Autor Thema: Vor-/Nachteile vorbereiteter Geschichten (war:Vor- und Nachteile v. Railroading)  (Gelesen 5052 mal)

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Offline Radulf St. Germain

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Ich weiß, wir hatten ja schon viele Threads über Railroading. Aber irgendwie musste ich in letzter Zeit öfter mal über diesen Themenkomplex nachdenken (und habe auch einen Blogeintrag dazu geschrieben - http://studio.hardpoints.de/lecture-notes-on-roleplaying.html). Es gibt sicherlich viele Beispiele für furchtbares Railroading aber ist das Railroading deswegen komplettes Teufelszeug?

Betrachten wir folgendes Beispiel: Ein Gruppe LG-Paladine wird durch Abenteuer "gerailroaded" in denen der Spielleiter davon ausgeht, dass sie immer Gutes tun. Wäre das ein Problem? Klar, die klassischen Nachteile (keine Entscheidungsfreiheit) sind da. Aber andererseits hat sich der DM sehr bemüht den Spielern genau das zu geben, was sie spielen wollten, er/sie hat gewissermaßen antizipiert, was die Spieler tun werden. Eine Sandbox gefüllt mit Monstern aber ohne Prinzen oder Prinzessinnen zum Retten wäre in diesem Fall wahrscheinlich weniger befriedigend.

Eure Meinung?
« Letzte Änderung: 26.05.2018 | 13:20 von Radulf St. Germain »

Pyromancer

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #1 am: 25.05.2018 | 20:05 »
Ich weiß, wir hatten ja schon viele Threads über Railroading. Aber irgendwie musste ich in letzter Zeit öfter mal über diesen Themenkomplex nachdenken (und habe auch einen Blogeintrag dazu geschrieben - http://studio.hardpoints.de/lecture-notes-on-roleplaying.html). Es gibt sicherlich viele Beispiele für furchtbares Railroading aber ist das Railroading deswegen komplettes Teufelszeug?

Betrachten wir folgendes Beispiel: Ein Gruppe LG-Paladine wird durch Abenteuer "gerailroaded" in denen der Spielleiter davon ausgeht, dass sie immer Gutes tun. Wäre das ein Problem? Klar, die klassischen Nachteile (keine Entscheidungsfreiheit) sind da. Aber andererseits hat sich der DM sehr bemüht den Spielern genau das zu geben, was sie spielen wollten, er/sie hat gewissermaßen antizipiert, was die Spieler tun werden. Eine Sandbox gefüllt mit Monstern aber ohne Prinzen oder Prinzessinnen zum Retten wäre in diesem Fall wahrscheinlich weniger befriedigend.

Eure Meinung?

Gretchenfrage: Was macht der SL, wenn die LG-Paladine NICHT das machen, was er antizipiert hat?

Offline Megavolt

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #2 am: 25.05.2018 | 20:06 »
Betrachten wir folgendes Beispiel: Ein Gruppe LG-Paladine wird durch Abenteuer "gerailroaded" in denen der Spielleiter davon ausgeht, dass sie immer Gutes tun.

Ich verstehe das Setup nicht. "Von irgendwas ausgehen" ist sicherlich kein Railroading-Operator. :D

Im schlimmsten Fall hat sich der SL halt getäuscht.

Offline Radulf St. Germain

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #3 am: 25.05.2018 | 20:10 »
Gretchenfrage: Was macht der SL, wenn die LG-Paladine NICHT das machen, was er antizipiert hat?

Das ist ein guter Punkt. Ich denke ich rede hier von Abenteuern, die als Railraod ausgelegt sind. Wie der DM dann damit umgeht, wenn es eine andere Entscheidung gibt ist eine weitere Frage. Wollen die Helden nicht Leute retten, dann steht er/sie halt ohne Vorbereitung da.

Offline Kampfwurst

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #4 am: 25.05.2018 | 20:16 »
Es kommt vermutlich darauf an, wie man Railroading versteht. Für mich bedeutet das in letzter Konsequenz, dass die Aktionen der Spieler gewöhnlich wirkungslos verpuffen, weil eh das passiert, was der Spielleiter geplant hat.

