Autor Thema: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen  (Gelesen 9001 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Namo

  • Adventurer
  • ****
  • Aure entuluva!
  • Beiträge: 886
  • Username: Namo
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #75 am: 23.06.2025 | 12:34 »
Da ich noch ziemlich von unserer letzten Sitzung am Samstag begeistert bin, mag ich das gleich teilen. Wir haben trotz absoluter Übermüdung meinerseits von 18 bis 2 Uhr gespielt. Okay, die ersten 1,5 Stunden gingen für quatschen, essen und Stufenaufstieg drauf. Aber ansonsten war der Abend total rund und schön geteilt in Rollenspiel/Atmosphäre und Kampf. Und genau zu letzterem möchte ich hier gerne ein Feedback geben um die Entwicklung bzw. meine Erfahrung zu zeigen. Oder wie sich Dinge auch einfach ändern können im Laufe der Zeit. Ich hatte hier ja mal eine Umfrage zu dem Thema Kämpfe auf Battle-Map oder im Kopfkino gemacht.

Bei Wiederbeginn unserer Runde vor 1,5 Jahren baute sich das Thema ja immer weiter auf. Begonnen mit groben Skizzen um die Situation darzustellen, hin zu einem handgemalten Plan eine Gebäudes und Positionierung der SC/NSC mit kleinen Würfeln über die Nutzung von DinA4 Hexfeldern auf denen wir mir NSC/SC "Buttons" gespielt haben, sind wir jetzt bei einer waschechten Battlemap gelandet. Ich hatte mir ja zweit Loke Maps Bücher gekauft. Aufkleber aus der Serie hatte ich ja ohnehin schonmal erworben um testweise auf die Hexfelder zu kleben.

Vor unserem Termin habe ich mir zwei Karten so zurecht gelegt wie ich die Szene mir etwa vorstelle. Zunächst wollte ich wieder mit Buttons arbeiten. Also einfach Bildern die ich ausdrucke, ausschneide und hin lege. Das hat dann aber nicht so gepasst auf der Karte. Also habe ich erstmal die Helden ausgedruckt (bei unserem Paladin hatte ich eigentich nur den Kopf des Charakters, da musste dann noch KI her um den ganzen Typ mit passendem Hintergrund vor der Kirche zu designen), auf Pappe geklebt und in Ständer gesteckt. Das sah schon besser aus, aber irgendwie ragten die dann so alleine raus. Also mussten die handelnden NSC auch noch in Ständer. Das sah noch besser aus. Das passte dann auch von der Optik. Passanten NSC die flüchten würden (es sollte sich um einen Meuchelmörderangriff auf die Gruppe in der Hauptstadt handeln um zu verhindern, dass sie wichtige Informationen weiter geben) blieben einfach Buttons die liegen würden. Das half der Übersicht. Aber Mist - plötzlich brauchte alles auch eine Rückseite. Also nochmal ausdrucken und aufkleben. Ich musste auch zwischen alle Bilder eine Pappe kleben, damit die in den Ständern blieben. Das war der Moment als meine Frau mich zweifelnd ansah und zu der Umfrage über die Beteiligung der Spieler an Kosten inspirierte  ~;D

Soweit so gut, das Setting und die Idee stand. Ich habe noch ein paar Aufkleber drauf gepackt (Z.B. eine Kutsche die ein Bogenschütze als Versteck nutzen würde und ein Brunnen, weil der sieht ja nicht verkehrt da aus und wer weiß wozu er gut ist. Ich hatte mir vorher die Bücher mal ansonsten noch grob durch gesehen um zu schauen was es darin noch so gibt bzw. welche Straßensituation mir gut gefiel. Dafür waren gerade der Towns Doppelband toll. Der besteht aus zwei Büchern und so kann man durch anlegen aneinander immer veränderte Szenarien schaffen. Ich bin echt begeistert. Sollte es zu einer Flucht des Anführers und einer Verfolgungsjagd kommen, hätte ich da theoretisch eine Möglichkeit. Oh einen Gaststättenplan gibt es darin ja auch. Nett.

