Autor Thema: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen  (Gelesen 5550 mal)

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Tegres

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Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« am: 24.01.2021 | 11:19 »
Hallo zusammen,

im Thread zu Odyssey of the Dragonlords habe ich folgende Beobachtung gemacht (nicht zum ersten Mal): Zu schlechten Abenteuern finden sich im Internet haufenweise positive Rezensionen. Diese Rezensionen sind schlecht, weil sie nicht die offenkundigen Fehler und Probleme des Abenteuers ansprechen und so einen völlig falschen Eindruck für die Leser:innen erwecken.

Die Hauptursache scheint dafür zu sein, dass die Rezensenten in den seltensten Fällen die Abenteuer auch spielen oder leiten. Aber das kann meiner Meinung nach nicht der einzige Grund sein. Schließlich sollten erfahrene Spielleiter:innen ein gewisses Auge für Fehler haben. Meines Erachtens könnte es noch weitere Gründe geben (Achtung, Spekulation):
  • Rezensionen sind selten professionalisiert. Damit meine ich nicht, dass kein Geld verdient wird, sondern dass sich Rezensenten nicht als Rezensenten mit klaren Bewertungskriterien verstehen (die sich selbstverständlich von einer Person zur anderen unterscheiden können), sondern das als Hobby begreifen, was man "halt irgendwie so" macht.
  • Rezensenten haben Angst, negative Kritiken zu schreiben, und konzentrieren sich nur auf das Positive. Ich halte diesen Punkt zumindest für die deutsche, kleinere Szene für plausibel, da sich zumindest die produzierenden Personen halbwegs kennen (und sei es um zwei, drei Ecken), und man niemanden vor den Kopf stoßen will. Das wäre recht kurzsichtig gedacht, denn inhaltliche Kritik halte ich für wesentlich hilfreicher und letzten Endes damit sogar positiver, als ein wenig Lob.
    Für die englischsprachige Szene kann dieser Punkt jedoch nicht stimmen, dafür ist sie zu groß.
  • Eine positive Rezension ist leichter zu schreiben, als eine negative, weil man nur aufzählen muss, was gut ist, gerne im Zusammenhang mit generischen Formulierungen ("hübsche Illustrationen", "nette Ideen", "liest sich gut"). Mir persönlich geht es anders: Bei negativen Sachen kann ich viel leichter begründen, warum ich sie negativ finde, als bei positiven. Vielleicht geht es anderen Rezensenten aber anders.
  • Die Konsument:innen haben keinen Qualitätsanspruch, entsprechend gibt es keine Nachfrage nach kritischen Rezensionen. Das passt zum Argument, was tanolov vor kurzem in einem anderen Thread äußerte:
    In Rollenspielen ist schon alleine die Idee das Spiel (und die Spieler) mit der Qualitätsbrille anzuschauen für viele Spieler komplett absurd.
    Ein gewissermaßen pessimistischer Blick auf die Rollenspielszene, aber zumindest nach meinen Beobachtungen und Diskussionen zu Abenteuern durchaus plausibel.
  • Die Konsument:innen sind nicht an kritischen Rezensionen interessiert, denn in Wahrheit kaufen sie das Zeug sowie, Sammler:innen erst recht.

Und jetzt ihr:
Woran denkt ihr liegt es, dass es zu schlechten Abenteuern dennoch so viele wohlwollende Rezensionen gibt?


Bemerkung: Mir geht es nicht um Geschmack. Natürlich hängt die Bewertung eines Abenteuers von den persönlichen Präferenzen ab. Aber es gibt objektive Qualitätsmerkmale von Abenteuern: Lassen sich Informationen schnell am Spieltisch finden? Sind Informationen widerspruchsfrei? Funktionieren beschriebene Abläufe überhaupt so, wie sie im Abenteuer beschrieben werden? Passen Beschreibungen im Text und Illustrationen oder Karten zueinander? Im Prinzip alle Aspekte, die das Abenteuer leichter oder eben schwerer zu leiten machen.
Wer der Meinung ist, es gäbe keine objektive Bewertungskriterien für Abenteuer, der sollte hier besser nicht mitdiskutieren. Diejenigen können aber gerne einen anderen Thread aufmachen, wo über diese Frage diskutiert wird. :)
« Letzte Änderung: 24.01.2021 | 11:56 von Tegres »

