Autor Thema: Wie wichtig sind Regeln für die Fiktion? (war: Draconis: The Feel-Good TTRPG)  (Gelesen 583 mal)

manbehind, Swanosaurus, Galatea, Der Hasgar, Tudor the Traveller und 4 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.840
  • Username: klatschi
. Warum sie mit einem exception-based Klassensystem und einem vorgefertigten Setting einschränken? Das brauchen wir Erwachsenen als Krücke, weil uns die Fantasie abhanden gekommen ist, aber die Kids…?

Na komm, das ist doch jetzt bisschen arg schief. Regeln haben weitaus mehr Bedeutung, als uns alten Säcken einen Rahmen für unsere fantastischen Erzählungen zu geben.
« Letzte Änderung: Gestern um 10:26 von klatschi »

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
Re: Re: Draconis: The Feel-Good TTRPG
« Antwort #1 am: 24.10.2025 | 18:10 »
Na komm, das ist doch jetzt bisschen arg schief. Regeln haben weitaus mehr Bedeutung, als uns alten Säcken einen Rahmen für unsere fantastischen Erzählungen zu geben.

Najoah... Wenn ich mit den Kids zu Hause und in der Schule gespielt habe, war die Rule of Cool das einzige, was wir wirklich gebraucht haben. Alles andere war bestenfalls Beiwerk. Aber vielleicht spiele ich mit Kids auch anders. Mir geht es dabei darum, mit den Kindern ihre Fantasie auszuleben, nicht sie zu korsettieren. Für alles andere (leveln, buffen, yaddayadda…) haben die Kids Computerspiele, die das besser, schneller, einfacher können.

Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Offline klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.840
  • Username: klatschi
Re: Re: Draconis: The Feel-Good TTRPG
« Antwort #2 am: 24.10.2025 | 18:16 »
Najoah... Wenn ich mit den Kids zu Hause und in der Schule gespielt habe, war die Rule of Cool das einzige, was wir wirklich gebraucht haben. Alles andere war bestenfalls Beiwerk. Aber vielleicht spiele ich mit Kids auch anders. Mir geht es dabei darum, mit den Kindern ihre Fantasie auszuleben, nicht sie zu korsettieren. Für alles andere (leveln, buffen, yaddayadda…) haben die Kids Computerspiele, die das besser, schneller, einfacher können.

Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Ich würde widersprechen :)
Ich kopple das morgen gerne aus und dann machen wir nen Thread draus - bin gerade unterwegs

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 657
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
Re: Re: Draconis: The Feel-Good TTRPG
« Antwort #3 am: Gestern um 10:13 »

Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Ist das nicht ein klassischer Fall von "Constraints breed creatvity"?

"Schreib eine Geschichte" ist halt für die meisten weniger inspirierend als "Schreib eine Geschichte, die in einem Dschungel spielt".

Klar ist das immer eine höchst individuelle Gratwanderung, aber ich kenne es durchaus auch aus meinem freien Spiel als Kind, dass Themen und auch Regeln festgelegt und oft auch von anderen übernommen wurden. Daran finde ich jetzt erst einmal nichts falsches. Und so wenig ich auch im Allgemeinen von Klassensystem-RPGs überzeugt sind, den Vorzug gerade mit Kindern, dass einfach ein Haufen Assoziationen angestoßen werden, wenn man sagt: "Du bist ein Zauberer", sehe ich durchaus. Die Frage ist natürlich, wie eng das Korsett ab dem Punkt ist. Klassisches D&D würde ich da auch nicht nehmen, aber Systeme, die Sprüche, Effekte usw. anbieten, sind immer noch sinnvoll. Am besten natürlich welche, die einem das Re-Skinnen und anpassen leicht machen.
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Offline klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.840
  • Username: klatschi
So, jetzt komme ich zum Schreiben.

Ich stimme dir bei der Aussage zu, dass man für Rollenspiel theoretisch gar nicht viel Regeln braucht oder sie einfach ad hoc definieren kann. Das klappt mit Kids mit der Rule of Cool und das klappt auch noch mit Erwachsenen. Da gibt es ja noch die ganze Spannbreite von Erzählspielen, dann noch Spiele wie Fate u.ä.
Es ist wohl eine Spannbreite zwischen "play", also freiem Spiel und "Game", also regelgeleiteten Spiel. Pen and Paper Rollenspiel (Tabletop Role Playing Game) hat immer was von beiden, für mich ist das eins der besonderen und definierenden Aspekte dieses Hobbys.

Woran ich mich reibe ist die Aussage "Das brauchen wir Erwachsenen als Krücke, weil uns die Fantasie abhanden gekommen ist", denn ich sehe Regeln anscheinend anders als du.

Zitat
Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Doch, ich würde sagen, schon.

Selbst wenn du nur die Rule of Cool anlegst und dich mit Kids an den Tisch setzt und ihr ne coole Geschichte erzählt, werdet ihr - ad hoc - Regeln für eure Geschichte erfinden. Muss ich einen Bergabhang hinunterklettern oder kann ich in einer Three-Point-Superhero-Pose unten cool aufschlagen? Da wird sich am Tisch recht schnell eine Regel finden, was in der Fiktion möglich ist und was nicht und es wird sich angleichen. Fritz möchte das Tor öffnen? Bist du stark? Ja. Dann Würfel mal einen w6. Oder einen w20, damit es cool und ungewohnt ist und die Aura des "anderen" hat.
So wie auf dem Bolzplatz sehr schnell Regeln gefunden werden (5 Spieler da? Klar, 2 vs 2, einer Torwart, alle paar Minuten wird gewechselt. Hey, Sabrina ist noch dazugekommen, dann machen wir jetzt 3 vs. 3 aber man muss zur Linie laufen, bis man auf's "gegnerische" Tor holzen darf). Diese Regeln müssen nicht verschriftlicht sein, sie ändern sich ad hoc, aber es sind Regeln.