So sah der Entwurf dann vor dem Spiel aus.





Als es dann am Samstag zum Kampf kam und ich plötzlich von Beschreibung zum hinlegen der Karte und Minis wechselte war die Überraschung der Spieler erstmal groß und schlug schnell in eine gewisse Faszination um. Das war halt optisch schon etwas anderes als meine Kritzeleien bisher und die Bücher sehen schon auch toll wertig aus (Disclaimer: ich bekomme kein Geld dafür sondern bin einfach echt begeistert).

Tatsächlich sagte gerade ein Spieler, dass das bisher der coolste und spannendste Kampf den wir bisher hatten. Ein zweiter war davon angetan, dass wir eben alle die taktische Situation gleich wahr nehmen gegenüber Kampf nur im Kopfkino. Der Magier nutzte dann in der Folge den Brunnen auch als Deckung vor den Bogenschützen und ich hatte auch starke Würfe, so dass die Spieler beim Kampf auch wirklich ins Schwitzen kamen. Das hat echt Spaß gemacht. Aber die Zeit ist dabei wirklich geflogen. Es kam dann auch zu der Situation, dass der Anführer flüchten wollte und sich neu sortieren. Da er magische Dunkelheit gezaubert hatte, konnte nur noch der Paladin ihn sehen, da er einen Helm der Dunkelsicht hat (Hat der Spieler sich auf eigenen Wunsch witzigerweise gerade erst vorher gekauft - ich habe den Zufall so gefeiert).  Der Anführer war zwar schnell und konnte weiter laufen, aber er hatte Blutungen, so dass der Paladin die Spuren verfolgen konnte.

Und dann kam plötzlich die Gaststätte ins Spiel. Ich legte die beiden Seiten an (sieht man auf dem Bild leider nicht ganz so gut - es geht links da noch eine Straße vorbei) und ließ den Anführer die Blutung stoppen, eine andere Gestalt annehmen und in der Gaststätte unterschlüpfen. Er wurde darin zu einem Passantenbutton. Dem Paladin gelang es dann aber dennoch ihn aus zu machen und ein Duell zwischen beiden begann in einem Kreis aus johlendem Publikum und einem wütenden Gastwirt. Das war dermaßen cineastisch und episch, ich kann es überhaupt nicht beschreiben. Und diese Szene ist so eigentlich nur dank der Bücher und Zufall entstanden. Ursprünglich dachte ich dass es einfach auf der Straße weiter geht (ich wollte den Kampf ursprünglich rein als Kopfkino abhandeln). Leider habe ich kein Foto gemacht wie die Szene im Gasthaus am Ende bzw. beim Duell aussah. Nur ein schnelles beim Aufbau. Das sah so aus.



Am Ende sind war dann aufgrund des sehr langen Kampfes, der auch von Patzern und schweren Treffern etc. begleitet war nicht mehr zu der eigentlich geplanten finalen Ratsszene gekommen. Aber wir haben mit dem Kampf und eine letzte Information durch den sterbenden Anführer einen tollen Schlusspunkt gefunden. An dem Abend waren aber auch an sich alle Spieler voll im Geschehen und auch meine Übernächtigung konnte ich dann total abschütteln. Wir waren alle begeistert. Das Experiment war mehr als erfolgreich. Ich hatte dann noch gesagt, dass ich dann bei besonderen Kämpfen dann öfters Mal darauf umsteigen würde, da es ja offensichtlich allen gefällt. Darauf kam dann "Ich fände es toll, wenn wir bei jedem Kampf so spielen würden". Muss ich mal sehen. Wir haben ja wirklich wenig Kämpfe, aber dennoch kostet das so schon nochmal etwas wertvolle Zeit. Interessanterweise hat mir heute ein Spieler dann auch geschrieben, dass es ihm dadurch viel mehr gelungen ist in den Kampf einzutauchen und ihn sich vor zu stellen. Viel mehr als wäre er dabei. Normalerweise war ich ja von einem Immersionsbruch ausgegangen. Raus aus dem Kopfkino hin zum Brettspiel. Offensichtlich ist da jeder wohl anders. Und ja, er hat sich dann auch für die Idee mit dem Battlmaps bedankt. Das war auch das schöne i Tüpfelchen. Da investiert man gerne.

