Autor Thema: Wie wichtig sind Regeln für die Fiktion? (war: Draconis: The Feel-Good TTRPG)  (Gelesen 444 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Online klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.839
  • Username: klatschi
. Warum sie mit einem exception-based Klassensystem und einem vorgefertigten Setting einschränken? Das brauchen wir Erwachsenen als Krücke, weil uns die Fantasie abhanden gekommen ist, aber die Kids…?

Na komm, das ist doch jetzt bisschen arg schief. Regeln haben weitaus mehr Bedeutung, als uns alten Säcken einen Rahmen für unsere fantastischen Erzählungen zu geben.
« Letzte Änderung: Gestern um 10:26 von klatschi »

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
Re: Re: Draconis: The Feel-Good TTRPG
« Antwort #1 am: 24.10.2025 | 18:10 »
Na komm, das ist doch jetzt bisschen arg schief. Regeln haben weitaus mehr Bedeutung, als uns alten Säcken einen Rahmen für unsere fantastischen Erzählungen zu geben.

Najoah... Wenn ich mit den Kids zu Hause und in der Schule gespielt habe, war die Rule of Cool das einzige, was wir wirklich gebraucht haben. Alles andere war bestenfalls Beiwerk. Aber vielleicht spiele ich mit Kids auch anders. Mir geht es dabei darum, mit den Kindern ihre Fantasie auszuleben, nicht sie zu korsettieren. Für alles andere (leveln, buffen, yaddayadda…) haben die Kids Computerspiele, die das besser, schneller, einfacher können.

Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Online klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.839
  • Username: klatschi
Re: Re: Draconis: The Feel-Good TTRPG
« Antwort #2 am: 24.10.2025 | 18:16 »
Najoah... Wenn ich mit den Kids zu Hause und in der Schule gespielt habe, war die Rule of Cool das einzige, was wir wirklich gebraucht haben. Alles andere war bestenfalls Beiwerk. Aber vielleicht spiele ich mit Kids auch anders. Mir geht es dabei darum, mit den Kindern ihre Fantasie auszuleben, nicht sie zu korsettieren. Für alles andere (leveln, buffen, yaddayadda…) haben die Kids Computerspiele, die das besser, schneller, einfacher können.

Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Ich würde widersprechen :)
Ich kopple das morgen gerne aus und dann machen wir nen Thread draus - bin gerade unterwegs

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 656
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
Re: Re: Draconis: The Feel-Good TTRPG
« Antwort #3 am: Gestern um 10:13 »

Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Ist das nicht ein klassischer Fall von "Constraints breed creatvity"?

"Schreib eine Geschichte" ist halt für die meisten weniger inspirierend als "Schreib eine Geschichte, die in einem Dschungel spielt".

Klar ist das immer eine höchst individuelle Gratwanderung, aber ich kenne es durchaus auch aus meinem freien Spiel als Kind, dass Themen und auch Regeln festgelegt und oft auch von anderen übernommen wurden. Daran finde ich jetzt erst einmal nichts falsches. Und so wenig ich auch im Allgemeinen von Klassensystem-RPGs überzeugt sind, den Vorzug gerade mit Kindern, dass einfach ein Haufen Assoziationen angestoßen werden, wenn man sagt: "Du bist ein Zauberer", sehe ich durchaus. Die Frage ist natürlich, wie eng das Korsett ab dem Punkt ist. Klassisches D&D würde ich da auch nicht nehmen, aber Systeme, die Sprüche, Effekte usw. anbieten, sind immer noch sinnvoll. Am besten natürlich welche, die einem das Re-Skinnen und anpassen leicht machen.
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Online klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.839
  • Username: klatschi
So, jetzt komme ich zum Schreiben.

Ich stimme dir bei der Aussage zu, dass man für Rollenspiel theoretisch gar nicht viel Regeln braucht oder sie einfach ad hoc definieren kann. Das klappt mit Kids mit der Rule of Cool und das klappt auch noch mit Erwachsenen. Da gibt es ja noch die ganze Spannbreite von Erzählspielen, dann noch Spiele wie Fate u.ä.
Es ist wohl eine Spannbreite zwischen "play", also freiem Spiel und "Game", also regelgeleiteten Spiel. Pen and Paper Rollenspiel (Tabletop Role Playing Game) hat immer was von beiden, für mich ist das eins der besonderen und definierenden Aspekte dieses Hobbys.

