Autor Thema: [Erklärt mir] wie weit Ihr geht, wenn Ihr "böse" SC spielt oder leitet  (Gelesen 1106 mal)

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Offline Zed

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Ich habe den Reiz, böse Gruppen zu spielen oder zu spielleiten, nie verstanden.

Ich brauche keine durchgehend ritterlichen Held:innen, wirklich nicht, aber als Grundkonsens möchte ich mit SCs spielen, die sich bemühen, die Kampagnenwelt etwas besser zu machen. Darüber hinaus können die Figuren auch gierig, nachtragend und maßvoll gewalttätig - vielschichtig - sein.

Ich spreche hier also nicht von moralisch ambivalenten Figuren, die finde ich klasse.

Gehen aber manche so weit, Serienkiller, Sklavenhalter, Kriegsverbrecher oder Vergewaltiger zu spielen?

Was ist Euer Extrem und wie erklärt Ihr den Spielspaß dabei?

Edit: Als Spielleitung muss ich ab und zu böse Figuren spielen, aber ich spiele ihr Vorgehen nur soweit aus, wie für Antagonist:innen nötig. (Vergewaltiger würden bei mir gar nicht vorkommen.)

Offline Feuersänger

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Als Spieler geht es mir ähnlich wie dir, mir fehlt einfach schon das grundsätzliche Verständnis, warum man einen Bösewicht spielen wollen würde.
Bisherige Anläufe, eine "Böse Kampagne" zu spielen, verliefen regelmäßig nach wenigen Sitzungen im Sande, weil ich für meinen Charakter einfach keine Motivation finden konnte.
Das Äußerste, was mal geklappt hat, sind so absolut zynische harte Hunde, für die ein guter Zweck auch böse Mittel heiligt. Aber selbst da habe ich dann schon teilweise Bauchschmerzen, wenn zB ein frisch verhörter Gefangener nicht verschont, schon gar nicht freigelassen, aber nichtmal mit einem Gnadenstoß erledigt wird, sondern zB gefesselt in einen See geschmissen wird um ihn zu entsorgen.

Wie dem auch sei:
wenn man als SL eine eigene Kampagne bauen und leiten will, muss man sich ja wahrscheinlich auch mit der Thematik auseinandersetzen. Es sei denn, man kommt komplett ohne Bösewichter aus, aber das ist dann wohl eher keine klassische Fantasykampagne. Kann es ja auch geben, wenn man sich beispielsweise gegen Naturgewalten behaupten muss oder dergleichen. Aber sei's drum. Jedenfalls möchte ich auch im Fantasy-RPG keinen comicartigen Oberfiesling, der sich mit Gnihihi die Hände reibt und Bosheiten um der Bosheit Willen ausheckt. Umgekehrt langweilen mich aber auch ach-so-aufgeklärte "Der ist nicht böse, nur missverstanden" Ansätze, die im heutigen Zeitgeist so modern sind. Sprich, auch für böse NSCs fällt es mir oft nicht leicht, eine nachvollziehbare Motivation zu finden.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline gilborn

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Ich hätte folgendes Anzubieten:
  • Shadowrun: Bikergang, die krasse Rassisten gegenüber Metas sind. Was gefällt mir daran? Der Charakter ist ziemlich dumm, Alkoholiker und ein Loser. Ich wolle mit ihm einen unkontrollierten Niedergang erleben (der Charakter muss einem dabei nicht so Leid tun wie ein guter Charakter) sowie menschliche Abgründe ausloten.
  • Warhammer 40k: Geschichte eines Soldaten auf seinem Weg zum Nurglekult; wollte von einem zerstörten Planeten den Samen lebendiger Inseln retten. Spaß daran: Sehen wie der Charakter immer weiter korrumpiert.
  • Warhammer 40k, die zweite: Geschichte eines Psionikers der frei von Moral zu Macht strebt. Spaß daran: Moralbefreit nach Lösungen suchen.

Alle Charaktere sind aber nicht frei von Ambivalenz - Ohne diese könnte man ja gleich Mörderhobos spielen und dazu brauche ich keine "böse" Gruppe  ~;D

Wichtig ist für mich, dass sie von Start weg eine Motivation haben.