Tatsächlich ist meine SL Reise zurück ins Hobby wirklich noch nicht vorbei. Es lohnt wirklich immer mal wieder mit neuen Sachen herum zu experimentieren.  :) Manches funktioniert ja nicht so, dafür anderes umso besser.
« Letzte Änderung: 23.06.2025 | 12:36 von Namo »

Offline Zed

  • Legend
  • *******
  • Sommerschwede
  • Beiträge: 4.489
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Zed
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #76 am: 23.06.2025 | 13:11 »
Deine DVD-Kommentarspur finde ich so richtig aufschlussreich und interessant, dankeschön!

Zitat
"Ich fände es toll, wenn wir bei jedem Kampf so spielen würden". Muss ich mal sehen. Wir haben ja wirklich wenig Kämpfe, aber dennoch kostet das so schon nochmal etwas wertvolle Zeit.

Ich habe nicht so richtig rausgelesen, was Dich zurückhält: Die größere Vorbereitung oder die Tatsache, dass detaillierter ausgespielte Kämpfe mehr Spielzeit beanspruchen?


Offline Namo

  • Adventurer
  • ****
  • Aure entuluva!
  • Beiträge: 886
  • Username: Namo
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #77 am: 23.06.2025 | 14:14 »
Gute Frage. Wohl tatsächlich eine Mischung aus beidem. Die Vorbereitung für den Kampf am Wochenende war natürlich mit der Bastelei und allem deutlich aufwändiger wie wenn es ein Kopfkino Kampf gewesen wäre. Und ich habe das Gefühl, dass die tatsächliche Kämpferei durch das Verschieben der Minis und vielleicht auch mal Ausmessen einer Entfernung oder eines Zaubers auch nochmal mehr Zeit kostet.

Aber allgemein verbinde ich mit Kämpfen ohnehin recht viel Zeitverlust. Wenn ich von einem normalen Abend mit ca. Stunden Spielzeit ausgehe und jeder normale Kampf vielleicht 1 Stunde einnimmt, dann ist nach 2 Kämpfen schon Schluss mit lustig. Das der Kampf gestern so eskaliert ist war überhaupt nicht geplant. Eigentlich war der Plan: Feelgood Gaststättenszene in der auch geplant wird wie es weiter geht, Hauptstadt mit Treffen des Erzkardinals, der Überfall und dann Szene Zusammenkommen des hohen Rates. Das hätte eigentlich relativ rund in einen 4-5 Stunden Abend passen sollen. Aber die Spieler waren äußerst aktiv und hatten noch Nebendinge und Gespräche geführt die das sowieso etwas gestreckt haben. Und dann eben der lange Kampf. Das war so überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil. Es war ein toller Abend. Und Kämpfe gibt es seit der Kampagne eigentlich auch nur noch wenn sie einen Grund haben. Zufallsbegegnungen z.B. gibt es daher auch nicht. Aber bei ca. 12 Terminen im Jahr soll es eben dennoch "voran" gehen. Und so lange noch Stoff für Handlung und Wendungen da ist, mag ich da wenig Füllmaterial rein bringen. Wir hatten jetzt den 16. Abend seit Wiederbeginn und inzwischen haben sich viel Storypfäden entwickelt und wir sind schätzungsweise in der Mitte der Kampagne angelangt. Die aufgeworfenen Geheimnisse beschäftigen die Spieler und gerade am Wochenende ist es eigentlich auch stark gelungen Atmosphäre dafür zu schaffen vor welch richtungsweisendem Ereignis sie da stehen. Wie wichtig der große Rat wird. Sie sind jetzt Stufe 9 und bald Stufe 10. In D&D Sprech sind sie gerade auf dem Sprung zu "Helden des Reiches" und so ist das nun auch ein wenig bei uns. Mit dem Auftritt vorm Rat werden sie zu "bekannten" Männern werden. Ob sie wollen oder nicht. Und eben allen Konsequenzen die das nach sich zieht.

