Ich verwende "klassische Attribute" i.d.R. zumindest auch als "das, was zum Tragen kommt, wenn improvisiert werden muß".
Ich halte sie für weniger genau abgrenzbar als Fähigkeiten. Man ist in einem bestimmten umfassenderen Bereich generell so aufgestellt, wie das Attribut besagt. Und wenn keine Fähigkeit das abdeckt, was jemand gerade versucht, dann tritt eben das am ehesten geeignete Attribut an die Stelle der Fähigkeit. Das scheint mir zumindest meist spieltauglicher, als entweder zu sagen: "geht nicht" oder irgendeine Fähigkeit in einen Bereich zu erweitern, in den sie nicht gehört. Mir scheint die Aufteilung in ein detaillierter durch Zahlen prüfbares Feld, in dem der Hauptteil des Spiels sich wohl bewegen wird, und eine breite Basis, die alles andere undetailliert auffängt, keine ganz schlechte Herangehensweise. Es kann halt immer mal vorkommen, daß man doch sehr abseits der üblichen Wege hantiert, und wenn man weder bloß willkürlich entscheiden noch endlos diskutieren will, dann ist ein Attribut eine schnelle Lösung.
Daraus folgt, daß die Attribute sinnvollerweise alles abdecken, womit man mal improvisieren wollen könnte. Und da hat bereits D&D eine intuitiv erfassbare Auswahl angeboten, die deswegen eine Tendenz gesetzt hat (wenn man nicht sogar wagt zu sagen, daß es genrebildend war).
Das bedeutet natürlich auch, daß es sinnvoll ist, in den Attributen nicht nur das abzudecken, was man gewöhnlich brauchen wird, sondern gerade da eine Option bieten, wo der normale Schwerpunkt nicht liegt. Und es kann funktional sein, die Bereiche bewußt überlappend zu halten, weil man manch eine Lage mit verschiedenem Können verschieden lösen kann. Selbst wenn sie keine "realistische" Simulation sind, können sie als Rückfall-Option taugen. Und weil sie eigentlich unter keinen Umständen überhaupt eine "realistische Simulation" sein können, da wir uns als Menschen selbst ja noch nicht richtig durchschauen, ist wiederum die Mathematik zumindest eine Lösung, die man verstehen kann.
Die Frage nach der Gewichtung würde ich ebenfalls für letztlich unlösbar halten, weil es zu sehr von der jeweiligen Gruppe abhängt, was zum Einsatz kommen wird. Die "Nischen"-Variante, die oben angesprochen wurde, scheint mir der funktionalere Ansatz, auf dessen Basis man dann schauen kann, daß jede Nische mit Werten im ungefähr selben Zahlenraum bespielt werden kann, damit man mit ähnlichen Wahrscheinlichkeiten rechnen kann. Das ist im Zweifelsfall weniger "fair", als es sich anfühlt, aber solange man nicht allzu analytisch an das Spiel herangeht, ist das Gefühl ohnehin der gewichtigere Bereich.
Noch ein paar Beispiele:
Charisma kann als "alles im zwischenmenschlichen Bereich" Feilschen und Betrügen, die sonst üblicherweise nicht vorkommen, abdecken, und auch über den rein pekuniären Bereich hinaus - man kann sich eventuell aus einer Zwickmühle "herausreden", wenn man weiß, wie man einem anderen um den Bart geht. Zudem kann man hier Ablenkungsmanöver unterbringen, die die Aufmerksamkeit anderer irgendwo hin lenkt, wo man sie besser brauchen kann - etwas, das andererseits auch mit Intelligenz zu machen wäre. Der "Wert-100-Typ" wäre dann der, der aus jedem Gefängnis herauskommt, solange es nur irgendwen gibt, mit dem man da reden kann. Oder der in guter alter Manier zwei andere Parteien aufeinanderhetzt, so daß man in Ruhe sein eigenes Ding drehen kann.
Intelligenz kann neben umfangreichen lexikalischem Wissen auch detektivische Fähigkeiten unfassen, d.h. "eins und eins zusammenzuzählen". Das kann schon mal willkommen sein, wenn man die Gruppe darauf hinweisen möchte, daß das gerade angedachte Verhalten noch keine so richtig gute Idee ist oder etwas übersehen wurde (insbesondere etwas, wovon man gehofft hatte, daß es eigentlich unübersehbar sein müsste).
In einem eher auf ein soziales Spielfeld ausgelegten Setting können Stärke und Geschick entsprechende Rückfall-Optionen bieten. Man braucht dann nicht einen ganzen Berg an Fähigkeiten im Kampf - das kann Stärke (im waffenlosen Bereich), Geschicklichkeit (je nach Instrumentarium) oder auch Intuition sein. Irgendwer in der Gruppe hat hoffentlich, weil es aus welchen Gründen auch immer (Flair) zu dem gespielten Charakter passt, einen der Werte zumindest so hoch, daß er etwas ausrichten kann.