Autor Thema: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion  (Gelesen 666 mal)

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Offline Feuersänger

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Wie gesagt: nur wenn das Geburtsalter nicht mitwächst. Und Léonisation bzw. medizinische Unsterblichkeit ist ja keine echte Unsterblichkeit mit unendlicher Lebenserwartung. Und selbst dann wäre es kein exponentielles Wachstum.

Natürlich wäre es exponentielles Wachstum. Wir hatten IRL bis vor nicht allzu langer Zeit sogar noch superexponentielles Wachstum, das sich inzwischen auf "nur noch" exponentielles Wachstum reduziert hat. Und das obwohl hier noch gestorben wird.

Zitat
Ich glaube Ressourcen werden die Menscheit viel früher in den Weltraum locken als Platz.

Wie gesagt, das ist der Standpunkt von dem ich bei "normaler" Lebenserwartung ausgehe. Bei Unsterblichkeit wäre ich mir nicht mehr so sicher, aber ist jetzt auch nicht mehr wichtig, da ich mittlerweile meine Entscheidung fürs Setting getroffen habe.

Zitat
Beim Weltraum Hab muss man für dieselbe "Nutzfläche" viel mehr Masse in den Weltraum bringen als bei der Besiedelung von Planeten.

Der Großteil dieser Masse muss aber nicht erst in den Weltraum gebracht werden, der ist schon da. Allerdings ist es zugegeben bei Mega-Habitaten immer noch ein riesen Problem, diese Masse zur Baustelle zu schubsen. Gemeinerweise gibt es nirgends im Sonnensystem (außer auf der Erde) alle benötigten Rohstoffe auf einem Haufen - irgendwas muss man immer von weiter weg rankarren. Gerade Substrat / natur-ähnlicher Erdboden ist da ein riesen Problem, weil man für ein großes Habitat so irrwitzig viel davon braucht. Wie gesagt, das war letzten Endes der Grund warum ich Mega-Habs erstmal hintan gestellt habe.

Zitat
Mit oder ohne Space Elevator?

Richtige Space Elevator gibt es nicht, jedenfalls nicht für die Erde. Was ich anbieten kann, sind Rotating Tether, die einem den Aufstieg um ein paar km/s verbilligen, aber selber ihre Tücken haben. Für Mars hingegen könnte es einen stationären Tether geben, der an Phobos oder Deimos aufgehängt ist, das ist schon ein sinnvoller Plan.

Zitat
Wo sich die vertikalen Farmen (bzw. kontrollierte Umgebungen) befinden ist eigentlich egal. Und der  Ertrag wird nicht mehr pro Hektar sondern pro Kubikkilometer berechnet.

Ja, es ist egal wo sie sind, weil man kräftig Energie benötigt, die man nicht von der Sonne kriegen kann, sondern man muss künstlich beleuchten. Außerdem sind die für Vertikalfarming geeigneten Produkte begrenzt - Getreide zB steht nicht mit auf der Liste.
Vertikalfarming habe ich durchaus für die integrierte Nahrungsproduktion in Orbitalstädten vorgesehen (auf einem von vier oder fünf Decks) -- damit kann man schon einiges erzeugen, aber halt wie gesagt nicht alles. Für den Rest gibt es das Rennen zwischen Agri-Ringen und Mars-Gewächshäusern.
Für Mars habe ich das sogar schonmal durchgerechnet: da ist es tatsächlich billiger, einfach mehr Fläche zu überdachen (mit lokal produziertem Stahl und Glas) und konventionell anzubauen, als permanent Fusionsbrennstoff für künstliche Beleuchtung ranzukarren.
Umgekehrt dürfte ein Agri-Ring für Getreideanbau im Saturnsystem ein ziemlicher Luxus sein, da man hier nur eine Ebene hat und diese mangels Sonnenlicht künstlich beleuchten muss -- aber da die Saturnianer ja an der Quelle sitzen, werden sie sich vielleicht einfach gönnen.  8)

Was aber auch noch ganz spannend ist: auf Mars ist tatsächlich der CO2-Partialdruck höher als auf der Erde. Da lag ich also insofern falsch: man muss die Marsluft nicht verdichten, sondern womöglich sogar verdünnen. Keine Ahnung ob normale Pflanzen mit so einer hohen CO2-Konzentration zurechtkämen. (Gengineering wäre freilich eine Option.) So oder so brauchen Pflanzen ja aber auch Sauerstoff zum Atmen, um Gewächshäuser und künstliche Atmosphären kommt man halt doch nicht rum.
« Letzte Änderung: 22.06.2025 | 11:31 von Feuersänger »
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Offline Aedin Madasohn

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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate
« Antwort #1 am: 22.06.2025 | 08:24 »
Gerade Substrat / natur-ähnlicher Erdboden ist da ein riesen Problem, weil man für ein großes Habitat so irrwitzig viel davon braucht. Wie gesagt, das war letzten Endes der Grund warum ich Mega-Habs erstmal hintan gestellt habe.

So oder so brauchen Pflanzen ja aber auch Sauerstoff zum Atmen, um Gewächshäuser und künstliche Atmosphären kommt man halt doch nicht rum.

aber alles überschaubar

- schau dir an, was Pestizide/Pflanzenschutzmittel an Ressourcen brauchen (inklusive der Arbeitszeit, diese mit dem Traktor - Sprit - zu verteilen) und jetzt hast du eine Spacefarm, wo alles "geschlossen" ist und zur "Neusterilisation" einfach mal alles im schattenlosen Zustand mit UV-Bombardemont DNA-zerlegt wird.

- Bodensubstrat brauchst du nicht, bereits jetzt gibt es Pflanzgitter, in den der Setzling ganz ohne Erde seinen Wurzelballen in eine wässrige Nährstofflösung (Salze und Stickstoffquelle etwa) wachsen lässt. In einem geschlossenen Space-Gewächshaus bleibt auch der Wasserumlauf erhalten  ;)

- Umsetzungsmasse an Salzen und Kohelstoffquelle, ganz locker gesagt, wenn 100.000 Tonnen Mampf zum Wohnhabitat geschippert werden, schippert dann der Space-Frachter leer zurück? oder karrt er dann die "Gülle" zurück? Atemluft-Abgeschiedenes CO2 lässt sich ab rund 80 bar verflüssigen (kennt einige von der Bier-Zapfanlage) und schupps hat man was fürs Spiel (Sabotage an einem 80 bar Kessel, der dann brutale Verdampfungsexpansion samt Abkühlung - denkt an die CO2 Feuerlöscher - als Folgeschaden generiert, dass könnte schon spielbare Investigatoren/Havariespezialisten auf den Plan rufen, so als Einstieg ins Abenteuer, warum ein Frachter geentert werden muss) als auch was für die Space-Farmen. Wenn flüssig CO2 (Kompressorenenergie wieder aus unermüdlichen Solarpanellen) in der Farm ankommt, dann würde damit ja auch schon massiv gekühlt werden können. Geschlossene System halt, in denen Kreislaufwirtschaftlich gerechnet wird.

- Pflanzen verbrauchen wenig Wasser in Photosyntese und setzen deutlich mehr Wasser für Verdunstungs-Pumpen um - auch/gerade, um sich zu kühlen. In einem Makro wie der Erde weht das Verdunstungswasser in der Luft (Luftfeuchtetransit) wild hin und her (Tau und Regen bringen es im Makro zurück, aber nicht unbedingt an deiner Pflanze) - und dieser Kühlung-duch-Verdunstung Prozess ließe sich in der Space-Farm-Klimaanlage als Tauumschlag zurück einspeisen. Solarpanells bei einer 24/7 Dauerbelichtungsfarm würden ja auch 24/7 den nötigen Anlagen-Strom liefern und im Space sollte dafür genügend Platz vorhanden sein.