Hätten wir nun nur 5 oder 6 mehr Kämpfe insgesamt gehabt, wüsste ich nicht an welchem Punkt wir heute stehen würden. Ob das nun besser oder schlechter wäre mag ich überhaupt nicht beurteilen. Am Ende ist natürlich der Spaß das allem übergeordnete. Und mir steckt auch das Extrem zu unseren ein oder zwei "Nur Rollenspielabende ohne Skillchecks und Kämpfe" in der Nase. Einen großen epischen Kampf. Am Besten sind natürlich solche Mischungen wie am Samstag. Von allem etwas.

Ich hoffe es ist nachvollziehbarer. Meine Haltung zu Kämpfen und gewisse Überlegungen entspringen alleine dem Plan, die Kampagne etwa drei Jahre laufen zu lassen. Dadurch ist eigentlich immer ein Faden der da und es passiert auch immer etwas. Ich hatte schon so viele Gelegenheiten mich zu verzetteln durch Nebenquests etc. Da wir aber nicht mehr so viel spielen wie früher habe ich hier eben bis zum heutigen Tag umgedacht. Aber auch das mag sich in einem Jahr verändert haben. Zugegebener Maßen hatte ich nicht erwartet, dass wir so etwas überhaupt ernsthaft aufgezogen bekommen. Und "leider" ist mir selbst diese Kampagne schon so sehr ans Herz gewachsen wie jedem Spieler sein Charakter. Das ist auch nie wirklich gut - das wird es schwerer machen es irgendwann zu beenden  :cthulhu_smiley:   


Offline Zed

  • Legend
  • *******
  • Sommerschwede
  • Beiträge: 4.489
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Zed
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #78 am: 23.06.2025 | 20:22 »
Hm, ich höre widersprüchliches heraus.  :)

Ja, Kämpfe kosten Zeit. Aber sind sie ein Zeit - V e r l u s t ? Nicht, wenn sie allen soviel Spaß machen, wie dieser Kampf Euch Spaß gemacht hatte.

Wenn Ihr auf dieser Schiene bleibt, dann wird sich Eure Kampagne etwas strecken, weil Ihr mehr Spielzeit in Kämpfe investiert. Ihr werdet "etwas langsamer in der Geschichte vorankommen". Aber das scheint mir gar nicht schlimm: Schließlich sind Dir (und sicher auch Deiner Gruppe) die SCs und die Kampagne ans Herz gewachsen. Dann werdet Ihr halt nicht in drei Jahren fertig, sondern in viereinhalb.

Es folgt ein Plädoyer für schnell dahingekritzelte Karten:

Ich drucke ab und an entweder eine coole Karte aus dem Fundus aus - unsere vorletzte "Kampf"-Karte war diese hier:


Ursprünglich bei Reddit gefunden, jetzt hier.

Oder ich skizziere spontan eine Karte, während die Gruppe ihren genauen nächsten Plan bespricht. Die sieht dann entsprechend ... skizziert aus.



Ja, der dahingeskribbelten Karte fehlen Details und jede Schönheit, aber die Details zumindest kann ich bei Bedarf hinzuerfinden.

Aber sie tut ihren verdammten Job hervorragend: Der taktische Unterschied zwischen einer dahingeskribbelten Karte und einer hübschen ausgedruckten ist nur der zwischen 97% und 100%.

Ich habe sogar die Vermutung, dass die Skizzenhaftigkeit die Vorstellungskraft eher anregt als die schicke Detailkarte von einem Profi oder Deiner Dungeon-Tiles. Vielleicht trägt sie in ihrer Abstraktheit sogar die Vorteile des "Theater of Mind" mit sich.

Meine Gruppe jedenfalls mag vielleicht mal einen Blick auf ein Bild eines Monsters werfen wollen, sie will es dauerhaft konkreter aber gar nicht haben: Miniaturen, die ich ihnen mal geschenkt habe, haben sie eingemottet, sie wollen immer nur ihre schlichten Stecknadeln nutzen.