Und genau diese Regeln schaffen auch Fiktion, denn sie modellieren die Spielwelt. Sie sorgen dafür, dass wir nicht alles tun können, denn die Welt, in der wir spielen (unsere Fiktion) hat Regeln, die uns einschränken, weil es eben auch die Grenzen der dargestellten Welt sind. Sobald es aber auch "intradiegetisch" nicht geht, geht es auch extradiegetisch nicht. Soll heißen: Wenn ich nicht einfach Klippen runterspringen kann, weil die Charaktere in der Geschichte sowas (noch) nicht können, dann werde ich Regeln/Rulings finden, um das erzäherlisch darzustellen. Du hast ein Seil dabei? Dann klappt es automatisch! Du hast es nicht? Dann Würfel mal alles außer ne 1 - auch das ist eine Regel.

Kann jeder Zaubern? Kann jeder in Berserkerwut verfallen oder nur bestimmte Charaktere?
Wie ist es mit Magie? In Symbaroum bekommt du Korrpution wenn du zauberst (was ein zentrales Motiv der Fiktion ist), in D&D müssen sich Magier die vollkommen unweltllich komplexen Formeln in ihr Hirn reinpressen, das dafür kaum geschaffen ist und können so einen Spruch anfangs nur einmal am Tag sprechen, später öfter. Zwei vollkommen verschiedene Zugänge zur Magie, die auch in der Fiktion begründet sind, und die Regeln modellieren diese Fiktion.
Wie "stabil" sind so Helden eigentlich? Halten sie einen Schlag mit einer Waffe aus, zwei oder drei oder haben sie 35 LP und da werden dann w6+5 HP weggenascht hier und da?
etc. pp

Der Unterschied bei einem Spiel mit und ohne Regeln liegt in meinen Augen dann eigentlich v.a. darin, dass das Spiel mit Regeln mir die ad hoc-Aushandlungsprozesse davor schon zum Teil abnimmt und wir uns implizit darauf einigen, diesem Rahmen erst einmal zu folgen bzw. es eben durch Hausregeln anders zu handhaben. Bei einem Spiel mit wenig Regeln werden diese Aushandlungsprozesse einfach im Laufe der Geschichte definiert. Wenn ich öfter spiele, greife ich wahrscheinlich aber dennoch zu denselben Setzungen, die ich in den Runden davor festgelegt habe.

Müssen Regeln jetzt immer so komplex sein wie PF2e oder DSA 4 oder whatever? Nein. Wenn die Gruppe das will, warum nicht? Es schiebt das Spielgeschehen auf der Achse "Play" und "Game" wohl mehr in die Game-Richtung, wenn ich alle Regeln immer voll nutze. Aber dennoch unterstützen auch sie die Fiktion.
« Letzte Änderung: Gestern um 10:19 von klatschi »

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.426
  • Username: nobody@home
"The secret we should never let the gamemasters know is that they don't need any rules." -- Gary Gygax

Natürlich wird auch der Heilige Gary nicht gemeint haben, daß man fürs Spielen schlicht gar keine Regeln braucht. :) Wie klatschi ja schon ausgeführt hat, sind Regeln auch etwas, was man spontan und fast schon selbstverständlich selbst festlegen und dann befolgen kann (und wohl auch wird, wo man meint, daß sie "fehlen"), und müssen gar nicht immer und unbedingt schwarz auf weiß in einem Offiziellen Regelbuch (tm) daherkommen), und daß Gygax nur von den GMs spricht und nicht auch von den Spielern, ist möglicherweise auch nicht ganz irrelevant.

Aber auf der anderen Seite ist ja schon allein die Wahl der Regeln auch gleich wieder ein gutes Stück weit schlichte Verhandlungssache. Wir sind sechs Kids und haben einen Ball -- wollen wir jetzt Handball, Fußball, oder Volleyball spielen? Oder halt am Rollenspieltisch: was für Abenteuer-im-Kopf wollen wir eigentlich wo mit welchen Figuren erleben, und auf welches System können wir uns dafür einigen? (Und brauchen wir überhaupt eins oder reicht uns so, wie wir hier sitzen, zumindest für hier und jetzt auch schon Freiform?)

Grundsätzlich werden also wohl auch Kinder an irgendwelchen Regeln nicht vorbeikommen, und seien sie auch noch so spontan und formlos -- was sie nicht "offiziell" haben, werden sie sich halt erfinden. Aber welche genau auch für sie am besten funktionieren, ist eine andere Frage und wahrscheinlich auch gar nicht allgemein für alle von ihnen über denselben Kamm zu beantworten.

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
Interessante Beiträge bis jetzt. Vielen Dank dafür!

Ist es für die weitere Diskussion sinnvoll zwischen „Regeln“ und „Regelungen“ (aka rules vs. rulings) zu unterscheiden? Einiges von dem, was hier genannt wurde würde ich eher in dem Bereich „rulings“ einordnen.
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Online Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.666
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
Interessante Beiträge bis jetzt. Vielen Dank dafür!

Ist es für die weitere Diskussion sinnvoll zwischen „Regeln“ und „Regelungen“ (aka rules vs. rulings) zu unterscheiden? Einiges von dem, was hier genannt wurde würde ich eher in dem Bereich „rulings“ einordnen.

Bloß nicht. Den Unterschied gibt es nicht. Regeln und Regelungen sind dasselbe. Es gibt Regeln mit mehr oder weniger Ermessensspielraum. Das ist aber nicht binär.
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
 Aja, lässt sich schon unterscheiden in „ist vorgegeben, steht im Buch“ und „wir überlegen spontan, wie wir das abhandeln“ (dann auch inklusive „das was du vorhast gelingt einfach“)…
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Offline Crimson King

  • Hat salzige Nüsse!
  • Titan
  • *********
  • Crimson King
  • Beiträge: 19.280
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Stormbringer
Rollenspiel ist eine Verhandlung über Inhalte in einem gemeinsamen Vorstellungsraum. Es braucht zunächst mal Regeln dafür, wer wann was in den gemeinsamen Vorstellungsraum einbringen kann.