- wieviel Sauerstoff Planzen (selbst) wieder verbrauchen, hängt auch von dem Photosynteheszyklus ab, auf dem sie laufen. Gibt zwei Hauptsyteme mit unterschiedlichen Effizienzen, da einmal giftige Nebenprodukte anfallen, deren Spaltung nochmals wieder Energie (und damit Sauerstoff-Oxidation) verbrauchen. Die klassische nächtliche CO2 Emission der Zimmerpflanzen, wenn ihre Photosynthese ruht, sie aber Schlacken abbauen müssen. Genschere CrisperCas9-Excellsior und schupps werden solche Ineffizenzien glattgebogen. Crisper hilft auch bei dem Pflanzen-Design zur Gewinnung von Brotgetreidekörner mit Wurzelballen in Wasser Anpflanzung. Alleine die Frage nach der Mehrjährigkeit bei der Korn-Mutterpflanze ließe sich Aufwand ohne Ende einsparen. Quasi Weizenbüsche, wo die Ähren von den Zweigen geschnitten werden und der Busch jahrzehntelang Ähre und Ähre austreibt. Halt Überwindung der kurzumlaufadaptiven mesopotamischen Trockensommer-Konditionierung einjähriger Gräser  ;)
(das könnte übrigens die Ernährungsprobleme der Menschheit auf der Erde lösen, aber wer will den so was satanische wie CrisperCAS entfesseln? das überlassen die satten Gutmenschen dann lieber den "skrupellosen" Chinesen, welche sich damit ihre Vorherrschaft im globalen Süden ausbauen können - also, die common-Sprache in einem Zukunfstsetting sollte daher schon chinesisch sein)   

- Wasserverlust durch Nahrungsproduktion als Export von Wasser in den Früchten. Wird viel drüber geredet, Funfact: Getreide wird "natürlich" bis rund 16% Restfeuchte getrocknet, um besser lagerbar zu sein. Zum Mahlen wird es benetzt, damit es mahlbar wird und nicht zu fein zerknirscht wird (Pulverstaubexplesion ist da auch noch ein Therma - in Bremen ist da schon ein ganzes Mahlwerk abgedeckt worden). Per Vakuumdestillation (Gefriertrocknung bei empfindlichen Sachen) lassen sich Restfeuchten von 5% erreichen. Macht bei 100.000 Tonnen Getreide 16.000 Tonnen Wasser, welche ich um 11.000 Tonnen bereinigen kann. Außerdem ist das Getreide (Kohlenhydrate, pflanzliche Fette und Eiweiße) jetzt Ultralanghaltbar, weil da echt nichts mehr drin wächst. Da liegen vielleicht noch ein paar Sporen in Stasis vor, aber Pilz-Verderbnis oder Insektenfraß ist nicht mehr möglich. Rieselfähige Tomaten gibt es auch, sprich so viel "frisches" Wasser muss die Spacefarm gar nicht einführen und mit der Gülle-Rücknahme kommt ja auch schon was zurück.

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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate
« Antwort #2 am: 22.06.2025 | 10:00 »
Natürlich wäre es exponentielles Wachstum. Wir hatten IRL bis vor nicht allzu langer Zeit sogar noch superexponentielles Wachstum, das sich inzwischen auf "nur noch" exponentielles Wachstum reduziert hat. Und das obwohl hier noch gestorben wird.

Definitiv nicht. Normales Bevölkerungswachstum ist exponentiell. Mit 4 Kindern pro Frau verdopplet sich die Bevölkerung beispielsweise in jeder Generation. Für Superexponentielles Wachstum müsst die Generationenfolge dauerhaft kürzer werden, was biologisch nicht möglich ist.

Wenn jetzt plötzlich Unsterblichkeit vom Himmel fällt und grob 4 Milliarden unter 30 ewig leben und sie z.B. in 100 Jahren 2 Kinder pro Frau bekommen, und sich dass in alle Ewigkeit fortsetzt, dann ist die Wachstumsrate 4 Milliarden in 100 Jahren. Das ist aber linear und nicht exponentiell.

Wie gesagt, das ist der Standpunkt von dem ich bei "normaler" Lebenserwartung ausgehe. Bei Unsterblichkeit wäre ich mir nicht mehr so sicher, aber ist jetzt auch nicht mehr wichtig, da ich mittlerweile meine Entscheidung fürs Setting getroffen habe.

Nimm die Zahlen oben. Es dauert 1000 Jahre un die 40 Milliarden zu erreichen. Bevor der Platz wirklich ausgeht wäre man technologisch so weit von heute entfernt dass es unmöglich ist zu sagen was dann passiert.

Der Großteil dieser Masse muss aber nicht erst in den Weltraum gebracht werden, der ist schon da. Allerdings ist es zugegeben bei Mega-Habitaten immer noch ein riesen Problem, diese Masse zur Baustelle zu schubsen.

Was meinst du mit "schon da"? Dass man kleinere Asteroiden auseinandernimmt? Da sehe ich nicht den Vorteil gegenüber bauen auf grösseren Asteroiden, bis auf die Lage.

Ja, es ist egal wo sie sind, weil man kräftig Energie benötigt, die man nicht von der Sonne kriegen kann, sondern man muss künstlich beleuchten. Außerdem sind die für Vertikalfarming geeigneten Produkte begrenzt - Getreide zB steht nicht mit auf der Liste.

Klingt nach einem lösbaren Problem. Und ich vermute dass die Kosten für ein riesiges zweidimensionales Hab die Kosten für Beleuchtung des viel volumeneffektiveren "vertikalen" Habs  locker in den Schatten stellen.

Für Mars habe ich das sogar schonmal durchgerechnet: da ist es tatsächlich billiger, einfach mehr Fläche zu überdachen (mit lokal produziertem Stahl und Glas) und konventionell anzubauen, als permanent Fusionsbrennstoff für künstliche Beleuchtung ranzukarren.

Tjo, solange Platz und Baustoff quasi gratis ist sollte das hinkommen. Auf der Erde reden wir ja auch vor allem über Vertikalfarmen weil uns der horizontale Platz ausgeht.

Umgekehrt dürfte ein Agri-Ring für Getreideanbau im Saturnsystem ein ziemlicher Luxus sein, da man hier nur eine Ebene hat und diese mangels Sonnenlicht künstlich beleuchten muss -- aber da die Saturnianer ja an der Quelle sitzen, werden sie sich vielleicht einfach gönnen.  8)

Irgendwie bezweifle ich dass Beleuchten so viel teurer ist als Transport.

Was aber auch noch ganz spannend ist: auf Mars ist tatsächlich der CO2-Partialdruck höher als auf der Erde. Da lag ich also insofern falsch: man muss die Marsluft nicht verdichten, sondern womöglich sogar verdünnen. Keine Ahnung ob normale Pflanzen mit so einer hohen CO2-Konzentration zurechtkämen.

Lustigerweise habe ich kürzlich den Vorschlag gehört Vertikalfarmen mit abgeschiedenem CO2 anzureichern. Würde funktionieren, aber das Limit ist wohl grob das fünffache der Konzentration in der Erdatmosphäre.
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
Im Rollenspiel ist auch hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie zu unterscheiden.
Meine 5E Birthright Kampagne: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122998.0.html

Offline Feuersänger

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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate
« Antwort #3 am: 22.06.2025 | 12:20 »
@Aedin:
Wow, das klingt alles sehr detailliert und fundiert. Bist du da irgendwie vom Fach? ^^
Jedenfalls vielen Dank für den Input, da kann ich einiges von gebrauchen.