Offline Megavolt

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #1 am: 24.01.2021 | 11:26 »
Eine Rezension zu schreiben ist schwierig und aufwändig und braucht diverse Kompetenzen. Die Leute sind aber faul, scheuen Schwierigkeiten und vor allem wissen sie nicht, wenn sie inkompetent sind (Dunning Kruger Effekt). Stattdessen neigen sie besonders in den Bereichen, in denen sie inkompetent sind, dazu zu glauben, sie seien unglaublich kompetent. Früher gab es Fachjournalisten zum Besprechen von Texten, heutzutage fühlt sich jeder als Fachjournalist, auch wenn er es de facto nicht ist.

Das Problem wird sich mMn nur rezeptionsseitig lösen lassen: Man muss erkennen lernen, wann eine Rezension Blech ist.

Und so schwer ist das nicht. Im Erkennen von schlechten Rezensionen bin ich persönlich beispielweise unglaublich kompetent.
« Letzte Änderung: 24.01.2021 | 11:30 von Megavolt »

ErikErikson

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #2 am: 24.01.2021 | 11:33 »
Wenn man sich beliebte Abenteuer der Vergangenheit anschaut, etwa die Borbarad-Kampagne bei DSA, oder der Zyklus von den zwei Welten bei Midgard, oder die Complete Masks of Nyalalthothep für Cthulhu, dann muss man festhalten, das die vom Aufbau her alle schrecklich sind. Unübersichtlich, widersprüchlich, teils schlechte und unpassende Illustrationen, Sachen funktionieren im Spiel nicht wie beschrieben, Dinge werden ausgelassen oder nicht erklärt, Karten gibts oft nicht, Inhaltsverzeichnis auch oft nicht.

Das sind aber gleichzeitig die beliebtesten Sachen. Auch Einzelabenteuer, etwa Smakskrifter oder die Toten des Winters, haben ähnliche Probleme, sind aber trotzdem sehr beliebt, die am besten bewerteten Abenteuer überhaupt.

Man muss also festhalten, das die von dir genannten Faktoren nicht unbedingt viel mit der Bewertung von Abenteuern zu tun haben. Warum das so ist, weiss ich nicht.

Ich kann es nur für mich sagen. Bei mir ist es einfach so, das mich zunächst erstmal interessiert, wie gut die Geschichte ist, die in dem Abenteuer erzählt wird. Das ist das Zentrale für die Bewertung. Die von dir genannten Punkte sind ein netter Bonus, aber nicht entscheidend. Was bringt es mir, wenn das Abenteuer zwar übersichtlich und koherent ist, aber die erzählte geschichte nur Mittelmaß? Dann interessiert es mich nicht.



   

   
« Letzte Änderung: 24.01.2021 | 11:35 von ErikErikson »

Offline Crimson King

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #3 am: 24.01.2021 | 11:35 »
Aus der Brettspielszene sind mir eine Vielzahl von Rezensenten bekannt, die klar ansagen, dass sie keine Rezensionen zu Spielen schreiben, die ihnen nicht gefallen. Möglicherweise gibt es sowas auch in der Rollenspielszene.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Tegres

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #4 am: 24.01.2021 | 11:37 »
Eine Rezension zu schreiben ist schwierig und aufwändig und braucht diverse Kompetenzen. Die Leute sind aber faul, scheuen Schwierigkeiten und vor allem wissen sie nicht, wenn sie inkompetent sind (Dunning Kruger Effekt).
Ach ja, der gute alte Dunning-Kruger-Effekt. Klingt plausibel.

Und so schwer ist das nicht. Im Erkennen von schlechten Rezensionen bin ich persönlich beispielweise unglaublich kompetent.
~;D

Aus der Brettspielszene sind mir eine Vielzahl von Rezensenten bekannt, die klar ansagen, dass sie keine Rezensionen zu Spielen schreiben, die ihnen nicht gefallen. Möglicherweise gibt es sowas auch in der Rollenspielszene.
Auch ein guter Punkt. Dann wäre es aber schön, wenn das transparent gemacht wird.

