Autor Thema: [Hard SF] Redshift - Redux  (Gelesen 2929 mal)

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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #50 am: 21.12.2025 | 01:21 »
Mal wieder ein Bump.

In den letzten Tagen habe ich im Zusammenhang mit dem Future History Thread mit einigen von euch über Redshift gesprochen, und nun ist mir bei der Durchsicht dieses Threads aufgefallen, dass ich gerade bei der Tech mich öfter darin verrannt habe zu erklären, was _nicht_ geht, statt darüber zu sprechen, was geht bzw wie die real existierende Technologie im 23.Jh aussieht.

Vorbemerkung für Laien: bei interplanetarer Raumfahrt kommt es vor allem auf den spezifischen Impuls (Isp) des Antriebs an, was quasi den "Verbrauch" bezeichnet -- der Isp ist direkt proportional zur Ausströmgeschwindigkeit (v_e) des Antriebsstrahls. Also zB v_e 3000m/s --> Isp 300s.
Heutige chemische Triebwerke haben einen Isp von grob 300-450s.

Wie schon im Eingangsbeitrag erwähnt, teile ich die Antriebstechnologie in 4 Generationen ein:

Gen 1:
NTR [Nuclear Thermal Rocket] Fission Solid/Closed: das womit man schon ab den 1950ern rumexperimentiert hat. Quasi ein heute üblicher Kernreaktor in Space; man erhitzt Wasserstoff im Reaktor *zisch* --> eine Rakete. Längst komplett veraltet, auch da der spezifische Impuls (Isp) gerade mal doppelt so hoch ist wie bei chemischen Triebwerken (800-1000s).

Gen 2: "Hulks"
NTR Fission Gas/Closed ("Nuclear Lightbulb": basiert auf einem echten nasa-Konzept, ist aber ein "engineering nightmare". Hier lässt man den nuklearen Brennstoff nicht nur schmelzen, sondern sogar verdampfen, und hält ihn in Quarzröhren gefangen, durch die hindurch Wärmestrahlung entweicht um den Wasserstoff aufzuheizen, wieder Zisch. Ziemlich massive Konstruktion, viel Strahlenschutz erforderlich. Isp ca 3000s, maximale Leistung 4,5GW.
Ein Transfer wie Erde-Mars ist hier bereits ab 1 Monat Reisezeit machbar, aber Erde-Saturn benötigt über 1,5 Jahre.
Einige Exemplare sind immer noch im Einsatz, Typus "Seelenverkäufer".

Gen 3: "Hauler" oder "Liner"
NTR D-3He Fusion/Closed: In einem zylindrischen Fusionsreaktor werden Deuterium und Helium-3 fusioniert; die Energie wird größtenteils in Form von geladenen Teilchen freigesetzt und nur zu etwa 5% als gefährliche Neutronenstrahlung. Hiermit ist ein Isp bis 10.000s möglich; die Leistung ist vor allem durch das Abwärmemanagement begrenzt und liegt typischerweise bei 6-7GW. Insgesamt durch die Bank ein großer Sprung nach vorn gegenüber den hässlichen Fissionsantrieben. Dennoch dauert ein Erde-Saturn-Transit damit immer noch ca 180-200 Tage.

Gen 4: "Clipper"
NTR D-3He Fusion/Open: hier findet die Fusionsreaktion in einer magnetischen Flasche statt, die lediglich von einer offenen Gitterstruktur (Open Lattice) umgeben ist. Dadurch kann der Großteil der Strahlung kontaktfrei ins All entlassen werden, was den Strahlenschutz für das Schiff und das Abwärmemanagement vereinfach und so das Triebwerk um Faktor 6 mächtiger macht. Entsprechend sind hiermit bis zu 60.000s Isp und 40GW Schubleistung möglich. Damit kann mehr Nutzlast in kürzerer Zeit transportiert werden -- Erde-Saturn in ca 90-100 Tagen, also doppelt so schnell wie Gen 3.

Die D-3He Technologie ist mit Gen 4 ziemlich ausgereift, mit weiteren Riesensprüngen ist nicht mehr zu rechnen, höchstens mit inkrementellen Verbesserungen. Ein Nachfolger ist bis auf Weiteres nicht in Sicht. (Wie weiter oben schon diskutiert ist D-D Fusion leider keine Alternative.) Das hier ist auf absehbare Zeit as good as it gets. Der nächste Technologiesprung wäre wohl 3He-3He Fusion, die aber nochmal um etwa Faktor 30 schwieriger ist als D-3He.

Anmerkung: die Erschließung des Saturn ist dabei ein bisschen ein Henne-Ei Problem: ohne D-3He Fusion ist das ein echt langwieriger Prozess (siehe Transitzeiten), aber woher das 3He nehmen ehe man es nicht industriell abbaut? Ich vermute, dass man in einer Zwischenphase zur Überbrückung mühsam 3He aus Lithium hergestellt hat. Quasi so wie man sich heute die Erbrütung von Tritium für D-T Fusion vorstellt, nur dass man das Tritium dann nicht wieder in einen Fusionsreaktor füttert, sondern einfach liegenlässt, bis es zu 3He zerfallen ist.