Woran ich mich reibe ist die Aussage "Das brauchen wir Erwachsenen als Krücke, weil uns die Fantasie abhanden gekommen ist", denn ich sehe Regeln anscheinend anders als du.

Zitat
Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Doch, ich würde sagen, schon.

Selbst wenn du nur die Rule of Cool anlegst und dich mit Kids an den Tisch setzt und ihr ne coole Geschichte erzählt, werdet ihr - ad hoc - Regeln für eure Geschichte erfinden. Muss ich einen Bergabhang hinunterklettern oder kann ich in einer Three-Point-Superhero-Pose unten cool aufschlagen? Da wird sich am Tisch recht schnell eine Regel finden, was in der Fiktion möglich ist und was nicht und es wird sich angleichen. Fritz möchte das Tor öffnen? Bist du stark? Ja. Dann Würfel mal einen w6. Oder einen w20, damit es cool und ungewohnt ist und die Aura des "anderen" hat.
So wie auf dem Bolzplatz sehr schnell Regeln gefunden werden (5 Spieler da? Klar, 2 vs 2, einer Torwart, alle paar Minuten wird gewechselt. Hey, Sabrina ist noch dazugekommen, dann machen wir jetzt 3 vs. 3 aber man muss zur Linie laufen, bis man auf's "gegnerische" Tor holzen darf). Diese Regeln müssen nicht verschriftlicht sein, sie ändern sich ad hoc, aber es sind Regeln.

Und genau diese Regeln schaffen auch Fiktion, denn sie modellieren die Spielwelt. Sie sorgen dafür, dass wir nicht alles tun können, denn die Welt, in der wir spielen (unsere Fiktion) hat Regeln, die uns einschränken, weil es eben auch die Grenzen der dargestellten Welt sind. Sobald es aber auch "intradiegetisch" nicht geht, geht es auch extradiegetisch nicht. Soll heißen: Wenn ich nicht einfach Klippen runterspringen kann, weil die Charaktere in der Geschichte sowas (noch) nicht können, dann werde ich Regeln/Rulings finden, um das erzäherlisch darzustellen. Du hast ein Seil dabei? Dann klappt es automatisch! Du hast es nicht? Dann Würfel mal alles außer ne 1 - auch das ist eine Regel.

Kann jeder Zaubern? Kann jeder in Berserkerwut verfallen oder nur bestimmte Charaktere?
Wie ist es mit Magie? In Symbaroum bekommt du Korrpution wenn du zauberst (was ein zentrales Motiv der Fiktion ist), in D&D müssen sich Magier die vollkommen unweltllich komplexen Formeln in ihr Hirn reinpressen, das dafür kaum geschaffen ist und können so einen Spruch anfangs nur einmal am Tag sprechen, später öfter. Zwei vollkommen verschiedene Zugänge zur Magie, die auch in der Fiktion begründet sind, und die Regeln modellieren diese Fiktion.
Wie "stabil" sind so Helden eigentlich? Halten sie einen Schlag mit einer Waffe aus, zwei oder drei oder haben sie 35 LP und da werden dann w6+5 HP weggenascht hier und da?
etc. pp

Der Unterschied bei einem Spiel mit und ohne Regeln liegt in meinen Augen dann eigentlich v.a. darin, dass das Spiel mit Regeln mir die ad hoc-Aushandlungsprozesse davor schon zum Teil abnimmt und wir uns implizit darauf einigen, diesem Rahmen erst einmal zu folgen bzw. es eben durch Hausregeln anders zu handhaben. Bei einem Spiel mit wenig Regeln werden diese Aushandlungsprozesse einfach im Laufe der Geschichte definiert. Wenn ich öfter spiele, greife ich wahrscheinlich aber dennoch zu denselben Setzungen, die ich in den Runden davor festgelegt habe.

Müssen Regeln jetzt immer so komplex sein wie PF2e oder DSA 4 oder whatever? Nein. Wenn die Gruppe das will, warum nicht? Es schiebt das Spielgeschehen auf der Achse "Play" und "Game" wohl mehr in die Game-Richtung, wenn ich alle Regeln immer voll nutze. Aber dennoch unterstützen auch sie die Fiktion.
« Letzte Änderung: Gestern um 10:19 von klatschi »

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.422
  • Username: nobody@home
"The secret we should never let the gamemasters know is that they don't need any rules." -- Gary Gygax

Natürlich wird auch der Heilige Gary nicht gemeint haben, daß man fürs Spielen schlicht gar keine Regeln braucht. :) Wie klatschi ja schon ausgeführt hat, sind Regeln auch etwas, was man spontan und fast schon selbstverständlich selbst festlegen und dann befolgen kann (und wohl auch wird, wo man meint, daß sie "fehlen"), und müssen gar nicht immer und unbedingt schwarz auf weiß in einem Offiziellen Regelbuch (tm) daherkommen), und daß Gygax nur von den GMs spricht und nicht auch von den Spielern, ist möglicherweise auch nicht ganz irrelevant.