Solltest Du Dich mit dahinskizzierten Karten anfreunden, dann schlägst Du noch eine Fliege mit der Klappe: Das verlangsamte Voranschreiten der Kampagne gibt Dir etwas mehr Zeit, über die großen Fragen der Kampagne nachzudenken (darüber hattest Du neulich geschrieben), und diese "schnelle und dreckige" Art der Kartenerstellung frisst den Zeitvorteil nicht wieder auf.

Offline torben

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 368
  • Username: torben
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #79 am: 23.06.2025 | 22:02 »
Also ich will den Thread nicht entführen, deshalb mache ich hier mal einen Link zu einem Bild unserer Isengart-Gruppe im Thread "Re: Theater of Mind oder Battle-Maps/Miniaturen für Kämpfe?"
https://www.tanelorn.net/index.php?topic=129968.msg135289362#msg135289362

Wir spielen eigentlich schon immer mit Minis, die in unserem Fall vielleicht etwas "spezieller" anmuten, aber sie sind uns sehr ans Herz gewachsen und stören die Immersion nicht im Geringsten. Da es keine Pappbildchen, sondern dreidimensionale Figuten sind, kann man sehr gut sehen, ob sich ein Gegner in der Flanke oder so befindet, was die Kämpfe sehr viel taktischer werden lässt. Wir verwenden keine Battlemaps, sondern ich mache meist eine kurze Bleistift-Skizze der Umgebung. Dann nehmen den blanken Tisch, auf dem wir Geländemarken mit Gummis oder anderen Dingen darstellen. Das genügt uns völlig und geht sehr schnell aufzubauen. Unsere Kämpfe gehen gerne auch mal länger, aber die Spieler sind dann immer voll dabei und es entsteht eine sehr hohe Konzentration. Da wir auch nicht mehr so häufig spielen und in den letzten Sessions kaum Kämpfe gehabt haben (mal abgesehen vom Steppenturnier, wo wir abgesehen von den Gruppenkämpfen aber kaum Minis verwendet haben), dauern Kämpfe bei uns auch immer länger, aber es macht allen grossen Spass und da ist es uns auch wert, dass die Geschichte mal nicht schneller vorangeht.

Grüsse
torben

Offline Namo

  • Adventurer
  • ****
  • Aure entuluva!
  • Beiträge: 886
  • Username: Namo
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #80 am: 25.06.2025 | 09:05 »
Hm, ich höre widersprüchliches heraus.  :)

Ja, Kämpfe kosten Zeit. Aber sind sie ein Zeit - V e r l u s t ? Nicht, wenn sie allen soviel Spaß machen, wie dieser Kampf Euch Spaß gemacht hatte.

Wenn Ihr auf dieser Schiene bleibt, dann wird sich Eure Kampagne etwas strecken, weil Ihr mehr Spielzeit in Kämpfe investiert. Ihr werdet "etwas langsamer in der Geschichte vorankommen". Aber das scheint mir gar nicht schlimm: Schließlich sind Dir (und sicher auch Deiner Gruppe) die SCs und die Kampagne ans Herz gewachsen. Dann werdet Ihr halt nicht in drei Jahren fertig, sondern in viereinhalb.

Es folgt ein Plädoyer für schnell dahingekritzelte Karten:

Ich drucke ab und an entweder eine coole Karte aus dem Fundus aus - unsere vorletzte "Kampf"-Karte war diese hier:


Ursprünglich bei Reddit gefunden, jetzt hier.

Oder ich skizziere spontan eine Karte, während die Gruppe ihren genauen nächsten Plan bespricht. Die sieht dann entsprechend ... skizziert aus.



Ja, der dahingeskribbelten Karte fehlen Details und jede Schönheit, aber die Details zumindest kann ich bei Bedarf hinzuerfinden.

Aber sie tut ihren verdammten Job hervorragend: Der taktische Unterschied zwischen einer dahingeskribbelten Karte und einer hübschen ausgedruckten ist nur der zwischen 97% und 100%.