Offline Skaeg

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Schwierig. Ich spiele zur Zeit zum ersten Mal in einer längeren Kampagne VtM, und obwohl die Option, absolute Monster zu spielen, durchaus gegeben ist, versuche ich da eher gegenzusteuern. Aber natürlich sind Vampire von ihrem Verhalten her schon fast per Definition böse.

Aber das Beispiel zeigt vielleicht: Die Maßstäbe der Kampagnenwelt spielen eine Rolle. Wenn ich in einem anderen Beispiel eine Kampagne in einer Fantasyversion des alten Rom spiele, ist Sklaverei da halt ein gängiger Teil der gesellschaftlichen Hierarchie, und zwar nicht nur bei den Römern. Wenn ich Wikinger spiele, sind Kriegsverbrechen im heutigen Sinne ebenso alltäglich (bei den Römern ehrlich gesagt auch).

Es gibt natürlich ein paar Dinge, die mMn universell verwerflich sind. Allgemein: Wehrlosen aus Spaß oder zum Lustgewinn Leid zuzufügen - sowas machen meine SC nie, weil auch bei recht fremdartigen SC immer ein Stück Identifikation dabei ist und ich mich mit sowas nicht identifizieren mag.
Rache an Personen, die einem selber oder anderen solches Leid zugefügt haben, ist grenzwertig; ebenso wie Gewalt aus Gründen der Ehre. Kommt auf die Hintergrundwelt und den Charakter an.

Bei NSC habe ich kein Problem. Solide Kenntnis der Geschichte oder leider auch der Gegenwart geben mehr als genug Beispiele, zu welchen Abscheulichkeiten Menschen im Dienste einer "Sache", aus Gier, aus Neid, aus Hass auf andere oder tatsächlich auch einfach aus Spaß an Grausamkeit fähig sind. Da ist die Frage eher, was man direkt ausspricht, und was nur angedeutet wird.
The Lord does not stand with those who are b*tch-like!

Offline nobody@home

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"Böse" ist natürlich immer etwas relativ. ;) Generell habe ich aber schon meine eigenen Grenzen -- ich könnte mir in einem passenden Setting, in dem das einfach gesellschaftlich akzeptiert und "normal" wäre, also beispielsweise vorstellen, einen Sklavenbesitzer zu spielen, aber keinen gewohnheitsmäßigen Sklavenmißhandler. Ähnlich könnte ich wohl mit einem zunächst mal stramm linientreuen Nazicharakter zumindest anfangen, allerdings würde der sich bei gegebenen Anlässen schnell in der Zwickmühle zwischen seiner Indoktrination und seinem immer noch vorhandenen Gewissen wiederfinden; der Reiz wäre also in diesem Fall (eventuell auch beiden) die Aussicht auf gerade diese Art von zukünftiger Entwicklung.

Vergewaltiger ist nicht, weil zu nah am richtigen Leben und auch als Konzept einfach nicht attraktiv. Ein Kriegsverbrecher oder Serienkiller könnte vielleicht als tragische Figur durchgehen, die sich ihrer Taten schämt (gerade im Krieg und unter genügend Streß trifft man schnell mal Entscheidungen, die man sich hinterher selbst nicht mehr verzeiht, und Serienmörder sind klassisch-stereotyperweise ja nicht unbedingt Leute, die einfach aufhören können), aber wie lange das mein Interesse halten könnte, habe ich bis dato noch nie ausprobiert.

Insgesamt würde ich Spielercharaktere, bei denen ich das Problempotential schon von vornherein sehen kann, allermindestens mit dem Rest der Gruppe offen abklären wollen. Und "komplette Monster" ganz ohne Gewissen und so sind schlicht höchstens mal als NSC akzeptabel, mit denen die Spieler und ihre Charaktere dann entsprechend Knatsch haben werden -- und selbst da würde ich solche, bei denen ich mir leicht denken kann, daß der eine oder andere Spieler grün im Gesicht wird, als SL noch "entschärfen" oder gleich ganz streichen.