Generell habe ich bei Orbitalhabitaten unterschiedliche Größenordnungen im Sinn:

Wie gesagt, die "kleinen" hätten so ca 1,8km Durchmesser (diese Zahl ergibt sich aus: 1 Umdrehung pro Minute bei 1G künstlicher Schwerkraft -- ist also nur eine Konvention, man kann auch größer oder kleiner bauen, schneller oder langsamer drehen, sich mit 0,5G zufrieden geben...)

Postulieren wir zB so einen Ring mit 300m Breite, wären das ebenerdig ca 170ha. Ich hab jetzt keine Ahnung, wie dick das Substrag sein sollte _wenn_ man solches verwendet - 30cm? 50cm? Bei 30cm wären es 500.000m³. Nehmen wir 1,5g/cm³ Dichte an, wären das also 750.000 Tonnen. Also grob 1000-1500 Schiffsladungen -- nicht ganz von heute auf morgen zu erledigen, aber innerhalb weniger Jahre machbar.

Klar, wenn es nur um die reine Produktion geht, kann man darauf auch verzichten wie du sagst. Aber zB für die Freilichtebene (also das innerste Deck des Rings) einer orbitalen Stadt _will_ ich da gar nicht drauf verzichten; ich will damit eine schöne natürliche Umgebung für die Bewohner bieten, damit die nicht bei permanentem Neonlicht in trostlosen Plastikkästen den Weltraumkoller kriegen.

Wie gesagt, das ist alles ambitioniert aber handhabbar.

Bisher gescheitert jedoch bin ich beim Entwurf der Mega-Habs nach Art eines Bishop Rings, und das obwohl ich da bei den Dimensionen noch viel konservativer bin als beim Bishop-Entwurf. Der Sinn ist hier ja quasi, eine künstliche Welt zu erschaffen, die den Bewohnern ein ähnliches Lebensgefühl vermittelt wie die gute alte Erde.
Bereits mit zarten 160km Radius und 100km Breite kommen wir da auf 100.000km², das ist etwa die Größe von Südkorea oder Bulgarien. Selbst wenn wir hier tricksen und nur zB 50% der Fläche mit Erde bedecken wollen, sind wir hier ruck-zuck bei 75 Gigatonnen. Das wären also einige Millionen Frachterflüge. (Herzustellen wäre dieses Substrat zB aus Regolith oder Gesteinsasteroiden). Ich habe da schon alle möglichen Ideen gewälzt, bis hin zu "den Asteroiden zur Baustelle schleppen" und "das Material mit Mass Driver direkt vom Steinbruch in den Ring schießen". Ist aber alles schwierig: selbst wenn man es schafft, 10 Tonnen Material pro Sekunde einzubringen (24/7/365), wäre man ca 240 Jahre beschäftigt. Und da ist dann noch kein Wasser dabei.

Bei aller Liebe zum langfristigen Denken ist das schon ein Stretch -- will ich Wohnraum für 100 Millionen Menschen bauen, wenn ich gar nicht weiß ob es in 300 Jahren den Bedarf dafür gibt?

Die ganze Ambition ist zugegeben eine Nachwehe meines früheren Setting-Entwurfs mit FTL und außerirdischen Freiluftwelten. Ich hatte gehofft, mit solchen Habitaten wenigstens exotische Welten anbieten zu können, auf denen der Himmel violett ist und sich morgens ein Gasriese über den Horizont schiebt. Aber selbst wenn ich sage okay, das machen wir -- dann kann es diese Welten ja erst ab etwa 2500AD geben, und das finde ich dann schon wieder sehr far out.
Also wenn ihr da Ideen habt wie man da die Bauzeit deutlich verkürzen könnte, immer her damit. ^^
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Online Galatea

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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #4 am: 22.06.2025 | 13:40 »

Der Orbit der Marsmonde ist meines Wissens allerdings nicht wirklich stabil (die werden früher oder später auf den Planeten fallen), das könnte auf Dauer Schwierigkeiten machen.
Keine Ahnung um wieviele Millimeter pro Jahr die genau sinken und ob das ein wirklich ein relevantes Problem ist (oder ob sich das vielleicht sogar zur Energiegewinnung ausnutzen lässt).
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #5 am: 22.06.2025 | 13:43 »
Da geht es um Millionen von Jahren, ist also nicht super dringend.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #6 am: 22.06.2025 | 21:38 »
Habe hier mal ausgeputzt und die ganzen Beiträge, die sich um Bevölkerungsentwicklung bei Unsterblichkeit drehen, in den Unsterblichkeitsthread überführt.
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Zitat von: ErikErikson
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Offline Alexandro

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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #7 am: 23.06.2025 | 18:13 »
Was aber auch noch ganz spannend ist: auf Mars ist tatsächlich der CO2-Partialdruck höher als auf der Erde. Da lag ich also insofern falsch: man muss die Marsluft nicht verdichten, sondern womöglich sogar verdünnen. Keine Ahnung ob normale Pflanzen mit so einer hohen CO2-Konzentration zurechtkämen. (Gengineering wäre freilich eine Option.) So oder so brauchen Pflanzen ja aber auch Sauerstoff zum Atmen, um Gewächshäuser und künstliche Atmosphären kommt man halt doch nicht rum.

Ich glaube, du wirfst da unterschiedliche Sachen durcheinander. Der CO2-Partialdruck beschreibt den Druck, welches CO2 innerhalb der (praktisch nicht vorhandenen) Marsatmosphäre ausübt. Und natürlich ist der (bei nur 1,2% der Dichte der Erdatmosphäre, und weniger Anteilen von anderen Gasen in dieser) höher als auf der Erde - das bedeutet nicht, dass man "die Marsluft verdünnen" müsste, ebenso wenig wie die Tatsache dass der Sauerstoff-Partialdruck in den Weltmeeren fast genauso hoch ist wie in der Erdatmosphäre bedeutet, dass wir alle unter Wasser atmen können.

Die dünne Atmosphäre bedeutet, dass ohne Druckanzüge deine Hautzellen einfach platzen (von menschlichen Lungen will ich gar nicht erst anfangen). Auch Strahlung und Mikrometeoriten sind bei einer derart dünnen Atmosphäre ein Problem, wenn man die Kolonie nicht komplett in unterirdischen Bunkern aufziehen will.

Wie bekommt man also dichtere Atmosphäre auf den Mars*? Schmelzen wir Polarkappen oder pflanzen wir massive Vegetation in unsere Habitate, und leiten Teile des produzierten Sauerstoff in die Marsluft raus?

Leider würde das nicht auf Dauer funktionieren, da der Mars nur ein schwaches Magnetfeld hat. Das heißt, dass ein Großteil der Atmosphäre nicht dauerhaft am Planeten anhaftet, sondern regelmäßig durch Sonnenwinde etc. abgetragen wird. Wenn wir also nicht ständig neue Atmosphäre aufbauen wollen, und ein selbst erhaltendes System konstruieren wollen, dann brauchen wir also eine Möglichkeit, um das Magnetfeld des Mars stärker zu machen.

Und da stoßen wir an das Problem, dass wir noch nicht soviel über Magnetfelder auf anderen Planeten wissen (selbst im Verständnis unseres Erdmagnetfeld gibt es - obwohl wir uns da am meisten auskennen - noch Lücken), daher kann das folgende in ein paar Jahren, mit höherem Forschungsstand, schon wieder überholt sein:
1.) Der Marskern ist fast komplett flüssig, und leichtere Elemente darin verhindern, dass er sich verfestigt - ein Gedanke mit dem ich einmal (für "Alien Communities" rumgespielt habe, wäre der, dass man massives Deep Core Mining betreibt, und damit die Temperatur im äußeren Kern ausreichend senkt, dass sich dieser verfestigen kann. Dann hätte man möglicherweise einen Geodynamo (allerdings mit einer festen Hülle um einen flüssigen Kern, statt umgekehrt wie auf der Erde) und damit u.U. ein stärkeres Magnetfeld.
2.) Man müsste irgendwie die leichteren Elemente aus dem Eisen und Nickel rausraffinieren, und dem Kern auf diese Weise die Möglichkeit geben, sich im Inneren zu verfestigen - aber da wüsste ich noch weniger, ob das irgendwie mit Technologie, die in keine "fucking magic" ist, machbar ist.

