Autor Thema: Epilog  (Gelesen 26 mal)

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Offline klatschi

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Epilog
« am: 9.07.2025 | 20:12 »

Wir sehen das Areal um Willow Lake aus der Vogelperspektive, der fallende Schnee mischt sich mit Aschefunken, die durch den Wind aufgewirbelt werden. Rotkappen und einige wenige Orks streifen durch das Dorf, suchen nach Opfern, doch die Bevölkerung ist weggezogen oder geflohen, als sich das Heer der Diener des Ewigen Totengeists dem Dorf genähert haben.
Die Rotkappen durchwühlen alles, suchen nach Spuren von Essen, Wertgegenständen, versteckten Dorfbewohnern. Möbel werden zertrümmert, auf die Straßen geworfen und sobald sie feststellen, dass es nichts zu holen gibt, zünden sie die Häuser an.

Der Vogel kreist nach unten, und setzt sich auf den First der Forelle, blickt hinüber zum Langhaus, stößt sich ab, landet auf der Palisade. Dort steht ein Kriegsherr der Orks, stark gerüstet und erfahren, soviel verraten die Narben, die er am Körper trägt. Er beobachtet, wie eine Rotkappe das Tor von innen öffnet, den Kopf zwischen die Schultern senkt, verschämt zu Boden blickt. Es riecht nach Angst. 

Der Vogel blickt ins Innere. Blutlachen am Boden, zwei Kämpfer der Kaiserin - ein Halbling, eine Frau, beide leicht gerüstet, eine große Blutlache am Boden. Daneben, gegen einen Holzpfeiler gelegt: Wulfric, getrockneter blutiger Schaum vor dem Mund. Der Ork verzieht das Gesicht, brüllt etwas in der Kalten Zunge, tritt nach der Leiche, einmal, zweimal, dreimal. Sein Auftrag scheint klar – Wulfric schützen, die Kaiserlichen ablenken. Alles umsonst. Was auch immer Wulfric geplant hatte, ist gescheitert. Ihr dunkler  Herr würde es nicht bekommen.

Der Vogel steigt erneut in die Luft, gleitet auf den Aufwinden der brennenden Häuser empor, folgt der Straße gen Westen, zur brennenden Mühle, und dann nach Süden, flussabwärts. Er überfliegt den Heldenstein, ein verlassenes Lager, und stößt auf einen Flüchtlingstross: Männer, Frauen, Kinder, mit kaum mehr als dem, was sie tragen können. Einige bewaffnet, Blicke stets nach hinten gerichtet. Bogenschützen begleiten sie, mal voraus, mal zurückbleibend. An der Spitze ein alter Söldner mit zwei jungen Gefährten. Späher bringen ihm Nachrichten. Er hört zu, wägt ab, entsendet sie erneut.

Der Vogel wartet bis zur Nacht. Lautlos fliegt er zum Feuer des Söldners, setzt sich in die Schatten und lauscht. Der Alte spricht mit den Jungen – von Schuld, von Reue, von der Pflicht, diese Menschen zu schützen. Gute Menschen, sagt er. Wert, bewahrt zu werden, sagt er. Seine Stimme klingt traurig.

Das war alles, was der Herr der Münzer wissen musste. Er ließ den Vogel frei, kappt die magische Verbindung. In Kaerenhort würde man den Tross erwarten – und den Alten befragen. Vielleicht war er brauchbar, vielleicht käuflich. Vielleicht aber auch nicht. Man würde sehen. Es war ein Rückschlag, ja. Doch zugleich ein Sieg: Wulfrics Pläne waren gescheitert. Und Willow Lake wird irgendwann wieder auferstehen.



Tief in den Eingeweiden der Erde, unter dem Langhaus, sieht man eine ausgemergelte, verhungerte Gestalt in einer Zelle. Nevynn lächelt im Tod. Der Körper ist geschunden, der alte Mann wurde gefoltert, immer und immer wieder. Doch irgendwann ist sein Peiniger nicht mehr gekommen. Da wusste der alte Mann: es ist überstanden. Wulfric wurde besiegt. Das Geheimnis von Willow Lake lebt weiter. In Meditation glitt Nevynn fort, in eine andere Welt.



Wir sehen den See, der dem Tal seinen Namen gab. An manchen Tagen kann man eine Insel auf diesem See erkennen, dicht bewaldet, mit einem riesigen Baum, der den Rest der Vegetation überragt. Doch nicht an diesem Tag. Der See, die Insel, die dichten Nadelwälder, die sich an den Ber hänge  in die Höhe arbeiten, das alles liegt im Nebel. Dichte Nebelschwaden wabern über den See, wirken fast wie Tentakel, die sich nach vorne tasten. Sanfte Wellen klatschen an den Kiesstrand. Irgendetwas ruht dort im Verborgenen. Doch eines ist gewiss: Das Geheimnis von Willow Lake lebt weiter.