, ja, na ja! Jetzt wo Du’s sagst, war das wahrscheinlich eine unangebrachte Annahme!“
Jas kichert, währen er sich seinen Ausrüstungsgürtel umlegt, „Aber sprich‘ lieber ein kleines Ave Maria, dann und wann, Bruder! Die Versuchungen da drin sind wahrscheinlich mannigfach!“
Ein sehr kleiner, sehr dicker Typ im Seidenanzug kommt ihnen entgegen, ringt dabei die fetten Hände mit den vielen Diamantringen. Er ist blass im Gesicht, mit Doppelkinn, dünnem Schnurrbart, und pomadisierten Haaren.
„Die Geisterjäger! Na endlich, was hat denn da so lange gedauert?! Wir stehen hier Höllenqualen aus! Die Mädchen sind alle ganz vogelig! Dabei müssen die doch
auftreten, die verheulen mir ja alle ihren Teint, so kann ich die ja nicht auf die Gäste loslassen! Auf glühenden Kohlen sitzen wir hier! Vor einer
Dreiviertelstunde habe ich schon angerufen! Sind Sie drei mit angezogener Handbremse gefahren, oder was?“
Jas grinst, „Tut uns mächtig leid, Sir! Der vorweihnachtliche Verkehr ist der Wahnsinn, alle schon im Kaufrausch, und noch dazu wird die 42nd Street von wahrhaft diabolischen Phänomenen heimgesucht!“
„Oh?!“, keucht der fette, kleine Clubbesitzer, „Mussten Sie auf dem Weg hierher schon was einfangen?“
„Nein, das nicht“, witzelt Jas, „Die 42nd Street ist doch
immer so. Kennen Sie bestimmt.“
„Soso! Scherzbold“, kommentiert der Kunde, „Also, hübsch ans Werk! Meine Künstlerinnen sind in heller Aufruhr. Es hat wieder Kleiderständer und Schranktüren bewegt, und es lässt alle Spiegel beschlagen.
Menschliche Spanner in der Umkleide sind ja schon schlimm genug! Dafür habe ich fünf von New Yorks besten Rausschmeißern. Aber
ein Unsichtbarer! Das habe ich ja noch nie erleben müssen, das ist ja ein Skandal, ein absoluter
Skandal ist das!“
„Wer hat denn die Spukphänomene vorhin beobachtet, Sir?“, fragt Jas freundlich, während er bereits sein PKE-Gerät hin und her schwenkt, „Sie selbst?“
„Nein, nein! Ich bekomme das immer nur zugetragen. Hier passiert nichts, aber auch gar nichts, ohne dass es mir zu Ohren kommt! Es war in Umkleide Nummer drei.“
„Dann wollen wir dort mal einen vorsichtigen Blick hinein werfen!“, nickt Jas, und versucht, ernst zu gucken.
„Ja, äh, genau … ähm“, nickt Ray.
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„Schnell, halt‘ Dir die Augen zu, Bruder!“, raunt Jasper verschmitzt Winston zu, als sie auf dem schummerig beleuchteten Flur die Tür mit dem großen Goldstern öffnen, „Wir sagen Dir, wann Du wieder gucken kannst!“
„Spätestens, wenn ich auf den Spuk schießen soll, oder?“, schlägt Winston vor. Er macht aber natürlich keine Anstalten, tatsächlich fromm den Blick abzuwenden, als sie reingehen.
Drei Tänzerinnen in äußerst fluffigen, bunten Federboas sind hier drin. Eine sitzt mit an sich gezogenen Knien auf einer fast mannshohen Kommode und zittert wie Espenlaub. Eine andere sitzt auf einem Barhocker neben ihr, hält ihre Hand, und redet ihr gut zu. Die dritte sitzt an einem der Spiegeltische, welche die Wände säumen, und zupft an ihren künstlichen Wimpern herum, eine Zigarette in der anderen Hand.
„Mädels, Mädels!“, sagt der Clubbesitzer Mickey Sullyvan, unterlegt von einem nervösen Händeklatschen, „Die Fachleute sind da! So! Ihr müsst jetzt
endlich da rauskommen, hopp hopp! Lasst die Herren mal schön arbeiten!“
Das Dickerchen traut sich jedoch nicht in die Umkleide hinein, er bleibt hinter den drei Wild Cards, wo er sich sicherer fühlt.
„Mirna will da aber nicht runterkommen!“, sagt die Tänzerin, die auf dem Barhocker sitzt. Die, dessen Hand sie hält, dürfte Mirna sein, „Eine geschlagene halbe Stunde hab‘ ich jetzt auf sie eingequatscht, damit sie sich abregt!“
„Haben Sie das Gespenst gesehen?“, fragt Ray.
