Autor Thema: RPG versus Moralität  (Gelesen 5051 mal)

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Offline TaintedMirror

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RPG versus Moralität
« am: 1.07.2017 | 15:03 »
Ich hatte mich nach  einem Gespräch letztens mal wieder an ein paar (für mich) seltsame Begebenheiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit mit Rollenspiel und sittlichen Empfinden erinnert. Und zwar waren dies konkret:

1. In einer CoC-Runde hatte ich mal als Meister in einer "what if"-Manier verschiedene Verschwörungstheorien aufgegriffen und diese dort in der Welt als Gegebenheit gesetzt. Speziell ging es in dem Fall um zionistische Verschwörungen und dass dort eine zionistische Gruppe sich der Alten und Golems bediente, um die Macht zu erlangen. Die Runde lief eigentlich ganz gut, bis dies dann im Laufe des Mysteriums rauskam. Daraufhin ist ein Spieler ziemlich ausgerastet, hat mir Vorwürfe gemacht und gemeint, dass Leute wie ich der Abschaum der Erde wären, obwohl ich klar gemacht habe, dass dies nichts mit meiner Einstellung zu tun hatte, sondern ich es nur als interessanten Hintergrund für das Abenteuer empfand. Er lies sich davon nicht wirklich beruhigen und drohte mir auch Gewalt an (war aber eine online Runde).

2. Ein anderer Fall war etwas, was ich mal in einem Forenthread gelesen habe, wo anscheinend ein Mitspieler mal einen Vergewaltiger spielte. Daraufhin kamen Vorwürfe, dass er ja krank und gestört sei und ein normaler Mensch zwar Mörder, Folterer et. spielen kann, aber Vergewaltiger wohl zu abartig sei.

3. Ein weiteres Erlebnis war aus einer realen Runde, wo ein Mitspieler eine neue Spielerin dazu brachte, die sich das ganze mal ansehen wollte. Er hatte das Spiel soweit wohl nur unzureichend erklärt. Jedenfalls war die junge Frau ziemlich schockiert, dass in der Welt Probleme mit Gewalt gelöst werden und Leute umgebracht werden (Sie war wohl in einer christlichen sektenähnlichen Gemeinde aufgewachsen). Sie hat uns dann höfflich klar gemacht, dass sie das nicht gut heißt und ist gegangen.

Es gibt ja immer mal wieder solche Diskussionen sei es, dass Rollenspiel zum Satanismus und schlimmeres bekehre, wie es mal in den 80ern propagiert wurde. Sei es dass Rollenspiel so wie Computerspiele gewalttätig machen sollen. Oder Diskussionen über bestimmte Systeme, die zu faschistisch, nicht demokratisch, sexistisch, zu brutal oder einfach amoralisch sein sollen. ann git es wiederum Forderungen, Rollenspiel solle Faschismus bekämpfen, soziale Vorurteile abbauen, etc.

Daher meine Fragen ins Forum:

Was darf Rollenspiel? Welche ethischen und moralischen Forderungen stellt ihr oder darf man überhaupt ans Rollenspiel stellen? Welche für euch seltsamen Vorkommnisse in dem Zusammenhang habt ihr schon erlebt?

Etwas was ich hier explizit ausschließen möchte ist arschiges Verhalten untereinander in- oder outgame. Es soll hier direkt um das Spiel/Setting/Charakterspiel und weltliche moralische Vorstellungen gehen.

Offline Edvard Elch

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #1 am: 1.07.2017 | 15:33 »
Ich habe im Rollenspiel keinen Bock auf Rassismus, Antisemitismus, diverse Diskriminierungsformen und Vergewaltigung. Es sei denn, wir beschließen als Runde, das ganze zu in einer Sitzung oder einem Kampagnenabschnitt gezielt zu thematisieren. Und selbst dann wünsche ich mir von allen Beteiligten Augenmaß und einen erwachsenen Umgang mit diesen Themen. "Es gibt die zionistische Weltverschwörung, die Juden paktieren mit Cthulhu und ihr kämpft gegendie Juden" ist für mich ein Plot, der soweit weg von allem ist, das einen erwachsenen Umgang mit dem Thema Antisemitismus mal aus der Ferne gesehen hat, dass mir beim Lesen gerade alles aus dem Gesicht gefallen ist.
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Ucalegon

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #2 am: 1.07.2017 | 16:07 »
Was darf Rollenspiel?

Falsche Frage.

Ich erwarte, dass erwachsene Menschen Verantwortung für die Themen und Inhalte übernehmen, die sie in ihrem Rollenspiel/ihrer Runde bringen statt sich hinter einem abstrakten dürfen/nicht dürfen zu verstecken.

Ergo: Wenn du dich unter den tausenden Möglichkeiten, die du für einen Cthulhu-Kult hast, ausgerechnet für die antisemitische Variante entscheidest, dann solltest du besser eine verdammt gute Erklärung dafür haben. Denn auf die werden dich Leute festnageln. Zumal, wenn du Andere damit ohne Vorwarnung konfrontierst. Ob du das "darfst" oder nicht, ist dabei vollkommen irrelevant.

Und: Selbst eine gute Erklärung wird dich nicht davor bewahren, dass Leute das geschmacklos und unangebracht finden. Einige kriegen ja schon Schnappatmung, wenn sich Rollenspiel überhaupt mit Problemen aus der Realität auseinandersetzt. Muss man das immer ernst nehmen? Nein. Aber wenn man merkt, dass man regelmäßig Leute vor den Kopf stößt, schadet es nicht, mal ein bisschen Selbstreflektion zu betreiben.