Und BTW, die Leistungslimits (6GW, 40GW) habe ich mir nicht einfach aus dem Arsch gezogen, sondern diese haben sich ganz von selbst aus den Berechnungen des Abwärme/Strahlungsmanagements ergeben. Ich hatte ursprünglich mal willkürlich 120GW gesetzt, musste das aber entsprechend nach unten korrigieren.

Soviel für den Moment. Ich hätte auch noch Lifter-Technologien (also Transport aus einer Schwerkraftsenke in den Orbit) in petto, sowie eine etwas längere Beschreibung eines modernen Clippers. ^^
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #51 am: 21.12.2025 | 08:26 »
 :d :d :d :d :d :d
deine Rechnungen sollten für den Hobbybereich reichen, ansonsten hätte garantiert MurXs ein Stipendium für dich frei  >;D

die monatelange Reisezeiten sind doch ok, damit kann die "TrueHeldenTM können sich nur auf sich selbst verlassen und nicht simpel zu den Behörden gehen"-Grundkonstruktion funzen.

wenn der Fusionierungsstoff wertvoll(er) in Erd/Marsnähe wird, begünstigt das doch Schmuggler bzw. Bestechung (hey Hafenmeister, statt mich aufzutanken kannste was abzwacken, aber keine weiteren Fragen zu meiner sonstigen Ladung)

nicht buchhalterisch erfasstes "Schwarz-Helium" als Schmiergeldersatz quasi

kannst du ja mal durchrechnen, ob nicht so eine Campingkartusche 18 bar schon "interessante" Geldwerte abgäbe.
Und dann noch diese kleinen Kartuschen wie mit Lachgas. Quasi der unregistrierte Credstick für dein Setting, dass unter dem Tisch durchgereicht werden kann.

Offline Feuersänger

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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #52 am: 21.12.2025 | 13:22 »
Das wäre durchaus denkbar. Zumal so manche Währung ohnehin energiegedeckt sein dürfte (auf jeden Fall die des Saturn).
Wie weiter oben erwähnt, könnte der Preis von Saturn-3He auf der Erde so etwa - in heutiger Währung - 1 Mio €/$ pro kg betragen. (Entspricht einem Ölpreis von $10 pro Barrel)
Die Aufbewahrung ist freilich ein bisschen tricky; Flüssigspeicherung ist sehr schwierig da Helium einen Siedepunkt bei ca 4 Kelvin hat, daher gehe ich eher von Gasspeicherung aus. Mit modernen Werkstoffen sollten da Drücke um 700bar möglich sein, aber vielleicht nicht unbedingt für Campinggaskartuschen. Aber zur Visualisierung: ein Behälter mit 1l Volumen bei 10bar (ähnlich Campinggas) würde gerade mal 1,3g 3He enthalten, dieses wäre aber nach obigem Tarif 1300€ wert. Also ja, das wäre schon durchaus als Schwarzmarkt-Naturalienwährung geeignet.
Wohnmobil-Propantank (11kg Propan) würde bei 20bar ca 70g 3He fassen = 70.000€
Aus modernen Materialien und bei 700bar Druck bekommt man dann 2,5kg rein = 2,5Mio.
Und so weiter.

Noch ein Nachtrag zum vorigen Beitrag:
Bevor die Saturn-Industrie in Gang kommt, ist die Beschaffung von 3He ja sehr mühsam.
Hypothetischer Mond-Bergbau: 100.000 bis 1Mio Tonnen (!) Gestein pro 1kg 3He Ausbeute
zum Vergleich, dagegen ist Gold ein Klacks, da muss man "nur" 200-1000t pro kg verarbeiten.

_Da_ wäre vielleicht doch die bislang von mir wenig geschätze D-D Fusion interessant -- nicht zur Energieerzeugung direkt, sondern zum 3He-brüten.
D-D läuft ja 50-50 in zwei Varianten ab, die eine Reaktion spuckt direkt ein 3He aus, die andere ein Tritium, das mit Halbwertszeit 12 Jahren zu 3He zerfällt. Außerdem ein Neutron, das wir mit einem Lithium-6 Blanket einfangen können, was wiederum zu einem Tritium zerfällt. Bis hierhin könnte man so aus 1kg Deuterium (und zusätzlich 6Li) über die Zeit bis zu 1,125kg 3He erzeugen. Das lässt sich sogar noch steigern, indem man (wie auch für reale D-T-Fusionsreaktoren angedacht) noch Beryllium ins Blanket mischt als Neutronenmultiplikator.
Vorteile gegenüber D-T: D-D frisst nicht die eigene Ernte (Tritium) wieder auf. Und einen Teil der Ernte hat man sofort verfügbar und muss nicht erst jahrelang warten, bis das Tritium zerfallen ist. Man müsste Energie zufüttern, aber das ginge ja über regenerative Energien.
Haken ist halt immer noch, dass D-D doppelt so schwierig zu erreichen ist wie D-3He (und etwa 30x so schwierig wie D-T), also da haben wir noch eine gewisse technologische Hürde zu bewältigen.
--> man könnte es als eine Art sehr fortgeschrittenes "Power to Gas" interpretieren.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #53 am: 21.12.2025 | 14:31 »
bei sehr kleinen Atomradien ist die Speicherung in Metallhydridtanks interessant.