„Schock!“, erklärt die Tänzerin, „wahrscheinlich Schock. Die Arme hat manchmal flatterige Nerven!“
Jas will wissen, „Und Sie da hinten, mit der Zigarette? Auch unter Schock? Übersprungshandlung?“
„Sind Sie blau?“, fragt die Raucherin am Zurechtmachtisch und wendet sich halb um, „Ich muss hier fertig werden, ich bin gleich dran! Und Mickey sagt, wir dürfen das Abendprogramm nicht unterbrechen!“
„Sehr richtig“, lässt Mister Sullyvan sich aus dem Hintergrund vernehmen.
„Sie müssen eben um uns rum arbeiten“, sagt die Aschblonde auf dem Barhocker.
„… Ich
geh‘ da nicht runter!“, stößt Mirna auf ihrer Kommode hervor.
„Musste auch nicht, Schätzchen“, sagt ihre Kollegin tröstend.
„Ja, doch, ich denk‘ schon!“, sagt Ray, „Das sind Nuklearbeschleuniger hier, mit denen wir hier unsere Arbeit machen! Da können wir, mit Verlaub, die Damen, nicht einfach so um Beistehende herum arbeiten …“
„Wir sind doch keine Putzkolonne, wo Sie einfach nur die Füßchen zu heben brauchen, damit wir staubsaugen können!“, sagt Jas, und verkneift sich schon wieder ein Grinsen.
„Soll das heißen, das sind Ballermänner?“, fragt die Raucherin verstört.
„Nuklearbeschleuniger, ja“, nickt Zeddemore, etwas defensiv.
„Typisch Dreibein!“, kommentiert die Aschblonde, „Alles, was Ihr Euch ausdenken könnt, sind Pimmel-Metaphern!“
„
Was für Metaphern?!“, fragt Stantz mit großen Augen, „Pimmel-
Wie bitte?!“„Sogar, um Gespenster zu fangen! Alles muss bloss immer phallisch sein, was?“, sagt die Aschblonde mit süffisantem Lächeln.
„Äh …?“, sagt Stantz.
„So, Mädels, jetzt raus, habe ich gesagt! Hopp, hopp!“, wiederholt Sullyvan aus dem Off.
„Mirna kann doch nicht! Die traut sich da doch nicht runter! … Oder traust Du Dich jetzt, Mirna?“, fragt die Aschblonde.
„… Nee …“, haucht diese, „Was ist, wenn es mich schnappt, wenn ich den
Boden berühre …?“
„Das schnappt Dich schon nicht!“
Die Raucherin derweil hat keine Angst, die springt auf und läuft an den Wild Cards vorbei nach draußen, „Wenn der Krawall hier drin wieder losgeht, mache ich mich eben
nicht fertig! Vor allem, wenn hier noch
rumgeballert wird! Ach Du meine Fresse!“
Jas geht weiter in den Raum rein, und scannt mit dem PKE-Gerät die Spiegeltische.
„Die sind unerklärlich beschlagen, sagen Sie?“, und er deutet auf das Glas.
„Ja, ja!“, kommt es von Sullyvan.
„Haben Sie beide das gesehen? Mirna, und …?“
„Nicolette LaRue! Etwa noch nie von mir gehört, Sie ach-so-tollen Promis?“, fragt die Aschblonde.
„Lasst die netten Herren jetzt mal arbeiten!“, sagt Mickey Sullyvan, jetzt fast verzweifelt.
„Ja,
haben wir gesehen!“, sagt Nicolette, „erst der Spiegel da, dann der daneben, dann diese dort. Als wäre … weiß auch nicht …“
„Als wäre
auf der anderen Seite jemand
durchgegangen! Jemand ganz Kaltes, der Kälte verströmt! Auf der anderen Seite der Spiegel!“, bringt Mirna laut hervor, und beginnt nun heftig zu zittern.
„Ja, von da nach da“, nickt Nicolette, „Aber weiß nicht mehr genau, da waren wir schon abgelenkt. Vorher sind da beim Eingang doch die ganzen Schranktüren aufgeflogen, und der Kleiderständer hat sich bewegt, und Liz hat die ganzen Lippenstifte an den Kopf gekriegt.“
Jas Elliott läuft die Zurechtmachtischchen ab, und scannt weiter. Die Orakelwürfel bestätigen: Er kriegt ein Signal rein, und es wird stärker!
„Es ist immer noch hier!“, sagt er halblaut, „Ich empfehle jetzt wirklich, die Umkleide zu räumen! Und zwar alles, was keinen Positronenkollidierer trägt!“
Dank seinem
Attractive-Bonus wird der
Persuasion-Wurf grade so noch ein Erfolg.
„Komm‘ schon!“, sagt Nicolette, und steht von ihrem Barhocker auf, „Oder soll ich Dich Huckepack nehmen!“
„Nein, nein, ich komm‘ schon“, wispert Mirna, wirft Jas noch schafhaft einen Blick zu, dann hüpft sie von der Kommode herunter, und ist mit drei großen Sätzen draußen.
„
Sie regeln das hier drin jetzt besser!“, sagt Mickey Sullyvan.
Die Orakelwürfel entscheiden: In dem Moment geht auch schon der Spuk wieder los!