Just my 2cents.

* Über deren Zusammensetzung machen wir uns erstmal keine Gedanken - selbst eine reine CO2-Atmosphäre mit, sagen wir mal, 70% der Dichte der Erdatmosphäre, wäre lebensfreundlicher, als das, was wir im Moment haben - atmen kann man das zwar immer noch nicht, aber wenigstens braucht man dann keinen Druckanzug mehr, und ist besser gegen Strahlung und Gesteinsbrocken abgeschirmt.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #8 am: 23.06.2025 | 18:34 »
Leider würde das nicht auf Dauer funktionieren, da der Mars nur ein schwaches Magnetfeld hat. Das heißt, dass ein Großteil der Atmosphäre nicht dauerhaft am Planeten anhaftet, sondern regelmäßig durch Sonnenwinde etc. abgetragen wird. Wenn wir also nicht ständig neue Atmosphäre aufbauen wollen, und ein selbst erhaltendes System konstruieren wollen, dann brauchen wir also eine Möglichkeit, um das Magnetfeld des Mars stärker zu machen.

Müsste es nicht auch möglich sein, den Mars vor den Sonnenwinden abzuschirmen? Ein durchsichtiger Schild, wie die Streulinse für die Erde, nur eben ohne Streueffekt?

Wenn man schonmal die Technologie für die Streulinse, die Feuersänger beschreibt, hat, wäre es zu so einem Projekt nicht mehr weit - erst recht verglichen mit irgendwelcher Manipulation des Planetenkerns.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #9 am: 23.06.2025 | 19:03 »
Das sind alles verschiedene Baustellen.

Zum einen: mir war tatsächlich neu, dass der Mars einen flüssigen Kern hat. Ich dachte, der Planet wäre komplett erstarrt, was auch der Grund wäre warum es keine aktiven Vulkane mehr gibt. Aber dem ist wohl tatsächlich nicht so.

Zweitens, CO2-Partialdruck: stimmt, da habe ich wohl irgendwie die Zahlen durcheinandergebracht. Google sagt, die Marsatmosphäre habe nur 4-5mmHg, während der CO2-Partialdruck auf der Erde bei ca 40mmHg liegt. Die beiden Zahlen hatte ich wohl verwechselt.

Drittens: Terraforming wäre eine sehr langfristige Bemühung, weit jenseits des Scopes meines Settings -- dieses soll ja so ungefähr 2250 spielen, bis dahin könnte sich da beim besten Willen noch nicht viel getan haben, selbst wenn man morgen damit anfinge.

(Darum gilt Mars in Redshift im Allgemeinen als wenig attraktives Ziel -- was dann für manche Kolonialmächte wiederum interessant ist, weil sie da schalten und walten können wie sie wollen, ohne dass ein Konkurrent sich einmischen würde.)

Kurz, auf dem Mars baut man Kuppeln oder Hallen, aus in-situ hergestellten Werkstoffen, v.a. Stahl und Glas (Eisen und Silikat liegt ja überall rum). Vielleicht hat man auch den einen oder anderen kleineren Asteroiden auf den Mars crashen lassen, um die Verfügbarkeit von zB Wasser und Stickstoff zu erhöhen. Befüllt werden die Bauwerke mit einer Atmosphäre aus CO2, Stickstoff, ein wenig Sauerstoff und Wasserdampf.

Ich habe da sogar schonmal ausgerechnet, wieviel Material man für solche Bauwerke benötigt. Laut meinen Notizen kommt da zB ein 40ha großes Gewächshaus auf ca 9-14000t. (Uns spielt hierbei die geringere Schwerkraft in die Karten.) Die Dimensionierung beruht auf der Annahme, dass ein einzelner Marsbauer mit seinem Marstraktor an einem Arbeitstag 1 solchen Marsacker bearbeiten kann.

Müsste es nicht auch möglich sein, den Mars vor den Sonnenwinden abzuschirmen? Ein durchsichtiger Schild, wie die Streulinse für die Erde, nur eben ohne Streueffekt?

Witzig, ich habe auch schonmal über so eine Linse am Mars nachgedacht, allerdings hier als Sammellinse, um im fraglichen Äquatorialbereich die Sonneneinstrahlung zu erhöhen. Vielleicht könnte das dann Double Duty als Strahlenschutz fahren. Um aber hier genügend Sonnenlicht einzusammeln, bräuchte man meiner Rechnung nach eine Linse mit ca 7000km Durchmesser. Ich habe das Projekt erstmal hintan gestellt.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #10 am: 23.06.2025 | 19:09 »
Witzig, ich habe auch schonmal über so eine Linse am Mars nachgedacht, allerdings hier als Sammellinse, um im fraglichen Äquatorialbereich die Sonneneinstrahlung zu erhöhen. Vielleicht könnte das dann Double Duty als Strahlenschutz fahren. Um aber hier genügend Sonnenlicht einzusammeln, bräuchte man meiner Rechnung nach eine Linse mit ca 7000km Durchmesser. Ich habe das Projekt erstmal hintan gestellt.

Man dürfte das Projekt innerhalb des Settings aber auf dem Schirm haben - und sei es nur als eines dieser Dinger, das schon seit Jahrzehnten irgendwann in den nächsten 10-15 Jahren in Angriff genommen wird. Da könnte es zumindest in irgendeiner Form als Abenteuer-Aufhänger dienen.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #11 am: 23.06.2025 | 21:21 »
Man dürfte das Projekt innerhalb des Settings aber auf dem Schirm haben - und sei es nur als eines dieser Dinger, das schon seit Jahrzehnten irgendwann in den nächsten 10-15 Jahren in Angriff genommen wird. Da könnte es zumindest in irgendeiner Form als Abenteuer-Aufhänger dienen.

Ja, das wäre vorstellbar. Besonders ironisch da es natürlich am sinnvollsten wäre, die Linse als allererstes zu bauen.

Generell gilt für solche Lagrange-Linsen freilich, dass die benötigte Masse von Durchmesser, Dicke und Material bestimmt wird, und gerade bei der Dicke gehen die Schätzungen und Potentiale halt ganz gewaltig auseinander.

Für die Erd-Linse (zur Reduktion der Sonneneinstrahlung) habe ich ja iirc im anderen Thread ca 1 Mio t veranschlagt. Das mag aber etwas zu optimistisch sein, bzw zumindest würde dies eine Dicke von nur ca 50-60µm bedingen (bei einer Dichte von ca 1,3g/cm³). Das entspricht von der Dicke her immerhin 4-6 Lagen Haushalts-Alufolie. Mit modernen Metamaterialien mag das erreichbar sein. Wenn man stattdessen viel konservativer von zB ø1cm Linsendicke ausginge, wäre man ruck-zuck bei 200 Millionen Tonnen.
Will damit nur sagen: es gibt hier einen sehr großen Spielraum.

Bei der Erdlinse haben wir wie gesagt den Vorteil, dass wir das Licht nicht um 100% konzentrieren, sondern um rechnerisch ca 2-3% streuen wollen, das dürfte technisch viel einfacher zu erreichen sein. Außerdem ist der Bau dieser Linse im Interesse der ganzen Erdbevölkerung, damit dürfte die Finanzierung auch gut zu stemmen sein.

