Autor Thema: Pro und Contra Genre  (Gelesen 5654 mal)

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Offline Bitpicker

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Pro und Contra Genre
« am: 11.08.2005 | 15:08 »
Ich möchte etwas zur Diskussion vorschlagen, was mir besonders bei dem Thread bzgl. Horror mit Normalos vs. Superhelden aufgefallen ist, aber auch sonst bei meiner Betrachtung von RPGs und anderen Medien immer wieder auftaucht.

These: Genre sucks.

Ich beobachte bei mir eine zunehmende Tendenz, Genres nicht länger beachten zu wollen; nicht nur beim RPG, sondern auch in den Filmen, die ich schaue, und den Büchern, die ich lese. Ich empfinde Genres nur noch als einengend, berechenbar, vorhersehbar; deshalb kann ich auch mit genre-gebundenen Spielstilen nicht viel anfangen. Zwar bevorzuge ich Horror-RPGs, was ja eigentlich ein Genre ist, aber Horror ist bei mir nur Thema, nicht Selbstzweck. Soll heißen: zwar handeln meine Spiele fast durchweg von Horror-Situationen, aber nichts, was geschieht, geschieht nur, um Genre-Regeln zu erfüllen.

Diese Erfüllung von Genre-Regeln vresaut mir mittlerweile auch Filme. Gestern habe ich Collateral gesehen, ein Film über einen Auftragskiller, der sich von einem Taxifahrer zu seinen Morden kutschieren klässt. Was für ein Quatsch! Schon diese Ausgangssituation ist unplausibel und idiotisch - ein Paradebeispiel für das schlecht organisierte Verbrechen, nur, um einen Aufhänger für eine mäßig spannende Story zu haben. Nein danke!

Genre-Bruch ist es, was Regisseure wie Quentin Tarantino und Autoren wie Neil Gaiman erfolgreich macht; irgendwie scheint die Zeit gekommen zu sein, sich vom Genre-Gedanken zu lösen (hallo, Postmoderne!).

So, das war offensichtlich nur Contra. Was meint ihr?

Robin
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wjassula

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #1 am: 11.08.2005 | 15:23 »
Zustimmung, aber


Um Genrekonventionen sinnvoll übersteigen zu können, müssen natürlich alle Beteiligten sich über die Konventionen im Klaren sein. Genre ist also nicht von Gestern, sondern wird anders und selbstbezüglicher eingesetzt. Und das ist dann auch die einzige Form, in der ich mit Genre-Fiction in jedem Medium klarkomme.

Offline Bitpicker

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #2 am: 11.08.2005 | 15:28 »
Das ist auch wieder postmodern: eine Genre-Konvention wird dann herangezogen, wenn sie gut passt und jedem klar ist, dass sie um ihrer selbst willen verwendet wird, z. B. -aber nicht nur- als Parodie. In Film und Buch kann ich damit auch leben, im RPG brauche ich das nicht.

Ich  mag besonders die weitere Dimension an Unberechenbarkeit, die der bewusste Genre-Bruch mit sich bringt.

Robin
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Offline Fredi der Elch

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #3 am: 11.08.2005 | 15:32 »
Zwei Punkte dazu:

1. These: "Realismus" ist auch nur ein Genre. Jedes Genre setzt Grenzen für den kreativen Input, den die Spieler sind voll im Spiel machen können. Wie wir letztens in einem anderen Thread schon hatten, werden durch diese Grenzen die kreativen Räume erst geöffnet. Ein Genre setzt nun spezielle Grenzen für den kreativen Input, die dann einen kreativen Raum öffnen. Dabei unterscheidet sich "Realismus" nicht wesentlich von jedem anderen Genre. Realismus setzt spezielle Grenzen dafür, was im Spiel möglich ist. So sind in einem "realistischen" Spiel bestimmte Aktion nicht möglich, die zum Beispiel bei "Mantel und Degen" möglich wären.
Also: Realismus ist ein spezielles Genre. Und wenn "Genre sucks" dann suckt Realismus auch. ;)

2. Gegen Postmoderne und Genre-Bruch habe ich prinzipiell nichts einzuwenden. Da entsteht sogar oft Cuttig-Edge Kunst. allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass man sich zunächst erst einmal sehr stark mit den einzelnen Genres beschäftigt haben muss, bevor man sinnvollen Genres mischen oder brechen kann. Insofern: gute Idee. Aber bevor ich nicht weiß, wie "Mantel und Degen" funktioniert, kann ich mich nicht sinnvoll postmodern davon absetzen. (ok, Wjassula war schneller :) )
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Zitat von: 1of3
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wjassula

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #4 am: 11.08.2005 | 15:43 »
Zitat
Realismus ist ein spezielles Genre. Und wenn "Genre sucks" dann suckt Realismus auch

Der Mann hat ja so recht.

Offline Boba Fett

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #5 am: 11.08.2005 | 15:51 »
Genres sind Schubladen.
In dieser Beziehung verhalten sie sich wie Bestandteile von Rollenspielmodellen.
Wer Genres daneben findet,... ;)

Ich find Genre gut, denn man kann mit Genre-kenntnissen arbeiten.
Es erleichtert viel, wenn man sich über Settings, Vorstellungen und dergleichen unterhält.
("Ich würd gern Fading Suns spielen, aber bitte ohne Romantik-Scheiss dabei, dafür mehr Dune-eskes Flair...")
Man kann vergleichen, ausschließen und jeder hat sofort ein Bild im Kopf.
Im Rollenspiel ist es nützlich, denn es gibt den Spielern eine gewisse Vertrautheit mit der Hintergrundswelt.
Man weiss einfach, was man in einem Genre Setting erwarten kann, und vor allem: man weiss, wenn etwas ungewöhnlich ist. Durch die Genre Vertrautheit kann man auf "Unterschiede" hinweisen, ohne, dass die Spieler meterweise die Quellenbücher studiert haben. Sie wissen einfach, wenn sich etwas ungewöhnlich verhält und können darauf eingehen.
Das ist natürlich nur interessant, wenn man diese Stilbruchmethoden bewusst einsetzt.