Dass man, hat man sich auf ein Abenteuer geeinigt, in die Richtung des Abenteuers spielt ist glaube ich einfach nur gute Rollenspiel-Etikette. Andernfalls braucht der Spielleiter sich nicht die Arbeit machen etwas vorzubereiten. Das hat aber für mich noch nichts mit Railroading zu tun.

Pyromancer

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #5 am: 25.05.2018 | 20:17 »
Das ist ein guter Punkt. Ich denke ich rede hier von Abenteuern, die als Railraod ausgelegt sind. Wie der DM dann damit umgeht, wenn es eine andere Entscheidung gibt ist eine weitere Frage. Wollen die Helden nicht Leute retten, dann steht er/sie halt ohne Vorbereitung da.

Da siehst du schon einen großen Nachteil von Railroading-Abenteuern: Wenn es blöd läuft, dann steht der SL ohne Vorbereitung da.

Offline Radulf St. Germain

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #6 am: 25.05.2018 | 20:23 »
Da siehst du schon einen großen Nachteil von Railroading-Abenteuern: Wenn es blöd läuft, dann steht der SL ohne Vorbereitung da.

Gut, aber was ist die Alternative? Alles vorbereiten? D.h. ich habe viel Material das wertlos verpufft. Nichts vorbereiten? Dann stehe ich auch ohne Vorbereitung da.
Ich meine die Fragen übrigens ernst - ich bereite gerne Dinge vor, mag eine erinnerungswürde Story und will die Spieler nicht in eine Richtung drängen. Geht das überhaupt?

Online Maarzan

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #7 am: 25.05.2018 | 20:25 »
Wer LG auf seinen Charakterbogen schreibt oder auch entsprechende Nachteile verrechnet hat (vorzugsweise nach Erkenntnis darüber, was das in dem Setting/Regelwerk bedeutet) hat sich diese Beschränkung erst einmal selber auferlegt.
Wenn diese Einschränkung dann effektiv wird, ist das erst einmal selbst gewollt bzw. in Kauf genommen.

Was es in dem Zusammenhang geben kann, ist entweder eine unterschiedliche Vorstellung davon, was z.B. LG etc ist, aber auch die Restchance, dass der Spielleiter auf seiner Seite Logik und Wahrscheinlichkeiten massiv verzerrt, Winkeladvokatzüge fährt und dann so etwas wie mit den Orkkindern rausläßt, wo der Paladin keine Chance hat nicht etwas Falsches zumachen: brintgt er sie um ist das BÖSE, lässt er sie oder gar noch Erwachsene zur Versorgung laufen (und alle "hüten" kann er auch nicht), töten sie andere Bewohner, deren Tod ihm zugeschrieben wird und mit seinem Armustgelübde hat er selbst keine Mittel eine andere Lösung zu organisieren. 

Oder bliebe noch die rechtschaffen-blöd Definition, wo dem "Guten" das eigenständige Denken verboten und durch weltfremde PC-Regeln ersetzt wird.

In dem Sinne: Gesinnung und Nachteile KÖNNEN als Railroadinghebel missbraucht werden, erfordern dafür aber in der Regel recht offensichtliche Willkürakte von seiten des Spielleiters, so dass es eher früher knallt, sind bei regulärer Anwendung aber eben KEIN Railroading.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Pyromancer

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #8 am: 25.05.2018 | 20:36 »
Gut, aber was ist die Alternative? Alles vorbereiten? D.h. ich habe viel Material das wertlos verpufft. Nichts vorbereiten? Dann stehe ich auch ohne Vorbereitung da.
Ich meine die Fragen übrigens ernst - ich bereite gerne Dinge vor, mag eine erinnerungswürde Story und will die Spieler nicht in eine Richtung drängen. Geht das überhaupt?

Das wurde hier und überall sonstwo doch schon tausendmal durchdiskutiert... Suchfunktion!