Offline Alexandro

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Ich spiele solche Charaktere fast ausschließlich in Spielen mit weitreichenden Erzählrechten auf Spielendenseite (z.B. "El Jefé" bei "Pasión de las Pasiones"), wo ich den Niedergang der Figur einigermaßen kontrollieren kann. Ich möchte nicht, dass die Figur aufgrund "guter" Würfe mit ihrem Verhalten durchkommt, das würde sich für mich nicht befriedigend anfühlen.

In klassischen Systemen spiele ich bestenfalls Charaktere mit dunklen Seiten (bzw. Entscheidungskonflikten zwischen moralischem und pragmatischen Handeln), keine Charaktere die das Ziel haben abartige Sachen auszuleben.
Ohne Dramaturgie gibt es kein Drama.

Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Aedin Madasohn

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was nicht geht: Vampire, Blutkultisten und Paktierer

das härsteste, was mir gespielt haben: eine Mafiakampagne in der classic-Variante von Shadowrun/ADL

eine Gruppe ausgemusterter MET2K Söldner (keine Glitzer-SEAL-Söldner) sondern...Söldner
wollten nicht mehr die Stiefelabtreter sein für den Rest, sondern selbst groß rauskommen.
haben sich für die Seite RheinRuhr-Mafia entschieden und dementsprechend ihre Konfrontation mit der Vory.
endete in einem militärisch organisierten Unterweltkrieg (Goldie wollte es so, also die SL, also der Spannungsbogen, ach ihr wisst schon), welcher die ganze ADL erschütterte.

Offline Gondalf

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Hier, da konnte man damals Dämonen spielen. Die Engel kamen mir zum Teil durch deren totale Kompromisslosigkeit auch nicht besser vor.

https://de.wikipedia.org/wiki/In_Nomine_Satanis/Magna_Veritas

Ja, warum spielt man das? Ist fast 30 Jahre her, damals fanden das viele lustig.
Ich kann jetzt gar nicht viele coole Szenen erinnern und mit einigen Leuten kann sowas auch sehr nervig werden.
„Mir grinst die Sonne aus jeder Ritze - ich könnte Konfetti kotzen“

- Bernd Stromberg -

Offline Megan

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Ich hab mal eine RAF-Terroristin gespielt.
Es hat in dem Sinne keinen Spaß gemacht aber es war eine sehr interessante, intensive und gute Runde, bei der wir uns am Rande menschlicher Abgründe herumgetrieben haben.
Ich hab mitgemacht, weil ich großes Fangirl von Vash bin und ich bereue es nicht, brauche sowas aber auch nicht nochmal.
Am Ende hab ich meinem Charakter einen einsamen Krebstod verpasst. Immerhin.

Offline Edgar Allan Poe

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Wir haben bei Warhammer mal Dunkelelfen gespielt, die an der Küste der Alten Welt gestrandet sind und einen Weg nach Hause gesucht haben. Das war durchaus spannend. Man hatte eine gemeinsame Motivation und musste sich etwas bedeckt halten, damit man als "Hochelf" oder "Waldelf" durchging ...
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Offline Yney

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Als Spielercharakter jemanden zu spielen, der böse (im fantasy Sinne BÖSE) ist, zu spielen, ist mir auch unverständlich, Zed. Eine Figur, die durch ihre Lebensumstände gezwungen war (oder sich dazu genötigt fühlte), das Gesetz zu brechen, das kann einen Hintergrund ergeben, aus dem sich interssante Konstellationen ergeben können. Aber dann hoffe ich auf einen Weg aus diesem Verhalten heraus und nicht in es hinein oder gar eine sadistische, psychopatische, gemeine … Ader.
Selbst bei Computerspielen, die die Option bieten und selbst wenn das spannende Geschichten gäbe ist es überhaupt nicht meins, die böse Seite auszutesten.

Als Antagonisten, die den Spielern begegnen gibt es durchaus Hinterlist, und Bösartigkeit. Von Spielern, die bei mir spielen würde ich aber auch erwarten, dass sie klar die Tendenz zeigen, die Welt eher besser machen zu wollen, als sie auszubeuten, wo auch immer das geht.