Ich kann es nur für mich sagen. Bei mir ist es einfach so, das mich zunächst erstmal interessiert, wie gut die Geschichte ist, die in dem Abenteuer erzählt wird. Das ist das Zentrale für die Bewertung.
Nur um das klar zu stellen: Es geht in dem Thread nicht um eure Bewertungen, sondern es geht um veröffentlichte Rezensionen.

Offline Althalus

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #5 am: 24.01.2021 | 11:44 »
Man muss ja mal grundlegend unterscheiden zwischen rein privaten Rezensionen und semi-professionellen.
Die ersteren rezensieren ein Produkt, das sie selbst erworben und verwendet haben. Da erwarte ich auch die rein subjektive (denn das ist eine Rezension) Betrachtung aller Pros und Cons.
Hingegen sind semi-professionelle Rezensenten solche, die (aus welchen Gründen auch immer) Rezensionsexemplare vom Verlag bekommen haben. Von denen erwarte ich nicht, dass sie negative Dinge unterstreichen - kein Verlag will eine negative Rezension. Kriegt der Betreffende nächstes Mal eben nix.

Das ist aber in allen Bereichen so. Wenn Typ X, der aus unerfindlichen Gründen 1000+ Abonennten auf YT hat, Produkt Y zur Verfügung gestellt bekommen hat, ist jede Objektivität ohnehin dahin. Selbst wenn das Ding der größte Käse ist, wird er versuchen, die positiven Seiten in den Vordergrund zu stellen. Oder er kriegt in Zukunft eben nichts mehr zu rezensieren...

Bei den rein privaten Rezensionen kommt es halt auf die Persönlichkeit an. Es gibt ja auch solche, die den Kauf eines grottenschlechten Buches vor sich selbst rechtfertigen müssen.  ;)
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Offline Weltengeist

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #6 am: 24.01.2021 | 11:44 »
Und jetzt ihr:
Woran denkt ihr liegt es, dass es zu schlechten Abenteuern dennoch so viele wohlwollende Rezensionen gibt?

Natürlich spielt es eine Rolle, dass viele Rezensenten die Abenteuer nicht gespielt haben. Aber ansonsten denke ich schon, dass die unterschiedlichen Erwartungen an ein Kaufabenteuer eine wichtiger Grund sind. Du schreibst oben beispielsweise aus der Perspektive von jemandem, der an ein Kaufabenteuer den Anspruch hat, dass es sich halbwegs flüssig vom Blatt weg spielen lässt. Es gibt aber genügend Personen, die ein Kaufabenteuer ganz anders lesen - eher als eine Art Ideensteinbruch, aus dem sie ein Abenteuer für die eigene Gruppe bauen, das so ähnlich ist wie das Kaufabenteuer. Für die sind bestimmte Punkte, die dich stören, völlig irrelevant.

Letztlich gilt wohl das gleiche wir für alle Rezensionen (siehe Amazon & Co.): Nur wenn wirklich eine größere Anzahl davon zusammenkommt und man nicht nur die Sternchen anschaut, sondern liest, was die Leute am Produkt mochten und was nicht, zeichnet sich ein realistisches Bild. So gesehen kann man die Arbeit von Thallion nicht hoch genug bewerten, der versucht, solche Rezis zu sammeln. Und es würde eindeutig helfen, wenn mehr Leute Rezensionen schreiben - egal, ob die nun "professionalisiert" sind oder nicht.
« Letzte Änderung: 24.01.2021 | 12:32 von Weltengeist »
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Achamanian

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #7 am: 24.01.2021 | 11:46 »
Ich denke, mit den Antworten, warum es deutlich mehr positive als negative Rezensionen zu Rollenspielprodukten gibt, liegst du im Eingangsbeitrag ganz richtig, ich wüsste da nichts hinzuzufügen.