Offline YY

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #9 am: 25.05.2018 | 20:38 »
Ich meine die Fragen übrigens ernst - ich bereite gerne Dinge vor, mag eine erinnerungswürde Story und will die Spieler nicht in eine Richtung drängen. Geht das überhaupt?

In "radikaler", idealisierter Form aller Bestandteile? Nein.


Grundsätzlich finde ich aber schon die Betrachtungsweise etwas daneben, dass die SCs alle LG sind und das der Aufhänger für ein irgendwie geartetes Railroading sein soll.

Da sollte man auch ganz vorne anfangen:
Die Spieler sitzen am Tisch, um zu spielen und nicht um zu allem und jedem zu sagen "Da würde mein Charakter aber niemals nicht mitmachen."*
Und wenn man das mal als Grundlage akzeptiert hat, ist es auch kein großer Schritt mehr, als SL offen zu sagen "Ich habe da was vorbereitet, was ich gerne mit euch spielen würde."
Mit auch nur einem Hauch Entgegenkommen von Spielerseite bekommt man eventuelle ingame-Stolpersteine zur allgemeinen Zufriedenheit ausgeräumt und dann läuft die Sache.



*Wenn das doch vorkommt, sollte man das auch auf der Metaebene ansprechen und nicht den großen ingame-Eiertanz aufführen. Befindlichkeiten dieser Art braucht echt keine Sau.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Radulf St. Germain

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #10 am: 25.05.2018 | 20:48 »
Grundsätzlich finde ich aber schon die Betrachtungsweise etwas daneben, dass die SCs alle LG sind und das der Aufhänger für ein irgendwie geartetes Railroading sein soll.

Vielleicht ein unglücklich gewähltes Beispiel. :-\

Aber ich lese aus Deinem Post (und auch den meisten anderen), dass Ihr von einer gewissen Ettikette ausgeht, bei der die Leute das spielen was vorbereitet wurde. Ich habe auch schon erlebt, dass die Spieler sich so verhalten wie sie denken, dass man es von ihnen erwartet. Ich hatte ein Abenteuer mit einer meiner Meinung nach interessanten moralischen Entscheidung designed. Die Spieler sind aber davon ausgegangen, dass das Abenteuer nur weitergeht, wenn sie Option X wählen.  :-\

Online Maarzan

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #11 am: 25.05.2018 | 20:54 »
Zu den Etiketten gehören die Akzeptanz der Dinge, welche vorher abgemacht bzw vom Spielleiter so angekündigt worden sind (z.B. alles loyale Anhänger von Fraktion y) .
Es ist dann aber auch kein Freibrief für beliebige weitere Manipulationen.

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Offline Crimson King

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #12 am: 25.05.2018 | 20:55 »
Gut, aber was ist die Alternative?

1. Ein gutes Grundverständnis des zu Grunde liegenden Settings mitsamt der wichtigen handelnden Personen, ihrer Motivationen und Beziehungen, einschließlich der NSCs zu erarbeiten, um im Bedarfsfall auf einem soliden Fundament improvisieren zu können.

2. Auf Basis des oben beschriebenen Grundverständnisses Abenteuer schreiben, die die Motivationen der Spieler und ihrer Charaktere ansprechen, so dass diese von sich aus Handlungen initiieren, die so erwartbar sind.

3. Die Spieler am Ende der Spielsitzung fragen, was sie als nächstes zu tun gedenken, um dann zielgerichtet vorbereiten zu können.
« Letzte Änderung: 25.05.2018 | 20:58 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline YY

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #13 am: 25.05.2018 | 21:13 »
Ich habe auch schon erlebt, dass die Spieler sich so verhalten wie sie denken, dass man es von ihnen erwartet.