Früher hießen die Spielerfiguren ja auch fast immer „Helden“ das habe ich wohl verinnerlicht.

Offline Runenstahl

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Mir ist wichtig das die Gruppe an einem Strang zieht. Wenn sich aus dem Spiel heraus ein gruppeninterner Konflikt ergibt ist das okay, aber das sollte nicht absichtlich herbeigeführt werden indem man von anfang an unkompatible Charaktere ins Spiel bringt.

Ich selbst habe kein Problem damit Murderhobos zu spielen solange das ins Konzept und zur Gruppe paßt. Das kommt also nur selten vor. Wir hatten mal eine Star Wars Kampagne in der wir alle Sith spielen mit dem Ziel die Herrschaft über das Universum an uns zu reißen. Da waren wir aber auch nicht willkürlich "böse" sondern haben gezielt agiert um unsere Ziele zu erreichen nur das uns die Wahl der Mittel meist relativ egal war. Zumindest solange es keine Zeugen gab... in der Öffentlichkeit waren wir die "Neuen Sith" die versuchen gutes zu tun Waisenhäuser finanzieren und böse Kriminelle dort bekämpfen wo sich der Jediorden nicht einmischen mag.

Bei Dungeon World habe ich dann mal einen echt bösen Charakter in einer guten Gruppe gespielt (gibt Extra XP wenn man Unschuldige tötet). Mein Vorbild dabei war Amos aus "Expanse". Mein Charakter hatte keinen moralischen Kompaß und das war ihm bewußt also hat er sich an den Priester der Gruppe gehängt und auf dessen Vorschläge gehört. Im Endeffekt hat er somit kaum die Gelegenheit gehabt wirklich was auszurichten aber ich konnte ihn trotzdem schön ausspielen und die Gruppe wußte das sie in ihm ein Monster haben das sie bei Gelegenheit entfesseln konnten.

Auf Charaktere die Serienkiller oder Vergewaltiger sind hätte ich als Spieler auch keine Lust.
Als SL spiele ich durchaus mal Sklavenhalter oder Serienkiller und überhaupt böse Typen.
"Reading is for morons who can't understand pictures"
   Gareth (aus der Serie "Galavant")

Offline Edgar Allan Poe

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Das Extremste war, dass Eure Dunkelelfen sich als Waldelfen ausgegeben haben?  ;D

Ne ... da gab es schon hinterlistigen Mord. Aber ... nicht so übermäßig. Weil sie mussten ja aufpassen ;)
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Offline Raven Nash

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Grundsätzlich muss man wohl mal erkennen, dass man sich auch gerne mal in die Tasche lügt.
Der Dieb ist ein Krimineller. Punkt.
Der Assassine ist ein Auftragsmörder. Punkt.
Jeder Söldner wird dafür bezahlt, Leute zu töten. Das ist sein Beruf.

D.h. selbst die angeblichen "Helden" sind nüchtern betrachtet nicht unbedingt das, was man im christlich-moralischen Sinn als "Gut" definieren würde. Ich halte von dieser Dualität ohnehin nichts, aber das ist wohl ein anderes Thema.

Als SL zeige ich das "Böse" auch durchaus plakativ-realistisch. Wenn man gewaltbereite Kerle die nichts zu verlieren haben, auf ein Dorf sog. "Ausgestoßener" loslässt - mit dem ausdrücklichen Befehl "alle töten" - ist das kein "ab 12" Programm. Ich neige aber auch eindeutig dazu, das "Böse" in Menschen ebenso hart darzustellen wie das von "Monstern". Liegt wohl an meiner "Fantasy-Sozialisierung" über Autoren wie Gemmell und Feist.
Damit werden die SCs aber auch deutlicher zu "Helden", selbst wenn nicht alle ihre Entscheidungen moralisch einwandfrei sind.
Aktiv: Dragonbane
Vergangene: Runequest, Cthulhu, Ubiquity, FFG StarWars, The One Ring, 5e, SotDL, LevelUp! A5e, Vaesen
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Offline Boba Fett

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Grundsätzlich: "böse" Charaktere spiele ich inzwischen nicht mehr.
Als Spielleiter hab ich aber natürlich "NPC", deren moralische Bewertung man als "böse" werten kann.