Online Quaint

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #3 am: 1.07.2017 | 16:16 »
Achja, Rollenspielen ist ein Hobby, und hat soviele Gesichter wie Leute die es Spielen. In der einen Runde muss es political correct sein, in der nächsten kämpft man zwar für Mutter Gaia, hat aber kein Problem damit krasse Folterszenen auszuspielen. Und irgendwann hab ich auch mal von einem WoD-Style Rollenspiel gehört, wo man Tentakelmonster spielt, die Schulmädchen und co vergewaltigen. Wär jetzt nicht mein Ding, aber mag sein, dass es Leute gibt, die sowas spielen.

Ich selbst hab da eigentlich ne halbwegs entspannte Einstellung und kein Problem, mich im Rollenspiel auch mal bissle unmoralisch zu verhalten, oder meinen Spielern das zu lassen. Einzig wenn es dann ins Sexuelle geht wird es manchmal unangenehm, aber da hat ja jeder eigene Grenzen, und die gilt es dann auch zu respektieren.

Etwa hatte ich mal einen Spieler, der für seinen Charakter das Laster gewählt hat, dass er gerne junge Frauen quält (und zwar durchaus in sexuellem Kontext). Wobei er da normalerweise die etablierte Prostitution genutzt hat, und eben Zuhälter bezahlt hat, damit er das mit deren Mädchen machen darf. Das hat nun aber, auch wenn es nie groß ausgespielt wurde, diverse Leute aus der Runde gestört, auch mich, und da haben wir dann irgendwann gesagt: So Junge, Grenzen des guten Geschmacks und so, such dir da mal bitte was anderes aus, danke. Und dann gings auch soweit.
Oder es gab da mal diese Shadowrun-Runde, wo ich aus verschiedenen Gründen aber nur mal kurz zu Gast war, die sich Gott weiß wie die Guten aufgespielt haben, auch vom SL gestützt, so nach dem Motto "der gemarterte Geist der Erde selbst wohnt bei denen". Und die haben aber nicht nur, wie es quasi üblich ist im Rollenspielbereich, relativ wahllos getötet wenn es ihren Zwecken diente, sondern auch richtig fies gefoltert mit komplettem Ausspielen der Folter. Und das war auch kein "Zufall" sondern die hatten tatsächlich einen ganzen Gebäudekomplex zu Folterzwecken eingerichtet. Das war mir dann schon etwas unangenehm, vor allem dieser gefühlte Widerspruch, dass sie sich auf der einen Seite wie Heilige darstellen und fühlen, und auf der anderen Seite halt ein Benehmen haben, dass wirklich unterirdisch ist. Es gab aber andere Gründe, warum ich da nicht länger dabei war.
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Offline KhornedBeef

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #4 am: 1.07.2017 | 16:54 »
Boah, viel zu viele Themen in einem und ich habe keine Zeit. Nur soviel:
1. Gilt für ein Gespräch wie für ein Rollenspiel: Man kann Rücksichtnehmen und muss niemandem unangenehme Dinge vor die Füße kotzen nur weil es erlaubt ist. Man sollte sich bei extremen/amoralischen Themen schon sicher mit seinen Mitspielern sein. Nennen wir das mal Sozialverhalten und persönliche Ethik.
2. Rollenspiel ist Hobby, Zeitvertreib und Herumspinnen. Das darf erstmal alles, was sonst in der jeweiligen Runde thematisiert werden darf, und muss überhaupt nichts, wenn es hinter verschlossener Tür geschieht. Das Thema Podcasts lasse ich aus Zeitgründen außen vor.
Wenn es übrigens nicht mehr um Ethik, sondern um Recht gehen sollte: Frage dich selbst ob ein Kunstwerk das dürfte, dann bist du schon sehr weit.
3. Es kommt darauf an, wie man etwas thematisiert. Verherrlicht man den Holocaust an jeder Ecke oder entlarvt man die bigotten Akteure in einer Kampagne? Gleiches Thema aufgemacht, vielleicht gleiche Intro-Szene, verschiedene Dinge. Und das natürlich vor dem Hintergrund, dass die meisten Rollenspielen ständiges Morden beinhalten, dass bloß anders in Kontext gesetzt wird.

Zu dem ersten Beispiel: Erlaubt, aber evtl. ungeschickt für eine Onlinerunde. Da kommen Kommunikationsnuancen durcheinander, vermutlich war das auch nicht dein bester Freund dessen Trigger du kennts (siehe 1.)
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
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Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Daheon

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #5 am: 1.07.2017 | 17:03 »
Zunächst: Die Gedanken sind frei.

Aber: Es sollte jedem klar sein, das Themen wie Antisemitismus, Rassismus, Sexismus (um jetzt nur mal die prominentesten zu nennen) von der SL nicht ohne Rücksprache mit den Spielern ins Rollenspiel eingebracht werden sollten.

Und die "zionistische Weltverschwörung" in einer Rollenspielrunde als wahr zu etablieren, ist an, wie sage ich es höflich, Gedankenlosigkeit kaum zu überbieten.


Offline Anro

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #6 am: 1.07.2017 | 19:24 »
Tja, die Gefahr der wahren Welt als Fantasyvorlage.

Ich persönlich habe kaum Ahnung oder Meinungen zum Judentum.
Es ist halt etwas, was in der Realität nicht mit dieser Gruppe(Zioniten) funktioniert, wenn man bedenkt, dass genau dies die Legitimierung war um Massenmord zu begehen, ist ein sensibler Umgang wohl angeraten.
Politik ist etwas wo viele Menschen sich hilflos fühlen und viele Gräueltaten begangen werden, gegen die man sich nicht mehr wehren kann. Da entstehen Meinungen und Fronten, Ihrs und Wirs.
Damit kann man wunderbar spielen, vor allem, wenn es Fantasy Ihrs und Wirs sind. Die aus der echten Welt sollte man immer sehr stark abstrahieren und als fiktiv kenntlich machen IMO.