Bei einer Marslinse wäre es also genau umgekehrt: die Linse muss einen viel größeren Durchmesser haben, dann ist die Bündelung _vermutlich_ aufwendiger als Streuung und mag eine größere Dicke bedingen (aber da habe ich wohlgemerkt keine wirkliche Ahnung), und das ganze Projekt interessiert nur den einen Block, der den Mars wirtschaftlich nutzen will, und der müsste sich das erstmal leisten können. Oder aber diese Leute sagen pfeif drauf, bauen wir halt einfach doppelt so viele Gewächshäuser, das ist viel billiger.

Wie gesagt, da ist von Terraforming noch keine Rede. Soweit ich mich da einigermaßen dran erinnere, wäre das ein Projekt das eher so Jahrtausende dauern würde. Habe da keine konkreten Zahlen im Kopf, aber das könnten wir ja gerne mal durchrechnen. Die Kernprobleme dabei sind:
- Magnetfeld erzeugen, zB so wie von alexandro vorgeschlagen über Manipulation des Kerns,
- atembare Atmosphäre erzeugen, und zwar so dass sie auch bleibt wo sie hingehört und sich nicht ins All verflüchtigt
- ausreichend Wasser heranschaffen.

Das sind schon drei ziemlich gewaltige Wünsche auf einmal. Die Linse wäre da relativ gesehen pipifax.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #12 am: 23.06.2025 | 21:38 »
Ja, das wäre vorstellbar. Besonders ironisch da es natürlich am sinnvollsten wäre, die Linse als allererstes zu bauen.

Generell gilt für solche Lagrange-Linsen freilich, dass die benötigte Masse von Durchmesser, Dicke und Material bestimmt wird, und gerade bei der Dicke gehen die Schätzungen und Potentiale halt ganz gewaltig auseinander.

Für die Erd-Linse (zur Reduktion der Sonneneinstrahlung) habe ich ja iirc im anderen Thread ca 1 Mio t veranschlagt. Das mag aber etwas zu optimistisch sein, bzw zumindest würde dies eine Dicke von nur ca 50-60µm bedingen (bei einer Dichte von ca 1,3g/cm³). Das entspricht von der Dicke her immerhin 4-6 Lagen Haushalts-Alufolie. Mit modernen Metamaterialien mag das erreichbar sein. Wenn man stattdessen viel konservativer von zB ø1cm Linsendicke ausginge, wäre man ruck-zuck bei 200 Millionen Tonnen.
Will damit nur sagen: es gibt hier einen sehr großen Spielraum.

Wir auch immer die Dicke aussieht, sie dürfte für beide Projekte ungefähr gleich sein, oder vorhersehbar für die Marslinse das X-fache der Erdlinse; man müsste also sagen können, je nachdem wie ambitioniert das Projekt Marslinse sein soll, kostest es etwa das Y-fache bis Z-fache der Erdlinse.

Zitat
Bei der Erdlinse haben wir wie gesagt den Vorteil, dass wir das Licht nicht um 100% konzentrieren, sondern um rechnerisch ca 2-3% streuen wollen, das dürfte technisch viel einfacher zu erreichen sein. Außerdem ist der Bau dieser Linse im Interesse der ganzen Erdbevölkerung, damit dürfte die Finanzierung auch gut zu stemmen sein.

Bei einer Marslinse wäre es also genau umgekehrt: die Linse muss einen viel größeren Durchmesser haben, dann ist die Bündelung _vermutlich_ aufwendiger als Streuung und mag eine größere Dicke bedingen (aber da habe ich wohlgemerkt keine wirkliche Ahnung), und das ganze Projekt interessiert nur den einen Block, der den Mars wirtschaftlich nutzen will, und der müsste sich das erstmal leisten können. Oder aber diese Leute sagen pfeif drauf, bauen wir halt einfach doppelt so viele Gewächshäuser, das ist viel billiger.

Wie gesagt, da ist von Terraforming noch keine Rede. Soweit ich mich da einigermaßen dran erinnere, wäre das ein Projekt das eher so Jahrtausende dauern würde. Habe da keine konkreten Zahlen im Kopf, aber das könnten wir ja gerne mal durchrechnen. Die Kernprobleme dabei sind:
- Magnetfeld erzeugen, zB so wie von alexandro vorgeschlagen über Manipulation des Kerns,
- atembare Atmosphäre erzeugen, und zwar so dass sie auch bleibt wo sie hingehört und sich nicht ins All verflüchtigt
- ausreichend Wasser heranschaffen.

Das sind schon drei ziemlich gewaltige Wünsche auf einmal. Die Linse wäre da relativ gesehen pipifax.

Wie schnell schwindet die Atmosphäre eigentlich - insbesondere wenn man wirklich einen Schild baut, um die Sonnenwinde abzuhalten? Wenn es Jahrhunderte bis Jahrtausende dauert, bis der Luftdruck am Boden von "mehr oder weniger Erdniveau" auf "unbewohnbar" sinkt, könnte man auf den Gedanken kommen, sich die Sache mit dem Magnetfeld erstmal zu sparen und das Problem den Leuten in ein paar hundert Jahren zu überlassen.


Nebenbei kam mir gerade der Gedanke, dass Projekte wie die Marslinse, oder generell Terraforming, nicht nur als ernst gemeintes Vorhaben im Setting vorkommen könnte, sondern auch als Betrugsmasche (in Form einer todsicher extrem lukrativen Investitionsmöglichkeit) oder als Luftschloss, mit dem Politiker auf Stimmenfang gehen. Auch im 23. Jahrhundert versteht sicher nicht jeder genug von Wissenschaft und Ingenieurwesen, um das direkt zu durchschauen.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #13 am: 23.06.2025 | 23:06 »
Ich gehe das gerade mal systematisch durch. Es gibt da auch ein Kurzgesagt-Video in dem sie ein Mars-Terraforming _sehr_ optimistisch für innerhalb von 1-200 Jahren für machbar halten. Da bin ich mir aber ziemlich sicher dass das nicht sauber durchgerechnet ist.

Der Magnetring und Lupe an L1 ist an dem ganzen Projekt dabei noch so ungefähr das handzahmste. Wie gesagt, das könnten sie in Redshift bereits umsetzen, wenn sie wollten; Technologie und Logistik sind vorhanden.

Aber dann kommt als nächster Schritt die Atmosphäre, und da kracht es dann schon ganz gewaltig im Gebälk:
Ein ganz fieser Punkt ist, dass wir auf dem Mars, obwohl er so viel kleiner ist, aufgrund seiner geringen Gravitation wesentlich MEHR Gas brauchen als die ganze Erdatmosphäre umfasst.
Selbst wenn wir uns auf der Oberfläche mit einem Sauerstoffpartialdruck von 0,1 bar zufrieden geben - das entspricht so etwa 5000m Höhe auf der Erde - und dann noch ca 0,1 bar Stickstoff hinzufügen wollen, würde sich diese Atmosphäre so weit nach oben ausdehnen, dass wir insgesamt jeweils ca 5,3 Billionen Tonnen Sauerstoff und Stickstoff (nochmal: jeweils!) benötigen. Das ist insgesamt doppelt soviel Masse wie die ganze Erdatmosphäre.
Bei dieser Berechnung ist schon einkalkuliert, dass wir eine Durchschnittstemperatur von 10°C statt -60° anstreben.

Nur den Sauerstoff können wir theoretisch in situ herstellen, den Stickstoff müssen wir so oder so importieren.

Aber damit fangen die schlechten Nachrichten erst so richtig an.
Um diesen Sauerstoff aus dem Eisenoxid auf dem Mars zu erzeugen, brauchen wir per Thermolyse 17,2MJ/kg O2. Das macht auf den Gesamtbedarf hochgerechnet: ca 9e25J, das ist wohl etwa der 150,000fache aktuelle (IRL) Jahresenergieverbrauch der Menschheit.
Um dieses Projekt innerhalb von 300 Jahren durchzuziehen, bräuchte man eine Dauerleistung von 10 Petawatt (10e15W).

