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Emanuele Arioli - Ségurant. Die Legende des Drachenritters. Das vergessene Mitglied der ArtusrundeZunächst einmal ist es ein schönes Buch, welches der Autor hier ediert hat, und der Abschluss einer spannenden Forschungsgeschichte, die in der deutschen Variante aber auf das Notwendigste reduziert ist. Dasselbe gilt für die Einordnung des Werkes, welche zwar spannend zu lesen ist, aber durch die Einkürzung für Nichtkenner der Materie - zu denen ich auch gehöre - in der Luft bleibt und den Anschluss an andere Artussagen schwierig macht; und es dem Grund nach auch bleiben wird, da Ségurant eher eine Ergänzung als alter Kern der Materie ist.
Die Geschichten zu Ségurant sind ansprechend und sinnfällig kompiliert, und wie in der Übertragung von Texten aus Mittelalter und früher Neuzeit üblich natürlich nicht abschließend, so dass manche Fäden der Geschichte ins Nichts laufen, sich teils widersprechen oder Vorwissen benötigen, welches wir 500 bis 700 Jahre später nicht mehr ohne Weiteres vorhalten können.
Das Werk wird als Weltsensation gepriesen. Ob es das ist, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall ist es ein lesenswerter Exkurs in den (spät-)mittelalterlichen Ritterroman. Der Editor versucht damit ein Stück weit durch die Übertragungsgeschichte auch die Lücke zwischen den Zeiten zu schließen, sozusagen von Sigurd/Siegfried im Sinne der Nibelungen/nordischen Mythologie über Ségurant bis Don Quijote, was aber nur sehr ansatzweise gelingt.
Spannend für mich selbst war eher der Aufbau und die Symbolik der Haupterzählung, in der Ségurant zwar unbesiegbar erscheint, aber eben nur was das Ritterhandwerk angeht, dann aber durch Zauber einer Illusion erliegt und einen mehr oder minder imaginären Drachen jagt und darüber verloren geht. Bei aller körperlicher Unantastbarkeit, eben doch anfällig bleibt; und damit insgesamt das Rittercredo spielerisch hinterfragt. Noch spannender war für mich der Charakter des Dinadan, der nicht nur spöttisch ist, wie im Begleittext beschrieben, sondern eher sogar starke, kynische Züge trägt, und selbst eine eher graue Gestalt ist. Darüber hinaus werden die Gestalten der klassischen Artusrunde in diesen Erzählungen eher kritisch behandelt, allen voran der unreflektiert folgsame Lancelot (Grüße gehen raus an Niniane

), welcher der Dame vom See blind und uneingeschränkt folgt, und der als äußerst schwach und semidebil dargestellte König Artus, der seine Schwester Morgana einfach nicht in den Griff bekommt.
Die Ausgabe ist ausnahmslos schön gestaltet und ansonsten gut kompiliert. Es ist jedoch mitnichten eine kritische Ausgabe, sondern eben eine Grundlagenkompilation, die eher ein Lesevergnügen sein darf und soll; und sicher eines Tages durch eine kritische Ausgabe ergänzt werden wird.
7 von 10 Punkten