Und man kann so schön mit Genres spielen...
Man kann Genre mixen (Mantel&Degen mit Horror, wie in "Fluch der Karibik" - geniale Idee), bewussten Genre-Bruch betreiben ("From Dusk till dawn" - erst Raodmovie, dann Splatter).

Wer sich sklavisch an Genre hält, der ist verhersagbar, berechenbar, und ehrlich gesagt: langweilig!
Interessant wird es immer dann, wenn man das Genre als Basis nutzt und sich dann durch Ausbrüche aus dem genre austobt.

Also Zustimmung und Widerspruch - ich find Genres nützlich und hilfreich, aber ja, wer Genre als fixes medium ansieht, dem ist schwer zu helfen!
« Letzte Änderung: 11.08.2005 | 15:54 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Bitpicker

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #6 am: 11.08.2005 | 15:59 »
@Fredi:

Realismus ist strenggenommen kein Genre, sondern ein (literarischer / künstlerischer) Stil. Eine realistische Horrorgeschichte hat keine übernatürlichen Elemente, aber sie kann genau so Konventionen des Horror-Genres erfüllen oder nicht erfüllen wie eine phantastische Horrorgeschichte, in der es von Übernatürlichem wimmelt. Eine Geschichte kann sogar beides sein: Poes Geschichten werden z.B. üblicherweise als phantastische Geschichten verkauft und gelesen (wobei sie meines Erachtens dabei fürchterlich schwach sind), gewinnen aber in vielen Fällen gewaltig an Sinn und Wert, wenn man sie als psychologisch-realistische Geschichten ohne übernatürliche Elemente liest.

Das heißt aber nicht, dass du nicht Recht hättest, wenn du sagst, dass Realismus (ich nenne es lieber Plausibilität, um Missverständnisse zu vermeiden, ob jetzt Realität, ein künstlerischer Stil oder was anderes gemeint ist) gewisse Grenzen setzt. Ich denke aber, dass Genres sich genau dadurch definieren, dass sie von der Plausibilität abweichen. Du merkst so lange nicht, dass du dich in einem Genre befindest, bis etwas geschieht, was nicht plausibel ist, außer im Rahmen der Gesetze des Genres. Ich finde, dass es ein gutes Werk (Film, Buch, Rollenspiel) ausmacht, sich meinetwegen innerhalb eines oder mehrerer Genres zu bewegen, dabei aber trotzdem die Plausibilität nicht zu brechen. Mit einem Beispiel gesagt: wenn die Heldin vor dem irren Killer in den ausweglosen Keller flüchtet, muss es dafür einen plausibleren Grund geben als 'das Genre will es so' - anderfalls ist es ein billiger Cop-Out.

Die Kunst (bin auch ne Kunstsau) ist es m.E. also, niemals ausschließlich das Genre als Begründung für eine Handlung / Szene oder so zu haben.

Robin
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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #7 am: 11.08.2005 | 16:18 »
Ich denke du redest hier nicht primär von Genre, sondern von Kunstfertigkeit. Schlechte Autoren schreiben schlechte Bücher, egal ob sie realistisch sind oder nicht.

azentar

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #8 am: 11.08.2005 | 16:27 »
Zusätzlich zu Bobas Kommentar:
Es gilt, zwischen Genre und Clichee zu unterscheiden.
Was Bitpicker im Anfangspost bemängelte, waren eigentlich die Clichees innerhalb von Genrekonventionen.

In einem bestimmten Genre unterwegs zu sein heißt, bestimmte Rahmen zu setzen und nicht, auf alte Tricks zurückzugreifen. Z. B. bewegt sich Mantel & Degen in einem an Spätrenaissance angelegtem Setting, Akrobatik und Charme spielen eine bedeutende Rolle. Innerhalb dieser Parameter aber ist die Freiheit unendlich und führt nicht zwingend zur Vorhersehbarkeit und Zwang, welche in dem Anfangs-Post bemängelt werden.
Ein anderes Beispiel: Ein Lied braucht Melodie und Text. Das lenkt zwar die Ideen in eine bestimmte Richtung, behindert dich aber nicht in der Entfaltung deiner Gedanken. Während eine eingängige Pop-Melodie + eine Retortenband und der Reim "Fire - Desire" clicheehaft sind.

Genres lassen sich mischen, aber sehr selten neu erfinden - Sie über Bord zu schmeissen heisst eigentlich, sie zu mischen. Tarantino und Gaiman machen auch nichts anderes. Eigentlich findest du selten Filme, Bücher oder Spiele, welche sich strikt an ein Genre halten.

Fazit: Wenn man Genre als Rahmen sieht und nicht als Plattform für Clichees, hat es durchaus eine Berechtigung!

Offline Minne

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #9 am: 11.08.2005 | 16:35 »
schöner Kommentar, Azentar :)

Offline Bitpicker

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #10 am: 11.08.2005 | 16:40 »
@Ein:
Ich gebe zu bedenken, dass ich das Wort 'Realismus' nicht in die Diskussion gebracht habe. Es geht mir persönlich hier und jetzt nicht um eine stilistisch realistische Darstellungsweise, es geht mir um Genres. Im Superhelden-Thread wurde beispielsweise von mehreren Personen angeführt, dass es ein Genre-Bruch sei, wenn ein Superheld Angst habe, denn es gehöre sich für einen Superhelden nicht, Angst zu haben. Das ist eine Genre-Konvention. Mit realistisch oder nicht hat das nichts zu tun. Von einer realistischen Warte aus gesehen, haben Superhelden ganz andere Probleme.