Was den Rest angeht sollte Dir bewusst sein, dass es Dinge gibt, die Menschen vom Rollenspiel erwarten. Das sollte geklärt werden.
Es gibt Gruppen, die wollen die dreckigen Abgründe der menschlichen Psyche erforschen. Die wollen Folter, Mord und Vergewaltigung in ihrer schlimmsten Art thematisieren.
Es gibt Gruppen, die wenn so etwas thematisiert wird sofort innerlich abschnüren, der Hals eng wird und keine "Auseinandersetzung" mehr möglich ist. Das ist ok und diese sind nicht DAFÜR am Tisch mit Ihren Freunden, sondern um etwas von der Welt abzuschalten, mit einfachen, simplen, meist humoristischen Abenteuern.

Ich habe normalerweise keine tiefe Ekelschwelle, aber ich habe meine Probleme mit Kannibalismus, Gewalt gegen Kinder bei der ich nicht einschreiten kann und bei einigen Folter-/Vergewaltigungsszenarien. Um diese Dinge zu erleben und mich damit effektiv auseinander zu setzen muss ich in einer besonderen Stimmung sein, die nicht einfach so hervorgerufen werden kann. Mit einigen Freunden geht das, mit anderen Menschen nicht.
Wenn ich Spieler bin, dann kann es sein, dass ich den Raum verlasse. Um kurz Luft zu schnappen, zurück komme, sage, dass das nicht mein Ding ist und dass ich gerne das ganze ausfaden würde -> Nächste Szene und zudem will mein Charakter dann meist ganz klar den Verursacher töten. Meinem Meister sage ich dann aber, dass ich NICHT auf diese Weise motiviert werden will.

Wenn ich Meistern würde, dann ist das etwas anders. Meine Bösewichte haben diese Neigungen nicht. Vielleicht stechen die ein Auge aus, lassen sich Zeit mit dem Töten, aber ich ekel mich nicht selbst - sollte das passieren, dann fade ich aus und lass es offen, sobald es mir eklig wird.
Das heißt, sowas kann eigentlich nur vom Spieler kommen. Dies werde ich dann sofort ansprechen, sagen, dass mir das persönlich aufstößt und wenn er nun weitermachen will wir ausfaden. Auch sage ich ihm, dass wenn die Autorität das mitbekommt, wird er gejagt, da in meiner Welt so etwas ein Delikt ist, welches Dämonenbeschwören mindestens gleich kommt.

Meistens bin ich Spielleiter und mit meinen Runden habe ich - oft in der ersten (0ten) Sitzung - die Aussage "Die Welt ist kein Ponyhof. Alles kann passieren. Gibt es etwas, was ihr nicht ertragt, Kinder denen Böses widerfährt, Vergewaltigung, Hass auf Minderheiten und gezielte Jagd auf Diese, Götter mit Menschenopfern, Ertrinken, Spinnen oder sonstige Phobieauslöser, die ihr nicht verkraftet?".
Meist war die Antwort "Andy, ist deine Welt, wenn es da sowas gibt, dann gibt es da sowas." - dennoch wissen Sie dann: Es war angesprochen und ich bin bereit Rücksicht zu nehmen.

Fazit von mir:
1. Sprecht es an. Gebt das Gefühl, dass man auch als Spieler "Schwächen" und Grenzen haben und zeigen kann. Vielleicht in dem Ihr auch eine Grenze von euch Preisgebt und wie ihr damit umgeht.

2. Realität ist kompliziert, abstrahiert und klärt vorher, dass ihr alle im gleichen Boot sitzt.

3. Humor ist in einigen Themen nicht so einfach. Nehmt bedrückende Gefühle von anderen Ernst.

4. Keine sexuellen/Brutalität Problematiken, wenn das Alter der Mitspielenden dafür noch nicht hoch genug ist.

5. Stellt sicher, dass alle in einer Stimmung sind, in der Sie sich mit dem heiklen Thema auseinandersetzen können.

6. Seid bereit die gesamte Szene zu kippen und eine Menge umzuschreiben, wenn einer der Spieler davon zu sehr abgeschreckt ist.

Offline Grey

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #7 am: 1.07.2017 | 19:58 »
OK, das war ziemlich viel harter Tobak auf einmal.

Zu dem Szenario "Was wäre, wenn die zionistische Weltverschwörung real wäre": Das wäre mir als SL ein viel zu heißes Eisen, selbst unter Spielern, denen ich absolut, 100%ig vertraue und weiß, dass es umgekehrt genauso ist. Im Larp habe ich die Erfahrung gemacht, dass es bereits grenzwertig sein kann, wenn jemand "nur" im Rahmen einer Mittelalter-Fantasy-Welt einen christlichen Geistlichen spielt, da hier das Spiel von Seiten Dritter sehr schnell mit realen historischen Ereignissen, Meinungen, Vorurteilen etc. verwischt wird. Die "zionistische Weltverschwörung" berührt zu viele Empfindlichkeiten und bedeutet im Grunde das Gedankenexperiment: "Was, wenn die Nazis im Recht waren?" ... was gerade Mitspieler jüdischen Glaubens (die mit hoher Wahrscheinlichkeit Holocaust-Opfer und -Überlebende in der Familie haben) extrem verstören dürfte -- gelinde gesagt. Mir persönlich wäre das in höchstem Maße zu Hardcore und ich wäre von einem SL, der mich mit einer solchen Rätselauflösung "überrascht", sehr geschockt. @TaintedMirror: Ich möchte nicht ausschließen, dass ich dich im Affekt zumindest herb beschimpft hätte, wenn auch vielleicht nicht gleich als "Abschaum der Erde"; aber ich habe Verständnis für den Spieler.

Thema Vergewaltigung: Hier habe ich mal in einem anderen Forum eine Diskussion erlebt, die Speakers-Corner-Ausmaße annahm und über mehrere Jahre hinweg alle Teilnehmer beschäftigt hielt. Als Quintessenz daraus habe ich mitgenommen: Vergewaltigung, selbst wenn sie nur angedeutet wird, ist für viele Spieler (vor allem für Frauen) ein No-Go, das an Verstörungspotenzial jede Mord-, Folter- oder Dämonen/Besessenheits/Horror-Phantasie übertrifft. Das Thema rührt offensichtlich an eine tief sitzende, heftige Urangst. Mein Fazit: Es hat beim Rollenspiel außen vor zu bleiben.

