Das hört sich für mich weniger nach "zuspielen" und mehr nach "Probleme wegrailroaden" an. Denn die ganze Formulierung umschreibt ja nur folgenden Sachverhalt: "Deine Figur würde das nie mitmachen? Öh... ist aber fürs Abenteuer wichtig, also wird sie dazu gezwungen."
Sorry, aber das ist in dieser Überzeichnung doch Blödsinn!
Ich bezweifel ja gerade "würde sie nie machen". Und ich erwarte vom Spieler bei einem "würde ich grundsätzlich nie machen" ein folgendes "aber unter folgenden Voraussetzungen könnte ich mir das vorstellen"
Charakterzüge, die man in relevanten Fällen sowieso plattbügelt, kann man auch weglassen. Und genau das ist auch die einzig vernünftige Wahl. Zumal Meeresangst als Charaktereigenschaft - genau wie viele andere problematische Marotten - meiner Erfahrung nach lediglich eine Konsequenz des GURPSoiden Vor- und Nachteilsystems ist, das nach wie vor einen Großteil der publizierten System durchseucht. "Hm, muss Punkte schinden, was nehme ich da? Meeresangst! Kommt ja nicht oft vor, und bringt ordentlich was."
Also kurz gesagt: Die Unsitte derartiger "Nachteile", die üblicherweise darin resultiert, dass eine Figur mit nur sehr wenigen Charakterzügen ausgestattet ist, die dann aber in geradezu lächerliche Extreme übersteigert werden, ist ein Grundübel.
P.S.: Nur nebenbei: Wenn Du jemanden, der real unter einer so schwerwiegenden Thalassophobie leidet, dass er sich nicht freiwillig zu einer Seereise überreden kann, selbst um einen wichtigen Auftrag zu erfüllen, bewußtlos auf ein Schiff schaffst, das dann auch noch von einem Kraken angegriffen wird, dann sind nicht "warme Worte" angezeigt, sondern zahlreiche Besuche beim Seelenklempner. Und wenn Du jemanden mit extremer Anfälligkeit für Seekrankheit an Bord hast, dann leert der nicht seinen Magen und rafft sich dann hinterher auf, sondern er liegt dauerhaft nutzlos und leidend herum, mit der unter vormodernen Bedingungen durchaus realen Gefahr, dass er Dir durch Dehydration verreckt.
Wieder solche Extreme, ich versteh dich manchmal einfach nicht.... puh...
Na denn:
1) Mit "glattbügeln" hat das schlechterdings nichts zu tun, denn ich bügel ja gerade nicht glatt. Der Charakter kotzt sich die Seele aus dem Leib, er ist schlecht gelaunt, er ist nicht fit. DAS IST EIN NACHTEIL!
2) Punkte schinden? Ja, kenn ich. Da stimme ich dir sogar zu. Aber WENN der Spieler Punkte geschunden hat, GERADE DANN trägt er auch die Verantwortung für sozialadäquate Auslegung. Ein Nachteil für den SC gerne. Ein wesentlicher Nachteil für die Mit-SC, auf gar keinen Fall. Du hast den Nachteil genommen, finde du ne Lösung!
3) Ins Extreme übersteigerte einzelne Nachteile sind und waren nie mein Ding. Mehr kann ich dazu nicht sagen
4) Von schwerwiegender Thalassophobie sprach ich nicht, sondern von einem schlichten "Das steht 'Meeresangst' auf deinem Protokoll!" Da gibt es diverse Auslegung. Mich vomitieren Spieler an, die diese Nachteile klein auslegen (oder gar regelmäßig als Vorteil), sobald es den SC höchstselbst betrifft und ihn schwer auslegen, sobald es um ein "das würde mein Charakter nie machen" geht. Für Seekrankheit etc gilt ähnliches.
5) In vielen modernen Systemen sind die wählbaren Nachteile Charakterzüge, körperliche Schwächen etc., die in der Fantasynormalbevölkerung zwar nicht überwiegend, aber dennoch regelmäßig vorkommen. (Je mehr man für den Nachteil "bekommen" hat, desto extremer wird es, keine Frage). Das heißt jemand mit Jähzorn teilt schon gerne vor der Zeit aus, aber jeder hier würde irgendwo in seinem Bekanntenkreis einen solchen Menschen kennen, würden wir in der gleichen Gesellschaft leben.
Für Meeresangst, Höhenangst, neutral böse etc gilt dasselbe.
Mithin sollen diese Nachteile sich durchaus auswirken, aber sie machen den Charakter nicht zum Krüppel der einen oder anderen Art.
Deshalb "Phobie" auf dem Charakterblatt gerne. "Kurzsichtig" auch.
Aber "Schwere Phobie mit katatonischem Schock" hat da genau so wenig was drauf zu suchen wie "blind". Meine Meinung.
6) ABER:
Was ich offen zugebe: Der Spieler ist auch bei "normalen" Nachteilen durchaus in einem Dilemma.
Gar nicht ausspielen wäre Punkteschinderei (je nach System, aber zB nicht bei Splittermond), zumindest aber farblos oder unrund (auch bei Splittermond). Dann hat man die Gelegenheit zB bei einer kurzen Schiffsreise, seine Meeresangst auszuspielen und alle anderen rollen mit den Augen. Sei es, weil man aus dem Ärmel eine zu harte Auslegung gespielt hat. Sei es, weil man den anderen Spielern zuspielt, diese es aber nicht merken. Sei es, weil man mit dem SL aneinander vorbeiredet.
Zuspielen. Zuspielen. Zuspielen. Anders geht das nicht.
Und wenn das auch nicht hilft, ruhig mal zugeben (sei es als SL oder als Spieler): "Tut mir leid ich weiß hier auch nicht weiter. Sollen wir es der Einfachheit halber dieses Mal ignorieren und bis zum nächsten Mal überlegen, was die beste Lösung gewesen wäre?"