@Azentar:
Klischees sind m.E. eine Art der Genre-Erfüllung um ihrer selbst willen, aber nicht die einzige. Siehe z.B. das Collateral-Beispiel: die Prämisse des Films ist kein Klischee, aber sie ist trotzdem unplausibel, der gesamte Film hängt an einer künstlich herbeigeführten Situation, die in sich absurd ist.

Ich stimme zu, dass man kaum eine Geschichte entwickeln kann, die sich nicht in den Schubladenschrank der Genre-Klassifizierungen einordnen lässt. Dennoch bleibe ich dabei, dass eine gute Geschichte eine ist, bei der nichts ausschließlich dazu dient, die richtige Schublade in diesem Schrank zu finden.

Robin
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Offline Falcon

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #11 am: 11.08.2005 | 16:48 »
Schubladen sind dazu da um Themen zu vereinfachen, greifbarer, leicht verständlicher und gleichzeitig universeller zu machen.

Das gilt für Filmmedien , bei denen das am verbreitetsten und am ehesten akzeptiert wird, genauso wie für RPG´s wenn man sich mit anderen, unbekannten Menschen darüber austauschen will.

medizinisch ist sogar das Gehirn geordnet ;)

Genres gut.
hugh
« Letzte Änderung: 11.08.2005 | 16:52 von Falcon »
Roll and ROCK! GetSavaged!
             still counting: "... dieses EINE Mal stimme ich Falcon zu..."
hoch ist gut Sowas wie'n Blog

azentar

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #12 am: 11.08.2005 | 17:21 »
@Azentar:
Klischees sind m.E. eine Art der Genre-Erfüllung um ihrer selbst willen, aber nicht die einzige. Siehe z.B. das Collateral-Beispiel: die Prämisse des Films ist kein Klischee, aber sie ist trotzdem unplausibel, der gesamte Film hängt an einer künstlich herbeigeführten Situation, die in sich absurd ist.

Ich stimme zu, dass man kaum eine Geschichte entwickeln kann, die sich nicht in den Schubladenschrank der Genre-Klassifizierungen einordnen lässt. Dennoch bleibe ich dabei, dass eine gute Geschichte eine ist, bei der nichts ausschließlich dazu dient, die richtige Schublade in diesem Schrank zu finden.

Eine absurde Prämisse ist wiederum kein Grund, das Genre zu verdammen, sondern die Schwäche des Drehbuchs ;)
 
Eine Besonderheit guter Geschichten ist IMO, daß sie ihren Genres (Schubladen) neue Impulse verleihen (womit sie diese keineswegs verlassen, Alan Moore ist dafür ein gutes Beispiel). Dabei ist der Zweck eher zweitrangig - ob du dich gegen etablierte Werte auflehnst, belehrst, dein Ego befriedigst, Seelenstreaptease betreibst, die Konvention bereichern willst oder einfach Langeweile hast (meistens ist es eh von allem etwas).

Bedenke: Wenn du den Bezug zu einem Genre vermeiden willst oder ignorierst, schaffst du nicht unbedingt eine bessere Geschichte. Nur eine, welche vielleicht öfter zwischen den Schubladen springt. 
« Letzte Änderung: 11.08.2005 | 17:24 von Azentar »

Offline Fredi der Elch

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #13 am: 11.08.2005 | 17:34 »
Ich würde dir da im Großen und Ganzen zustimmen (sieht man einmal von dem Fall ab, bei dem postmodern und lustvoll mit Genregrenzen gespielt wird - hier steht die Grenze selbst im Mittelpunkt, wird hinterfragt und dazu oft übertrieben deutlich und ohne weitere Begründung dargestellt).

Ich denke mal, dass es immer gut ist, wenn man zusätzlich zur reinen Genregrenze auch noch einen nachvollziehbaren Grund für eine bestimmte Handlung oder ein bestimmtes Geschehen in einem Buch, Film oder Rollenspiel hat. Was dabei genau als nachvollziehbar vom Zuschauer gesehen wird, hängt dabei auch von ihm selbst ab. So kann für den einen eine bestimmte Aktion noch nachvollziehbar und damit unproblematisch sein, für den anderen aber nicht (du scheinst hier relativ früh Probleme mit Aktionen zu haben, das heißt du brauchst besonders gute nachvollziehbare Gründe für sie). Auch kann meiner Meinung nach eine Aktion innerhalb eines bestimmten Genres plausibler seien als innerhalb eines anderen.

Dennoch denke ich, dass es wichtig ist, dass es einer für den Zuschauer nachvollziehbare Begründung gibt. Wahrscheinlich ist auch das Geschmackssache, aber ich finde auch den reinen und Rückfall auf Genregrenzen etwas lahm. Aber meiner Meinung nach ist das ja kein Problem: man kann ja Genregrenzen und Nachvollziehbarkeit haben. Das schließt sich ja nicht gegenseitig aus (in der Forge-Theorie nennt man das Author-Stance - naja, fast jedenfalls).

Ansonsten stimme ich Azentar absolut zu. :)
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Zitat von: 1of3
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Offline Arbo

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #14 am: 11.08.2005 | 19:33 »
Erstmal würde ich gerne genauer wissen, was am Genre so einängend ist.