Was allerdings die dritte Szene betrifft, in der die "Neue" geschockt war, dass Probleme mit Gewalt gelöst werden dürfen: Hier wäre eine simple Vorwarnung angemessen, aber auch genug gewesen. "Stell es dir vor, wie in einem Action-Film", ungefähr in der Art.
« Letzte Änderung: 1.07.2017 | 20:03 von Grey »
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
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Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)

Offline Red Baron

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #8 am: 1.07.2017 | 21:08 »
@TaintedMirror:

Zu deinem ersten Beispiel:
Das ist in meinem Augen ein absolutes No-Go! Und zwar aus folgenden Grund:
Du hast dir eine real existierende Gruppe von Personen herausgegriffen, die bis heute völlig zu unrecht diskriminiert wird.
Ich fürchte, ich wäre dir gegenüber ausfällig geworden und hätte dir ein paar Nachhilfestunden in Geschichte und Ethik angeboten. Als "Abschaum der Erde" hätte ich dich zwar nicht tituliert, hätte dir aber klar und sehr ungeschliffen gesagt, warum ich dein Setting ethisch widerlich finde.

Sexuelle Gewalt im Rollenspiel ist ebenfalls ein heikles Thema, da kann ein SL schnell Grenzen überschreiten. Wenn ein SL sexuelle Gewalt im Rollenspiel aufgreifen möchte, sollte er im Vorfeld klären, wo da für seine Spieler die Grenzen der Akzeptanz sind.

Was die junge Frau als Rollenspieler-Neuling betrifft, da kann ich nur Folgendes sagen: Dumm gelaufen! Aber auch so etwas lässt sich vermeiden. Als SL muss man Neulingen genau erklären, was Rollenspiel ist und vor allem auf die No-Gos hinweisen. Erfahrene Rollenspieler kennen diese, aber bei Neulingen setze ich gar nichts voraus, da sollte alles im Vorfeld geklärt werden.

Ich hoffe, meine Antwort war für dich hilfreich und verständlich.
"Mutter ist der Name für Gott, auf den Lippen und in den Herzen aller Kinder." -- The Crow

Offline Archoangel

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #9 am: 1.07.2017 | 22:38 »
Erschreckend. Also einige Reaktion hier ...

Was darf Rollenspiel? Naja ... erst einmal das selbe was satire auch darf, nälich: alles. Was "guter Geschmack" ist darüber lässt sich streiten. Natürlich sollte man als GM seine Gruppe richtig einschätzen können und im Zweifel auch mal fragen, wie weit es denn gehen darf, oder ob es absolute No-Gos gibt. Ansonsten ist in einer Fiktion im privaten Raum meines Erachtens zunächst einmal alles erlaubt, bzw. eben alles, was niemanden wirklich ernsthaft verstört.

Oder in deinem konkreten Beispiel: coole Idee, klingt nach einer spannenden Runde in Richtung "was wäre wenn". Wenn man nicht in der Lage ist das intelektuell zu reflektieren und zu abstrahieren sollte man sich ein anders Hobby, bzw. eine andere Gruppe suchen (meiner Meinung nach, aber natürlich ist das nicht die letzte Wahrheit).

In meinen eigenen Gruppen hatten wir denke ich schon so ziemlich alles thematisiert, was den Abgrund der menschlichen Seele betrifft - und natürlich auch alles was die höchsten positiven Ideale betrifft. Ich finde es übrigens durchaus genial, wenn jemand den fiesen, brutalen Vergewaltiger gerne "zu tode foltern" möchte - sich selbst also letztlich auf eine durchaus vergleichbare Stufe begibt.

Ntürlich ist es nicht jedermenschs Sache, aber das sollte eben schon im Vorfeld klar sein. Nur wenn ich CoC spiele, oder WoD, oder Dunkelelfen - dann sollte mir eigentlich schon klar sein was da alles kommen kann. Wenn ich das nicht haben kann/ nicht mag, dann sollte ich wohl besser die Finger von Rollenspielwelten lassen, die doch gerade menschliche Abgründe thematisieren.

Und um mich restlos unbeliebt zu machen: ich hatte schon ...

... mehrere Dunkelelfen-Kampagnen (also: die Spieler sind Dunkelelfen), die incl. Folter/Sklaverei/sexueller Gewalt etc. so ziemlich jedes üble Klischee bedient haben
... mehrere "wir sind die Bösen" Kampagnen, die zum Teil richtig übel wurden - ich erspare mal die Details, erwähne aber, dass ein  SC ein psychopatischer Massenmörder war
... ettliche Kampagnen, in denen der "evil Overloard" neue Maßstäbe gesetzt hat, was das "evil" anging, Marke "Satan kann jetzt in Rente gehen"
... eine "Nazi-Kampagne", also im Sinne von: die SC sind die Nazis

Und bevor ein falscher Verdacht entsteht: ich hatte natürlich weitaus mehr "wir sind die schleimig Guten"-Kampagnen, in denen das "Gutsein" zum Teil schon zum Erbrechen pathetisch war, richtige Helden eben.

>Letztlich ist das interessante an unserem Hobby, dass man die Möglichkeiten voll ausschöpfen kann und die Möglichkeiten des Abgrundes der menschlichen Seele sind unsagbar tief.
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Offline Ludovico

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #10 am: 1.07.2017 | 22:49 »
Grundsätzlich darf im Rollenspiel erstmal alles und zwar wirklich alles behandelt werden meiner Meinung nach.

Die Beschränkungen entstehen durch die Gruppe und deren moralischen Ansichten und nicht durch die Themen oder das Medium selbst.