statt also 700 bar-Bomben rumzuschleppen, hätten die Schiffe halt voluminöse Tanks mit "in Metall eingelagertem" Heliumgas.
Das wäre auch nicht so "entströmungsanfällig" bei einem Leck, da erst bei Wärmezufuhr die "gelösten" Atome wieder entweichen,
sprich man kann den lecken Tank kaltlegen (sonnenabgewandte Seite) und flicken, hat aber nicht eine 700 bar "Düse" zum Stopfen vor sich  ;D

wenn in Raumstationen 24/7 nicht-atmosphäre-gefilterte Sonnenstrahlen "einschlagen"  >;D, sollte da "Regenerative Energie" schon ordentlich fassbar sein.
Wie sähe überhaupt die "Bebrütung" von Wasserstoff & Heliumderivaten in "ungefilterten" Sonnenlicht aus?

gab es dann vielleicht Helium-"Brüter" im inneren System, bis die Heliumabbauer im äußeren Sonnensystem die Preiskurve gekriegt haben?

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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #54 am: 21.12.2025 | 15:17 »
bei sehr kleinen Atomradien ist die Speicherung in Metallhydridtanks interessant.

Allerdings ist Helium ein Edelgas und damit chemisch inert, dürfte also meines Wissens auch keine Hydride bilden. Somit fällt diese Lösung leider raus, so elegant sie auch wäre. Das Deuterium könnte man aber so speichern.

Die einzige Alternative zu flüssig- oder gasförmiger Speicherung scheint so eine Geschichte mit Nanoporen zu sein, allerdings bieten die nur eine sehr geringe Speicherdichte, somit nicht interessant.

Es scheint also leider bei der Wahl zwischen Gas- und Flüssigtanks zu bleiben. Flüssig erfordert halt eine permanente Kühlung unter 4K, und kann trotzdem noch unter einem gewissem Boil-Off leiden, was die Sache trotz der höchstmöglichen Speicherdichte zumindest für längere Perioden unattraktiv macht. Es scheint also kaum ein Weg an Hochdruck-"Bomben" vorbeizuführen.

Zitat
Wie sähe überhaupt die "Bebrütung" von Wasserstoff & Heliumderivaten in "ungefilterten" Sonnenlicht aus?

Verstehe ich grad nicht wie du das meinst... meinst du natürliche 3He-Erzeugung, quasi so wie in Mondgestein? Das ist sicherlich viel zu langsam, wenn selbst Milliarden Jahre ungefiltertes Sonnen-Bombardement nur 1-10ppm im Mondboden erzeugt.

Zitat
gab es dann vielleicht Helium-"Brüter" im inneren System, bis die Heliumabbauer im äußeren Sonnensystem die Preiskurve gekriegt haben?

Davon kann man ausgehen, ja. Es könnte zB solargepowerte D-D Reaktoren im Venusorbit geben bzw gegeben haben (da dort jedes Solarpanel doppelt soviel Leistung bringt wie im Erdorbit). Ich will mal versuchen, ob ich herausfinden kann, wieviel Energie man dazu braucht und wie hoch die Ausbeute dann wäre. Und hoffe dabei, dass der Prozess nicht _so_ effektiv ist, dass sich der ganze Aufwand mit Saturn dann nicht mehr lohnen würde. Das würde mir freilich das ganze Setting zerschießen. ;D
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #55 am: 21.12.2025 | 17:08 »
Na ja, ein Problem mit dem "Erbrüten" von Helium-3 aus der D-D-Fusion dürfte sein, das in der Kammer so entstandene 3He oder Tritium überhaupt herauszuangeln, bevor es mit dem immer noch reichlich vorhandenen Deuterium in der Nachbarschaft weiterreagiert -- beides Prozesse, die relativ "nutzloses" Helium-4 produzieren... :think:

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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #56 am: 21.12.2025 | 17:24 »
Das ist leider ein sehr guter und berechtigter Einwand. Da das L-C von D-D höher ist, würden D-T und D-3He bevorzugt ablaufen. Verdammt!
Man hätte vllt am ehesten eine Chance, wenn man mit sehr geringen Einschlusszeiten und ständigen Plasma-Durchspülen arbeitet, also absichtlich extra ineffizient, das treibt halt die Energiekosten noch höher und ist vom Effekt her immer noch fragwürdig.
Somit bleibt quasi nur das Tritiumbrüten im Blanket; dazu braucht man aber auch keine D-D Fusion, vermutlich wäre dann altmodische Fission als Neutronenquelle das effektivste.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #57 am: 21.12.2025 | 17:30 »
Naja, wenn du Energie reinstecken willst... es gibt auch elektrisch getriebene Neutronenquellen... gibt es heute Anleitungen dazu, wie man sowas in der Garage zusammenstückelt. Ist halt elektrostatische DT Fusion quasi, kann aber nie netto Energie rauskommen. Neutronen kommen da aber reichlich raus. Musst du halt einrichten, dass Lithium mit Beryllium die schön fängt. Macht halt bissle radioaktive Verseuchung, aber das sollte man mit den Mitteln des Settings beherrschen können. Und presto kannst du Helium 3 brüten. Müsste man mal überlegen wieviel dabei so rumkommt. Aber ich bin da vorsichtig guter Dinge, wenn man in der Frühzeit der Atomtechnik bereits genug Plutonium für ne Atombombe ausbrüten (und seperieren) konnte.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #58 am: 21.12.2025 | 23:40 »
Wie sieht es denn mit dem Sonnenwind aus? Es gibt ja Ideen, den mit Sonnensegeln zu nutzen, um Richtung äußeres Sonnensystem zu fliegen.
Aber könnte man die Teilchen (hauptsächlich wohl Protonen, Elektronen und Alphateilchen) vielleicht auch irgendwie einfangen um Rohmaterial für Fusion zu gewinnen?
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #59 am: 22.12.2025 | 00:48 »
Von hinten nach vorn:
Wie sieht es denn mit dem Sonnenwind aus? Es gibt ja Ideen, den mit Sonnensegeln zu nutzen, um Richtung äußeres Sonnensystem zu fliegen.