Denn auch hier sagt mir meine leicht relativierende Alarmglocke, dass es doch sehr stark davon abängt, WIE man Rollenspiel betreibt. Im Grunde beobachte ich eigentlich nämlich auch – irgendwie – an mir, dass ich die Genre nicht zwangsläufig beachte.

Bei mir geht es aber eher nach dem Motto „Eine gute Geschichte muss in jedem Genre eine gute Geschichte sein“. Das Genre selbst liefert mir Möglichkeiten, eine gewisse Stimmung aufzubauen.

Und genau diese Stimmung brauchst Du irgendwie beim Rollenspiel. Selbstkritisch habe ich bei mir immer wieder bemerken müssen, dass ich hier und da vielleicht zu guten Geschichten animiere, dabei aber das Genre etwas vernachlässigte. So habe ich dann einmal versucht, mich stärker mit den entsprechenden Genres auseinander zu setzen und die entsprechende Stimmung aufzubauen. Und ich muss sagen, das DIES wohl eine sehr, sehr schwere Aufgabe ist.

Weil Genre und Stimmung miteinander einhergehen, bringt auch das Motzen gegen die Genres nichts. Entweder Du nimmst ein vorhandenes Genre oder Du schaffst ein neues Genre – ggf. durch Genre-Bruch. Bisweilen muss ich auch zugeben, dass sich um Genres m.E. auch ein ziemlicher Mythos rankt. Was ist denn bspw. Cyberpunk? Was ist Urban Fantasy bzw. Steampunk? Steamboy, Thyria oder Arcanum? Alles, beides, keines?

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@ Boba:

Zitat
Es erleichtert viel, wenn man sich über Settings, Vorstellungen und dergleichen unterhält.
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Man kann vergleichen, ausschließen und jeder hat sofort ein Bild im Kopf. 


Insofern weiß ich gar nicht, ob es vielleicht sogar besser wäre, den Begriff „Genre“ nicht generell durch „Hintergrund“ oder „Welt“, „Universum“, „Setting“ usw. zu ersetzen. Wie oben angedeutet, geben die „Genre“ viele Möglichkeiten her.

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Offline Bitpicker

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #15 am: 15.08.2005 | 14:11 »
Zitat
Arbo:
So habe ich dann einmal versucht, mich stärker mit den entsprechenden Genres auseinander zu setzen und die entsprechende Stimmung aufzubauen. Und ich muss sagen, das DIES wohl eine sehr, sehr schwere Aufgabe ist. Weil Genre und Stimmung miteinander einhergehen, bringt auch das Motzen gegen die Genres nichts.

Vielleicht gibt es verschiedene 'Stimmungen', aber ich persönlich kann mit rein genre-motivierten Stimmungen wenig anfangen. Für mich geht das nicht Hand in Hand. Ich bleibe dabei, dass eine stimmungsvolle Situation in einem beliebigen Medium für mich nur dann funktioniert, wenn sie zusätzlich auch plausibel ist, sofern das Medium sie mir als plausibel verkaufen will (womit ich Parodie und bewusstes Spielen mit Genre-Grenzen ausklammere). Sind Situationen aber plausibel, brauche ich mich nicht auf solche Situationen zu beschränken, die zum Genre passen. Also gilt, selbst wenn ich mich mehr oder weniger innerhalb eines Genre bewege, dass mir das Genre nichts dazu tut, was ich nicht auch so haben kann und haben will. Es ist für mich funktionslos, außer da, wo es zu unplausiblen Situationen führt, wo es dann ein Ärgernis ist.

Zitat
Insofern weiß ich gar nicht, ob es vielleicht sogar besser wäre, den Begriff „Genre“ nicht generell durch „Hintergrund“ oder „Welt“, „Universum“, „Setting“ usw. zu ersetzen. Wie oben angedeutet, geben die „Genre“ viele Möglichkeiten her.

Das kann ich nicht nachvollziehen. Diese Alternativbegriffe haben meiner Meinung nach gar nichts mit Genre zu tun. 'Mittelerde' ist z.B. ein Hintergrund usw.; ich kann in dieser Welt Krimis, Liebesgeschichten, Horrorstories, Actionstories, Märchen usw. ansiedeln, praktisch jedes Genre (vielleicht außer SF), also ist dieses Setting vom Genre wohl entkoppelbar. Settings wie Torg leben davon, von Genre (zumindest als Ganzes) entkoppelt zu sein.

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NiceGuyEddie

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #16 am: 15.08.2005 | 19:58 »
Zitat
Sind Situationen aber plausibel, brauche ich mich nicht auf solche Situationen zu beschränken, die zum Genre passen.

Das ist sicher wahr. Die Frage ist bloß, wer bestimmt, was plausibel ist oder nicht. Ich meine, wenn man Genres ausklammert, was hindert einen denn dann daran in einem Science-Fiction Setting Elfen auftauchen zu lassen? SR macht das doch auch, könnte man sagen - obwohl es so gar nicht zur erstrebten Stimmung passt. An die Stelle des Genres, das normalerweise bestimmt was plausibel ist und was nicht, muss dann etwas anderes treten: Ein SL der die Kontrolle behält, ein sehr guter Gruppenkonsens darüber, was geht und was nicht oder der von dir angesprochene "Realismus"(auch wenn das Wort nicht so toll ist, Plausibilität allein ist was anderes, oder?). Das würde aber bedeutetn, dass dieser Realismus im Grunde genau die selbe Funktion einnimmt, die ein Genre auch hat, nämlich Grenzen ziehen und bestimmen, was plausibel ist und was nicht. Dann wäre das ja das gleiche, nur mit einem anderen Namen...?