Aber auf der anderen Seite ist ja schon allein die Wahl der Regeln auch gleich wieder ein gutes Stück weit schlichte Verhandlungssache. Wir sind sechs Kids und haben einen Ball -- wollen wir jetzt Handball, Fußball, oder Volleyball spielen? Oder halt am Rollenspieltisch: was für Abenteuer-im-Kopf wollen wir eigentlich wo mit welchen Figuren erleben, und auf welches System können wir uns dafür einigen? (Und brauchen wir überhaupt eins oder reicht uns so, wie wir hier sitzen, zumindest für hier und jetzt auch schon Freiform?)

Grundsätzlich werden also wohl auch Kinder an irgendwelchen Regeln nicht vorbeikommen, und seien sie auch noch so spontan und formlos -- was sie nicht "offiziell" haben, werden sie sich halt erfinden. Aber welche genau auch für sie am besten funktionieren, ist eine andere Frage und wahrscheinlich auch gar nicht allgemein für alle von ihnen über denselben Kamm zu beantworten.

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
Interessante Beiträge bis jetzt. Vielen Dank dafür!

Ist es für die weitere Diskussion sinnvoll zwischen „Regeln“ und „Regelungen“ (aka rules vs. rulings) zu unterscheiden? Einiges von dem, was hier genannt wurde würde ich eher in dem Bereich „rulings“ einordnen.
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Offline Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.665
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
Interessante Beiträge bis jetzt. Vielen Dank dafür!

Ist es für die weitere Diskussion sinnvoll zwischen „Regeln“ und „Regelungen“ (aka rules vs. rulings) zu unterscheiden? Einiges von dem, was hier genannt wurde würde ich eher in dem Bereich „rulings“ einordnen.

Bloß nicht. Den Unterschied gibt es nicht. Regeln und Regelungen sind dasselbe. Es gibt Regeln mit mehr oder weniger Ermessensspielraum. Das ist aber nicht binär.
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
 Aja, lässt sich schon unterscheiden in „ist vorgegeben, steht im Buch“ und „wir überlegen spontan, wie wir das abhandeln“ (dann auch inklusive „das was du vorhast gelingt einfach“)…
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Offline Crimson King

  • Hat salzige Nüsse!
  • Titan
  • *********
  • Crimson King
  • Beiträge: 19.280
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Stormbringer
Rollenspiel ist eine Verhandlung über Inhalte in einem gemeinsamen Vorstellungsraum. Es braucht zunächst mal Regeln dafür, wer wann was in den gemeinsamen Vorstellungsraum einbringen kann.

Wer gerne herausforderungsorientiert spielt, braucht Regeln, die Herausforderungen und Resourcen zur Überwindung selbiger ordentlich definieren.

Wer gerne what if spielt und eine bestimmte Situation möglichst frei von Willkür simulieren will, braucht Regeln zur Simulation.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.665
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
@Hexer: Verstehe ich. Ändert aber nichts daran, was die Regeln im Spiel tun. Sprich: die Funktion bleibt dieselbe, unabhängig davon, ob die Regeln zuvor kodifiziert wurden oder nicht.
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Offline Boba Fett

  • Kopfgeldjäger
  • Titan
  • *********
  • tot nützt er mir nichts
  • Beiträge: 38.984
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Mestoph
    • Internet-Trolle sind verkappte Sadisten
Wenn ich mit den Kids zu Hause und in der Schule gespielt habe, ...

...hatten die Kids einen Mediator, der vermittelnd oder leitend Hilfestellung geben konnte.
Auch wenn er (du) da vielleicht nie eingegriffen hat und es auch nicht musste, ist das etwas anderes als wenn Kids unter sich spielen.

Denn unter einander haben Kinder nur "gleichgestellte", deren Urteil sie nicht wichtiger nehmen, als ihr eigenes.
Und auch noch eine ganze Menge Egoismen, die die eigenen Interessen über die der anderen stellen.
Das muss nicht automatisch schief gehen, aber es kann.
Dann bekommen sie die "Peng, du bist tot!" - "Nein, bin ich nicht!" Situation, die sich mangels höherer Instanz nicht auflösen lässt.