Ich würde den Begriff "wohlwollend" aber noch mal ein bisschen anders definieren: Auch eine letztendlich eher negative Rezension kann ja wohlwollend sein, indem sie hervorhebt, was an einem Produkt trotz allem gelungen ist, wo sich interessante Ansätze finden, was daran dennoch brauchbar oder auch einfach nur sympathisch ist. Mit solchen Rezensionen kann ich am meisten anfangen und lese sie auch am liebsten - also letztendlich qualifizierte Empfehlungen der Marke "Wenn du dich über eine Menagerie abefahrener SC freust und kein Problem damit hast, das railroadige und unsinnige Abenteuer einfach zu ignorieren, hol's dir!" Macht auch einfach mehr Spaß, etwas zu lesen, aus dem Wohlwollen spricht. Wenn der Grundton stimmt, kann man m.E. auch sehr gut auch große Schwächen benennen, ohne dabei Leute vor den Kopf zu stoßen.

Klar, manchmal muss es auch ein Verriss sein. Wobei ich Verrisse, die einem vorbeten, dass dieses Abenteuer mal wieder zeigen würde, was heutzutage alles falsch mit der Rollenspielszene sei und dass der/die Autor:in es ja überhaupt nicht blicke bzw. das Rollenspielhobby kaputtmache wirklich (in Großbuchstaben) hasse. Die gibt es m.E. auch viel zu oft, meistens schimmert bei so was natürlich irgendein Beef durch.

Offline Gilgamesch

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #8 am: 24.01.2021 | 11:51 »
Aus der Brettspielszene sind mir eine Vielzahl von Rezensenten bekannt, die klar ansagen, dass sie keine Rezensionen zu Spielen schreiben, die ihnen nicht gefallen. Möglicherweise gibt es sowas auch in der Rollenspielszene.

Ich denke, dass das einer der zentralen Gründe ist. Viele Leute machen sich wahrscheinlich dann nur dann die Mühe, eine Rezension zu verfassen, wenn sie das Produkt mögen und so auf ihre Weise bewerben wollen. Die meisten Rezensenten sind einfach Fans und entsprechend voreingenommen!

Tegres

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #9 am: 24.01.2021 | 11:56 »
Ich würde den Begriff "wohlwollend" aber noch mal ein bisschen anders definieren:
Der Begriff ist von meiner Seite nicht gut gewählt. Ich wollte nicht "gute Rezensionen" schreiben, denn damit könnte einerseits eine gut geschriebene Rezension gemeint sein, andererseits eine Rezension, die das Abenteuer gut bewertet. Ich habe es mal in "positive Rezensionen geändert. 

Gemeint sind wirklich Rezensionen, die ein positives Gesamtfazit haben.

Achamanian

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #10 am: 24.01.2021 | 11:58 »
Der Begriff ist von meiner Seite nicht gut gewählt. Ich wollte nicht "gute Rezensionen" schreiben, denn damit könnte einerseits eine gut geschriebene Rezension gemeint sein, andererseits eine Rezension, die das Abenteuer gut bewertet. Ich habe es mal in "positive Rezensionen geändert. 

Gemeint sind wirklich Rezensionen, die ein positives Gesamtfazit haben.

Hatte ich auch so verstanden!  :d
Mir ist der Unterschied auch erst aufgefallen, als ich darüber nachgedacht habe, was für Rezensionen mir persönlich denn gefallen und dann noch mal in den Threadtitel geschaut habe.

Offline Vasant

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #11 am: 24.01.2021 | 12:07 »
Zwei Punkte, die mir noch einfallen:

Mir scheint, als gäbe es keinen besonders guten Referenzrahmen. Ich finde z.B. so gut wie alles an bekannten oder "Mainstream"-Abenteuern oder Kampagnen, die ich mir angeguckt habe, wenig hilfreich bis furchtbar. Wenn ich mich jetzt nur mit dem Vorwissen (wenn man das so nennen kann) hinsetze und dazu Rezensionen schreibe – und damit meine ich, dass ich versuche, objektiv und fair zu sein und das Produkt nicht einfach zu verreißen – dann komme ich bei zwei Optionen raus:
"Das Abenteuer ist schlecht, aber genauso schlecht wie alle anderen bekannten Abenteuer auch. Für ein Abenteuer ist es also gut." -> Zumindest das Fazit ist damit vermutlich wertlos.
"Das Abenteuer ist schlecht, genauso wie der ganze andere Mainstreamkram." -> Der Eindruck drängt sich auf, ich fände sowieso alle Abenteuer schlecht. Damit ist meine Bewertung uninteressant, denn natürlich finde ich dann auch dieses Abenteuer schlecht.