Offline Bitpicker

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #17 am: 16.08.2005 | 13:40 »
@parkaboy:

Der einzige Grund, warum Elfen in einem SF-Setting nicht plausibel sein könnten, ist Genre-Grenzen. Über die Plausibilität rein fiktionaler Elemente sollten allein die Spieler bestimmen (wenn wir uns hier mal auf RPGs beschränken wollen). Aber es gibt eine viel grundlegendere Plausibilität, und die besagt, dass Dinge, die Elfen in SR fallen lassen, auf den Boden fallen, dass eine tödliche Schusswaffe eben tötet, dass man Atemluft braucht, dass man nicht in einer Viertelstunde von LA nach New York laufen kann usw. Eben all das, was man an 'Weltwissen' aus der Realität mitnimmt und das nicht explizit durch die Setting-Realität modifiziert wird. Elfen, Magie, SF-Technik, all das sind fiktionale Add-Ons für ein gewisses grundlegendes Realitätsverständnis. Ich spreche nur dann von Unplausibilität, wenn dieses grundlegende Verständnis verletzt wird. Um beim SR-Beispiel zu bleiben, ein Spieler in einer 1st Edition-Runde hatte sich einen Troll-Charakter gebaut. In der Setting-Realität sind Trolle plausibel; dass dieser Troll aber in seiner ausgestreckten Hand Granaten explodieren lassen konnte, ohne sich zu verletzen, ist vom Realitätsverständnis her unplausibel; die Mechaniken des Spiels ließen es aber zu, deshalb stand die Spielmechanik der Plausibilität im Weg (ok, das hat jetzt nichts mit Genre zu tun, soll aber illustrieren, was ich mit Plausibilität meine).

Ich sehe nun mal einen fundamentalen Unterschied zwischen 'Dinge fallen auf den Boden, wenn man sie loslässt' und 'wer in seiner Hand eine Handgranate explodieren lässt, hat anschließend keine Hand mehr' auf der einen Seite und 'wer der Held in einem Actionfilm ist, kann ungehindert und ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen durch Sperrfeuer laufen, wenn er das muss' oder 'der Bösewicht erzählt dem gefangenen James Bond seinen kompletten Plan und überlässt ihn dann einer unnötig komplizierten Tötungsmaschinerie, die nicht funktionieren wird, statt ihn einfach umzubringen'. Erstere sind Einschränkungen, wie sie die Realität vorschreibt, letztere Einschränkungen (zumindest aus Sicht der zum Danebenschießen und Nicht-Sofort-Killen verpflichteten Film-Bösen), wie sie das Genre vorschreibt. Für mich sind die hier gezogenen Grenzen keineswegs gleichwertig.

Robin
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Offline Bad Horse

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #18 am: 16.08.2005 | 18:22 »
Mit den Genres verhält es sich wie mit den Klischees: Sie sind nützlich, um einen gewissen Rahmen vorzugeben, auf den sich alle beziehen können, aber man sollte immer ein Stück weit davon abweichen, um originell und interessant zu sein. Ein Standard-Fantasy-Setting braucht selbst innerhalb des Genres einen Twist, damit man es von anderen Fantasy-Settings unterscheiden kann, damit es einzigartig sein kann. Damit kann man jetzt beliebig weit oder eng greifen: Vielleicht ist das Vorbild des Settings nur das römische Reich statt dem Mittelalter (enger Griff) oder vielleicht sind die Leute in der Welt alle Nachfahren von irdischen Siedlern, die sich alle an den seltsamen Planeten anpassen mußten, auf dem sie jetzt leben (z.B. die "Coldfire"-Saga von C.S.Friedman, ein weiterer Griff), oder die Fantasy-Jungs sind von seltsamen Sci-Fi-Bugs erobert worden (sehr weiter Griff).

Es ist wahrscheinlich gar nicht möglich, eine Geschichte aufzuziehen, ohne mit irgendeinem Genre anzufangen, das man dann später verdreht und erweitert ("American Gods" ist - ganz grundsätzlich - das Modern-Mystery-Genre, bei dem das Unnatürliche in ein gewöhnliches Leben einbricht...). Zu versuchen, ganz ohne Genre zu arbeiten, wird wahrscheinlich eher konfus - vor allem für die Spieler, die ja gewisse Erwartungen bezüglich des Genres haben. Nicht jeder ist begeistert, wenn plötzlich Aliens auf Aventurien landen. Oder einige Leute auf den Realms auf einmal Superkräfte entwickeln...  ;) (Ich will jetzt nicht sagen, daß das nicht spaßig sein kann. Aber die meisten Leute würden erstmal ziemlich verwirrt reagieren, denke ich.)
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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #19 am: 16.08.2005 | 18:55 »
Aber es gibt eine viel grundlegendere Plausibilität, und die besagt, dass Dinge, die Elfen in SR fallen lassen, auf den Boden fallen, dass eine tödliche Schusswaffe eben tötet, dass man Atemluft braucht, dass man nicht in einer Viertelstunde von LA nach New York laufen kann usw. Eben all das, was man an 'Weltwissen' aus der Realität mitnimmt und das nicht explizit durch die Setting-Realität modifiziert wird.
Ich kann dir ohne größere Probleme mehr als nur eine handvoll Rollenspielsysteme nennen, bei denen die von dir genannten Aktionen sowohl möglich als auch plausibel wären. Das heißt, dass die Grundannahme eines "realistischen" Spiels (oder was du als "Weltwissen aus der Realität" bezeichest) auch nur ein Bündel von Grenzen ist, dass bestimmten kreativen Input aus den gemeinsamen Vorstellungsraum fernhält. Denn falls du es noch nicht gemerkt hast: Rollenspiel ist nicht real! Prinzipiell ist es ein Ausdruck menschlicher Kreativität und damit ist erst einmal alles möglich.

