Hírngar
An Bord der "Seehexe" kurz vor Storhavn, an Deck
Eine Hand des stämmigen Mannes krallte sich in die Reling, die andere spielte in seiner Tasche mit dem Armband, der Daumen streichelt das Kupfer, das an dieser Stelle bereits blank gescheuert ist von der unbewussten Bewegung und dem Talg. Eine Geste der Beruhigung, während das Salz der See in der aufgesprungenen Lippe brennt. Anfangs versuchte Hírngar noch, darauf zu achten, sein Kauen auf seiner Lippe etwas zu reduzieren, aber alte Gewohnheiten legt man nicht so schnell ab.
"Bei allen Göttern des Waldes, endlich kommen wir an. Ich kann es kann erwarten, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen haben."
Hírngar vermutete, dass seine Probleme mit ein Grund für die Hänseleien und die Verachtung der Mannschaft waren. Hírngar ist ein Kind des Waldes, auch wenn er es sich nicht eingestehen will. Das sanfte Moos und die Nadeln, der erdige Geruch nach Tod und Wiederkehr, das Rauschen des Windes in den Wipfeln... und hier? Stets schwanken, des eigenen Tritts nicht sicher, das Salz auf der Haut, das Tosen der Winde. Die erste Fahrt über eine besonders hohe Welle hatte all die Selbstbeherrschung über Bord geworfen, zusammen mit dem Inhalt seines Magens. Er hoffte nicht, dass dies der Grund für das Verhalten der Mannschaft war. Auf der anderen Seite hatte es sicher nur die Sicht der Sturmländer auf die verweichlichten Landratten unterstrichen.
Gylfi hatte besseres verdient als einen Reisegefährten, der ihm nur Probleme brachte. Der alte skwilde beeindruckte Hírngar mit jeder neuen Geschichte auf's Neue, führte die Vorstellung des jungen Holzfällers in unbekannte Weiten. Die Geschichten des Bären waren beeindruckend gewesen und hatten eine Sehnsucht nach den alten Geschichten entfacht und Hírngar konnte sich nicht vorstellen, dass jemand anderes als ein erfahrener skwilde diesen Hunger stillen konnte. Die Wortgewandtheit, der schier unendliche Fundus an Sagen und Legenden, so alt wie die Welt selbst. Eine der Gottheiten musste eine Hand über seinen Weg gehabt haben, zumindest zeigte es Hírngar, dass er auf dem richtigen Weg war. Er würde mit Gylfi gehen, und ist sich sicher, dass dieser ihn zu seiner Bestimmung führen würde.
Und dann noch Aeryn. Eine Gestalt aus den Geschichten selbst, mit ihrer Abstammung von den Illmalaini. Nie in seinem Leben hatte Hírngar zuvor eine Elfe oder Halbelfe gesehen und an vielen Tagen konnte er nicht anders, als sie anzustarren, sobald sie wegblickte, nur um verschämt seinen Blick gen Boden zu werfen, wenn sie ihn anblickte. Nein, Hírngar war sich sicher, dass er mit diesen Beiden Antworten auf seine Fragen finden würde. Er war in einer der Geschichten des skwilden gelandet, reiste mit einer Dyfir, ein Wort, das er noch vor wenigen Monaten nicht einmal kannte.
Ich starre schon wieder...
Ein Räuspern. "Ich vermute, die Mannschaft wird sich auch freuen, wenn sie uns los sind." Es war zu laut gewesen, die Worte sollten eigentlich gerade laut genug sein, um über den Wind hinweg seine beiden Gefährten zu adressieren. So war die laute Stimme des mittländischen Hühnen laut an Bord der Seehexe zu hören. Hírngar griff nun auch mit seiner zweiten Hand nach der Reling, wieder begann er auf der Lippe zu kauen. Sehr gut gemacht... schalt er sich, als er zu seinen Gefährten blickte.