Bei Leuten mit Blogs / YouTube-Kanälen / Podcasts / etc. kommt noch dazu, dass sich begeisterte Rezensionen einfach besser anhören oder anschauen lassen. Die andere Ecke ist der spaßige Verriss, der sicherlich auch vergnüglich sein kann, aber kritische Rezensionen scheinen mir nicht so die Publikumsmagneten zu sein, ganz unabhängig davon, ob's Reviewexemplare gibt oder nicht.

Offline Eiserne Maske

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #12 am: 24.01.2021 | 12:09 »
Wir konzentrieren uns hier im Thread bisher ja in unserer Kritik auf die Rezensenten. Ich kann die Kritik auch ein ganzes Stück mitgehen.

Eins sollte allerdings auch fairerweise angemerkt werden: Hier im Tanelorn-Forum gibt es eine ganze Reihe von Postern, die allein schon durch ihr mehr oder minder regelmäßiges Auftreten ein überdurchschnittliches Engagement fürs Hobby an den Tag legen. Ich glaube, die meisten Kritiker (wenn sie jetzt nicht gerade einen spezialisierten Blog oder Ähnliches betreiben) räumen Rollenspiel wahrscheinlich erheblich weniger Platz in ihrem Leben ein, als wir es tun. Umgekehrt haben Mitspieler von mir einige Kritiken, die speziell zu D&D oder Gurps von mir aus dem Forum an den Spieltisch übernommen wurden, als Pedanterie mit den Augen rollend abgelehnt. Ich will damit sagen, abgesehen von zahmen Rezensenten, wir hier im Tanelorn sind vielleicht auch radikalisierte Rezipienten ;) (ich schließe mich da durchaus ein). Das Forum ist natürlich ein Stück weit auch eine Blase, machen wir uns nichts vor. Wir sind wohl in unseren Ansprüchen ambitionierter als viele andere Rollenspieler.

Ich nehme an es kommt gleich Widerspruch - nehmt es dann bitte nicht persönlich, wenn ich nicht sofort oder gar nicht antworte, es geht einfach zeitlich nicht.

Offline Megavolt

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #13 am: 24.01.2021 | 12:10 »
Wir sind eskapodcasttechnisch übrigens dran, da mal noch eine andere Variante der Rollenspiel-Textanalyse zu entwickeln. Bin gespannt, ob das funktioniert, dauert aber noch ein bisschen.

Online Jiba

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Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #14 am: 24.01.2021 | 12:11 »
Und so schwer ist das nicht. Im Erkennen von schlechten Rezensionen bin ich persönlich beispielweise unglaublich kompetent.
Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, aber genau sowas ist doch eine Aussage, die Menschen, die tatsächlich dem Diane-Kruger-Effekt aufliegen, ständig von sich geben.

Wenn du also nicht jetzt auch wie Tegres eine Kriterienliste nachschiebst, anhand derer wir deine Kompetenz im Schlechte-Rezensionen-Erkennen nachvollziehen können, bleibt das letztlich eine Behauptung, die jeder treffen kann. Und das vielleicht sogar mit gutem Recht. Immerhin kenne man den eigenen Geschmack am Besten, heißt es.


Zum Thema allgemein: Oben ist es schon angeklungen, aber ich mag‘s hier nochmal erwähnen: Rezensionen im Verlagskontext unterliegen auch wirtschaftlichen Zwängen. Das weiß ich auch als jemand, der lange mit an einem Fanzine gearbeitet hat, das auch gedruckt erschien („Zunftblatt“). Da mussten wir, je nach Kontext, bei einigen Verlagen um jedes Rezensionsexemplar kämpfen, nur damit dann das Heft doch keiner gekauft hat.