Sobald eine Seite  (i.d.R. der SL) merkt, dass da was schief läuft: OT explizit ansprechen.
Wenn das jemanden aus der Immersion reißt, ist das halt so - immer noch besser, als eine oder gar mehrere Sitzungen rumzueiern in dem Versuch herauszufinden, was sich der SL wohl für ein Verhalten wünscht.
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Offline Radulf St. Germain

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #14 am: 26.05.2018 | 08:39 »
Interesanter Input. Ich habe das Gefühl, ich muss vor allem nochmal an meiner Problemformulierung arbeiten. Irgendwie geht die Diskussion an dem Punkt vorbei, den ich machen wollte.

Offline Blizzard

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #15 am: 26.05.2018 | 10:17 »
Es gibt sicherlich viele Beispiele für furchtbares Railroading aber ist das Railroading deswegen komplettes Teufelszeug?
Kurze Antwort: Nein, ist es nicht.

Lange Antwort: Das Problem ist doch, dass es keine einheitliche Definition von RR gibt und keine klare Abgrenzung, was jetzt RR ist und was nicht. Oder wo RR anfängt und wo es aufhört. Dafür sind einfach die Ansichten zu RR zu individuell und zu unterschiedlich. Es tut mir leid für diejenigen, die schlechte Erfahrung mit RR gemacht haben. Aber RR ist letzen Endes nichts weiter als ein Tool oder Feature, das man einbauen kann-oder auch nicht. Falsch dosiert oder eingesetzt kann es dann eben zu diesen unschönen Nebenwirkungen kommen. Aber das ist ja mit anderen Elementen nicht anders, die falsch dosiert oder an den falschen Stellen eingesetzt werden. Wenn ich jahrelang vom SL in jedem Abenteuer schier unlösbare Rätsel vor den Latz geknallt bekommen habe, dann sind diese Dinge für mich auch Teufelszeug.^^
Von daher: Es kommt auf die Methodik an, wie und wann man RR einsetzt. Wohl dosiert und an den richtigen Stellen implementiert wirkt sich RR positiv auf das Abenteuer oder die Situation im Abenteuer aus.
RR ist also nicht per se schlecht und es ist auch nicht komplettes Teufelszeug. Anders gesagt: It's not a bug, it's a feature.
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Offline KhornedBeef

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #16 am: 26.05.2018 | 10:27 »
Moooaaannn, Leute. Das geht doch wieder schief ;)
Schreib am besten bei sowas am Anfang hin, was du unter Railroading verstehst, da gibt es doch ne Menge Diskussionen zu.
Das korrekte Antizipieren ist kein Railroading, aber die Ereignisse so hinbiegen, dass die Spieler der "antizipierten" Handlung folgen, egal was sie tun, nennt man halt je nach Geschick und Wortwahl "Illusionismus" oder "Railroading".

Persönlich bin ich ja am glücklichsten mit Meta-Railroading: "Hey, Leute, da...habe ich nix zu auf dem Plan, und da wäre ich gerne besser vorbereitet, weil ich die Entwicklung spannend finde. Könnt ihr das irgendwie noch etwas verschieben....?"
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Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

alexandro

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #17 am: 26.05.2018 | 10:45 »
Betrachten wir folgendes Beispiel: Ein Gruppe LG-Paladine wird durch Abenteuer "gerailroaded" in denen der Spielleiter davon ausgeht, dass sie immer Gutes tun. Wäre das ein Problem? Klar, die klassischen Nachteile (keine Entscheidungsfreiheit) sind da. Aber andererseits hat sich der DM sehr bemüht den Spielern genau das zu geben, was sie spielen wollten, er/sie hat gewissermaßen antizipiert, was die Spieler tun werden. Eine Sandbox gefüllt mit Monstern aber ohne Prinzen oder Prinzessinnen zum Retten wäre in diesem Fall wahrscheinlich weniger befriedigend.

Selbst in vollkommen freien Abenteuern/Kampagnen haben die Spieler üblicherweise ihrem SL mitgeteilt, was sie grob machen/erleben wollen und halten sich auch dran. Die Charaktere ziehen nicht plötzlich los und versuchen in Hintertupfingen eine Emu-Farm zu gründen, nur weil sie es theoretisch könnten.