Ich habe sogar die Vermutung, dass die Skizzenhaftigkeit die Vorstellungskraft eher anregt als die schicke Detailkarte von einem Profi oder Deiner Dungeon-Tiles. Vielleicht trägt sie in ihrer Abstraktheit sogar die Vorteile des "Theater of Mind" mit sich.

Meine Gruppe jedenfalls mag vielleicht mal einen Blick auf ein Bild eines Monsters werfen wollen, sie will es dauerhaft konkreter aber gar nicht haben: Miniaturen, die ich ihnen mal geschenkt habe, haben sie eingemottet, sie wollen immer nur ihre schlichten Stecknadeln nutzen.

Solltest Du Dich mit dahinskizzierten Karten anfreunden, dann schlägst Du noch eine Fliege mit der Klappe: Das verlangsamte Voranschreiten der Kampagne gibt Dir etwas mehr Zeit, über die großen Fragen der Kampagne nachzudenken (darüber hattest Du neulich geschrieben), und diese "schnelle und dreckige" Art der Kartenerstellung frisst den Zeitvorteil nicht wieder auf.

Interessante Ansätze. Ich bin bei dem Thema ja auch bei weitem noch nicht am Ende. Die Verwendung der Loke Bücher sorgt ja dann auch für ein übersichtlich abgegrenztes Areal. Was aber wenn ich mal ein größeres Areal benötige (z.B. wenn mal ein Kampf gegen einen großen Gegner mit großer Bewegungsreichweite kommt, der die Spieler vor die Problematik stellt, wie sie ihn erreichen können?)? Dann werde ich ja wieder umdisponieren müssen.

Aktuell gefällt mir die Wertigkeit und grafisch wirklich tolle Aufbereitung. Das sieht echt toll aus. Allerdings habe ich gerade auch an einem weiteren Thema diesbezüglich herum gearbeitet. In den Büchern sind ja auch Blankountergründe und hier habe ich dann mal geschaut wie es ist wenn ich da Dungeons herein male. Denn Dungeons hatte ich ja bisher auch nur beschrieben und die Spieler haben mitgezeichnet. Nach dem Input hier im Forum will ich mich auch diesem Thema annehmen und überlege wie ich das Umsetze. Kleine Karten ausdrucken und Bereiche zudecken und die Spieler erkunden halt nach und nach und wenn es zu einem Kampf kommt eben Kopfkino oder extre Battlmap. Oder eben große Dungeontiles malen/nutzen auf denen sich die Charaktere bewegen können und so bei einem Kampf schon direkt im Raum stehen bzw. der Umgebung. Das benötigt dann aber natürlich wieder mehr Platz. Und riesige Dungeons werden sehr umständlich damit. Aber die haben wir auch nur sehr wenig. Aber die Sorge bleibt, dass es zu Brettspielig wird.

Von daher habe ich den ersten Link zu reddit von dir Zed ohnehin schon gespeichert. Denn gerade für größere Umgebungen würde ich vielleicht Übersichtskarten ausdrucken ohne dass wir damit groß mit Minis spielen - eher mit den Miniklötzchen aus terraforming Mars wie wir damals auch unsere Zombieabenteuer auf einem Dina4 Blatt dargestellt haben. Und auch eine Handzeichnung einer BM auf nem Raster ist für mich Thema. Denn es gibt ja auch nicht für jedes Situation eine gedruckt BM in den Büchern. Das wird auf Sicht nicht anders gehen. Das ist ja wirklich insgesamt ein neues Thema für mich. Aber ich finde das durchaus spannend. Wobei ich da aufpasse nicht abzudriften. Ich hätte gestern beinahe schon ein Lolth "Mini" bestellt, weil ich mir so auch die Spinnenform meiner drei Schattenweberinnen vorstelle  ~;D