Gut und Böse sind mir zu plakativ.

"Böse" ist das "Monster", dass Zerstörung als Motivation an sich hat. Das Monster mag auch intelligent vorgehen, hat aber keine Motivation, warum es zerstört.
Der unstillbare Hunger der Vernichtung sozusagen. Monster sind aber keine Bestandteile einer zivilen Gesellschaft, die lauern eher in der Wildnis.

Wenn es um Personen geht, die "böses" tun, dann haben diese immer ein Ziel und die Tat ist nur Mittel zum Zweck, um ihrem Ziel näher zu kommen.
Und bei mir definiert sich dann "gut" und "böse" über die Frage, was jemand bereit ist, zu tun, um seine Ziele zu verfolgen.
Welche Mittel und Methoden sind gerechtfertigt...
Und da haben meine Antagonisten einen niedrigen Moralethos. Und handeln entsprechend konsequent danach.

Wie weit das gehen darf - wir haben Lines & Veils.

Zu einer Gruppe mit bösen Charakteren habe ich als Spielleiter überhaupt keine Motivation - mir sind oft genug die Methoden meiner guten Charaktere schon zu fragwürdig.
Ich würde mir mal wünschen, mal nur moralisch integre Charaktere in der Runde zu haben. Und das muss noch nicht mal "a bunch of paladins" sein.
« Letzte Änderung: Gestern um 09:27 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline gilborn

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Was auf jeden Fall meine Grenze ist: Grausamkeit um der Grausamkeit willen, sprich: Sadismus (vermutlich sogar schon ihr kleiner Bruder Schadenfreude)

Offline Arldwulf

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Das interessante an bösen Charakteren ist, das es einfach ist eine Motivation aus ihnen selbst heraus zu gestalten.

Spielt man eine gute Gruppe, so geht es oft darum die Taten und Pläne der Bösen zu verhindern. Beschütze das Dorf, bring die entführten Leute zurück, kläre den Mord auf.

Spielt man die Gegenseite so wandelt sich die Spielweise zu einem wesentlich aktiveren, aus einer Eigenmotivation heraus entstehenden Spiel.

Und das ist ein wesentlicher Punkt, weil man diese Spielweise als Spieler und Spielleiter auch anspielen und fördern muss in solchen Runden und weil das finden einer gruppenkompatiblen Eigenmotivation viel wichtiger wird.

Auch auf das Belohnungssystem muss man achtgeben, es ist für böse Charaktere viel wichtiger zu sehen wie sie voran kommen, denn was sie tun tun sie ja nicht um rauszufinden wer das Land bedroht sondern um es selbst zu bedrohen. Wo bei Kampagnen um die "guten" herum sich das Böse im Hintergrund aufbaut muss man in Kampagnen um die Bösen sehr viel direkter diese Fortschritte zeigen.

Und an der Stelle kommt man halt tatsächlich zur Ausgangsfrage: Wie weit geht es? Letztlich durchaus zu Sklavenhaltung, Mord und dem beschwören übler Mächte, Entführung, Entweihung und Brandstiftung. Meine Bösewichte tun in Kampagnen die aus dem Blickwinkel der guten erzählt werden das gleiche wie in Kampagnen aus Perspektive der Bösen. Es ändert sich wen man spielt. Und wie sehr man zeigt was den bösen ihre bösen Taten bringen.

Aber das gilt natürlich auch für den Splattergrad der Geschichte und der Frage wie sehr man Dinge explizit beschreibt. Es fließt also in "bösen" Kampagnen nicht automatisch mehr Blut, der Unterschied ist eher in Motivation und Kampagnengestaltung zu finden.
« Letzte Änderung: Gestern um 08:43 von Arldwulf »

Offline Weltengeist

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Ich bin absolut in der Kategorie "mimimi".