Das haut leider nicht so ganz hin. So ungefähr das Höchste der Gefühle ist, eine winzige Sonde mit einem riesigen Sonnensegel statisch auf einer Position zu halten oder die Bahn um ein paar Meter zu ändern. Da kann man die benötigte Segelfläche auch ziemlich genau ausrechnen; ich hab die genaue Zahl grad nicht parat aber es war iirc sowas um 6000m² um 1kg Masse gegen die Schwerkraft der Sonne abzustützen (und das Segel zählt gegen diese Masse).
Da geht es übrigens nicht um Sonnenwind, sondern um den reinen Photonendruck. Ein Segel das tatsächlich den Sonnen_wind_, also die von der Sonne ausgekotzten massiven Teilchen ausnützt, wäre mir nicht bekannt.

Naja, wenn du Energie reinstecken willst... es gibt auch elektrisch getriebene Neutronenquellen...

Ich habe das alles mal durch den Rechner gejagt, die Ergebnisse sind:

- D-T Fusion mit Beryllium-Lithium6-Blanket: pro GWTh T-Überschuss ca 7kg pro Jahr (56kg verbraucht, 63kg erzeugt)
- Fission (zB Uran) mit Blanket: pro GWTh T-Überschuss ca 7kg pro Jahr
-- bei beiden kann man aus der thermischen Energie noch mittels Wärmekraftmaschine so grob 300MWe erzeugen
- D-D rechne ich gar nicht erst aus, da sinnlos

Im Vergleich dazu
- Spallation (Protonen auf schwere Kerne): pro GWe grob 3-6kg T pro Jahr
- dagegen elektrostatische Fusion: pro GWe Ausbeute 0,016kg T pro Jahr.

Also den letztgenannten Prozess kann man komplett haken, bringt ja gar nichts. Die Spallation schon eher und ließe sich mit grünem Strom betreiben, wäre aber auch Greenwashing weil man damit auch ultraviele unerwünschte Nebeneffekte wie Aktivierung des Targets hat usw.
Fission und D-T geben sich insofern quasi nichts, abgesehen vom Atommüll, spucken beide etwa gleich viel Strom und Tritium aus.

Jetzt wollte ich gerade schon unken, dass ich solche Fissionsreaktoren dann lieber auf dem Mond als auf der Erde hätte, aber dann ist mir wieder eingefallen, dass ich ja vor Fusion und Skyhooks sowieso auch fissionsgetriebene Lifter mit gigawattstarken Reaktoren vorgesehen habe. Also völlig nuklear-befreite Zone kann die Erde sowieso nicht sein, auch wenn du keinen Atomstrom in your Wohnhome mehr hast.

--

Das gibt mir eine elegante Überleitung wieder zu meinem Lieblingsthema ✨Raumschiffe✨, bzw eben Lifter, deren Aufgabe es ist, Nutzlast von der Erde in den Orbit und zurück zu bringen. Für diese hat sich, als die Solare Expansion allmählich in Gang kam, eine typische Größenklasse herauskristallisiert, nämlich 100 Tonnen Nutzlast zum LEO. Als erfolgreichstes Muster der Prä-Fusion-Ära erwies sich der

Atlas Lifter

Technologie: LANTR-S ["LOx-Assisted Nuclear Thermal Rocket / Scramjet"]
Länge über alles: ca 80m
Nutzlast bis LEO: 100t
Nukleare Leistung: ca 6GW_th max
delta-V: ca 11km/s

Aufbau: beim Atlas handelt es sich um ein Spaceplane für den einstufigen Aufstieg in den Orbit (SSTO). Der Rumpf des Atlas ist langgestreckt und zylindrisch mit ca 6m Durchmesser, ähnlich wie bei einem heutigen Passagierflugzeug, mit aerodynamischer Nase und Tragflächen. Der Großteil des Volumens wird jedoch von den Tanks eingenommen. Das eigentliche Nutzlastabteil ist nur ca 10m lang und befindet sich zwischen Crew- und Tanksegment.