Selbst mit Fusionsenergie hätten wir da einen Jahresbedarf von knapp 600.000 Tonnen Helium-3. Wiederum auf meinen aktuellen Redshift-Settingstand bezogen, entspricht das ungefähr dem 200fachen der Gesamt-Jahresausbeute von dem Stoff.

Alternativ könnte man überlegen, mit Solarenergie zu arbeiten. Träumen wir mal von PV-Modulen mit ~50% Wirkungsgrad (aktuell krabbeln wir allmählich auf 25% zu, aber man hat schon fast 50% im Labor geschafft). Da auf dem Marsorbit wie gesagt nur ca 590W/m² ankommen, brauchen wir dann ca 2m²/kWp; also insgesamt 20 Millionen Quadratkilometer an Solarzellen. Im Orbit aufgehängt wäre das ein Kreis mit 5000km Durchmesser; auf der Marsoberfläche quasi ein mehrere tausend km breiter Ring um den Äquator. Massenbedarf spare ich mir mal.
(Es ist übrigens genau diese Stelle, die in dem kurzgesagt-Video gehandwedelt wurde.)

Aufgrund der immensen Dimensionen wird das auch nicht wesentlich besser, wenn man sich ein, zwei Jahrhunderte länger Zeit lässt. Erst wenn man das Ganze über mehrere Jahrtausende ausdehnt, fangen die Zahlen an, plausibler auszusehen.

Ich hatte auch die Idee, statt per Thermolyse eher auf genmanipulierte Mikroorganismen zu gehen, die Eisenoxid fressen und Sauerstoff furzen, aber das hat erstens seine eigenen Probleme, zweitens hilft es uns zwar ganz enorm bei der Energie-Infrastruktur, würde aber dann wohl eher noch länger dauern.

Schwierig!

--> Momentan sieht es in der Tat eher so aus, dass solche Pläne eher wie von Chaos vorgeschlagen höchstens als Betrugsmaschen ihren Platz im Setting haben könnten.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #14 am: 23.06.2025 | 23:44 »
Ja, eine solche Linse müsste schon ordentlich groß sein, und wahrscheinlich auch näher am Mars dran, um die Sonnenwinde wirklich sinnvoll umzulenken. Das ist schon eine ziemliche Hausnummer (wobei auch eine "nur" L1-Linse vom Driften abzuhalten nicht trivial ist).
 
Zum einen: mir war tatsächlich neu, dass der Mars einen flüssigen Kern hat. Ich dachte, der Planet wäre komplett erstarrt, was auch der Grund wäre warum es keine aktiven Vulkane mehr gibt. Aber dem ist wohl tatsächlich nicht so.

Ja, diese Erkenntnis ist relativ neu (in Folge der 2018 durch die INSIGHT-Mission gewonnenen Daten), und einige Wissenschaftler sind sich auch nicht 100% sicher, ob im Flüssigkern nicht doch noch irgendetwas festes ist. Da hat man also (noch) etwas Spielraum.

Zitat
Kurz, auf dem Mars baut man Kuppeln oder Hallen, aus in-situ hergestellten Werkstoffen, v.a. Stahl und Glas (Eisen und Silikat liegt ja überall rum). Vielleicht hat man auch den einen oder anderen kleineren Asteroiden auf den Mars crashen lassen, um die Verfügbarkeit von zB Wasser und Stickstoff zu erhöhen. Befüllt werden die Bauwerke mit einer Atmosphäre aus CO2, Stickstoff, ein wenig Sauerstoff und Wasserdampf.

Oberirdische Gebäude sind, wie weiter oben schon ausgeführt, keine besonders gute Idee. Strahlung, Mikrometeoriten, da kann einfach zuviel schiefgehen (und ein relativ kleines Loch kann schon massive Probleme bereiten). Unterirdische Komplexe ("Mars-Vaults") mögen nicht so "sexy" auf Planungsunterlagen aussehen, sind aber auf Dauer deutlich lebensfähiger.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #15 am: Gestern um 01:00 »
Ja, eine solche Linse müsste schon ordentlich groß sein, und wahrscheinlich auch näher am Mars dran, um die Sonnenwinde wirklich sinnvoll umzulenken. Das ist schon eine ziemliche Hausnummer (wobei auch eine "nur" L1-Linse vom Driften abzuhalten nicht trivial ist).

Ich habe den Verdacht, ein L1-Magnetfeldgenerator wäre das einzig praktikable. Es gibt da auch eine NASA-Studie dazu. Wenn ich das richtig verstehe, würde schon ein 200km großer Supraleiter-Ring ausreichen, gefüttert mit Strom im Megaampere-Bereich, damit der Planet noch mit 23µT geschützt wird, was dem Erdmagnetfeld entspricht. Es wird quasi eine Schutzblase aufgebaut, die die Partikel um Mars herumleitet.

Eine Alternative oder evtl ergänzend dazu wären kleinere, areostationäre Generatoren (auf 17000km Höhe über Grund), die mit jeweils ca 100kA auskämen. Dieser Ansatz hat ein paar Vor- und Nachteile gegenüber dem L1-Plan.

Jeder dieser Ansätze ist aber sicherlich um einige Größenordnungen praktikabler als das Vorhaben, in den flüssigen Kern des Mars runterzubohren und dort das Material zu filtern oder sonstwie zu tun was man tun muss, damit sich dort ein "natürlicher" Elektromagnet bildet.

Zitat
Oberirdische Gebäude sind, wie weiter oben schon ausgeführt, keine besonders gute Idee. Strahlung, Mikrometeoriten, da kann einfach zuviel schiefgehen (und ein relativ kleines Loch kann schon massive Probleme bereiten). Unterirdische Komplexe ("Mars-Vaults") mögen nicht so "sexy" auf Planungsunterlagen aussehen, sind aber auf Dauer deutlich lebensfähiger.

Das mag prinzipiell richtig sein, aber das ist dann sicher auch deutlich teurer zu bauen. Wie gesagt, darum ist mein Ansatz, dass der Mars eher so ein Shithole ist, dessen Bewohner großteils als "expendable" gelten. Eben so in der Art Sträflingskolonie, auch wenn es mitnichten alles Sträflinge sein müssen -- es reicht wenn es einfach arme Schlucker sind, für die es auf der Erde keine Arbeit gibt und denen mit sexy Bildern von malerischen Kuppelstädten ein besseres Leben auf dem Mars vorgegaukelt wurde, damit sie freiwillig kommen. Für den Staat ein Win-Win; sie liegen ihm auf der Erde nicht mehr mit Sozialhilfe auf der Tasche, können auf dem Mars produktive Arbeit verrichten, und wenn sie in einem tragischen Unfall umkommen, naja, wo die herkommen gibt's noch mehr.

Wie dem auch sei:
Ja, vielleicht sind die eigentlichen Wohneinheiten trotzdem doch eher unterirdisch.
Und wie gesagt, die Partikelstrahlung kriegen wir ja ganz gut in den Griff.
Mikrometeoritentreffer in eine Kuppel sind auch nicht unbedingt der Weltuntergang: bei einem niedrigen Luftdruck im inneren dauert es lange, bis da durch ein kleines (!) Leck so viel entwichen ist, dass es gefährlich wird. Genug Zeit um zu reagieren. Denkbar ist auch, die Kuppeln mehrschichtig (Whipple-Prinzip) und mit Verbundglas zu bauen. Klar treibt das den Massenbedarf etwas hoch, und der PVB-Kleber für das Verbundglas muss importiert werden, bleibt aber alles im Rahmen.