Leute, mit Rollenspielen lässt sich schon wenig Geld verdienen... mit dem Schreiben über Rollenspiele weitaus weniger. Ein Rezensent der sagt „Hey, wenn du mir 20 Cent für meine Rezension zahlst, dann stecke ich auch die Arbeit rein und drehe jeden Buchstaben dreimal um.“ hat mein Verständnis, besonders wenn er das Ding auch leiten muss (etwas, was ebenfalls von äußeren Zwängen) abhängig ist). Außerdem behaupte ich mal, dass die Expertise unterschiedlicher Rezensenten auch unterschiedlich gelagert ist. Wenn ich mein Lebtag nur Indie-Storygames leite, wie soll ich dann bewerten, ob ein OSR-Abenteuer taugt? Die Chance, dass da eine schlechte Rezension rauskommt, ist relativ hoch.
« Letzte Änderung: 24.01.2021 | 12:25 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Megavolt

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #15 am: 24.01.2021 | 12:12 »
Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, aber genau sowas ist doch eine Aussage, die Menschen, die tatsächlich dem Diane-Kruger-Effekt aufliegen, ständig von sich geben.

Das war doch haargenau der Gag an meinem Beitrag?

Offline Weltengeist

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #16 am: 24.01.2021 | 12:20 »
Kleiner Nachtrag: Ich habe gerade mal recherchiert. Hier im Forum gibt es keine einzige Rezension zu "Odyssey of the Dragonlords", lediglich erste Eindrücke. Dass die noch nicht die Ansprüche von Tegres erfüllen können, sollte eigentlich klar sein, schon weil die Verfasser ja klar sagen, dass sie es noch gar nicht ganz durchgelesen haben.
"Wenn ich in Unterleuten eins gelernt habe, dann dass jeder Mensch ein eigenes Universum bewohnt, in dem er von morgens bis abends recht hat." (Juli Zeh, Unterleuten)

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Tegres

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #17 am: 24.01.2021 | 12:21 »
Mir scheint, als gäbe es keinen besonders guten Referenzrahmen. [...]
Kann ich deinen Beitrag so auslegen: "Schlechte Rezensionen stammen mutmaßlich von Leuten, die keine breite Übersicht über existierende Abenteuer haben."?

Ich nehme an es kommt gleich Widerspruch - nehmt es dann bitte nicht persönlich, wenn ich nicht sofort oder gar nicht antworte, es geht einfach zeitlich nicht.
Im Gegenteil: Ich stimme dir zu. Aber ein hoher Anspruch ist (in gesunden Maßen) gut. Und zumindest von semi-professionellen Rezensenten erwarte ich, dass sie mit einem ähnlichen hohen Anspruch herangehen, genauso wie ich von einem Filmkritiker erwarte, dass er (allein schon, weil er mehrere hundert Filme gesehen hat) ebenfalls einen hohen Anspruch hat.

Im Sinne des Eingansposts formuliere ich daraus die These: "Rezensenten haben in der Regel keinen so hohen Anspruch, wie man zunächst erwarten könnte."

Kleiner Nachtrag: Ich habe gerade mal recherchiert. Hier im Forum gibt es keine einzige Rezension zu "Odyssey of the Dragonlords", lediglich erste Eindrücke. Dass die noch nicht die Ansprüche von Tegres erfüllen können, sollte eigentlich klar sein, schon weil die Verfasser ja klar sagen, dass sie es noch gar nicht ganz durchgelesen haben.
"Odyssey of the Dragonlords" war der Aufhänger, weil Runenstahl von den postiven Rezensionen (nicht aus dem Tanelorn) angefixt war, aber dann schnell feststellen musste, dass die Rezensionen an der Realität vorbeigehen.

Offline tartex

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #18 am: 24.01.2021 | 12:23 »
Natürlich spielt es eine Rolle, dass viele Rezensenten die Abenteuer nicht gelesen haben.

Meintest du wirklich "gelesen" oer "gespielt"?
Die Zwillingsseen: Der Tanelorn Hexcrawl
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Offline nobody@home

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #19 am: 24.01.2021 | 12:25 »
Einen nicht ganz trivialen Unterschied mag nebenbei auch noch ausmachen, ob die einzelnen Rezensenten das Abenteuer eigentlich auch mal geleitet oder vielleicht doch nur gelesen haben. Das sind nämlich auch noch mal zwei recht verschiedene Paar Stiefel, und gerade eine ansprechende und fesselnde Präsentation als Lektüre kann dummerweise potentiell schnell mal von  Problemen im Abenteuer ablenken, bis die sich dann im konkreten Spiel plötzlich (und dann natürlich viel zu spät) bemerkbar machen...

Offline Der Läuterer

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #20 am: 24.01.2021 | 12:26 »
Mir geht es so wie Dir, Tegres.