Wer gerne herausforderungsorientiert spielt, braucht Regeln, die Herausforderungen und Resourcen zur Überwindung selbiger ordentlich definieren.

Wer gerne what if spielt und eine bestimmte Situation möglichst frei von Willkür simulieren will, braucht Regeln zur Simulation.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Online Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.666
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
@Hexer: Verstehe ich. Ändert aber nichts daran, was die Regeln im Spiel tun. Sprich: die Funktion bleibt dieselbe, unabhängig davon, ob die Regeln zuvor kodifiziert wurden oder nicht.
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Offline Boba Fett

  • Kopfgeldjäger
  • Titan
  • *********
  • tot nützt er mir nichts
  • Beiträge: 38.985
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Mestoph
    • Internet-Trolle sind verkappte Sadisten
Wenn ich mit den Kids zu Hause und in der Schule gespielt habe, ...

...hatten die Kids einen Mediator, der vermittelnd oder leitend Hilfestellung geben konnte.
Auch wenn er (du) da vielleicht nie eingegriffen hat und es auch nicht musste, ist das etwas anderes als wenn Kids unter sich spielen.

Denn unter einander haben Kinder nur "gleichgestellte", deren Urteil sie nicht wichtiger nehmen, als ihr eigenes.
Und auch noch eine ganze Menge Egoismen, die die eigenen Interessen über die der anderen stellen.
Das muss nicht automatisch schief gehen, aber es kann.
Dann bekommen sie die "Peng, du bist tot!" - "Nein, bin ich nicht!" Situation, die sich mangels höherer Instanz nicht auflösen lässt.

Oder Du hast vielleicht die höhere Instanz unter den Kindern selbst (größeres Geschwister), und dann irgendwann die Situation, dass der "kleinere" wahrnimmt, dass er häufig übervorteilt wird (die Wahrnehmung muss nicht vom "größeren" geteilt werden, muss nicht mal stimmen.)
Und das ist ganz normal und nicht schlimm. Kinder lernen und trainieren damit ja, wie man Konflikte abwickelt.
Aber dem Rollenspiel selbst ist das nicht zuträglich. Denn das endet in der Situation.

Und genau da kommen die Spielregeln als "Gleichmacher" zur Anwendung.
Denn die berücksichtigen keine "Ränge", kein "älter" und "jünger" oder andere Rollen.

Insofern sehe ich Rollenspielregeln durchaus als relevant an - nicht weil es nicht ohne sie gehen kann, sondern, weil sie dann einen Rahmen bieten, der weiter machen erlaubt, wenn das Rollen spielen ansonsten im Streit auflösen würden.

Im übrigen enden die Regeln ja auch nicht im Buch, sondern es gibt eine ganze Menge implizit getroffener Regelungen, wie man zusammen spielt.
Was legitim ist und was nicht. Und auch die müssen vermittelt oder verhandelt werden.
« Letzte Änderung: Gestern um 12:01 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.426
  • Username: nobody@home
Und natürlich kann man die inzwischen umtitulierte Frage "Wie wichtig sind Regeln für die Fiktion?" (Betonung von mir) noch mal gesondert zu beantworten versuchen. Denn daß die gar keinen Einfluß hätten, kann schon mal nicht stimmen, sonst könnten hinreichend schlecht passende Regeln die gewünschte Fiktion ja auch gar nicht mehr oder weniger nachhaltig torpedieren...

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 657
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
@Boba:

Das finde ich eine interessante Beobachtung, die ich so teile. Das freie Spiel von Kindern hat meistens Experimentcharakter, und das ist auch gut so - aber da geht es oft viel mehr darum, herauszufinden, auf welche Arten etwas ausgehandelt werden kann als um irgendein inhaltliches Resultuat auf der Ebene der Fiktion.

Bei Rollenspielrunden steht ja meistens der Wunsch im Vordergrund, eine halbwegs konsistente Entwicklung des inhaltlichen Geschehens über einen Zeitraum von mindestens ein paar Stunden hinweg und in aufeinander aufbauenden Sitzungen zu haben. Da zu viel Zeit auf das Experimentieren mit sozialen Aushandlungsprozessen zu verwenden, läge nicht im Sinn der Sache.
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Online Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.666
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
Um auf die Frage des Threads zurück zu kommen: da hat Crimson King schon etwas in der Richtung mit dem what if geschrieben. Die Regeln sind für die Fiktion wichtig, wenn die Fiktion in irgeneiner Form gesteuert sein soll. Regeln erlauben und verbieten bestimmte Ergebnisse, die die Fiktion prägen. Wenn die Fiktion bestimmte Elemente nicht beinhalten soll, braucht es Regeln, die das steuern. Also sowas wie "im Setting soll es keine moderne Technik wie Flugzeuge oder Maschinengewehre geben." Oder "wer zaubern können soll, muss dafür xy erfüllen."
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!

Online Der Hasgar

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 382
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Shabobert
Aja, lässt sich schon unterscheiden in „ist vorgegeben, steht im Buch“ und „wir überlegen spontan, wie wir das abhandeln“ (dann auch inklusive „das was du vorhast gelingt einfach“)…

Was ist an einer Regel/Regelung anders, wenn sie oder wenn sie nicht im Buch steht? Eine Regel gibt einen gewissen Rahmen vor und kann bestimmte Situationen auflösen.

Klar kannst Du solche Regeln auch spontan erfinden. Die (nicht ausgesprochene oder aufgeschriebene) Regel hinter "Ach, das gelingt einfach" heißt: "Wenn Du die SL durch Handlungen deines SCs und das Erschaffen plausibler Umstände überzeugen kannst, gelingt Deine Aktion!"