Offline Namo

  • Adventurer
  • ****
  • Aure entuluva!
  • Beiträge: 886
  • Username: Namo
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #81 am: 17.07.2025 | 11:18 »
Wir hatten mittlerweile unseren 17. Abend (wie krass eigentlich - muss immer noch an den Januar letzten Jahres zurück denken). Ich hatte ja verschiedene Gedanken dazu schon geschrieben, die aber durch den "Erfolg" des Kampfes auf der BM oben überlagert wurden. Aber jetzt war es endlich soweit. Die weitere Positionierung meines aktuellen "Lieblings NSCs". Und da ging es in mir wirklich drunter und drüber. Das Setting sollte ja so aussehen: Ein großer Reichsrat in dem alle Fürsten, Edelmänner und vermögenden Männer und Frauen des Landes vertreten sind und die mangels König (das Land ist seit 80 Jahre ohne König) über die wichtigen Dinge das Land betreffend beratschlagen und zu entscheiden versuchen. Überlagert ist dies oft durch die Zwistigkeiten der beiden größten Adelshäuser im Land. Ich wollte ja ursprünglich eine Situation schaffen wie in Amerika - kurz vorm Bürgerkrieg wegen Demokarten und Republikanern. Zwischen den beiden Häusern existieren aber viele kleinere Fürstentümer und Grafschaften - vor allem im Norden und Süden. Die Spieler wollten nun vor der Gefahr durch die Arakniden warnen, zeigen und berichten, dass der Fluch des Landes zurück ist und gehandelt werden müsse. Je nachdem wie das laufen würde, kam mir vor einiger Zeit die Idee, das mein Drecksack von Antagonist diese Gelegenheit vielleicht für sich nutzen wollen würde - insbesondere, da er viele Adelshäuser umgarnt und auf seine Seite gezogen hat. Das hatte also Potential eine ziemliche coole Szene zu werden.

Und dadurch, dass ich mich so auf die Szene gefreut habe, hat meine Körper echt ein wenig gesponnen. Das ist total verrückt, aber ich war schon zwei Stunden vorher total aufgeregt. Fast wie Lampenfieber. Das war kein wirklich schönes Gefühl für einen Event in der Freizeit. Aber gut, so war das halt.

Aber wie sehr da alles zusammengelaufen ist kann ich überhaupt nicht sagen. Der Paladinspieler hatte ja eine Rede vorbereitet, in dem er auch intensiv um Einheit des Volkes und der Häuser warb etc. Und das war natürlich echt eine Steilvorlage. Irgendwann im Tumult des Ratssaals ergriff dann der Antagonist, der ja auch Onkel des Paladins ist und Entführer des Bruders einer der Charakter, das Wort. Bedankte sich in seiner aalglatten Art beim Paladin, seinem Neffen, für seine Ausführungen und da dieser ein Mann des Glaubens sei gäbe es ja auch überhaupt keinen Grund diesen keinen Glauben zu schenken. Er griff alle Worte des Spielers auf, insbesondere was die notwendige Einheit des Landes angehen würde die ja auch den Dauerkonflikt der beiden großen Häuser nicht möglich ist. Und es bräuchte nun doch jemanden der die Verantwortung für das Land übernimmt, das zu lange ohne Krone und Führung war. Etc blabla - er bietet dem Rat und dem Reich also seine Dienste als König an. Und ich kann nicht anders als diese Szene zu feiern. Der Gesichtsausdruck der Spieler, die sich ja sonst nicht häufig in die Karten schauen lassen bzw. selten emotional reagieren war einfach verdammt cool. Erst interessiertes zuhören, was der Mann da erzählt und dann siehst du nach und nach bei jedem Spieler im Blick dass sie zu verstehen beginnen was da gerade passiert und das entsetzen darüber: "Was geschieht hier gerade, ich glaube das ist nicht gut, ohhhhh sshiiittt" Ich hatte eigentlich noch gehofft und erwartet dass sie mich mit irgendetwas bewerfen, aber soweit ist es dann doch nicht gekommen.