Die Sache in eben, dass es innerhalb des Spektrums "LG" vielfältige Möglichkeiten gibt sich zu verhalten. Der SL hat vielleicht nicht die Möglichkeit einkalkuliert, was passiert wenn die Charaktere den Hohepriester des örtlichen Tempels hinterrücks erdolchen, weil es relativ unwahrscheinlich ist, dass diese Situation im Spiel vorkommt (sollte es doch zu einem Angriff auf den Hohepriester kommen - z.B. weil die Charaktere diese für einen bösen Kultisten halten - kann aber auch eine grobe Ausarbeitung dieses NSC als Verbündeter helfen, mit dieser unerwarteten Situation umzugehen), aber er sollte sich auf jeden Fall überlegen, wie der BBEG darauf reagiert, dass die Paladine ihm die Chance geben sich zu ergeben und gefangen nehmen zu lassen.

Offline Coltrane

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #18 am: 26.05.2018 | 11:00 »
Zitat
selbst in vollkommen freien Abenteuern/Kampagnen haben die Spieler üblicherweise ihrem SL mitgeteilt, was sie grob machen/erleben wollen und halten sich auch dran. Die Charaktere ziehen nicht plötzlich los und versuchen in Hintertupfingen eine Emu-Farm zu gründen, nur weil sie es theoretisch könnten.
Naja, das kommt auf die Spieler an. Meine Runde hatte bei der letzten Sitzung Riesenspass daran in Chicago die Eröffnung eines Friseurladens zu planen und anzugehen. Eigentlich war die Grundidee meinerseits, dass sie einem geheimen Kult der Schlangenmenschen aufdecken und vernichten sollten. Das finden sie grundsätzlich auch spannnend und gut, aber die Idee mit dem Friseurladen war dann doch anziehender. Da sollte man dann so flexibel sein, die Spieler machen lassen solange sie Spaß dran haben und schauen wohin das die Story führt. Meiner Meinung nach werden Friseursalons bei Cthulhu allgemein unterschätzt.

Offline 1of3

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #19 am: 26.05.2018 | 11:03 »
Ich kommentiere mal deinen Blogbeitrag:

Zitat
Many players dislike the idea that they are not in control.

Ok. Ich würde soweit gehen zu sagen: Niemand will Kontrollverlust fühlen.
Der Witz ist: Was die Leute als Kontrollverlust wahrnehmen, ist höchst unterschiedlich.

Daraus folgt: Wenn du vermeiden willst, dass deine Mitspieler Kontrollverlust spüren, musst du sie zunächst mal verstehen. Du kannst also nicht railroaden an sich. Du kannst nur Dinge tun, die deine spezifische Spielrunde als railroadend begreift. Bzw. du kannst versuchen, dieses Verhalten zu vermeiden.

Zitat
On the other hand, a sandbox where nothing interesting happens and a lot of adventure time is lost due to stumbling through the fog of war can also be a grueling experience.

Tatsächlich ist auch das Kontrollverlust. Das Problem ist in beiden Fällen, dass die Person nicht erkennt, welche Handlungsmöglichkeiten ihr offenstehen und diesen Handlungsraum daher auch nicht verinnerlichen kann.

In beiden Fällen hilft am besten diese Kommunikation: Ihr müsst klären, was ihr eigentlich spielt.

Ich habe das hier auf die Frage hin, ob es überhaupt Sandbox-Abenteuer gebe, dargestellt.

Offline Medizinmann

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #20 am: 26.05.2018 | 11:43 »
Zitat
Eure Meinung?
Definiere erstmal Railroading !
da es verschiedene Definitionen gibt, gibts auch verschiedene Ansätze
manche halten es schon für Railroading, wenn der SL ansagt welches Wetter ist ,andere halten Railroading für eine (mentale) Vergewaltigung der Spieler.....

HougH!
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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #21 am: 26.05.2018 | 11:48 »
Sobald eine Seite  (i.d.R. der SL) merkt, dass da was schief läuft: OT explizit ansprechen.
Wenn das jemanden aus der Immersion reißt, ist das halt so - immer noch besser, als eine oder gar mehrere Sitzungen rumzueiern in dem Versuch herauszufinden, was sich der SL wohl für ein Verhalten wünscht.