Ich sehe da immer dann ein Problem, wenn zwei Spieler beide meinen, sie hätten die SL überzeugt und die dann entscheiden muss. Das wälzt die Verantwortung auf die SL ab und kann (muss aber nicht) halt zu Unzufriedenheit mit der SL führen...
« Letzte Änderung: Gestern um 12:50 von Der Hasgar »
Power Gamer: 50%
Butt-Kicker: 38%
Tactician: 29%
Specialist: 42%
Method Actor: 67%
Storyteller: 58%
Casual Gamer: 33%

Online Galatea

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.173
  • Username: Galatea
Na komm, das ist doch jetzt bisschen arg schief. Regeln haben weitaus mehr Bedeutung, als uns alten Säcken einen Rahmen für unsere fantastischen Erzählungen zu geben.
Das Klassensystem bei D&D ist historisch und stammt aus einer Zeit als man in erster Linie eine ROLLE gespielt hat und keinen CHARAKTER - zeigt sich auch an den alten Klassennamen, die quasi "Berufsbezeichnungen" sind.
Damals war das ganze noch sehr wargame-tabletop-like, die Idee das ein Regelwerk nuanciertes Charakterspiel unterstützen sollte kam erst viel später (und hat D&D selbst nie so wirklich erreicht).

Warum man das bis heute mitschleift? Vermutlich Tradition und "don't change a running system"-Mentalität.
Dass das Klassensystem an vielen Stellen überhaupt nicht mehr funktioniert, wenn man versucht die ursprüngliche Prämisse auf Dinge jenseits der "Rolle in der Gruppe"-Prämisse anzuwenden, sieht man an Auswüchsen wie der Starship Troopers "Civilian" Klasse (das Fantasy-Equivalent dazu wäre eine Bürger- oder Bauernklasse).
We should respect all forms of consciousness. The body is just a vessel, a mere hull.

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.426
  • Username: nobody@home
Das Klassensystem bei D&D ist historisch und stammt aus einer Zeit als man in erster Linie eine ROLLE gespielt hat und keinen CHARAKTER - zeigt sich auch an den alten Klassennamen, die quasi "Berufsbezeichnungen" sind.
Damals war das ganze noch sehr wargame-tabletop-like, die Idee das ein Regelwerk nuanciertes Charakterspiel unterstützen sollte kam erst viel später (und hat D&D selbst nie so wirklich erreicht).

Warum man das bis heute mitschleift? Vermutlich Tradition und "don't change a running system"-Mentalität.
Dass das Klassensystem an vielen Stellen überhaupt nicht mehr funktioniert, wenn man versucht die ursprüngliche Prämisse auf Dinge jenseits der "Rolle in der Gruppe"-Prämisse anzuwenden, sieht man an Auswüchsen wie der Starship Troopers "Civilian" Klasse (das Fantasy-Equivalent dazu wäre eine Bürger- oder Bauernklasse).

Wobei das meines Wissens auch in erster Linie eine Fantasyrollenspieltradition ist und Spiele in anderen Genres weniger dazu neigen, Klassen überhaupt erst zu verwenden (hat ja beispielsweise schon Traveller anno 1977 nicht mehr gemacht). Klar, Ausnahmen gibt's auf beiden Seiten, aber die allgemeine Tendenz ist da.

Offline Outsider

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.709
  • Username: Outsider
Wobei das meines Wissens auch in erster Linie eine Fantasyrollenspieltradition ist und Spiele in anderen Genres weniger dazu neigen, Klassen überhaupt erst zu verwenden (hat ja beispielsweise schon Traveller anno 1977 nicht mehr gemacht). Klar, Ausnahmen gibt's auf beiden Seiten, aber die allgemeine Tendenz ist da.

Naja, andere Spiele nennen es dann Arechtypen wie SR oder erfinden weitere Bezeichnungen die eigentlch nichts anderes meinen als "du spielst ein Char Typ X der hat diese einzigartigen Skills / Feats / Vor- oder Nachteile usw. auf die ein Char Typ Y nicht zugreifen kann."
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 657
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
Naja, andere Spiele nennen es dann Arechtypen wie SR oder erfinden weitere Bezeichnungen die eigentlch nichts anderes meinen als "du spielst ein Char Typ X der hat diese einzigartigen Skills / Feats / Vor- oder Nachteile usw. auf die ein Char Typ Y nicht zugreifen kann."

Das ist aber gerade bei dem genannten Traveller nicht der Fall, und auch bei sehr vielen anderen RSPs quer durch die Jahrzehnte nicht, von Cthulhu über Fate bis Barbarians of Lemuria ...
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Online Galatea

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.173
  • Username: Galatea
Manche Systeme haben auch Fähigkeitsbäume, bei denen man sich Sachen rauspicken kann, aber Fähigkeit F1 lernen muss bevor man Fähigkeit F2 nehmen darf - kann man prinzipiell als modulare Pseudoklassen oder Miniklassen sehen.
D&D hat ja mit Multiclassing auch seine eigene Behelfslösung, um das starre Gussformsystem zumindest ein wenig aufzuweichen.
We should respect all forms of consciousness. The body is just a vessel, a mere hull.

Offline klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.840
  • Username: klatschi
Aja, lässt sich schon unterscheiden in „ist vorgegeben, steht im Buch“ und „wir überlegen spontan, wie wir das abhandeln“ (dann auch inklusive „das was du vorhast gelingt einfach“)…

Für mich wäre hier wieder mal das Problem des Übergangs. Wann wird aus einem Ruling eine Rule?
Wenn du zum fünften Mal hintereinander das gleiche Ruling übernimmst oder schon früher? Oder erst wenn aufgeschrieben ist?
Wenn ich differenzieren würde zwischen den Begriffen, würde ich rulings für ad hoc Entscheidungen verwenden, die ich in der Situation regeln muss, damit das Spiel weitergeht. Ich lese dann danach die Regeln nach oder aber beschließe, dass wir es vorerst immer auf diese Art und Weise machen.