Zu 1.) Ich weiss nicht, ob es was für mich gewesen wäre. Ich denke eher nicht. Aber es wäre bei einem solchen Thema, was für viele Menschen ein heisses Eisen ist, eine Art Warnung vorab zu geben. Klar, Du wolltest den Plot nicht preisgeben, weshalb ich mich an Deiner Stelle etwas allgemein halten würde a la "Wer Probleme mit Themen hat, die antisemitisch vorbelastet sind,..."

Zu 2.) Wie bereits erwähnt, sind solche Sachen den Beschränkungen der Spieler unterworfen. Ich steh auch nicht auf Vergewaltigung und Folter und kündige das auch vorab an. Solche Spieler zu beschimpfen, die so etwas im Rollenspiel praktizieren, find ich albern, wenn es laut Gruppe ok ist.

Dass so viele Leute insbesondere im Internet dies sehr kritisch sehen, wundert mich nicht. In den Medien ist Folter, Mord und Raub voll ok, Vergewaltigung ist böse. Filme und Romane formen diese Ansichten aber nicht, sondern bestärken sie meiner Meinung nach eher.
Deshalb meiner Meinung nach auch diese Aversion...plus Internet halt.


Offline Bildpunkt

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #11 am: 1.07.2017 | 22:59 »


... mehrere Dunkelelfen-Kampagnen (also: die Spieler sind Dunkelelfen), die incl. Folter/Sklaverei/sexueller Gewalt etc. so ziemlich jedes üble Klischee bedient haben
(...)
... eine "Nazi-Kampagne", also im Sinne von: die SC sind die Nazis

Letzteres halte ich persönlich für sehr bedenklich. Wer macht denn sowas und warum? War das dann eine Saulus zum Paulus Kampagne oder kann man sich das wie im Roman "Die Wohlgesinnten" vorstellen, also als Holocaust VernichtungsPorno?  Für was gab es da Erfahrungspunkte o Vergeichbares?

Ersteres ist gut das es mal auf den Tisch kommt. Dunkelfen werden ja oft bzw wollen ja oft unreflektiert von Spielern gespielt werden.

Ich finde insgesamt die SC sind Böse Idee hat nur was wenn es ins irgendwie ins überzogene Stereotype/Satirische geht also nicht erstgemeint ist (vgl. das Putsch BrettSpiel "Junta", wo zb der Innenmininster jede Runde ein Attentat frei hat) ansonsten würde ich solche Rollenspiele (ohne Würfel) eher ins echte Theater schieben oder in die Richtung Stanford Prison Experiment und mit psychologischen Artihkel oder Adornotexten begleiten um auch was draus zu lernen.

Nur meine Meinung und ich bin froh sie sagen zu dürfen (danke Alliierte!)
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Offline Bad Horse

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #12 am: 1.07.2017 | 23:02 »
Ich habe im Rollenspiel keinen Bock auf Rassismus, Antisemitismus, diverse Diskriminierungsformen und Vergewaltigung. Es sei denn, wir beschließen als Runde, das ganze zu in einer Sitzung oder einem Kampagnenabschnitt gezielt zu thematisieren. Und selbst dann wünsche ich mir von allen Beteiligten Augenmaß und einen erwachsenen Umgang mit diesen Themen. "Es gibt die zionistische Weltverschwörung, die Juden paktieren mit Cthulhu und ihr kämpft gegendie Juden" ist für mich ein Plot, der soweit weg von allem ist, das einen erwachsenen Umgang mit dem Thema Antisemitismus mal aus der Ferne gesehen hat, dass mir beim Lesen gerade alles aus dem Gesicht gefallen ist.

Sehe ich auch so.

Solche Sachen sollten mit der Gruppe abgesprochen sein, und wenn jemand nicht will, muss man davor vor dem Spiel eine Lösung finden.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline Chiarina

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #13 am: 1.07.2017 | 23:39 »
Ich will hier niemanden in Schutz nehmen, aber im Ausgangsbeitrag ist nicht von einer "zionistischen Weltverschwörung" die Rede. Es heißt dort vielmehr, "dass [...] eine zionistische Gruppe sich der Alten und Golems bediente, um die Macht zu erlangen". Die perfide Propaganda der Nazis bestand in meinen Augen darin, zu behaupten, dass es eine Verschwörung aller Juden gäbe. Von daher wurde dann ja auch der Holocaust legitimiert.

Um das im Ausgangsbeitrag angedeutete Setting zu verurteilen, müsste ich ein wenig mehr erfahren. Zum Beispiel, wie denn die Juden dargestellt wurden, die nicht zu dieser Gruppe gehörten. Vielleicht ist das nur eine kleine Gruppe von Juden, die da mit Golems und Mythoskreaturen jongliert. Vielleicht sind die meisten anderen Juden ahnungslos, nur der Mossad weiß Bescheid und versucht, den Kultisten auf die Spur zu kommen. Schon sähe die Sache anders aus (und ich gestehe: ich fände es in diesem Fall spannend!).

Ein ganz ähnliches Problem gibt es übrigens im Dracula-Dossier mit Roma-Sippen. Dort wird auf das Problem hingewiesen und der einen Roma-Sippe, die mit Dracula paktiert, werden andere unbeteiligte Sippen und auch eine Roma-Menschenrechtsaktivistin gegenübergestellt. Letztere setzt sich für ihr Volk ein, bekämpft aber die "böse" Sippe, weil sie dem Ruf ihres Volkes schadet. Gefahr erkannt und durch ausreichende Differenzierung gebannt (denke zumindest ich).

Wenn sich herausstellen sollte, dass im besagten Setting alle spielrelevanten Juden grundsätzlich mit Mythoskultisten ineins gesetzt wurden, dann würde mir allerdings auch übel.
« Letzte Änderung: 2.07.2017 | 02:17 von Chiarina »
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Offline ArneBab

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #14 am: 1.07.2017 | 23:55 »
Ich würde einen Schritt weiter fragen: Was ist die Verantwortung von Medien?