Als Spieler spiele ich eigentlich überhaupt keine "bösen" Charaktere, maximal graue. Echtes "Böse" gibt mir nicht nur nichts, sondern es stört mich auch, wenn andere so spielen. Meine persönliche Grenze ziemlich läuft genau dort, wo ich merke, dass jemand Spaß daran hat so zu tun, als würde er andere (wenn auch ausgedachte) Geschöpfe quälen, egal ob körperlich oder seelisch. Mit zusammengebissenen Zähnen ertrage ich das temporär, aber wenn ich merke, dass dieses Verhalten nicht Teil eines Entwicklungsprozesses, sondern dauerhaft so vorgesehen ist, bin ich raus.

Als Spielleiter bleibt mir natürlich nicht erspart, wirklich böse Charaktere zu spielen. Wenn es über das im Rollenspiel Übliche hinausgeht, bevorzuge ich es da aber, mit Andeutungen zu arbeiten.

Allgemein plädiere ich stark dafür, dass genau diese Frage eine ist, die man in der Session 0 seiner Runde mit allen Mitspielern abklären sollte.
On Probation.

Offline Maarzan

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Bliebe tatsächlich die Frage, ab wann ist man "böse"? Da gibt es ja auch verschiedenste Abstufungen.
Und ich denke nahe verwandt ist die Frage, ab wann ist man "wahnsinnig" ?

Meine einzig dediziert böse Figur glaubt, daß Leute, mit denen sie eine soziale Beziehung haben "ihr gehören". Es gibt keine Vorstellung oder eher Verständnis dafür daß diese Leute eigenständige, ihr auch entgegen laufende Interessen und Entscheidungen haben.
Entsprechend scharf und rücksichtslos fallen da Reaktionen aus, wenn die Figur "enttäuscht" wurde.
Auf der anderen Seite ist sie aber auch sehr fürsorglich und generös gegenüber den Leuten, die ihr "gehören" oder anderweitig ihr Interesse geweckt haben und es an dem ersten paranoiden Skepsismelder vorbei geschafft haben. 
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Prisma

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Böse ist relativ. Wenn das Abenteuer in Adelskreisen oder im Konzernwolkenkratzer spielt ist das eine andere Art von böse als wenn es in der Gosse oder auf der Straße stattfindet. Meistens richte ich mich da nach dem Setting. Spiele ich Dark Sun ist Sklaverei Teil des Alltags. Spiele ich Cyberpunk ist Ausbeutung gegeben, wenn auch durch Corporate-PR schön sichtbar überkleistert. Spiele ich 40K ist alles möglich.   
Mit einem 7er-Set, stehen ganze Universen offen.

Offline Wonko

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Finde es teilweise ja schon ein bisschen beängstigend, wie hier relativiert wird. Eine Person, die ihre eigenen Ziele verfolgt und dabei das Leiden anderer in Kauf nimmt, ist böse. Das ist keine Meinung, das ist die Definition (minus ein paar komplizierte Randfälle).

Als Spielleiter ist es meine Aufgabe, böse Charaktere zu spielen. Ich fand es schon davor interessant, mal die "andere Seite" zu spielen. Halte ich einfach nur logische Konsequenz und Neugier. Damals (tm) war die Welt meist noch etwas einfacher, die heldenhaften Do-Gooder auf der einen Seite und ... tja, wer sind eigentlich die Typen auf der anderen Seite? Ich glaube, das hat letztlich meine Charaktere, die ich heute spiele, bereichert, die eben nicht immer nur die Helden in glänzender Rüstung sind.

Man sagt, dass die meisten "bösen" Kampagnen zum Scheitern verurteilt sind, weil sich die Gruppe irgendwann selbst zerfleischt. Inzwischen glaube ich, dass einfach die meisten Kampagnen zum Scheitern verurteilt sind ... >;D ::)

Offline nobody@home

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"Böse" ist das "Monster", dass Zerstörung als Motivation an sich hat. Das Monster mag auch intelligent vorgehen, hat aber keine Motivation, warum es zerstört.
Der unstillbare Hunger der Vernichtung sozusagen. Monster sind aber keine Bestandteile einer zivilen Gesellschaft, die lauern eher in der Wildnis.