Zu klassen und Co:
Ob Klassensystem ja/nein/gut/schlecht ist doch gar nicht der Kern der Frage. Ja, es gibt Systeme die das mit Klassen regeln und andere Systeme, die das offen regeln oder Archetypen oder oder
Fakt ist halt, dass es geregelt wird, weil es eben dafür sorgt, dass alle am Tisch eine gemeinsame Basis haben.

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.426
  • Username: nobody@home
Zu klassen und Co:
Ob Klassensystem ja/nein/gut/schlecht ist doch gar nicht der Kern der Frage. Ja, es gibt Systeme die das mit Klassen regeln und andere Systeme, die das offen regeln oder Archetypen oder oder
Fakt ist halt, dass es geregelt wird, weil es eben dafür sorgt, dass alle am Tisch eine gemeinsame Basis haben.

Und Fakt ist ebenso, daß die Regelantwort auf die Frage, ob und wie fest man sich an bestimmte vorgegebene Arche- oder Stereotypen (je nach Geschmack halt ;)) halten soll, einen ziemlichen Einfluß auf die Fiktion hat -- was, beispielsweise sagt mir so etwas wie "Nur Diebe wissen, wie man verwundbare Stellen richtig trifft, und insbesondere Kämpfer als solche können dieses Geheimwissen nie erwerben, ohne wenigstens teilweise selbst zum Dieb zu werden" über die imaginäre Welt, in der wir spielen, und wie glaubhaft "soll" ich das finden?

Natürlich ist das nicht nur eine Klassenfrage, sondern gilt sinngemäß auch für andere Regeln. Die Gefährlichkeit von Kämpfen und anderen Gefahren beeinflußt direkt, wieviel Risiko man sich im Spiel zumuten "darf", Aufstiegsregeln können leicht dazu führen, daß man die eigentlich gewünschten fiktiven Abenteuer nur innerhalb einer bestimmten Komfortzone erleben kann, die vielleicht sogar zum einen erst mal erreicht werden will und aus der man dann auf der anderen Seite auch irgendwann wieder hinausgedrängt wird (oder auf der anderen Seite genausogut dazu, daß jemand, der eigentlich ganz bewußt einen kometenhaften Aufstieg erleben will, sich ständig künstlich zurückgehalten fühlt -- wahrscheinlich nicht mit exakt denselben Regeln, aber der Grundgedanke bleibt), was so an Magie/Technik/sonstigen "besonderen" Elementen vorgesehen ist, bestimmt nachhaltig mit, welche Genres man direkt aus der Kiste am besten oder gar überhaupt bespielen kann...

Online 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.653
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Wäre aber eine interessante Frage, um sie mal auszukoppeln: Warum brauchen wir eigentlich Regeln, wenn wir doch auch so Konsens finden? Zur Erschaffung einer gemeinsamen Fiktion jedenfalls nicht.

Du meinst warum wir uns Regeln aus einem Rollenspielprodukt für unsere Runde her nehmen, wo wir doch auch solche allein aushandeln könnten?

Weil mir externer Input helfen kann, so zu spielen, wie ich aus mir selbst heraus nicht gespielt hätte.

Offline HEXer

  • Legend
  • *******
  • Master of None
  • Beiträge: 7.683
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Der HEXer
Aber hindert er damit nicht auch, so zu spielen wie du aus dir selbst heraus gespielt hättest?
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Offline klatschi

  • Moderator
  • Famous Hero
  • *****
  • Eichhörnchen auf Crack
  • Beiträge: 3.840
  • Username: klatschi
Aber hindert er damit nicht auch, so zu spielen wie du aus dir selbst heraus gespielt hättest?

Ich denke nein, da ich glaube, dass viele Runden a) sowieso irgendeine Hausregel haben und b) geschriebene Regeln nicht zwingend gespielte Regeln sind. Da bringt sich die Gruppe das Spiel aus Versatzstücken oft gegenseitig bei und keiner liest jedes Mal kritisch nach, so das sich Abweichungen von den geschriebenen Regeln sowieso „einschleichen“, diedann sm Ende durch Zufall „aufgedeckt“ werden.

Offline Outsider

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.709
  • Username: Outsider
Das ist aber gerade bei dem genannten Traveller nicht der Fall, und auch bei sehr vielen anderen RSPs quer durch die Jahrzehnte nicht, von Cthulhu über Fate bis Barbarians of Lemuria ...

Ich habe mich auch nicht auf Traveller bezogen oder auf "Klassenlose" Systeme. Sondern wie du lesen kannst auf die Systeme die eine eher weiche Form der Bindung an SC Eigenschaften haben ohne es dann Klasse zu nennen. Der Mechanismuss "du Spielst nur eine Rolle" wird dabei von nur ganz wenigen Systemen überwunden. Selbst CoC hat Berufe auf welche bei der Erschaffung die meisten Punkte verteilt werden. Das sind am Ende nichts anderes als weich gelabelte Klassen (gilt umso mehr bei Oneshots bei denen sich die SC wertemäßig kaum entwickeln).