Und das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn ich eine Serie über eine jüdische Weltverschwörung machen würde, die von Millionen von Menschen geschaut wird, und in Folge dieser Serie sich hunderttausende den Neonazis anschließen würden, hätte ich meiner Meinung nach eine Mitverantwortung dafür. Denn Menschen werden immer von ihrem Umfeld beeinflusst, und indem ich etwas veröffentliche, ändere ich dieses Umfeld (und zwar umso stärker, je mehr Leute ich erreiche, z.B. weil was ich mache qualitativ sehr gut ist — oder weil es von Nazis instrumentalisiert wird).

Im Rollenspiel haben wir den Vorteil, dass eine Runde weniger Leute erreicht, die wir auch noch alle kennen: Wir können abschätzen, was sich daraus ergibt. Dafür liefert es ein viel intensiveres und direkteres Erleben. Wenn sich nach drei Jahren Kampagne mit jüdischer Weltverschwörung einer meiner Spieler Neonazis anschließen würde, wäre das für mich schrecklich. Kann ich wirklich abschätzen, wie groß das Risiko davon ist?

So absurd die Frage scheint, stell sie dir ernsthaft. Könntest du sicher sein, dass du es nicht selbst bist? Hör dazu mal Vaterland.

Andererseits braucht Kunst Freiheit.

Ein Problem des obigen Szenarios ist nicht nur das Thema, sondern auch, dass nicht alle dramatischen Möglichkeiten genutzt werden. Wenn alle plausiblen Plotaufhänger aufgegriffen würden — darunter z.B. alte Traumata durch KZ-Vergangenheit (jeder gute Antagonist ist der Held seiner eigenen Geschichte), Juden, die gegen Juden kämpfen (vielleicht gar gegen die eigenen Eltern oder die eigenen Kinder), um die Geschehnisse aufzuhalten, alte Nazis, die sich der Verschwörung anschließen, um Buße zu tun, usw. — dann könnte das Thema funktionieren. Und das wäre eine künstlerische Aufarbeitung. Aber es wäre trotzdem verdammt schwierig, ihm gerecht zu werden.

Allerdings wären darin nicht alle Juden böse. Wenn du wirklich alle Juden als böse darstellen wolltest, wärst du so weit von der wirklichen jüdischen Religion weg, dass ich dich fragen würde, warum du noch behauptest, mit einem wirklichen Vorbild zu arbeiten, denn dein "what if" würde nicht nur eine punktuelle Annahme weiterdenken, sondern vielmehr ein umfassendes in sich abgeschlossenes Weltbild aufbauen, in dem alles geändert würde, was nicht passt — und das, um in sich selbst konsistent zu sein, weitreichend von der Realität abweichen müsste.

Frage dich selbst ob ein Kunstwerk das dürfte, dann bist du schon sehr weit.
Diese Aussage von KhornedBeef sollte auch für die ethische Frage helfen.

Und ein weiterer Vorteil von Rollenspielen ist, dass das was wir spielen nur für uns selbst passen muss.

In einer Online-Runde würde ich das aber auf jeden Fall nicht machen, sondern nur in einer Gruppe von Leuten, die ich schon lange kenne, so dass ich einschätzen kann, ob das uns wirklich mehr Einblicke und gute Erfahrungen gibt als die vielen anderen Ideen, die wir noch nicht erkundet haben. Und ob wir mit dem umgehen können, was wir in uns selbst erkennen. Lies dir dazu mal The Third Wave durch.

Dass der Spieler in deiner Runde so reagiert hat, kann ich übrigens gut verstehen: Stell dir vor, Nazis würden Online-Runden als Rekrutierungsmethode verwenden. Könntest du als Mitspieler einen handfesten Unterschied zwischen der von dir geleiteten Runde und einer Runde von Nazi-Rekruteuren erkennen? Wie würdest du als Mitspieler reagieren?

Die moralischen Grenzen sehe ich wie beim Wandern: Die Gruppe geht so langsam wie der langsamste in der Gruppe. Beim Rollenspiel: Die Runde achtet darauf, von Niemandem in der Runde die Grenzen zu übertreten. Das wird nicht immer funktionieren, aber mit etwas Achtsamkeit lassen sich die meisten Probleme vermeiden, und mit etwas Wohlwollen die wenigen unbeabsichtigten unerwünschten Grenzüberschreitungen verzeihen.

Was Vergewaltigung angeht: Das haben in Deutschland viel zu viele Leute erlebt, als dass du davon ausgehen könntest, dass du keine Traumata triggerst, wenn du das Thema aufgreifst. Ähnliches gilt für Kindesmisshandlung. Außerhalb des therapeutischen Kontextes ist das daher extrem riskant — und wenn du nicht gerade der verantwortliche (Vollzeit-) Psychologe deiner Spieler bist, kannst du es nicht kitten, wenn du etwas triggerst. Wenn du Leute aus Diktaturen in deiner Runde hast, könnte übrigens das gleiche für Folter gelten.
« Letzte Änderung: 1.07.2017 | 23:58 von ArneBab »
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Offline ArneBab

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #15 am: 2.07.2017 | 00:10 »
Ich will hier niemanden in Schutz nehmen, aber im Ausgangsbeitrag ist nicht von einer "zionistischen Weltverschwörung" die Rede. Es heißt dort vielmehr, "dass [...] eine zionistische Gruppe sich der Alten und Golems bediente, um die Macht zu erlangen"
Das stimmt — dass das leicht übersehen wird, zeigt nochmal, wie brisant das Thema ist.

Das ist, als würden wir Geschichten erzählen, in denen alles Übernatürliche böse ist und getötet werden muss, und heilige Waffen aus der Religion stammen. In denen Hexen verbrannt werden und … ja, genau sowas erzählen wir noch. Aber halt z.B. in Supernatural (der Serie, die sich in der Düsterkeit des dort zu Bekämpfenden suhlt) und zum Glück nicht in DSA.