Und genau das habe ich damit gemeint als ich sagte "Realismus ist auch nur ein Genre". Mit "Genre" meinte ich hier einfach ein Bündel von Vorgaben und Grenzen für den Input in die gemeinsame Vorstellung. Denn die Annahme von "Realismus" führt (wie du ja richtig bescheibst) dazu, dass bestimmter Input unplausibel und damit schlecht möglich wird. "Genre"mag fachlich gesehen jetzt nicht der richtige Begriff sein, aber ein besserer ist mir einfach nicht eingefallen.

Und wenn man nun erst einmal die Unendlichkeit der menschlichen Vorstellungskraft bedenkt, dann wird schnell klar, dass sich das Bündel an Vorgaben und Grenzen, dass man mit "Realismus" bezeichnen könnte, in keiner Weise grundlegend von anderen Bündeln (die ich als Genre bezeichnete) unterscheidet. Es ist weder grundlegender noch besser noch schlechter als jedes andere denkbare Bündel von Vorgaben und Grenzen. Welches Bündel einem persönlich dann besonders gut gefällt, bleibt Geschmackssache. Dir mag "Realismus" als kreativer Rahmen mit seinen Vorgaben und Grenzen besonders gut gefallen, aber das macht ihn eben nicht besser als z.B. die klassischen Vorgaben und Grenzen, die mit dem Genre "Horror" einhergehen.
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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #20 am: 16.08.2005 | 19:01 »
Ich denke eher, daß Realismus zu den Konventionen eines Genres gehört. "Gritty Fantasy" hat mehr Realismus als "Heroic Fantasy", "Cyberpunk" mehr Realismus als "Superhelden". Realismus ist kein eigenes Genre, sondern eben ein Bestandteil - sogar ein wichtiger. Es verändert Genres ganz ungemein, wenn man am Realismus-Gehalt schraubt... stellt euch mal einen Tarantino-Film mit minimal-Realismus vor. Ich glaube, da landen wir dann (wenn´s gut gemacht ist) irgendwo bei David Lynch...
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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #21 am: 16.08.2005 | 19:08 »
Wie gesagt, "Genre" ist wahrscheinlich fachlich gesehen der falsche Begriff.

Also würde ich einfach Folgendes sagen: "Genres" sind Vorgabenbündel. "Realismus" ist ein spezielles Vorgabenbündel (wobei es tatsächlich nicht nur einen speziellen, fest definierten Realismus gibt, sondern unterschiedliche Auslegungen - aber das ist bei Genres ja ebenfalls so). Also ist Realismus kein Genre aber sowohl Realismus als auch Genres sind Vorgabenbündel. Gut so?
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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #22 am: 16.08.2005 | 19:13 »
Kann man so stehen lassen... wobei ich immer noch der Meinung bin, daß im Vorgabenbündel "Genre" eben auch der Grad an Realismus fixiert wird - ein bestimmtes Spektrum an für das Genre angemessenen Vorgabenbündeln "Realismus" wird festgelegt. Okay?

Gibt´s für Vorgabenbündel keinen coolen, forgeanischen Begriff, den man fehlinterpretieren kann? Z.B. Preconceived Agenda oder so?  ;)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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azentar

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #23 am: 16.08.2005 | 19:48 »
Der Versuch eines Forge-Ignoranten, die "Vorgabenbündel" (premise package, creative restrictions?) zu gliedern, und darzustellen, was bisher alles unter Genre zusammengefasst wurde und angeblich keine Beachtung verdient:

- Setting: alle möglichen Orte, Zeiten, Hintergründe.

- Genre (im engsten Sinn) : Tragödie, Komödie, Drama, Thriller, etc.

- Realismus: Von "Gritty" bis "Larger than Life" oder von "realistisch" bis "abgedreht".
Plausibilität ist erstmal ausgeklammert: es ist keine Vorgabe, sondern ein Kriterium der Auswertung.

- Perspektive: Innerer Konflikt bis epische Gesamtübersicht.

- Erzählweise: Von "Straight" (Archeplot?) bis wendungsreich, episodenhaft und verworren (Antiplot?).

- Absicht: Die bewußte oder unbewußte Botschaft / Motivation.

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@ Bitpicker: Du wendest dich gegen die kreative Einschränkung im Allgemeinen, wobei du dich von dem einschränkenden Element "Realismus" doch nicht trennen magst. Ist das so richtig?

Offline Bad Horse

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #24 am: 17.08.2005 | 13:23 »
@Azentar: "premise" und "creative" sind schon vergeben... Vielleicht irgendwas mit "conceptual" oder so. Conceptual Tools?

Ansonsten: Ich bin mir nicht sicher, wie du das mit der Plausibilität meinst. Könnte man sagen, daß sich Realismus auf die Rahmenbedingungen bezieht (Dinge fallen runter, Reisen braucht Zeit), und Plausibilität auf Plot und NSCs (Der eiskalte Henker weint nicht beim Anblick von Blümchen, Grausame Dämonen lassen nicht einfach irgendwelche Leute laufen)?
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #25 am: 17.08.2005 | 14:07 »
Ich kann dir ohne größere Probleme mehr als nur eine handvoll Rollenspielsysteme nennen, bei denen die von dir genannten Aktionen sowohl möglich als auch plausibel wären.