Yep. Wenn sich tatsächlich einer über "Immersionsbrüche" und "Metagaming" genau da meint aufregen zu müssen, wo sie recht eindeutig hilfreich sind...tja, dann gehört das für mich zum Preis genau der Freiheit, die einem das Medium Rollenspiel überhaupt erst bietet. Ich will eine eigenständige Person am Tisch sitzen haben, zu deren Aufgaben unter anderem das Management der Spielwelt auch und gerade in Situationen gehört, die sich nicht einfach von vornherein per Regelwerk oder Computer verautomatisieren lassen? Dann muß ich eben auch damit leben können, daß besagte Person trotz gelegentlicher anderslautender Statements von unqualifizierter Seite (8]) auch "nur" ein Mensch ist, keine Gedanken lesen kann und auch sonst nicht automatisch alles schon weiß; da gehören "Meta"-Interaktionen auf ausdrücklicher Spieler-zu-SL(oder auch mal Spieler-zu-Spieler)-Ebene dann halt einfach zwangsläufig mit zum Spiel.

Offline Radulf St. Germain

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #22 am: 26.05.2018 | 12:14 »
Ich kommentiere mal deinen Blogbeitrag.

Danke, der Gedanke mit der Sandbox als Kontrollverlust ist sehr spanned. In die Richtung habe ich noch gar nicht gedacht. Ich werde auch mal einen Beitrag zu Sandboxes schreiben.  ;D

Ich habe den Blogeintrag noch mal entschieden überarbeitet. Die Diskussion hat mir gezeigt, dass es mir um das Design (kommerzieller) Abenteuer und deren Railraoding-Anteil ging, ich aber die Erfahrung am Tisch davon nicht eindeutig genug angegrenzt hatte.

Wer Lust hat kann ja die aktualisierte Form nochmal lesen. http://studio.hardpoints.de/lecture-notes-on-roleplaying.html

eldaen

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #23 am: 26.05.2018 | 12:58 »
Gut, aber was ist die Alternative? Alles vorbereiten? D.h. ich habe viel Material das wertlos verpufft. Nichts vorbereiten? Dann stehe ich auch ohne Vorbereitung da.
Ich meine die Fragen übrigens ernst - ich bereite gerne Dinge vor, mag eine erinnerungswürde Story und will die Spieler nicht in eine Richtung drängen. Geht das überhaupt?

Ja, das geht. Mache ich auch so. (auch wenn ich das letzte mal wegen eines Special Guest Stars tatsächlich mal hetzen und railroaden musste, aber das ist eine andere Story...  ;D)

Graham Walmsley hat in seinem "Play Unsafe" ganz hübsch erläutert, dass auch ein improvisationslastiges Spielleiter durchaus von guter Vorbereitung profitiert - vorausgesetzt, der Spielleiter hält nicht auf Zwang an seinen Ideen fest.

Für mich ist bei der Vorbereitung wichtig, dass ich gut antizipieren kann.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass ich zuverlässige Spieler brauche. Und das erschöpft sich nicht darin, regelmäßig halbwegs pünktlich aufzutauchen und Würfel & Charakterbogen dabei zu haben. Das beinhaltet nämlich auch, dass die Spieler ihren Charakter so spielen, wie sie ihn vorgestellt und (gemeinsam mit SL / der Gruppe) entwickelt haben. So wie abgesprochen halt. Ich bin da ganz bei Schopenhauer:

Zitat
"Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will."

Alles hat nämlich weniger was mit Spielerfreiheit zu tun, sondern ganz schnell auch mal mit Spielerwillkür. Ersteres ist erwünscht, letzteres toleriere ich nicht (denn alle, auch der SL, wollen Spaß haben).

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Wiiiichtig!