Ich denke, das wird akzeptiert, weil es niemanden direkt zu betreffen scheint ("es gibt ja keine Übernatürlichen"). Außer der vielen Leute, die früher auf dem Scheiterhaufen gebrannt hätten.

Dass die Lüge von einer jüdischen Weltverschwörung für Millionen von Menschen den Schrecken auf Erden bedeutete ist dagegen den meisten Leuten zum Glück präsent. Denn wir haben die Nazis noch nicht überwunden. Noch lange nicht, wenn ein bekennender Neonazi einer der wichtigsten Berater des US-Präsidenten werden kann.
« Letzte Änderung: 2.07.2017 | 00:20 von ArneBab »
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Eulenspiegel

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #16 am: 2.07.2017 | 01:10 »
Aber wenn man merkt, dass man regelmäßig Leute vor den Kopf stößt, schadet es nicht, mal ein bisschen Selbstreflektion zu betreiben.
Was glaubst du, was ist der Grund für diesen Thread? Könnte es vielleicht, unter Umständen, sein, dass dieser Thread der Reflexion der eigenen Spielweise dient?

Allgemein:
Grundsätzlich darf man alles. Jedoch sollte man auf die No-Go seiner Mitspieler achten.
Wenn es ein ziemlich unerwartetes Thema ist, das emotional womöglich sehr aufgeladen sein könnte, wäre es hilfreich, hier im Vorfeld Andeutungen zu machen und die Spieler zu fragen, ob das in Ordnung geht.

Ansonsten finde ich es interessant, dass mit der christlichen Mythologie allerlei Schindluder getrieben wird und das auch akzeptiert wird. Aber sobald man sich einer anderen Religion zuwendet, ist das plötzlich böse.

Shogoth64

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #17 am: 2.07.2017 | 02:33 »
Ich schließe mich dahingehend meinen Vorrednern an, dass das Alpha und das Omega einer jeden Spielrunde ist, mit den Leuten darüber zu reden, was sie wollen, und was sie NICHT wollen. Jeder hat Dinge, die ihm unwohl sind, egal ob es Vergewaltigung, Gewalt gegen Kinder, Blasphemie, radikale Ansichten oder etwas anderes ist. Reden hilft und vermeidet, Gefühle zu verletzten.

Ich denke das große Problem der jüdischen Verschwörung in deinem Setting ist die sehr starke Vorbelastung des Themas. Hättest du in Jakutzk gespielt und es so dargestellt, dass alle vom Volksstamm der Jakuten mit den alten Paktieren, hätten sich die Spieler vermutlich weniger dagegen gewehrt. Folglich gab es ein Problem mit Empfindlichkeiten deiner Spieler, auch wenn ich mal davon ausgehe, dass du eben nicht(!) in der Runde den Holocaust runterspielen wolltest, sondern das Ganze nur als eine alternative Realität darstellen wolltest, in welcher es solch eine Verschwörung gab. Nächstes mal das Thema erst mal vorsichtig abklopfen.
Ich glaube auch, dass das der Grund ist, weswegen erfundene Welten beliebter sind fürs Rollenspiel (meiner Empfindung nach). Sie sind weniger vorbelastet...


Und bei Onlinerunden solltest du die Leute immer erst mal über einen längeren Zeitraum kennenlernen. Das Fehlen von Gestig und Mimik kann die Kommunikation schnell kaputt machen.

Ucalegon

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #18 am: 2.07.2017 | 03:02 »
Was glaubst du, was ist der Grund für diesen Thread? Könnte es vielleicht, unter Umständen, sein, dass dieser Thread der Reflexion der eigenen Spielweise dient?

Falls ja, super! Nur klingt die Frage "Was darf Rollenspiel?" für mich so, als wolle sich jemand einen Persilschein ausstellen lassen.
« Letzte Änderung: 2.07.2017 | 03:04 von Ucalegon »

Offline Edvard Elch

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #19 am: 2.07.2017 | 04:45 »
Ich stelle mir gerade die Frage, was das Ziel ist, mit diesen Inhalten zu spielen. Also was versucht ihr zu erreichen, indem ihr Nazis spielt oder den Hintergrund eurer Antagonisten auf antisemitischen Verschwörungstheorien aufbaut? Was bringt euch das für euer Spiel? Und wieso lässt sich das nicht mit irgendwelchen Fantasyfaschisten oder einer x-beliebigen Verschwörung erreichen, die sich nicht in der antisemitischen Klischeekiste bedient?
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Eulenspiegel

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #20 am: 2.07.2017 | 07:05 »
Was bringt es mir, reale Bösewichte (z.B. Nazis) zu spielen:
Dadurch kann ich mich besser in sie hineinversetzen. Das hilft mir, sie zu verstehen.

Ich habe den Grundsatz: Kenne deine Feinde. Gerade bei Ideologien muss man sie auch kennen und verstehen, um sie erfolgreich zu bekämpfen. (Deswegen halte ich viele linke Aktionen auch für sinnlos: Diese werden meistens nur von den Leuten wohlwollend aufgenommen, die man eh nicht überzeugen muss. Die Leute, die man überzeugen will, lehnen die Aktionen meistens ab.)

Zu Verschwörungstheorien:
Ich liebe alle Arten von Verschwörungstheorien. Am beliebtesten sind die Illuminaten- und Freimaurer-Verschwörungstheorien. Dann gibt es noch die Alien- und US-Geheimdienst-Verschwörungstheorien. Die machen zwar auch alle Spaß. Aber wenn man zig Jahre lang immer die im Wesen gleichen Verschwörungstheorien gespielt hat, wünscht man sich auch mal etwas Abwechslung.

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #21 am: 2.07.2017 | 07:34 »
Was bringt es mir, reale Bösewichte (z.B. Nazis) zu spielen:
Dadurch kann ich mich besser in sie hineinversetzen. Das hilft mir, sie zu verstehen.