Oder Du hast vielleicht die höhere Instanz unter den Kindern selbst (größeres Geschwister), und dann irgendwann die Situation, dass der "kleinere" wahrnimmt, dass er häufig übervorteilt wird (die Wahrnehmung muss nicht vom "größeren" geteilt werden, muss nicht mal stimmen.)
Und das ist ganz normal und nicht schlimm. Kinder lernen und trainieren damit ja, wie man Konflikte abwickelt.
Aber dem Rollenspiel selbst ist das nicht zuträglich. Denn das endet in der Situation.

Und genau da kommen die Spielregeln als "Gleichmacher" zur Anwendung.
Denn die berücksichtigen keine "Ränge", kein "älter" und "jünger" oder andere Rollen.

Insofern sehe ich Rollenspielregeln durchaus als relevant an - nicht weil es nicht ohne sie gehen kann, sondern, weil sie dann einen Rahmen bieten, der weiter machen erlaubt, wenn das Rollen spielen ansonsten im Streit auflösen würden.

Im übrigen enden die Regeln ja auch nicht im Buch, sondern es gibt eine ganze Menge implizit getroffener Regelungen, wie man zusammen spielt.
Was legitim ist und was nicht. Und auch die müssen vermittelt oder verhandelt werden.
« Letzte Änderung: Gestern um 12:01 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.422
  • Username: nobody@home
Und natürlich kann man die inzwischen umtitulierte Frage "Wie wichtig sind Regeln für die Fiktion?" (Betonung von mir) noch mal gesondert zu beantworten versuchen. Denn daß die gar keinen Einfluß hätten, kann schon mal nicht stimmen, sonst könnten hinreichend schlecht passende Regeln die gewünschte Fiktion ja auch gar nicht mehr oder weniger nachhaltig torpedieren...

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 656
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
@Boba:

Das finde ich eine interessante Beobachtung, die ich so teile. Das freie Spiel von Kindern hat meistens Experimentcharakter, und das ist auch gut so - aber da geht es oft viel mehr darum, herauszufinden, auf welche Arten etwas ausgehandelt werden kann als um irgendein inhaltliches Resultuat auf der Ebene der Fiktion.

Bei Rollenspielrunden steht ja meistens der Wunsch im Vordergrund, eine halbwegs konsistente Entwicklung des inhaltlichen Geschehens über einen Zeitraum von mindestens ein paar Stunden hinweg und in aufeinander aufbauenden Sitzungen zu haben. Da zu viel Zeit auf das Experimentieren mit sozialen Aushandlungsprozessen zu verwenden, läge nicht im Sinn der Sache.
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Offline Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.665
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
Um auf die Frage des Threads zurück zu kommen: da hat Crimson King schon etwas in der Richtung mit dem what if geschrieben. Die Regeln sind für die Fiktion wichtig, wenn die Fiktion in irgeneiner Form gesteuert sein soll. Regeln erlauben und verbieten bestimmte Ergebnisse, die die Fiktion prägen. Wenn die Fiktion bestimmte Elemente nicht beinhalten soll, braucht es Regeln, die das steuern. Also sowas wie "im Setting soll es keine moderne Technik wie Flugzeuge oder Maschinengewehre geben." Oder "wer zaubern können soll, muss dafür xy erfüllen."
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Offline Der Hasgar

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 382
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Shabobert
Aja, lässt sich schon unterscheiden in „ist vorgegeben, steht im Buch“ und „wir überlegen spontan, wie wir das abhandeln“ (dann auch inklusive „das was du vorhast gelingt einfach“)…

Was ist an einer Regel/Regelung anders, wenn sie oder wenn sie nicht im Buch steht? Eine Regel gibt einen gewissen Rahmen vor und kann bestimmte Situationen auflösen.

Klar kannst Du solche Regeln auch spontan erfinden. Die (nicht ausgesprochene oder aufgeschriebene) Regel hinter "Ach, das gelingt einfach" heißt: "Wenn Du die SL durch Handlungen deines SCs und das Erschaffen plausibler Umstände überzeugen kannst, gelingt Deine Aktion!"