Traveller habe ich nur einmal gespielt verzeih mir also wenn mich die Erinnerung trügt oder der SL damals vom Standard abgewichen ist. Aber da wurde die Karriere des SC ausgewürfelt und man wurde entweder Pilot oder Wissenschaftler aber kein Wissenschaftler der im Krieg XY Kampfpilot war. Da wird auch von der Systematik "du spielst nur eine Rolle" nicht wirklich abgewichen.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Online Swanosaurus

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 657
  • Username: Swanosaurus
    • Swanosaurus - mein Blog
Ich habe mich auch nicht auf Traveller bezogen oder auf "Klassenlose" Systeme. Sondern wie du lesen kannst auf die Systeme die eine eher weiche Form der Bindung an SC Eigenschaften haben ohne es dann Klasse zu nennen. Der Mechanismuss "du Spielst nur eine Rolle" wird dabei von nur ganz wenigen Systemen überwunden. Selbst CoC hat Berufe auf welche bei der Erschaffung die meisten Punkte verteilt werden. Das sind am Ende nichts anderes als weich gelabelte Klassen (gilt umso mehr bei Oneshots bei denen sich die SC wertemäßig kaum entwickeln).

Traveller habe ich nur einmal gespielt verzeih mir also wenn mich die Erinnerung trügt oder der SL damals vom Standard abgewichen ist. Aber da wurde die Karriere des SC ausgewürfelt und man wurde entweder Pilot oder Wissenschaftler aber kein Wissenschaftler der im Krieg XY Kampfpilot war. Da wird auch von der Systematik "du spielst nur eine Rolle" nicht wirklich abgewichen.

Mir ging es nur um die implizite Aussage, dass alle Rollenspiele Klassensysteme by any other name sind. Das finde ich nicht überzeugend - zur Klasse gehört neben der Grundausstattung doch vor allem die Dauerhafte Festlegung auf bestimmte Progressionspfade und die prinzipielle Beschränkung bestimmter Fähigkeiten auf bestimmte Klassen (wie du schriebst, manche Sachen kannst du dann halt nur als Dieb lernen). Beides haben Cthulhu und Traveller nicht. Und Traveller ist eigentlich nicht so, wie du es beschreibst: Da entscheidest und würfelst du deinen Werdegang, und im Prinzip ist alles frei kombinierbar, auch Kampfpilot und Ingenieur ...

EDIT: und dann gibt's ja auch noch Systeme wie GURPS, wo sich alle alles per Pointbuy besorgen.
« Letzte Änderung: Heute um 10:29 von Swanosaurus »
Ehemals Rumpel/Achamanian

Meine Veröffentlichungen:
Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
Lover's Gaze für Cloud Empress: https://www.drivethrurpg.com/de/product/515643/lover-s-gaze-for-cloud-empress
Hidden Depths für Ashen Stars: https://www.drivethrurpg.com/de/product/300541/hidden-depths

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 14.426
  • Username: nobody@home
Ich denke, ich bleibe einstweilen dabei: Klassensysteme finden sich in erster Linie bei Fantasyspielen -- und dank D&D bzw. speziell hierzulande zumindest früher meist DSA sind die wohl auch die hauptsächliche "Einstiegsdroge" ins Hobby überhaupt. Da ergibt sich der Eindruck, daß Klassen halt der rollenspielerische Normalfall und alles andere nur exotische Ausnahmen sind, beim "typischen" Rollenspieler wahrscheinlich fast schon von allein... :think:

Online 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.653
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Aber hindert er damit nicht auch, so zu spielen wie du aus dir selbst heraus gespielt hättest?

Ja, das meine ich. Wenn ich so machen wollte wie immer, wozu brauche ich dann neue und mehr Rollenspielprodukte? Die helfen nur, wenn man was anders machen will als sonst.

Also wenn die konventionelle Weisheit ist, "Never split the party", und ein Buch empfiehlt: "Split them alone or in pairs." Dann wäre ich doch schön blöd, das nicht zumindest auszuprobieren. Die werden sich was gedacht haben, das da hinzuschreiben. Und ich hab mir das Buch ja besorgt, weil ich glaube da steckt was Interessantes drin.


Mir ging es nur um die implizite Aussage, dass alle Rollenspiele Klassensysteme by any other name sind. Das finde ich nicht überzeugend - zur Klasse gehört neben der Grundausstattung dich vor allem die Dauerhafte Festlegung auf bestimmte Progressionspfade und die prinzipielle Beschränkung bestimmter Fähigkeiten auf bestimmte Klassen (wie du schriebst, manche Sachen kannst du dann halt nur als Dieb lernen).

Ist das so? Dann ist D&D3 nicht wirklich ein Klassensystem, sondern sehr simple Fertigkeitsbäume. Also ich kann ja jede Stufe eine andere Class nehmen. Es gibt nichts, was ich ich prinzipiell nicht können kann, es sei dann aufgrund meiner bisherigen Auswahl kann ich vor Stufe 20 in einer Class nicht länger hinreichend hoch kommen. PbtA ist auch zweifelhaft, denn ich kann take a move from another playbook.

DSA3 ist auch kein Klassensystem. Es gibt gewisse Dinge, insbesondere Zauber, die prinzipiell nur bei Wahl des korrekten Heldentypen zum Zeitpunkt der der Charaktererschaffung gehen, soweit richtig, aber ansonsten sind diese Heldentypen reine Starterpakete. Sie liefern keine spezielle eigene Progression. Alle progredieren gleich. Sie sind also eher wie D&D Races statt D&D Classes.

Ich hab das hier in einem Blogbeitrag nochmal auseinander genommen. https://holothuroid.wordpress.com/2022/05/11/primary-conceptual-elements/




« Letzte Änderung: Heute um 10:50 von 1of3 »

Offline gunware

  • Famous Hero
  • ******
  • Eine Ohrfeige zu richtiger Zeit wirkt Wunder.
  • Beiträge: 2.169
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: gunware
EDIT: und dann gibt's ja auch noch Systeme wie GURPS, wo sich alle alles per Pointbuy besorgen.
Und dann auch z.B. quasi Klassen, die man kombinieren soll, weil man dadurch beim Steigern neue Klassen freischaltet, je nach Kombination. Das wäre dann so eine Mischung zwischen D&D und GURPS. (Man kauft in dem Sinne nicht die Klassen, sondern durch den Kauf der Fähigkeiten, ergibt sich die Klasse.)
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Online manbehind

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 351
  • Username: manbehind
Ich werfe mal 2 Cent in den Ring :)

Ich würde widersprechen :)
Ich kopple das morgen gerne aus und dann machen wir nen Thread draus - bin gerade unterwegs

Ich würde HEXer zustimmen ^^

Das unmittelbare Erleben der Geschichte in der eigenen Phantasie ist etwas anderes als das Erleben des Spiels in termini eines Regelsystems.