Nach dieser Erfahrung kann ich mich daher nur immer wieder wiederholen: wenn man eine Umgebung schafft in der der Antagonist nicht einfach mit Waffengewalt umgehauen werden kann, ermöglicht das häufig erst richtig coole NSC zu schaffen. Es ist mir in meiner Laufbahn selten gelungen einen solchen NSC zu schaffen wie diesen hier. Insbesondere da er sich eigentlich immer weiter organisch entwickelt. Passend dazu hatte mir der Paladinspieler auch gesagt, wie gut das gelungen wäre ihm ein Theme zu geben. Immer wenn bei der Hintergrundmusik "rains of castemere" läuft, denkt er immer direkt, dass der NSC irgendwo ist oder gleich auftaucht.

Apropos Erfahrung, zum Abschluss auch eine wichtig Erkenntnis: Ich muss mehr in Urlaub fahren bzw. andere Eindrücke aufnehmen. Es ging in dem Abenteuer später auch noch um eine Entführung die in die Slums der Stadt führen sollten. Diese hatte ich vorher nicht wirklich ausgearbeitet und nannte sie dann auch nur Dunkelviertel. Warum? Klingt halt nach zwielichtig und runtergekommen. Als wir dann dort spielten und es ans beschreiben ging, hatte ich plötzlich eine Eingebung (und ich halte mich nicht wirklich für gut in Spontanität). Auf einmal fiel mir ein wie meine Frau und ich zum Jahresanfang in Hamburg waren und uns dort das Gängeviertel angesehen haben. Plötzlich beschrieb ich das Dunkelviertel als Gängeviertel - enge Gänge, hochragende Häuser so dass im ganzen Viertel die Sonne wenig Licht spenden kann und das Viertel dadurch eher im Schatten liegt etc. Und deswegen wird es Dunkelviertel genannt. Bumm, nichts von wegen zwielichtig (okay, im wahrsten Sinne des Wortes dann schon  ~;D) oder so.

Das war auch eine interessante Erfahrung. Eigentlich das 1x1 eines SL - eigene Erfahrungen einfließen zu lassen. Aber so wie hier habe ich das eigentlich selten benutzt. Das nicht nur ich das so wahrgenommen habe, kam dann in einem Gespräch mit einem Spieler nach der Runde raus. Durch genau die Beschreibung ist die Stadt nochmal lebendiger und einprägsamer für ihn geworden, weil er sich das Dunkelviertel dann auch so gut vorstellen konnte und das einfach im Kontrast zum Rest der Stadt steht. Natürlich habe ich den Schein gewahrt, als wäre das immer so von mir geplant gewesen.

Irgendwann muss ich hier vielleicht mal eine Zusammenfassung meiner internen SL Tipps machen, die ich für mich führe. In der stehen Dinge die sehr gut funktionieren und die ich mir immer wieder vor Augen halten mag und eben Dinge die nicht so funktioniert haben. Im Übrigen führe ich noch immer nach jeder Runde eine Feedbacktagebuch mit mir selbst, in dem ich stichworthaft direkt aufschreibe was gut und was nicht gut an dem Abend war. Ganz Buchhalter eben. Aber dadurch kann ich eine gewisse Entwicklung sehen. So hatten wir jetzt nun wieder einen Abend ganz ohne Kämpfe und mit wenig Fähigkeitenwürfen. Was nicht so optimal war. Zumal der Paladin Story bedingt ziemlich viel Spotlight hatte, was ihm selbst auch aufgefallen ist. Der nächste Abend wird dann aber dafür dann wieder ein "normales" Abenteuer.
« Letzte Änderung: 17.07.2025 | 11:26 von Namo »

Offline gunware

  • Famous Hero
  • ******
  • Eine Ohrfeige zu richtiger Zeit wirkt Wunder.
  • Beiträge: 2.069
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: gunware
Re: Alte Kampagne nach 20 Jahren Rollenspielpause fortführen
« Antwort #82 am: 17.07.2025 | 12:53 »
Erst interessiertes zuhören, was der Mann da erzählt und dann siehst du nach und nach bei jedem Spieler im Blick dass sie zu verstehen beginnen was da gerade passiert und das entsetzen darüber
Genial. Einfach nur cool.
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"