Auch dann noch, wenn du beachtest, dass ich gesagt habe, dass es sich dabei nicht um eine explizite Einschränkung durch die Setting-Realität handeln soll? Soll heißen: wenn die Setting-Realität Superhelden wie Flash erlaubt, der problemlos auch noch schneller von LA nach NY laufen kann, gilt das Beispiel nicht.

Dass der Wunsch nach Plausibilität gewisse Grenzen setzt, bestreite ich ja gar nicht, im Gegenteil, ich habe es in meiner ersten Antwort an dich weiter oben bereits eingeräumt. Mit Arbos Worten aus einem anderen Thread, das ist eine Binsenweisheit. Würde Plausibilität keine Grenzen setzen, würde sie alle rein genre-motivierten Aktionen erlauben, aber das tut sie nicht.

Im Grunde wollte ich gar keine Diksussion über Plausibilität vom Zaun brechen, sondern neben meiner reinen Contra-Position bzgl. Genre-Konventionen von Leuten hören, die Genres und deren Konventionen gut finden, warum das so ist. Ich habe auf den Superhelden-Thread hingewiesen; mehrfach wurde dort gesagt, dass Superhleden und Angst einfach nicht zusammenpassen. Angst ist somit nicht Teil des Superhelden-Genres. Dazu sage ich nur: warum nicht? Ich möchte die Gründe dafür verstehen, warum man solch eine Genre-Einschränkung gerne hinnimmt, deshalb dieser Faden.

@Azentar:
Zitat
Du wendest dich gegen die kreative Einschränkung im Allgemeinen, wobei du dich von dem einschränkenden Element "Realismus" doch nicht trennen magst. Ist das so richtig?

Nein, ist es nicht. Wie gesagt, ich versuche zu verstehen, warum jemand gerne Einschränkungen und wohl auch Ausweitungen der Möglicheiten, die ausschließlich durch ein Genre entstehen, akzeptiert.

@Leonie:
Ich wollte den Begriff 'Realismus' durch 'Plausibilität' ersetzen (meinetwegen auch 'Glaubwürdigkeit'), um den üblichen Missverständnissen vorzubeugen, die dadurch entstehen, dass die Leute den Begriff nicht literaturwissenschaftlich verstehen, ihn mit 'Realität' verwechseln oder als das Gegenteil von 'fiktional' ansehen.
Etwas ist dann plausibel, wenn es dafür eine nicht meta-motivierte Begründung gibt. Wenn etwas nur deshalb geschieht, weil es zum Genre gehört oder weil es die Regeln aufgrund mechanischer Schwächen erlauben, es aber im Setting (quasi absolut in-game) nicht begründbar ist, dann ist es unplausibel.

Wenn Dinge, die man loslässt, nicht runterfallen und es keine in-game-Begründung wie z.B. Magie (Add-On für die Realität) oder Schwerelosigkeit (physikalische Realität) dafür gibt, schreit sicher jeder, dass das nicht sein kann, es ist also unplausibel. Leider ist mir kein Genre bekannt, zu dessen Eckpfeilern es gehört, dass Dinge nicht herunterfallen, weshalb das Beispiel nicht über die ganze Bandbreite der Argumentation funktioniert. Aber deine Henker / Dämonen-Beispiele sind nicht inhärent unplausibel: es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ein bestimmter, ansonsten eiskalter Henker nicht gerührt auf Blümchen reagieren kann oder dass ein bestimmter grausamer Dämon grundsätzlich niemanden einfach so entkommen lassen kann. Wenn eine solche Regel existiert, dann ist sie eine Genre-Regel - eben so, wie es keinem Gegner von James Bond erlaubt ist, diesen einfach umzulegen, er muss eine Chance haben, zu entkommen. Außer dem Genre gibt es für derart dummes Verhalten keine Entschuldigung - es ist für mich unplausibel. Ist das jetzt deutlicher?

Zur Diskussion, was der Begriff 'Realismus' eigentlich ist: gerade die Narrativisten unter uns dürfte es eigentlich nicht wundern, dass eine Menge literaturwissenschaftlicher Begriffe in der Diskussion auftauchen (was ich persönlich auch als Nicht-Narrativist aber Literaturwissenschaftler ganz prima finde). Genre ist einer, ebenso Setting, Erzählperspektive usw. Realismus auch - wie schon erwähnt, handelt es sich hier wie bei Expressionismus, Impressionismus, Naturalismus, Romantik usw. um einen Stil. Ich denke, es bringt wenig, einen anderen Begriff dafür finden zu wollen. Wir können uns darauf einigen, dass auch Stile Einschränkungen setzen, was wiederum eine Binsenweisheit ist. Sobald etwas mit einem Begriff bezeichnet wird, um es von etwas anderem zu unterscheiden, das es eben nicht ist, sind offensichtlich auch Grenzen zwischen den beiden zu bezeichnenden Dingen gesetzt und unterscheiden sich diese Dinge. Ein Bild / Roman / Film / Rollenspiel kann per definitionem nicht gleichzeitig naturalistisch und expressionistisch sein. Aber, wie gesagt, darum geht es mir in dieser Diskussion gar nicht.

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #26 am: 17.08.2005 | 15:11 »
Ansonsten: Ich bin mir nicht sicher, wie du das mit der Plausibilität meinst. Könnte man sagen, daß sich Realismus auf die Rahmenbedingungen bezieht (Dinge fallen runter, Reisen braucht Zeit), und Plausibilität auf Plot und NSCs (Der eiskalte Henker weint nicht beim Anblick von Blümchen, Grausame Dämonen lassen nicht einfach irgendwelche Leute laufen)?