Ich stolpere eher über Ungenauigkeiten, als dass ich über eben diese hinwegsehen würde. Bei Ungereimtheiten komme ich in Stocken und gerate ins Grübeln.

Ich habe aber auch kein Problem damit, etwas positiv hervorzuheben, wenn es gut ist oder mir gefällt.

Klare Bemerkungskriterien sind wichtig, das steht doch wohl ausser Frage; besonders mit Blick auf Kontinuität der Rezensionen und Vergleichbarkeit der Produkte.
Sowohl für mich selbst, aber auch für andere.

Niemand muss meine Vorlieben teilen, aber meine Begründungen sollten immer klar und nachvollziehbar sein.

Wer die Geschmäcker mit dem Rezensenten teilt, und nach einigen Rezensionen kennt man die, weiss woran er ist. Und teilt man die Geschmäcker nicht, kann man das Produkt ebensogut einschätzen.
Power Gamer: 38% | Butt-Kicker: 8% | Tactician: 67% | Specialist: 38%
        Method Actor: 96% | Storyteller: 83% | Casual Gamer: 13%

Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
- Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

Online Jiba

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #21 am: 24.01.2021 | 12:26 »
Das war doch haargenau der Gag an meinem Beitrag?
Dann ist die Ironie jetzt angekommen. (Und ich habe tatsächlich Diane-Kruger-Effekt geschrieben XD)


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Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Weltengeist

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Re: Schlechte Abenteuer und wohlwollende Rezensionen
« Antwort #22 am: 24.01.2021 | 12:32 »
Meintest du wirklich "gelesen" oer "gespielt"?

Äääh - ja. "Gespielt" natürlich. Wird gleich repariert. Danke für den Hinweis! :d
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Tegres

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #23 am: 24.01.2021 | 12:32 »
Einen nicht ganz trivialen Unterschied mag nebenbei auch noch ausmachen, ob die einzelnen Rezensenten das Abenteuer eigentlich auch mal geleitet oder vielleicht doch nur gelesen haben.
Die Hauptursache scheint dafür zu sein, dass die Rezensenten in den seltensten Fällen die Abenteuer auch spielen oder leiten. Aber das kann meiner Meinung nach nicht der einzige Grund sein.
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Bitte den Eingangspost gründlicher lesen. :P

Offline Boba Fett

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Re: Schlechte Abenteuer und positive Rezensionen
« Antwort #24 am: 24.01.2021 | 13:09 »
Und jetzt ihr:
Woran denkt ihr liegt es, dass es zu schlechten Abenteuern dennoch so viele wohlwollende Rezensionen gibt?

Unter anderem (das andere steht oben) daran, dass im Rollenspielbereich die Produkte von denjenigen rezensiert sind, die sich auch dafür begeistern.
Filterblase und so.
Wer liest schon Bücher durch, und macht sich die Mühe, davon zu berichten, mit der „Belohnung“ des kostenlosen Reziexemplars, wenn einem der Inhalt eigentlich überhaupt nicht interessiert?
Ich meine, im allerbesten Fall kann man es dann für hälfte Neuwert bei Ebay verkaufen (weil es einen ja nicht interessiert). ...toller Stundenlohn...
Also schreiben nur die vom Produkt begeisterten und dann ist die Wertung natürlich vorhersehbar. Und auch, dass vielleicht so manche Schwäche wohlwollend übersehen wird.

Und bei manchen Systemen kennen die rezensierenden Konsumenten auch vielleicht gar nicht so viel Alternativen und wissen daher auch nicht, was alternativ vielleicht anders oder besser sein könnte.

und zu guter letzt, weil es oft die Einstellung "bevor man etwas schlechtes über jemand/etwas aussagt, sagt man lieber gar nichts" - was letztendlich auch einiges an negativer Kritik herausfiltert...
immerhin sind Geschmäcker verschieden und die Autorenschaft hat sich SO viel Mühe gegeben. Und vielleicht kennt man sie, oder lernt sie irgendwann kennen und möchte ein "Ach, Du warst das..." vermeiden. Immerhin ist die Szene überschaubar.
« Letzte Änderung: 24.01.2021 | 13:43 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!