Ich habe den Grundsatz: Kenne deine Feinde. Gerade bei Ideologien muss man sie auch kennen und verstehen, um sie erfolgreich zu bekämpfen. (Deswegen halte ich viele linke Aktionen auch für sinnlos: Diese werden meistens nur von den Leuten wohlwollend aufgenommen, die man eh nicht überzeugen muss. Die Leute, die man überzeugen will, lehnen die Aktionen meistens ab.)


Auch wenn ich für die Graustufen des normalen Lebens einen verstehenden Ansatz sehr begrüße - oft kann man ja die Aktionen anderer Leute bzw Motive die zu solchen Aktionen führen besser verstehen, wenn man selbst in deren Situation war bzw / kommt, finde ich das bei Extrempositionen (zB extreme Ideologien) eher Zeitverschwendung außer man beschäftigt sich professionell damit. Es gibt ja fundierte psychologische / pädagogische  /soziologische Extremiusmusforschung auf denen dann div Prävention/Aussteigerprogramme aufbauen. Warum sollte ich meinen kostbaren RPG Monatsslot dafür aufbringen menschenverachtende Positionen nachspielen zu wollen?  Wenn es insb bei pubertierenden Jugendlichen die einmalige RPG Übernahme solcher Rollen einen präventiven Charakter hat : prima. Mich dünkt es koennte aber auch leider als Verstärker wirken.
« Letzte Änderung: 2.07.2017 | 07:36 von Pixellance »
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Offline Caranthir

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #22 am: 2.07.2017 | 08:20 »
Wichtig wäre doch erstmal, dass man vorher mit allen Beteiligten drüber redet, was das für ein Spiel/Kampagne/Abenteuer sein soll. Geht es dann in die Richtung Vergewlatigung/exzessive Gewalt/Antisemitismus würde ich dann halt sagen "Ich bin raus". Die Spieler mit sowas überfallen, geht aber mal gar nicht.

Natürlich darf Kunst alles, bei einem Buch, Film, einer Ausstellung usw. kann ich ja aber auch entscheiden, ob ich es/sie a) gut finde und b) mir überhaupt anschauen will. Die Freiheit sollte ich den Spielern schon lassen. Sonst würde ich ziemlich angepisst reagieren, immerhin entscheide immernoch ich, wie ich meine Freizeit gestalten will.
Lese: Fate of Cthulhu, Fate Horror Toolkit, Dragon Age RPG, The Expanse RPG

Leite: Der Eine Ring (Kampagnen in Wilderland und Rohan)

Brettspiele: Firefly, Dresden Files Card Game, Azul, Eldritch Horror

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Chiungalla

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #23 am: 2.07.2017 | 08:54 »
Ich sehe es wie einige meiner Vorredner. Was Rollenspiel darf ist die falsche Frage. Oder vielleicht anders formuliert: Sie ist an die falschen Leute gerichtet. Nämlich hier an das Forum, statt an Deine Gruppe. Das Forum hier könnte sich einstimmig für zionitische Verschwörer, Vergewaltigungen und Gewalt im Rollenspiel aussprechen. Und es würde Dein Problem mit der heimischen Runde trotzdem nicht lösen. Allenfalls könntest Du ihr dann vorwerfen, das sie da spießiger sind als ein Internet-Forum, aber das ist das Gegenteil von Rücksichtnahme und für sich selbst genommen schon mal ein no-go.

Das es vielleicht die Mehrheit sieht wie Du, und danach sieht es hier nicht einmal aus, hilft Dir nicht.
Das sind Themen die muss man eigentlich vorher mit seiner Gruppe klärt. Wenn man an dieser Stelle pokert geht das oft daneben.
Und wenn man sowas mal falsch eingeschätzt hat, dann sollte man den Fehler ohne Ausflüchte zugeben und sich aufrichtig entschuldigen.
Wenn Du in der Situation noch mit Ausflüchten und Rechtfertigungen kommst eskaliert die Situation halt sehr schnell.

Ein wenig eine Ausnahme ist da die Geschichte mit der Gewalt im Rollenspiel. Da kann man wenigstens bei erfahrenen Rollenspielern schon ein Mindestmaß an Bereitschaft vorraussetzen. Bei Neulingen, oder wenn außergewöhnlich viel Gewalt vorgesehen ist, spreche ich das Thema aber immer explizit an.

Offline Wandler

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Re: RPG versus Moralität
« Antwort #24 am: 2.07.2017 | 09:57 »
Für mich ist erstmal alles erlaubt, vom wildesten politischen, religiösen bis sexuellem Extrem und jeder Perversion. Wenn ich aber das Gefühl habe, eine Person lebt hier ihre persönlichen Ansichten und Wünsche aus, dann werde ich vermutlich auch früher oder später den Kontakt mit so einer Person abbrechen. Ich finde ein beschimpfen absolut unsinnig und unreif, eine Androhung von Gewalt geht ja noch viel weiter.

Was bedeutet das im konkreten: Wenn ein SL in seiner Runde für jeden Abend (oder eine sehr kleine überschaubare Anzahl dieser) ein anderes Extrem rauspickt und das die Spielprämisse ist, kann das in Ordnung sein. Eine lange Kampagne in der so etwas der gesamte Rahmen ist: eher nicht. Da würde ich doch irgendwie davon ausgehen müssen, dass die Person hier mehr persönliche Ansichten auslebt, als nur einfach schocken zu wollen.

Gleichzeitig sage ich aber sicher auch relativ klar, wenn mir dann etwas nicht passt - auch mittem im Spielabend. Wo die Grenze liegt, ist hier sehr subjektiv und persönlich und hängt sehr davon ab wie gut ich die Person kenne. Eine fremde Person in einer Onlinerunde: sieht schlecht für sie aus. Ein sehr guter Freund von mir: kein Problem.