Ich meinte einfach, daß Plausibilität kein Teil der Diskussion über Sinn und Unsinn von Genres ist - Ob etwas plausibel (oder wie manche sagen "realistisch") ist oder nicht, wird erst entschieden, nachdem eine Handlung/Erzählsituation stattgefunden hat, reflektiert und ausgewertet wird. Hier aber wird über Voraussetzungen geredet.

@Azentar:
Nein, ist es nicht. Wie gesagt, ich versuche zu verstehen, warum jemand gerne Einschränkungen und wohl auch Ausweitungen der Möglicheiten, die ausschließlich durch ein Genre entstehen, akzeptiert.

Auf die Gefahr hin, hier Unsinn zu verzapfen und mich zu wiederholen:

Warum werden "Genregesetze" akzeptiert?
Hat wahrscheinlich mit der Erwartungshaltung seitens des Publikums/der Leserschaft/der Mitspieler zu tun.
Einerseits besteht eine Angst, die Hoffnungen/Erwartungen nicht zu erfüllen und damit sein Publikum zu enttäuschen, also wird der Weg des kleinsten Widerstandes gewählt.
Ein Wandern abseits der eingetretenen Pfade ist riskant - der Weg zu einer guten Geschichte ist sowohl für den Autor wie auch für das Publikum anstrengender, länger und gefährlicher (tödlich im Falle des Scheiterns, aber um so lohnender im Falle des Erfolgs).

Klar führt Genreerfüllung als Selbstzweck zu unsinnigen Ergebnissen. Aber diese entstehen wie gesagt mehr durch fehlende Phantasie, handwerkliche Unfähigkeit und Schwächen in der Plotentwicklung und der Darstellung von Figuren (das verzweifelte Klammern an Konventionen / Clichees). Sprich: Wer es nicht besser kann, weiss oder wll, klammert sich an eingespielte Methoden und/oder konstruiert Situationen, um Bewährtes aufzuwärmen und verwenden zu können. 
"Schuld" ist der Dilletantismus der Autoren/SLs/Spieler - nicht das "Genre", welche alle Freiheiten der Welt erlaubt: Wenn z. B. der Bösewicht den Superspion direkt erschießt, werden damit keine Genregesetze gebrochen. Es ist lediglich eine vom Standard abweichende Interpretation des Spionagethriller-Themas.
« Letzte Änderung: 17.08.2005 | 15:13 von Azentar »

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #27 am: 17.08.2005 | 15:50 »
@Azentar: Unsinn ist das nicht, es geht mehr in die Richtung, in die ich wollte. Wenn der Spion ohne viel Federlesens erschossen wird, handelt es sich immer noch um einen Spionagethriller, da stimme ich zu - aber wird nicht doch an dieser Stelle eine Genre-Grenze durchbrochen, ebenso wie wenn der Superheld plötzlich doch Angst hat?

Nehmen wir einmal an, ein Spieler in einem James Bond-Rollenspiel hat einen Top-Agenten-SC, und dieser wird vom Bösewicht umgelegt. Führt das nicht zu Entrüstung seitens des Spielers, weil der SL die Genre-Konventionen verletzt hat? Sind nicht Regelsysteme wie Wushu explizit auf die Aufrechterhaltung von Genre-Grenzen ausgelegt, indem du dich darauf verlassen kannst, dass ein solches Ergebnis (SC wird einfach geplättet) gar nicht möglich ist?

Tritt die von dir erwähnte Angst also nicht auch im Rollenspiel auf? Das Genre kann hier scheinbar auch als Zuflucht und Sicherheitsgurt dienen, weil man weiß, dass dem SC in der Situation X nichts passieren kann.

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Re: Pro und Contra Genre
« Antwort #28 am: 17.08.2005 | 16:00 »
Im Grunde wollte ich gar keine Diksussion über Plausibilität vom Zaun brechen, sondern neben meiner reinen Contra-Position bzgl. Genre-Konventionen von Leuten hören, die Genres und deren Konventionen gut finden, warum das so ist. Ich habe auf den Superhelden-Thread hingewiesen; mehrfach wurde dort gesagt, dass Superhleden und Angst einfach nicht zusammenpassen. Angst ist somit nicht Teil des Superhelden-Genres. Dazu sage ich nur: warum nicht? Ich möchte die Gründe dafür verstehen, warum man solch eine Genre-Einschränkung gerne hinnimmt, deshalb dieser Faden.

Angst (wie sie in Horrogeschichten üblich ist) ist kein Teil des Superheldengenres, da das von der großen Mehrheit der Autoren und Leser so definiert wird. Wenn ich in unseren örtlichen Comicladen gehe und mir wahllos 30 Superhelden Comics 'rausgreife, werden die Protagonisten in höchstens 20% der Comics überhaupt mal Angst haben und richtig schreckliche Dinge (und Gemütszustände) widerfahren ihnen in maximal 5% der Hefte.
Es ist wahrscheinlich möglich, Superhelden und Horror zu verbinden, aber ich halte es für sehr schwierig, da die beiden Genres doch recht gegesätzlich sind. Meist wird bei dem Versuch entweder Horror oder Superheldenaction herauskommen oder überhaupt nichts gescheites. 

Für mich dienen Genres ganz einfach als gemeinsame Erwartungsgrundlage. Hänge ich auf einem Con einen Rundenzettel für eine "Superheldenrunde" aus, mache aber zum großten Teil Horror, werden meine Spieler zum großen Teil enttäuscht sein. Post ich im deutsche Cthulhu Forum, werden die meisten Teilnehmer auf Ausflüge in Superhelden oder Action Genre etwas befremdet reagieren.
Ich überschreite Genregrenzen recht gern, versuche mcih da aber im Rahmen der Wünsche meine Mitspieler zu bewegen.
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