Und genau diese Regeln schaffen auch Fiktion, denn sie modellieren die Spielwelt.

Ich behaupte zunächst einmal das genaue Gegenteil:

Regeln zerstören die Fiktion, denn das Erleben des Spiels in termini eines Regelsystems ersetzt die Phantasie der Spielwelt und macht sie überflüssig.

ich begründe das durch einen Blick in meine Empirie:

In meiner aktiven DSA1-Zeit (1987 bis ca. 1991) wurden z. B. Gegner und Kämpfe ausschließlich in termini des Regelsystems bespielt. „Ein Goblin“ bedeutete nicht [Beschreibung der Kreatur], sondern war ein reines Zahlen-, sprich: Wertebündel. Das reichte aus, um mit dem Goblin im Spiel zu interagieren.

1998 – also bummelige 10 Jahre später – erschien das DAS-Einsteigerabenteuer „Über den Greifenpass“ von Tom Finn. Für angehende Spielleiter findet sich dort folgender Hinweis:

„In bestimmten Ausnahmesituationen (!) mag es nützlich sein, auf bestimmte Regelaspekte ganz zu verzichten. Ein Beispiel: Die aus vier Helden bestehende Gruppe (davon einer schwer verletzt) wird von 20 Orks verfolgt, und der Elf der Gruppe beschließt, sich in einen Hinterhalt zu legen, um so den Rückzug seiner Kameraden heldenhaft mit einem Bogen zu decken.  Wenn eine solche Situation nicht wirklich wichtig für die Handlung ist, dann drücken Sie einfach ein Auge zu… Denn ansonsten könnte folgendes passieren: „Gut, dann würfel einmal. Aha, einer der Orks nimmt also drei Trefferpunkte Schaden. Naja, das ist nicht viel. Die 20 Orks stürmen in eure Richtung…“. Spannender wäre in solch einer Situation natürlich ein filmhaftes Vorgehen, bei dem Sie dem Helden actionreich schildern, wie der erste Gegner getroffen umkippt, plötzlich Verwirrung entsteht und die Orks sich erst nach und nach neu formieren. Schließlich haben auch Orks Angst um ihr Leben.“

Aus der Tatsache, dass der Autor diesen Hinweis so gibt, schließe ich, dass meine oben geschilderte Erfahrung – Wahrnehmung der und Interaktion mit der Spielwelt in termini des Regelsystems – kein Einzelfall, sondern vielleicht sogar der Regelfall war und vielleicht auch immer noch ist.

Selbst wenn du nur die Rule of Cool anlegst und dich mit Kids an den Tisch setzt und ihr ne coole Geschichte erzählt, werdet ihr - ad hoc - Regeln für eure Geschichte erfinden. Muss ich einen Bergabhang hinunterklettern oder kann ich in einer Three-Point-Superhero-Pose unten cool aufschlagen? Da wird sich am Tisch recht schnell eine Regel finden, was in der Fiktion möglich ist und was nicht und es wird sich angleichen. Fritz möchte das Tor öffnen? Bist du stark? Ja. Dann Würfel mal einen w6. Oder einen w20, damit es cool und ungewohnt ist und die Aura des "anderen" hat.
So wie auf dem Bolzplatz sehr schnell Regeln gefunden werden (5 Spieler da? Klar, 2 vs 2, einer Torwart, alle paar Minuten wird gewechselt. Hey, Sabrina ist noch dazugekommen, dann machen wir jetzt 3 vs. 3 aber man muss zur Linie laufen, bis man auf's "gegnerische" Tor holzen darf). Diese Regeln müssen nicht verschriftlicht sein, sie ändern sich ad hoc, aber es sind Regeln.

Nein, es sind keine Regeln, es sind Definitionen, also Festlegungen. Die Regeln, nach denen gespielt wird, ergeben sich dann erst aus den Definitionen. Die Regeln sagen, wie gespielt werden muss.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Wenn ich differenzieren würde zwischen den Begriffen, würde ich rulings für ad hoc Entscheidungen verwenden, die ich in der Situation regeln muss, damit das Spiel weitergeht. Ich lese dann danach die Regeln nach oder aber beschließe, dass wir es vorerst immer auf diese Art und Weise machen.

„Rulings“ sind in der Tat Entscheidungen, durch die etwas definiert wird. „Rulings“ kommen im Gegensatz zu „rules“ ohne einen eigenen abstrakten Begriffsapparat aus, weil es hier nicht um abstrakte Fallklassen geht, sondern um konkrete Einzelfälle. Aber die Entscheidung regelt nichts. Wenn ich festlege, dass der Drache Feuer speien kann, dann ist hierdurch nichts „geregelt“; der Begriff "geregelt" ist hier ohne konkrete Bedeutung. Die Definition hat gleichwohl Konsequenzen für Handlungen der Spieler, die sich einem feuerspeienden Drachen anders annähern werden als einem Drachen, der kein Feuer speit; denn wenn die Entscheidung für das Spiel ohne Auswirkungen wäre, dann wäre sie überflüssig. D. h. aus dieser Definition werden Kriterien abgeleitet, die bestimmten Handlungen mehr Wert geben, als anderen; das ist hier die Analogie zu den Rechenregeln, die aus der mathematischen Definition folgen.