« Letzte Änderung: Gestern um 01:02 von Feuersänger »
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #16 am: Gestern um 16:20 »
Das mag prinzipiell richtig sein, aber das ist dann sicher auch deutlich teurer zu bauen. Wie gesagt, darum ist mein Ansatz, dass der Mars eher so ein Shithole ist, dessen Bewohner großteils als "expendable" gelten. Eben so in der Art Sträflingskolonie, auch wenn es mitnichten alles Sträflinge sein müssen -- es reicht wenn es einfach arme Schlucker sind, für die es auf der Erde keine Arbeit gibt und denen mit sexy Bildern von malerischen Kuppelstädten ein besseres Leben auf dem Mars vorgegaukelt wurde, damit sie freiwillig kommen. Für den Staat ein Win-Win; sie liegen ihm auf der Erde nicht mehr mit Sozialhilfe auf der Tasche, können auf dem Mars produktive Arbeit verrichten, und wenn sie in einem tragischen Unfall umkommen, naja, wo die herkommen gibt's noch mehr.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass Gruppen, die weg wollen von der Erde, aber die Gewohnheit nicht aufgeben wollen, auf einem Planeten zu leben, auf den Mars ziehen - eben weil er relativ gesehen ein Shithole ist und dort deswegen nicht so ein furchtbares Gedränge herrscht, ohne dass man gleich vollkommen vom Rest der Menschheit isoliert ist.

Ich denke da an Religionsgemeinschaften (die Mormonen haben es ja einst vorgemacht), an Rassisten, die eine abgeschlossene Ethno-Gemeinschaft bilden wollen, oder an Gruppen wie Libertäre oder Kommunisten, die einfach nur ungestört ihr Ding praktizieren wollen.

Mars wäre (in der Wahrnehmung der restlichen Menschheit) ein Ort für Sträflinge, Verzweifelte, und Spinner.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #17 am: Gestern um 16:53 »
Was aber auch noch ganz spannend ist: auf Mars ist tatsächlich der CO2-Partialdruck höher als auf der Erde. Da lag ich also insofern falsch: man muss die Marsluft nicht verdichten, sondern womöglich sogar verdünnen. Keine Ahnung ob normale Pflanzen mit so einer hohen CO2-Konzentration zurechtkämen. (Gengineering wäre freilich eine Option.) So oder so brauchen Pflanzen ja aber auch Sauerstoff zum Atmen, um Gewächshäuser und künstliche Atmosphären kommt man halt doch nicht rum.

Was bringt der Partialdruck wenn der Gesammtdruck gering ist? Der liegt bei laut Wiki bei 6e-3Bar - das ist reichlich wenig das ist eigentlich schon grob-Vakuum. (was dann auch "lustig" ist wenn man gewisse Filme sich anschaut mit den gewaltigen Stürmen auf dem Mars,... die aber eben keine "Masse" hinter sich haben.) Stürme auf dem Mars machen zwar optisch was her aber ohne den Druck können die nur die kleinsten Staubteilchen bewegen.

In der Erdgeschichte gab es auch schonmal deutlich höhere Sauerstoffkonzentrationen - daraus resultiertzen wohl auch viele Waldbrände und daraus eine höhere Fluktuation des CO2,...
Einerlei - ohne Gewächhäusser wird man auf dem Mars nicht drumrum kommen. Nicht genug gravitation um eine dichtere Atmosphäre zu halten.

Mars bekommt zwar deutlich weniger Sonnenstrahlung ab aber dafür bekommt er alles davon ab. Kein Magnetfeld um die hochenergie abzufangen und keine dichte atmosphäre um den anderen krahm abzufangen - ist aber fast egal da man eh im Gewächshaus sachen anbauen muss.

Mir stellt sich eher die Frage ob die Sonnenstrahlung ausreicht um Pflanzen wachsen zu lassen oder ob ich eh mit künstlicher Beleuchtung arbeiten muss. Ich vermute stark lezteres.
« Letzte Änderung: Gestern um 17:02 von unicum »

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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #18 am: Gestern um 19:02 »
Ich denke da an Religionsgemeinschaften (die Mormonen haben es ja einst vorgemacht), an Rassisten, die eine abgeschlossene Ethno-Gemeinschaft bilden wollen, oder an Gruppen wie Libertäre oder Kommunisten, die einfach nur ungestört ihr Ding praktizieren wollen.

Mars wäre (in der Wahrnehmung der restlichen Menschheit) ein Ort für Sträflinge, Verzweifelte, und Spinner.

Immer müssen die Mormonen herhalten, war ja auch schon in Expanse so. xD

Anyway, ist halt die Frage wie plausibel das ist, selbst mit Spinner-Faktor.

Stichwort "furchtbares Gedränge" -- Stand heute gibt es riesige, gewaltige, quasi menschenleere Landflächen auf der Erde, etwa fast ganz Kanada, Sibirien, und die Präriestaaten der USA. Natürlich sind die klimatisch und infrastrukturell herausfordernd (oder "herausgefordert"), aber immer noch ungefähr um Faktor 100 angenehmer als Mars.

In 1-200 Jahren dürfte sich freilich klimatisch einiges verändert haben - Auftauen von Permafrostböden, Desertifikation, was weiss ich. Aber immer noch besser als Mars. Es ist freilich im Detail schwer vorauszusagen, vor allem wenn man keine Klimawissenschaften studiert hat.
Beispielsweise für den Verbleib der USA nur mal zwei denkbare Szenarien:
A) die USA brechen aufgrund gesellschaftlicher Scherkräfte auseinander, die Leute ziehen entsprechend ihrer politischen Präferenzen hin und her, es finden aber keine großen Netto-Migrationen statt. Die Präriestaaten werden sich selbst überlassen; hier bietet sich mehr als genug Landfläche für Rassisten, Libertäre und religiöse Spinner.
B) die Südstaaten werden aufgrund des Wet Bulb Effekts unbewohnbar, die Prärie kann aufgrund zunehmender Aridität keine Fluchtströme aufnehmen. Es gibt Migrationen Richtung Great Lakes und evtl Kanada. Doch auch hier ist die Prärie immer noch wohnlicher als Mars.

Zu den Libertären habe ich ja schon ein paar Takte gesagt. Mal ausführlicher:
Libertäre Ideale scheitern an der Materialität des Weltraums. Genau da ist der inhärente Widerspruch: Libertarismus basiert auf individueller Souveränität, aber Raumkolonien sind strukturell auf totale Interdependenz und zentralisierte Kontrolle angewiesen. Du kannst keine Luft privatisieren, wenn das Nichtbezahlen sofort den Tod bedeutet.

Denkbar wäre da mE höchstens eine Art "SpaceXodus" unter Federführung eines Unternehmens, wobei das eben ein reiner "Unternehmensstaat" wäre, und letztendlich die libertäre Grundidee vollumfänglich unterläuft, da auf dem Mars zwangsläufig jeder vollkommen von der Infrastruktur abhängig wäre. Es wäre also dann quasi Libertarismus für genau 1 Person, nämlich den in Nährflüssigkeit konservierten Kopf von Elmo Skum.

Es KANN natürlich sein, dass die ganzen Libertarier da halt einfach komplett geleimt werden. Lassen sich mit Versprechungen von einem libertären Utopia auf den Mars locken, und wenn sie dann da sind müssen sie feststellen, dass sie jetzt de facto Sklaven sind, und wer nicht spurt kriegt den Hahn abgedreht.
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« Antwort #19 am: Gestern um 20:00 »
Immer müssen die Mormonen herhalten, war ja auch schon in Expanse so. xD

Anyway, ist halt die Frage wie plausibel das ist, selbst mit Spinner-Faktor.

Die Unwirtlichkeit des Mars ist in der Sache ein Vorteil. Selbst die ungastlichste Ecke der Erde gehört immer noch zu den begehrenswertesten Ecken des ganzen Sonnensystems, und selbst die entlegendste Insel oder hinterste Ecke der (Ant-)Arktis ist für Eindringlinge oder Erdregierungen wesentlich einfacher zu erreichen als der Mars. Wer allein gelassen werden will, der sucht sich eine Ecke, für die sich möglichst niemand interessiert, und da passt der Mars noch eher als die Erde.