Denn: Beim Vorbereiten / Antizipieren arbeite ich doch als SL auf Grundlage der Charakterflags, der (im Idealfall dokumentierten) Gruppendynamik und der Vorlieben der einzelnen Spieler. Darauf muss ich mich verlassen können (und bei meiner HEX Runde kann ich das beispielsweise seit Jahren). Wenn ich dann vorbereite, bin ich in den allermeisten Fällen sehr nah an dem, was dann tatsächlich im Spiel passiert, ohne dass ich da Wahlmöglichkeiten oktroyierte. Natürlich habe ich einen Fahrplan (mit Alternativrouten, Abkürzungen, Umleitungen, Unfällen, etc.). Und da sind gewisse Stationen halt fixer vorgesehen, als andere. Meine "Fahrgäste" haben aber schließlich auch eine Panoramareise an einen gewisses Ziel mit gewissem Service und Sehenswürdigkeiten gebucht und nicht ein Ticket für nen Autoscooter aufm Jahrmarkt (man kommt nirgendwo her, es geht nirgendwo hin, aber Hauptsache es knallt und rummst). Wer sowas nämlich spielen will, ist bei meiner Vision von Rollenspiel falsch, auch wenn ich actionlastige Spiele bevorzuge.

Also ist es elementar wichtig, zwischen einem Railroading zu unterscheiden, dass Spielerentscheidungen entwertet, weil die Vorbereitung der SL schlecht war und Railroading, das Spielerentscheidungen entwertet, weil sie willkürlich und entgegen den mit der Gruppe (implizit oder explizit) getroffenen Vereinbarungen ist. So viel Moderator gestehe ich mir als SL dann doch zu. Zumal in vielen Gruppen der SL der Hauptverantwortliche für Dinge wie Gruppendynamik, Story-Arcs und Spieltheorie im Allgemeinen ist, während die Spieler doch häufig "nur" konsumieren.

Bei mir persönlich ist es so, dass je detailierter ich vorbereitet bin, desto besser kann ich am Tisch auch improvisieren. Meine Spieler überraschen mich ja trotzdem häufig! Aber dann in positivem Sinne - mit noch cooleren Sachen, mit Problemen, die sie sich selbst aufladen damit das Spiel interessanter wird, manchmal auch mit Abkürzungen. Und dann muss ich als SL auch laufen lassen und umstricken. Gut, wenn ich dann die Dinge trotzdem im Blick habe, und fundierte Entscheidungen (Improvisationen) treffen kann. Bei guter Vorbereitung und zuverlässigen Spielern ist Railroading weder auf die legitime noch auf die illegitime Art nötig. Manchmal dann auch weniger Improvisation, aber das macht ja keinen Unterschied am Spieltisch.

In summa:

- Vorbereitungen können ebenso hilfreich wie hinderlich dabei sein, auf Entwicklungen am Spieltisch zu reagieren (Walmsley: "Hold ideas lightly").
- Vorbereitung und ein "Fahrplan" sind nicht gleich Railroading.
- Wenn keine Spielerentscheidungen entwertet oder aufgehoben werden, ist es per definitionem kein Railroading.
- Es gibt (mindestens) zwei Formen von Railroading:
     - Railroading aufgrund fehlerhafter Vorbereitung der SL, die legitime, nachvollziehbare Spielerentscheidungen im Sinne vorher definierter Rahmenpunkte entwertet
     - Railroading, das Spielerentscheidungen entwertet / aufhebt, die entgegen der vorher vereinbarten Rahmenpunkte stehen, und nicht begründbar / Nachvollziehbar sind

Offline Radulf St. Germain

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Re: Vor- und Nachteile von Railroading
« Antwort #24 am: 26.05.2018 | 13:13 »
Zitat
Alles hat nämlich weniger was mit Spielerfreiheit zu tun, sondern ganz schnell auch mal mit Spielerwillkür. Ersteres ist erwünscht, letzteres toleriere ich nicht (denn alle, auch der SL, wollen Spaß haben).

Eine sehr interessante Denkrichtung, tatsächlich einen eigenen Thread wert. Ich habe das noch nie so gesehen, aber das ist definitiv ein bischen Nachdenken wert.