Und selbst das ist mir persönlich schon ein Stück weit zu propagandistisch, denn in der realen (und daraus abgeleitet auch einer halbwegs "realistischen" Wildnis) gibt's ja diese Art des "Bösen" ebenfalls nicht. Tiere jagen aus Hunger oder fühlen sich bedroht und teilen aus, Pflanzen wachsen, so gut sie können, weil die Alternative auch für sie der Tod wäre...das einzige, was wirklich "unmotiviert" zerstört, sind Naturgewalten wie Feuer, Sturm, Überschwemmung und dergleichen mehr, und die sind schon wieder viel zu groß und unpersönlich, um sie ernsthaft als "Monster" zu betiteln.

Wenn überhaupt, dann gibt's die "richtigen Monster" tatsächlich eher in der Zivilisation, weil ihr tägliches Überleben dort besser gesichert ist und sie somit mehr Zeit und Spielraum für entsprechend monströse Impulse und Verhaltensweisen haben. Aber auch die muß ich halt nicht spielen.

Offline Zed

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Grundsätzlich muss man wohl mal erkennen, dass man sich auch gerne mal in die Tasche lügt.
Der Dieb ist ein Krimineller. Punkt.
Der Assassine ist ein Auftragsmörder. Punkt.
Jeder Söldner wird dafür bezahlt, Leute zu töten. Das ist sein Beruf.

D.h. selbst die angeblichen "Helden" sind nüchtern betrachtet nicht unbedingt das, was man im christlich-moralischen Sinn als "Gut" definieren würde. Ich halte von dieser Dualität ohnehin nichts, aber das ist wohl ein anderes Thema.

Als SL zeige ich das "Böse" auch durchaus plakativ-realistisch. Wenn man gewaltbereite Kerle die nichts zu verlieren haben, auf ein Dorf sog. "Ausgestoßener" loslässt - mit dem ausdrücklichen Befehl "alle töten" - ist das kein "ab 12" Programm. Ich neige aber auch eindeutig dazu, das "Böse" in Menschen ebenso hart darzustellen wie das von "Monstern". Liegt wohl an meiner "Fantasy-Sozialisierung" über Autoren wie Gemmell und Feist.
Damit werden die SCs aber auch deutlicher zu "Helden", selbst wenn nicht alle ihre Entscheidungen moralisch einwandfrei sind.

Feuersänger hat oben schon differenziert, dass es das Prinzip „Böses tun für den guten Zweck“ gibt.

Die Rebellen / Freiheitskämpfenden im Star Wars Universum agieren nur beinahe wie Terroristen.

Die Grenze zu echten Terroristen bzw „Bösen“ ist für mich, ob ihre „Terrorattacken“ Selbstzweck sind und/oder wie die Zivilbevölkerung mitgedacht wird:

Sie attackieren zuerst immer den militärischen Arm des eindeutig bösen, unterdrückerischen Imperiums. Nie kämen sie auf die Idee, Zivilbevölkerung zu terrorisieren - das ist dem Imperium vorbehalten. Darum sind die Protagonist:innen im Star Wars Universum  k e i n e  Terrorist:innen.

Bei der Darstellung der NSCs sind wir auf einer Linie, nobody.

Offline Arldwulf

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Wahrscheinlich ist es sinnvoller davon zu sprechen "Was ist der Reiz daran den Antagonisten zu spielen?" denn die "was ist böse" Diskussion gibt es ja schon zur Genüge und die Feinheiten moralischer Dilemma sind auch schon zur Genüge breit gewälzt.

Trotzdem unterscheiden sich die Geschichte des Protagonisten und dessen Gegenspieler ja nicht nur moralisch, sondern auch in ihrer Erzählweise und Struktur.

Und darüber kann man eigentlich rollenspielerisch viel generieren, alles was man dafür tun muss ist es sich ein Abenteuer der guten nehmen und zu überlegen "wie sähe dies aus Perspektive des Bösewichtes aus?"
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