Zitat
Zu den Libertären habe ich ja schon ein paar Takte gesagt. Mal ausführlicher:
Libertäre Ideale scheitern an der Materialität des Weltraums. Genau da ist der inhärente Widerspruch: Libertarismus basiert auf individueller Souveränität, aber Raumkolonien sind strukturell auf totale Interdependenz und zentralisierte Kontrolle angewiesen. Du kannst keine Luft privatisieren, wenn das Nichtbezahlen sofort den Tod bedeutet.

Libertäre Ideale scheitern ja schon an den Realitäten auf der Erde. Zivilisation ist und bleibt ein Teamsport. Und doch, es gibt auf der Erde Libertarier.

Von daher kann man von der Tatsache, dass sie krachend scheitern würden, nicht automatisch darauf schließen, dass sie es nicht versuchen, vielleicht sogar mehrfach. Als ich noch mehr in den US-zentrischen Teilen des Internets unterwegs war, hatte ich öfter mit Libertären zu tun, einschließlich eines ihrer Kandidaten für eine Kongresswahl - und glaub mir, die sind echt so verblendet; einer von ihnen wollte mir weismachen, die Tragedy of the Commons sei nur dadurch zu vermeiden, dass der Staat sich vollkommen aus der Sache raushält, und ein anderer hat behauptet, der Bürgerkrieg sei damals ausgebrochen, weil die Sklavenbesitzer in den Südstaaten ihre Sklaven befreien wollten, die Bundesregierung das nicht zugelassen hat, und die Südstaaten deshalb ihre Unabhängigkeit erklären mussten.

Zitat
Denkbar wäre da mE höchstens eine Art "SpaceXodus" unter Federführung eines Unternehmens, wobei das eben ein reiner "Unternehmensstaat" wäre, und letztendlich die libertäre Grundidee vollumfänglich unterläuft, da auf dem Mars zwangsläufig jeder vollkommen von der Infrastruktur abhängig wäre. Es wäre also dann quasi Libertarismus für genau 1 Person, nämlich den in Nährflüssigkeit konservierten Kopf von Elmo Skum.

Es KANN natürlich sein, dass die ganzen Libertarier da halt einfach komplett geleimt werden. Lassen sich mit Versprechungen von einem libertären Utopia auf den Mars locken, und wenn sie dann da sind müssen sie feststellen, dass sie jetzt de facto Sklaven sind, und wer nicht spurt kriegt den Hahn abgedreht.

Das ist der andere mögliche Ausgang für diese Geschichte.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #20 am: Gestern um 22:52 »
Libertäre Ideale scheitern ja schon an den Realitäten auf der Erde. Zivilisation ist und bleibt ein Teamsport. Und doch, es gibt auf der Erde Libertarier.

Jop, weil sie auf der Erde damit durchkommen, wenn sie sich selbst in die Tasche lügen. Du hast ja schon ein paar Bespiele genannt, die auch zu meinen Erfahrungen passen. Und die allerwenigsten schaffen es auch in den USA, so komplett ohne jegliche öffentliche Infrastruktur zurechtzukommen - keine Straßen etc, um nur ein Beispiel zu nennen.

In Bezug auf SF muss ich da immer an den Webcomic "Escape from Terra" denken, der ein rein libertäres Propagandagarn ist. Und viele der Talking Points die da demonstriert werden sollen, sind wirklich einfach nur zum Fremdschämen.

Nebenbei, ich gucke ja gerade die Fallout Serie, und da ist es schon witzig: dafür, dass die ganze Vault-Strategie aus amerikanischem Konzernkapitalismus und Commie-Scare entstanden ist, ist die Vault-Gesellschaft nahezu perfekt kommunistisch. So eine Lebenslüge muss man erstmal hinkriegen. Also ja, vielleicht denkbar dass sich sowas ähnliches auch etwa auf dem Mars etablieren kann.
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Re: [Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion
« Antwort #21 am: Heute um 01:24 »
Nebenbei, ich gucke ja gerade die Fallout Serie, und da ist es schon witzig: dafür, dass die ganze Vault-Strategie aus amerikanischem Konzernkapitalismus und Commie-Scare entstanden ist, ist die Vault-Gesellschaft nahezu perfekt kommunistisch. So eine Lebenslüge muss man erstmal hinkriegen. Also ja, vielleicht denkbar dass sich sowas ähnliches auch etwa auf dem Mars etablieren kann.
Ach, jemand der es schafft jahrzehntelang "oh mein Gott, das Defizit, DAS DEFIZIT!" zu schreien, aber wenn König Donald I. daherkommt und die Staatschulden auf das Vierfache ausblasen will, damit plötzlich überhaupt kein Problem mehr hat, der bekommt sowas auch hin.

Die Frage ist halt, ob das "Marsprojekt" finanziell echt funktioniert und man am Ende (unbewusst) nicht doch mehr reinsteckt, als man rausbekommt (oder das ganze effektiv ein Nullsummenspiel bleibt). Anderseits sind auch die großen Libertären von heute ja schon ziemlich gut darin, sich auch bei sowas selbst zu belügen und immer dem nächsten großen Hype nachzurennen (erst die Dotcom bubble, dann Crypto und das Metaverse, jetzt KI...).
« Letzte Änderung: Heute um 01:36 von Galatea »
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« Antwort #22 am: Heute um 16:23 »
Jop, weil sie auf der Erde damit durchkommen, wenn sie sich selbst in die Tasche lügen. Du hast ja schon ein paar Bespiele genannt, die auch zu meinen Erfahrungen passen. Und die allerwenigsten schaffen es auch in den USA, so komplett ohne jegliche öffentliche Infrastruktur zurechtzukommen - keine Straßen etc, um nur ein Beispiel zu nennen.

In Bezug auf SF muss ich da immer an den Webcomic "Escape from Terra" denken, der ein rein libertäres Propagandagarn ist. Und viele der Talking Points die da demonstriert werden sollen, sind wirklich einfach nur zum Fremdschämen.

Mir kam gerade der Gedanke, dass der Mars sich wunderbar als Abenteuerschauplatz eignet, wenn man mal festen Boden unter den Füßen haben will.

Entweder, die Charaktere werden angeheuert, um jemanden aus einer dieser "freiwilligen" Arbeitskolonien herauszuholen. Oder sie finden sich (nachdem sie besoffen etwas unterschrieben haben, oder ihre Unterschrift gleich ganz gefälscht wurde, oder sie einfach verzweifelt genug waren) selbst in so einem Loch wieder, und müssen entkommen.

Gerade Letzteres wäre auch ein möglicher Kampagneneinstieg.

Zitat
Nebenbei, ich gucke ja gerade die Fallout Serie, und da ist es schon witzig: dafür, dass die ganze Vault-Strategie aus amerikanischem Konzernkapitalismus und Commie-Scare entstanden ist, ist die Vault-Gesellschaft nahezu perfekt kommunistisch. So eine Lebenslüge muss man erstmal hinkriegen. Also ja, vielleicht denkbar dass sich sowas ähnliches auch etwa auf dem Mars etablieren kann.

Kommunismus in relativ überschaubarem Rahmen und mit rein freiwilliger Teilnahme könnte sogar ganz gut funktionieren - gerade in einer lebensfeindlichen Umgebung, wo man sowieso schon extrem aufeinander angewiesen ist und kooperativ sein muss. Und auf dem Mars fiele noch der Aspekt des (empfundenen oder tatsächlichen) Wettkampfs um Leben und Tod gegen den Kapitalismus weitgehend weg.
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