Explizite Regeln verändern das Spiel, denn sie geben vor, was opportun ist und was nicht. Im Fußball ist die Abseitsregel nicht "spielneutral", sondern sie hat Einfluss darauf, wie gespielt wird. "Rulings" oder "ad-hoc Entscheidungen" tun das nicht.

Offline Outsider

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.709
  • Username: Outsider
Mir ging es nur um die implizite Aussage, dass alle Rollenspiele Klassensysteme by any other name sind. Das finde ich nicht überzeugend - zur Klasse gehört neben der Grundausstattung doch vor allem die Dauerhafte Festlegung auf bestimmte Progressionspfade und die prinzipielle Beschränkung bestimmter Fähigkeiten auf bestimmte Klassen (wie du schriebst, manche Sachen kannst du dann halt nur als Dieb lernen). Beides haben Cthulhu und Traveller nicht. Und Traveller ist eigentlich nicht so, wie du es beschreibst: Da entscheidest und würfelst du deinen Werdegang, und im Prinzip ist alles frei kombinierbar, auch Kampfpilot und Ingenieur ...

EDIT: und dann gibt's ja auch noch Systeme wie GURPS, wo sich alle alles per Pointbuy besorgen.

Lies bitte was ich geschrieben habe.

Das alle Rollenspiele Klassensysteme haben ist deine Interpretation meiner Aussage. Wo du die Grenze zwischen harter Klasse "nur Diebe können das" und weicher Klasse "du bist Historiker und darfst die meisten deiner Punkte auf diese fünf Fertigkeiten verteilen" (was auch eine Form von „nur Historiker können das“ ist) ziehst ist mir egal.

Das ändert nichts am Grundgedanken das Rollenspiele eher dazu neigen dem Spieler eine Rolle zuzugestehen.

Wieder aufpassen auf das Wording „eher dazu neigen“ ist ungleich alle. 
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Online Tudor the Traveller

  • Karnevals-Autist
  • Legend
  • *******
  • (he / him)
  • Beiträge: 5.666
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tudor the Traveller
Ich werfe mal 2 Cent in den Ring :)

Danke dafür, da ist viel Diskussionsstoff dabei  :)

Zunächst: was du Definition nennst, nenne ich Ergebnis. Und zwar das Ergebnis eines Entscheidungsvorgangs, das seinerseits dann zur Setzung in der Fiktion wird und damit zum fiktionalen Bestandteil der Erzählung.

Wo ich dir nicht zustimme, ist der Teil mit den Regeln. Hilfreich an der Stelle ist deine Gegenüberstellung von Fallklassen und Einzelfällen. Die Einzelfallentscheidungen sind wohl das, was hier als Rulings benannt wird. Es ist nur so: Jede Einzelfallentscheidung schafft einen Präzedenzfall. Die Konsistenz der Erzählung verlangt dann oft, dass die Setzungen in vergleichbaren Fällen genauso erfolgen müssen. Damit wird aus dem Einzelfall eine Fallklasse. "Drachen können in diesem Setting mitunter Feuer speien." Oder aber, es ist der einzige feuerspeiende Drache des Settings. Hier zeigen sich die Rahmenbedingungen der Erzählung, die auch beim kindlichen Rollenspiel implizit vorhanden sind. Wir als Menschen erwarten, dass die Welt Regeln folgt, auf die wir unsere Entscheidungen ausrichten können. Die Fiktion braucht diese Regeln, sonst wird alles beliebiges Chaos. (Edit: im kindlichen Spiel sind das die Grenzen dessen, was toleriert wird. Bei Überschreitung dieser Grenzen kommt es meist zum Streit.)

Fiktion und Regeln bilden ein wechselseitiges Miteinander. Ja, das kann auch dazu führen, dass Fiktion eingrschränkt wird. "Nein, Menschen können nicht fliegen und Feuer speien  außer, du setzt dafür eine fiktive Begründung."

Zu dem Beispiel mit dem Goblin: ich denke, du irrst dich da. Die Fiktion wird nicht zerstört, in der Erzählung verschwindet der Goblin nicht. Das was du schreibst ist imo Immersion: der Goblin wird nicht auf der fiktiven Ebene (in character) bespielt, sondern auf der Metaebene.

Aus der Tatsache, dass der Autor diesen Hinweis so gibt, schließe ich, dass meine oben geschilderte Erfahrung – Wahrnehmung der und Interaktion mit der Spielwelt in termini des Regelsystems – kein Einzelfall, sondern vielleicht sogar der Regelfall war und vielleicht auch immer noch ist.

Die Regeln sollen hier für eine Konsistenz des Erwartbaren sorgen. Mit anderen Worten: dass ein Elf 20 Orks mal eben aufhällt, ist nicht plausibel. Oder "opportun" wie du es nennst. Das ist aber kein Problem der Regeln an sich, sondern ein Problem bei der Definition dessen, was die Regeln im fiktionalen Ergebnis bewirken sollen. Der verbreitete Denkfehler ist meines Erachtens, dass der Zweck der Regeln die Simulation sei. Das ist meines Erachtens vom falschen Ende gedacht. Die Simulation ergibtvsich dadurch, dass ich vorher festlege, welche Setzingen ich in der Erzählung haben will (z. B. feuerspeiende Drachen, Goblins sind eine geringe aber nicht bedeutungslose  Bedrohung) und welche ich nicht haben will (feuerspeiende fliegende Menschen sind nicht normal). Die Regeln müssen dann so gestrickt sein, dass die Entscheidungen / Setzungen entsprechend ausfallen. Im Kern ist das klassisches Prozessdesign.
« Letzte Änderung: Heute um 11:54 von Tudor the Traveller »
NOT EVIL - JUST GENIUS

This town isn’t big enough for two supervillains!
Oh, you’re a villain all right, just not a super one!
Yeah? What’s the difference?
PRESENTATION!