Ich sehe da immer dann ein Problem, wenn zwei Spieler beide meinen, sie hätten die SL überzeugt und die dann entscheiden muss. Das wälzt die Verantwortung auf die SL ab und kann (muss aber nicht) halt zu Unzufriedenheit mit der SL führen...
« Letzte Änderung: Gestern um 12:50 von Der Hasgar »
Power Gamer: 50%
Butt-Kicker: 38%
Tactician: 29%
Specialist: 42%
Method Actor: 67%
Storyteller: 58%
Casual Gamer: 33%

Offline Galatea

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.173
  • Username: Galatea
Na komm, das ist doch jetzt bisschen arg schief. Regeln haben weitaus mehr Bedeutung, als uns alten Säcken einen Rahmen für unsere fantastischen Erzählungen zu geben.
Das Klassensystem bei D&D ist historisch und stammt aus einer Zeit als man in erster Linie eine ROLLE gespielt hat und keinen CHARAKTER - zeigt sich auch an den alten Klassennamen, die quasi "Berufsbezeichnungen" sind.
Damals war das ganze noch sehr wargame-tabletop-like, die Idee das ein Regelwerk nuanciertes Charakterspiel unterstützen sollte kam erst viel später (und hat D&D selbst nie so wirklich erreicht).

Warum man das bis heute mitschleift? Vermutlich Tradition und "don't change a running system"-Mentalität.
Dass das Klassensystem an vielen Stellen überhaupt nicht mehr funktioniert, wenn man versucht die ursprüngliche Prämisse auf Dinge jenseits der "Rolle in der Gruppe"-Prämisse anzuwenden, sieht man an Auswüchsen wie der Starship Troopers "Civilian" Klasse (das Fantasy-Equivalent dazu wäre eine Bürger- oder Bauernklasse).
We should respect all forms of consciousness. The body is just a vessel, a mere hull.

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.422
  • Username: nobody@home
Das Klassensystem bei D&D ist historisch und stammt aus einer Zeit als man in erster Linie eine ROLLE gespielt hat und keinen CHARAKTER - zeigt sich auch an den alten Klassennamen, die quasi "Berufsbezeichnungen" sind.
Damals war das ganze noch sehr wargame-tabletop-like, die Idee das ein Regelwerk nuanciertes Charakterspiel unterstützen sollte kam erst viel später (und hat D&D selbst nie so wirklich erreicht).

Warum man das bis heute mitschleift? Vermutlich Tradition und "don't change a running system"-Mentalität.
Dass das Klassensystem an vielen Stellen überhaupt nicht mehr funktioniert, wenn man versucht die ursprüngliche Prämisse auf Dinge jenseits der "Rolle in der Gruppe"-Prämisse anzuwenden, sieht man an Auswüchsen wie der Starship Troopers "Civilian" Klasse (das Fantasy-Equivalent dazu wäre eine Bürger- oder Bauernklasse).

Wobei das meines Wissens auch in erster Linie eine Fantasyrollenspieltradition ist und Spiele in anderen Genres weniger dazu neigen, Klassen überhaupt erst zu verwenden (hat ja beispielsweise schon Traveller anno 1977 nicht mehr gemacht). Klar, Ausnahmen gibt's auf beiden Seiten, aber die allgemeine Tendenz ist da.

Offline Outsider

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.706
  • Username: Outsider
Wobei das meines Wissens auch in erster Linie eine Fantasyrollenspieltradition ist und Spiele in anderen Genres weniger dazu neigen, Klassen überhaupt erst zu verwenden (hat ja beispielsweise schon Traveller anno 1977 nicht mehr gemacht). Klar, Ausnahmen gibt's auf beiden Seiten, aber die allgemeine Tendenz ist da.

Naja, andere Spiele nennen es dann Arechtypen wie SR oder erfinden weitere Bezeichnungen die eigentlch nichts anderes meinen als "du spielst ein Char Typ X der hat diese einzigartigen Skills / Feats / Vor- oder Nachteile usw. auf die ein Char Typ Y nicht zugreifen kann."
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 656
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
Naja, andere Spiele nennen es dann Arechtypen wie SR oder erfinden weitere Bezeichnungen die eigentlch nichts anderes meinen als "du spielst ein Char Typ X der hat diese einzigartigen Skills / Feats / Vor- oder Nachteile usw. auf die ein Char Typ Y nicht zugreifen kann."