Visuell darf man sich das vielleicht ungefähr so vorstellen wie die Dawn Aurora - wird halt eher 2 bis 6 Triebwerke haben:


"Einstufig" ist der Aufstieg allerdings nur in dem Sinne, dass nach dem Start keine Teile abgetrennt werden. Dennoch ist der Aufstieg in den Orbit in insgesamt 4 Phasen unterteilt.
Phase 1: Methan + LOx. In dieser Phase steigt der Lifter mit rein chemischem Antrieb auf etwa 10km Höhe und Mach 2 Geschwindigkeit auf. Dies ist notwendig, um die Strahlenbelastung am Boden möglichst gering zu halten, da diese Liftergeneration noch mit Fissionsreaktoren arbeitet.
Phase 2: Öffnen der SRAM-Einlassschächte und Hochfahren der Kernreaktoren. Der Lifter fliegt jetzt als rein nuklearer Ramjet und erhöht seine Geschwindigkeit und Flughöhe gänzlich ohne Treibstoffverbrauch auf etwa 2,75km/s (Mach 9) und grob 55km. Die Beschleunigung ist hier durch die Reaktorleistung begrenzt und liegt bei ca 0,4G.
Phase 3: Schließen der Ram-Schächte, umschalten auf LANTR-Modus: Wasserstoff wird zunächst vom Reaktor aufgeheizt, dann mit ebenfalls mitgeführtem Sauerstoff in der Triebwerksglocke verbrannt. So wird ein spezifischer Impuls von ca 635s erreicht. Aufstieg bis zur Apoapsis und Beschleunigung auf ca 6,2km/s.
Phase 4: im Vakuum erfolgt das Anheben der Periapsis wiederum rein nuklear im Wasserstoffbetrieb (mit einem Bruchteil der maximalen Reaktorleistung). Bahngeschwindigkeit 7,7 bis 7,9km/s.

Wiedereintritt und Landung als Spaceplane mit hoher Gleitzahl und entsprechend minimalem Treibstoffbedarf.

Durch dieses Layout wird es ermöglicht, bis zu 100t Nutzlast mit einem Masseverhältnis von nur insgesamt ca R=3,65 aus eigener Kraft in einen stabilen Orbit zu bringen, zurückzukehren und mit relativ kurzer Turnaround-Zeit wieder einsatzbereit zu sein.

Als ich jetzt im Zuge dieses Threads alles nochmal überprüft habe, fiel mir auf, dass ich zunächst beim Scramjet noch zu optimistisch war, und hatte hier eine Beschleunigung auf Mach 12 eingeplant. Das ist leider aus werkstofftechnischen Gründen unmöglich, da sich dabei der Lufteinlass auf 6600K aufheizen würde. Darum Reduktion auf Mach 9, was erforderte dass ich die oberen Phasen nochmal neu berechne.

Insgesamt und korrigiert und nun der finale Treibstoff- und Energiebedarf für einen Aufstieg mit voller 100t-Nutzlast:

- 50,5t Methan - ca 5TJ Herstellungskosten
- 84t Wasserstoff - ca 17TJ (Elektrolyse und Verflüssigung)
- 307,5t Sauerstoff (fällt bei der Wasserstoffproduktion ab, quasi umsonst)
- nukleare Energie:
– Scram-Phase 2TJ
– LANTR-Phase 1,3TJ
– Vakuumphase 2,5TJ
in Summe 5,8TJ nuklear, das entspricht so grob 75g Uran (oder Plutonium).

Und das Endergebnis ist demnach: ca 27,8TJ für die komplette Fahrt, davon 22TJ regenerativ.

Dies mal eben verglichen mit "Starship", ebenfalls für 100t Nutzlast in LEO: da liegen wir für Methan und Sauerstoff zusammen bei ca 160-180TJ - zwar alles regenerativ, aber trotzdem das Sechsfache.

Mit der nächsten Liftergeneration - mit Fusionsreaktor - wird das alles nochmal günstiger. Das würde ich dann ein andermal vorstellen.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #60 am: 22.12.2025 | 01:10 »
Ah, da war ich auf die deutsche Wiki-Seite zum Sonnenwind reingefallen.  :-[
Da steht am Ende der schöne Satz
Zitat
Es gibt Bemühungen, den Sonnenwind mit Hilfe von Sonnensegeln zum Antrieb von Raumfahrzeugen zu nutzen.
Und erst in dem verlinkten Artikel zu Sonnensegeln lernt man, dass es gar nicht um den Sonnenwind geht.

Aber mein eigentlich Punkt war ja auch nicht das Segeln, sondern das Einsammeln von Teilchen. Könnte das irgendwie funktionieren?
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #61 am: 22.12.2025 | 02:18 »
Aber mein eigentlich Punkt war ja auch nicht das Segeln, sondern das Einsammeln von Teilchen. Könnte das irgendwie funktionieren?

So rein im Prinzip: ja. Allerdings ist die Teilchendichte im interplanetaren Raum wirklich, _wirklich_ gering, auch wenn sie fluktuiert. Aber so grob reden wir da von der Größenordnung 1-10 Teilchen pro cm³. Also um das zu verdeutlichen: du brauchst da einen Würfel von ~580km Kantenlänge, um 1g Materie darin zu finden.
Unter Berücksichtigung des Sonnenwindes (Geschwindigkeit ca 400km/s) ist der Flux zwar größer. Dennoch: auf Erd-Orbit müsste man mit einem 1km² großen "Netz" sage und schreibe 3,5 Tage fischen, um 1 Gramm Materie einzusammeln. Und das sind dann halt irgendwelche Teilchen -- Protonen, Alphas, sonstwas, in der Regel nichts womit sich irgendwas anfangen ließe.

In Far-Future SF gibt es das Konzept des "interstellaren Ramjets", der mit einem Magitech-Fangtrichter (meist als Magnetfeld beschrieben) mit vielen vielen km² Querschnitt das interstellare Medium aufschlürft um es als Treibstoff zu verwenden. Da ist halt auch ein gerüttelt Maß Handwavium im Spiel. Es mag rechnerisch funktionieren wenn man mit relativistischen Geschwindigkeiten arbeitet -- aber im interplanetaren Betrieb etwa hier in unserem Sonnensystem ist es einfach überhaupt keine Perspektive.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #62 am: 23.12.2025 | 15:02 »
So, jetzt wie versprochen die Vorstellung der nächsten (und fortschrittlichsten) Lifter-Generation:

Hyperion ist ebenso wie Atlas ein einstufiges Spaceplane, verfügt aber im Gegensatz zu den Fissionsreaktoren des Vorgängers über moderne D-3He Fusionstriebwerke. Diese benötigen entsprechend weniger Strahlenschutz und sind dadurch etwas leichter, vor allem aber können sie bereits direkt beim Start eingesetzt werden und nicht erst ab 10km Höhe. Dadurch spart man sich die Methan-Stufe, außerdem wurde der spezifische Impuls auf 673s optimiert. Dies wiederum wirkt sich günstig auf das Masseverhältnis aus, Tanks und Struktur werden (in Maßen) leichter und kompakter. Wie schon der Vorgänger ist auch Hyperion mit einer Scramjet-Stufe ausgestattet, die etwa 2,1km/s netto delta-V an Treibstoff ersetzt. Insgesamt beträgt das Masseverhältnis nun R=3,1.

Insgesamt beträgt so der Energiebedarf für den Lift von 100 Tonnen Nutzlast vom Erdboden in den LEO nur noch 5TJ nuklear und 15TJ für die Treibstoffherstellung, also nochmal knapp 30% weniger als Atlas, und erst recht günstiger als rein chemische Raketen.

Technische Daten:
Isp = 673s
R = 3,1
Leermasse: 70t
Nutzlast: 100t
GLOW [Startgewicht] 527t
Leistung: 7,2GW Fusion (+8,8GW chemisch)
Treibstoffproduktion: ca 14,5TJ
Fusionsenergie: ca 3,5TJ + 2TJ Scram
Gesamt: 20TJ
Länge: 75m
LH: 71,4t - 1000m³
LOx: 285,6t - 260m³

-> der Energieaufwand pro 1kg Nutzlast in den Orbit beträgt 200 Megajoule, das entspricht ungefähr 5 Litern Diesel.

Etwa zeitgleich mit Hyperion wurden außerdem Skyhooks im Erdorbit gebaut, die eine gewisse Konkurrenz darstellen. Allerdings ist auch die Skyhook-Logistik nicht trivial, man muss entsprechende Slots reservieren (und bezahlen), interessante Slots sind knapp, und auch die übertragene Energie muss wieder ausgeglichen werden. Es gibt ohnehin keine geostationären Skyhooks, diese sind auch im 23. Jahrhundert noch Science Fiction (aus werkstofftechnischen Gründen), daher müssen immer einige km/s delta-V von der Bodenseite her aufgebracht werden, um sich in den Skyhook einklinken bzw eine Nutzlast übergeben zu können.

Auf der Erde sind letztendlich sowohl autarke Lifter als auch Skyhooks valide Optionen. Deutlich anders verhält es sich auf Saturn, wo man nukleare Lifter und Skyhooks in Kombination einsetzen muss, um die immense Schwerkraftsenke des Gasriesen zu überwinden (Orbitalgeschwindigkeit 25km/s!). Daher konzentriert sich auch dort die Skyhook-Industrie.

Hinweis: in früheren Iterationen meines Settings hatte ich auch bodengestützte Launch-Hilfen vorgesehen, wie etwa Lofstrom Loop oder Bifröst Bridge, bin aber aus verschiedenen Gründen wieder davon weg. Details lassen sich evtl noch in alten Threads nachvollziehen. Diese Dinger würde es in Redshift vielleicht vereinzelt als Prototypen oder gescheiterte Projekte geben, aber nicht als primäres Transportnetzwerk.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #63 am: 23.12.2025 | 20:57 »
Doppelpost weil anderes Unterthema -- nochmal bezüglich Kurnas Anregung mit den Sonnensegeln.

Ich habe die Dinger - also wirklich Photonensegel jetzt - wohl unterschätzt. Tatsächlich können die mir wohl wirklich ganz hervorragend weiterhelfen, nämlich gerade beim Transport großer Rohstoffmengen im inneren Sonnensystem.
Ihr wisst ja, ich will noch vor der Fusionsära eine Streulinse am Sonne-Erde-L1 haben, quasi als "Fiebersenker" für die Erde, um die ~3-5° Erderwärmung wenigstens teilweise rückgängig zu machen. Grob gerechnet brauchen wir dafür ca 1-2 Millionen Tonne Masse. Bzw ich würde mal rechnen: 1Mt für die Linsenmodule selbst, nochmal 1Mt für Struktur, Steuerung usw. Und die Linse besteht dann aus Polymer, also zum großen Teil aus Kohlenstoff. Grob gerechnet werden wir mindestens etwa 800.000t Kohlenstoff benötigen.
Da hatte ich zwar schon vor, diesen C von der Venus zu holen, damit wir ihn nicht aus der Erden-Schwerkraftsenke hochhieven müssen. Allerdings wären für den Transport von der Venus Raketen nicht effizient - bei Hohmanntransfer hätte man nur alle 5 Monate ein Startfenster und der Transit würde wiederum 5 Monate einfach dauern. Für gestrecktere / hyperbolische Orbits haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Techlevel.

Lösung: Sonnensegel! Mit ein wenig herumspielen bin ich auf folgendes Modell gekommen: Segelfläche 36km² (6x6km) - aus Kohlefaser, bespannt mit einer 30-100nm dünnen Aluminiumschicht für Reflexivität. Lageregelung mit CO2-Kaltgasdüsen (auch direkt aus der Venusatmosphäre). Kleines solargepowertes Steuerungsmodul. Unterm Strich kommt dieses Segel auf ca 250 Tonnen. Uns genügt eine Beschleunigung von niedlichen 0,6mm/s² - und das bedeutet, wir können an das Segel noch satte 470t Nutzlast dranhängen. Und dazu können wir noch grob gegriffen 130t Kohlenstoff aus der Segelstruktur recyclen --> macht gut 600 Tonnen pro Einheit.

--> nur mal so theoretisch: wenn wir 1 solches Gefährt pro Tag auf den Weg bringen, haben wir nach ca 4 Jahren das benötigte Material beisammen.

Das Aluminium stellen wir auf dem Mond her; für ein solches Segel brauchen wir maximal 10 Tonnen (je nach gewünschter Foliendicke). Das Alu wird mit ganz normalen Frachtern vom Mond zur Venus verschippert, und kann am Ende natürlich auch recyclet werden, zB für Stützstruktur der Linse oder was auch immer. Diesen Alu-Bedarf zu liefern, dürfte selbst mit 20.-Jh-Tech easy sein, und vollends trivial wenn wir hier 2nd-Gen Nuklearantriebe verfügbar haben.

Das restliche Baumaterial für die Linse dürfte größtenteils ebenfalls vom Mond kommen, und kleinere Mengen an exotischen Materialien kann man ja immer noch von der Erde hochschaffen.

Edit:
Ich bin mittlerweile noch auf einen riesen Weltraumpferdefuß gestoßen, der all das hier quasi hinfällig macht. Leider!
Der Showstopper ist witzigerweise nicht der Transport vom Venusorbit zum L1, der wäre wie gesagt recht elegant. Das Problem ist, den Kohlenstoff _in_ den Venusorbit zu bekommen. Man könnte zwar fliegende Plattformen in der Venusatmosphäre bauen (Details spare ich mir hier mal), CO2 gibt es im Überfluss, aber dann gehen die Probleme erst los:
- CO2 elektrisch zu redizieren kostet ca 50GJ/t -> bei unserem Bedarf von ca 500t/Tag entspricht das etwa 100GW elektrischer Leistung
- es gibt praktisch keine Wasserstoffquelle auf der Venus, um damit die Lifter zu betanken. Um die Ausbeute in den Orbit zu bringen, müsste Wasserstoff permanent von außen rangekarrt werden. Das wäre möglich, nur etwas unelegant.
- Mein ursprünglicher Plan, die nuklearen Lifter mit CO2 als Stützmasse zu betreiben, scheitert an der sehr niedrigen möglichen v_e von CO2 - damit bekommt man kein Schiff in den Orbit. Man bräuchte zumindest Unterstützung durch Skyhooks, aber wenn wir schon Skyhooks hätten, könnten wir den Kohlenstoff auch von der Erde hochholen und sparen viele Zwischenschritte.

Im Vergleich dazu würde - selbst mit rein chemischen "Starships" - das Verbringen des Kohlenstoffs von der Erde zum L1, aufgeteilt auf 10 Jahre, nur ca 20GW Leistung für Treibstoffproduktion schlucken; man bräuchte halt eine große Flotte von Frachtern (einige 100), aber unterm Strich erscheint mir das um Größenordnungen günstiger. (mit LANTR-Liftern wie oben beschrieben wären es sogar nur ca 2GW regenerative Leistung, dafür halt noch Fissionsenergie dazu)

--> an dieser Stelle im Worldbuilding bleibt mir nichts anderes übrig, als die Venus erstmal komplett zu canceln bzw hintanzustellen.  :'(
« Letzte Änderung: 24.12.2025 | 14:53 von Feuersänger »
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #64 am: Gestern um 22:55 »
Könnte man den Kohlenstoff vielleicht bekommen, indem man einen passenden Asteroiden umlenkt? Es gibt ja welche, die ein paar % Kohlenstoffanteil haben. Das müsste man dann zwar noch irgendwie abbauen, aber wenn man es schafft, den Asteroiden in eine Venusumlaufbahn umzulenken, spart  man sich die Gravitationssenke.

Edit: Wobei du dann den Asteroiden natürlich auch gleich zur Erde umlenken kannst, statt zur Venus, wenn es denn funktioniert.
« Letzte Änderung: Gestern um 23:10 von Kurna »
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #65 am: Gestern um 23:49 »
Du wirst lachen: EXAKT an dieser Idee tüftele ich genau jetzt in diesem Moment. Es gibt einige Near Earth Asteroids, die von der Zusammensetzung her interessant wären, die zweitens nicht so weit weg sind und öfter mal einigermaßen enge Annäherungen an die Erde haben. Ob man so einen kompletten Brocken umlenken und einfangen könnte, wage ich kaum zu hoffen, aber ansonsten könnte man ja vielleicht einen kleinen Happen absprengen, mit dem wir energetisch fertig werden.

Heisse Kandidaten:
https://de.wikipedia.org/wiki/(101955)_Bennu
https://en.wikipedia.org/wiki/(341843)_2008_EV5

Bei diesen (und diversen anderen) gibt es auch schon Tabellen für zukünftige Close Approaches, da könnte ich einen geeigneten Slot aussuchen und damit arbeiten.

Also kurz: ja, sich an NEAs zu bedienen ist für die Frühphase durchaus eine realistische Perspektive.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #66 am: Heute um 16:48 »
Es gibt ja sicher auch kleinere NEAs mit passender Zusammensetzung, von denen wir nur im Moment noch nichts wissen, weil wir nicht gründlich genug gesucht haben.

Ein einzelner Brocken von 10 oder 20 oder 50 Metern Durchmesser gibt zwar nicht so viel her wie die richtig großen, aber dafür dürfte es machbarer sein, sie tatsächlich einzufangen, als bei einem, der mehrere Kilometer groß ist.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #67 am: Heute um 17:43 »
Jup, durchaus. Das wäre auch vielleicht ein ganz gutes Szenario zum bespielen, wenn man so in die Frühzeit der Solaren Expansion reingehen will.
Auch ein größerer Brocken wäre mit Geduld und Spucke im Bereich des Möglichen - zumindest wenn man in Kauf nimmt, einen Teil des Asteroiden selbst als Reaktionsmasse zu verheizen, um ihn einzufangen. Da hat man natürlich umso bessere Karten, je moderner die zur Verfügung stehenden Antriebe sind.

Das ist wiederum ein gutes Stichwort für eine andere Knabbernuss:
Ich habe eigentlich noch keine befriedigende Zwischenstufe für die Triebwerksgeneration zwischen LANTR (max ISP ca 700s) und früher D-3He Fusion (max ISP vllt 10000s). Bisher hatte ich da NTR Gas/Closed "Nuclear Lightbulb" vorgesehen, aber da sind mir jetzt Bedenken gekommen: diese Tech ist ein engineering nightmare, es kann unheimlich viel dabei schiefgehen, IRL gibt es ein paar Konzeptzeichnungen aus den 60ern oder so und dann ist da nie wieder dran geforscht worden, und es würde wahrscheinlich über 30 Jahre dauern bis man das gängig hätte; wenn es denn überhaupt machbar ist weil einige Materialfragen komplett ungelöst sind und womöglich unlösbar bleiben. --> in gewissem Sinne ist ein Fusionsantrieb realistischer als das.

Kurz, eigentlich hätte ich da gerne eine Alternative, die halt aber auch möglichst 2-3000s Isp mit skalierbarem Schub liefern sollte und glaubwürdigerweise mit zB 10 Jahren Entwicklungszeit einsatzbereit wäre. Aber ich habe noch nichts Überzeugendes gefunden.

Eine Option wäre vielleicht NTR Liquid-Core, aber da findet man auch nur extrem wenig an Quellen dazu, und aus diesen geht zumindest für mich überhaupt nicht hervor, wie das funktionieren soll - insbesondere wie man den geschmolzenen Reaktorkern davon abhält, den Rest des Schiffes gleich mit zu schmelzen, während er gleichzeitig heiss genug um den gewünschten Isp herzubringen.

It ain't easy.
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Re: [Hard SF] Redshift - Redux
« Antwort #68 am: Heute um 17:45 »
Es gibt ja sicher auch kleinere NEAs mit passender Zusammensetzung, von denen wir nur im Moment noch nichts wissen, weil wir nicht gründlich genug gesucht haben.
Die Suche läuft gerade an...
Zitat
Schon bei den Testläufen konnte das Teleskop in nur zehn Betriebsstunden etwa 2.000 neue Asteroiden aufspüren, darunter sieben sogenannte NEOs (Near-Earth Objects).
aus Vera C. Rubin Observatory:
 Die Big-Data-Ära der Astronomie beginnt


... oft genug sind die Spieler die größten Feinde der Charaktere, da helfen auch keine ausgeglichenen Gegner

Hoher gesellschaftlicher Rang ist etwas, wonach die am meisten streben, die ihn am wenigsten verdienen.
Umgekehrt wird dieser Rang denen aufgedrängt, die ihn nicht wollen, aber am meisten verdienen. [Babylon 5]