Das ist aber gerade bei dem genannten Traveller nicht der Fall, und auch bei sehr vielen anderen RSPs quer durch die Jahrzehnte nicht, von Cthulhu über Fate bis Barbarians of Lemuria ...
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Offline Galatea

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.173
  • Username: Galatea
Manche Systeme haben auch Fähigkeitsbäume, bei denen man sich Sachen rauspicken kann, aber Fähigkeit F1 lernen muss bevor man Fähigkeit F2 nehmen darf - kann man prinzipiell als modulare Pseudoklassen oder Miniklassen sehen.
D&D hat ja mit Multiclassing auch seine eigene Behelfslösung, um das starre Gussformsystem zumindest ein wenig aufzuweichen.
We should respect all forms of consciousness. The body is just a vessel, a mere hull.

Online klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.839
  • Username: klatschi
Aja, lässt sich schon unterscheiden in „ist vorgegeben, steht im Buch“ und „wir überlegen spontan, wie wir das abhandeln“ (dann auch inklusive „das was du vorhast gelingt einfach“)…

Für mich wäre hier wieder mal das Problem des Übergangs. Wann wird aus einem Ruling eine Rule?
Wenn du zum fünften Mal hintereinander das gleiche Ruling übernimmst oder schon früher? Oder erst wenn aufgeschrieben ist?
Wenn ich differenzieren würde zwischen den Begriffen, würde ich rulings für ad hoc Entscheidungen verwenden, die ich in der Situation regeln muss, damit das Spiel weitergeht. Ich lese dann danach die Regeln nach oder aber beschließe, dass wir es vorerst immer auf diese Art und Weise machen.

Zu klassen und Co:
Ob Klassensystem ja/nein/gut/schlecht ist doch gar nicht der Kern der Frage. Ja, es gibt Systeme die das mit Klassen regeln und andere Systeme, die das offen regeln oder Archetypen oder oder
Fakt ist halt, dass es geregelt wird, weil es eben dafür sorgt, dass alle am Tisch eine gemeinsame Basis haben.

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.422
  • Username: nobody@home
Zu klassen und Co:
Ob Klassensystem ja/nein/gut/schlecht ist doch gar nicht der Kern der Frage. Ja, es gibt Systeme die das mit Klassen regeln und andere Systeme, die das offen regeln oder Archetypen oder oder
Fakt ist halt, dass es geregelt wird, weil es eben dafür sorgt, dass alle am Tisch eine gemeinsame Basis haben.

Und Fakt ist ebenso, daß die Regelantwort auf die Frage, ob und wie fest man sich an bestimmte vorgegebene Arche- oder Stereotypen (je nach Geschmack halt ;)) halten soll, einen ziemlichen Einfluß auf die Fiktion hat -- was, beispielsweise sagt mir so etwas wie "Nur Diebe wissen, wie man verwundbare Stellen richtig trifft, und insbesondere Kämpfer als solche können dieses Geheimwissen nie erwerben, ohne wenigstens teilweise selbst zum Dieb zu werden" über die imaginäre Welt, in der wir spielen, und wie glaubhaft "soll" ich das finden?

Natürlich ist das nicht nur eine Klassenfrage, sondern gilt sinngemäß auch für andere Regeln. Die Gefährlichkeit von Kämpfen und anderen Gefahren beeinflußt direkt, wieviel Risiko man sich im Spiel zumuten "darf", Aufstiegsregeln können leicht dazu führen, daß man die eigentlich gewünschten fiktiven Abenteuer nur innerhalb einer bestimmten Komfortzone erleben kann, die vielleicht sogar zum einen erst mal erreicht werden will und aus der man dann auf der anderen Seite auch irgendwann wieder hinausgedrängt wird (oder auf der anderen Seite genausogut dazu, daß jemand, der eigentlich ganz bewußt einen kometenhaften Aufstieg erleben will, sich ständig künstlich zurückgehalten fühlt -- wahrscheinlich nicht mit exakt denselben Regeln, aber der Grundgedanke bleibt), was so an Magie/Technik/sonstigen "besonderen" Elementen vorgesehen ist, bestimmt nachhaltig mit, welche Genres man direkt aus der Kiste am besten oder gar überhaupt bespielen kann...

Offline 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.652
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Du meinst warum wir uns Regeln aus einem Rollenspielprodukt für unsere Runde her nehmen, wo wir doch auch solche allein aushandeln könnten?

Weil mir externer Input helfen kann, so zu spielen, wie ich aus mir selbst heraus nicht gespielt hätte.

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
Aber hindert er damit nicht auch, so zu spielen wie du aus dir selbst heraus gespielt hättest?
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche