Autor Thema: Char-Gen mit Lifepath - Warum so unbeliebt? (Traveller, STA & andere RPGs)  (Gelesen 860 mal)

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Offline nobody@home

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Mal eine Verständnisfrage... Wird hier "Lifepath" mit "ich würfle was mir zu Zeitpunkt X passiert ist" gleichgesetzt?

Die Charaktererschaffung in A5E ist ein Lifepath.
Heritage gibt die "angeborenen" Sachen des Charakters ("Nature")
Culture gibt die "antrainierten" Fähigkeiten dort wo er aufgewachsen ist ("Nurture")
Background war der Beruf vor der Abenteuer-Tätigkeit
Und dann erst fängt die Stufe 1 der (ersten) Klasse an.

Nichts davon ist zufällig, alles ist Spieler-Wahl aber schon bevor "der Abenteurer" zu dem wird was er ist (sprich: die Klasse wählt) hat man schonmal einen Charakter mit einer ziemlich variablen Vorgeschichte.

Ich denke, als "Lifepath" zählt erst, was tatsächlich die Charakter-Vorgeschichte in einzelne zeitliche Abschnitte unterteilt durchläuft, wie es die Beispiele Traveller und Star Trek Adventures nun mal tun. Ob es dann dazu auch nötig ist, für jeden dieser Abschnitte auch fest vordefinierte Zufalls- oder Auswahloptionen zu haben, oder ob es auch noch ein Lifepath ist, wenn man die Reihenfolge einfach nur abfährt und dabei mehr oder weniger wild selbst fabulieren darf...darüber könnte man ggf. noch mal gesondert diskutieren, das erstere Vorgehen scheint mir aber dem "klassischen" Fall zu entsprechen.

Ein Grenzfall scheint mir da beispielsweise die Charaktererschaffung in Spirit of the Century zu sein (aus der sich dann in späteren Fate-Versionen das merklich verschlankte Phasentrio entwickelt): eine Phase Jugend, eine Phase erster Weltkrieg, eine Phase "erster eigener (Pulp-)Roman", und zwei Phasen "Gastrolle im Roman jeweils eines anderen SC". Ein gewisser Zeitverlauf steckt da also auf jeden Fall mit drin, und jede Phase sollte in zwei Aspekten resultieren, wir haben also auch wenigstens ein Stück regelmechanische Auswirkung...aber vorgegeben ist da außer dem allgemeinen Ablauf nichts und auch die Aspekte kann man sich frei zurechtformulieren, wie's ja in deren Natur liegt. Ist das jetzt schon ein Lifepath-System? :think:

Offline Feuersänger

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Das meiste wurde schon sehr gut gesagt, darum versuche ich mich furz zu kassen.
Die (wenigen) Lifepath-Systeme die ich so kenne sind sehr zufallsgetrieben und lassen mir nur eher wenig Einfluss auf meinen SC übrig. Zufällige Charaktererschaffung ist aber insgesamt bei den meisten Spielern eher unbeliebt. Wir hatten da in der Vergangenheit schonmal Umfragen zu; die genauen Zahlen weiß ich jetzt nicht mehr, aber so ganz grob haben glaube ich irgendwo zwischen 66 und 80% der Teilnehmer nicht-zufällige Charaktererschaffung bevorzugt. Ich reihe mich da voll ein.

Um es mal etwas polemisch auszudrücken: ich bin leider leider nicht so dermaßen overgamed, dass mir absolut kein eigenes Charakterkonzept mehr einfiele, das ich spielen _will_. Vielmehr habe ich eher umgekehrt mehrere SC-Ideen auf Halde, die ich gerne spielen würde wenn ich die Gelegenheit hätte. Eine neue Runde anzufangen und dann wieder keines dieser Konzepte spielen zu dürfen, und mich stattdessen der Tyrannei eines Plastikklötzchens unterwerfen das bestimmt was ich spielen darf oder muss, klingt für mich einfach von vornherein komplett bekloppt.

Ködern könnte man mich höchstens mit einem selbstbestimmten Lifepath, d.h. _ich_ wähle aus, welche Stationen mein SC bisher schon absolviert hat. Das beisst sich aber damit, dass bei den üblichen Verdächtigen die Stationen eben nicht gleichwertig sind; man müsste also hier auch wieder Punktwerte einführen oder irgendsowas, das ist dann schon wieder ziemlich viel Aufwand für überschaubaren Effekt.

Vergleiche dazu auch die Praxis bei LP-Systemen, wo man bereits während der Charaktererschaffung seine Figur um die Ecke bringen kann. Wenn man da mit den ersten ein zwei Zufallsergebnissen nicht so recht zufrieden ist, stackt man halt immer noch mehr Stationen drauf, in der Hoffnung dass dann entweder noch was gescheites dabei rauskommt, oder die Figur dabei stirbt und man neu ansetzen kann. Irrwitzige Zeitverschwendung.
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Offline Luxferre

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Ein richtig cooles LifePath-System wäre mal  Top-Down gedacht.

Ich will also einen handfesten Krieger X spielen.
Dazu brauchte es diese-und-diese Ausbildung und jene Spezialisierung.
Um an der Kadettenschule von Dingens angenommen zu werden, musste das-hier erfüllt werden.
Mit diesen Basisinfos wird dann der gesamte Lebenslauf RÜCKWÄRTS gewürfelt.

Also keine verkrüppelten Schwächlinge aus einer Nekromanten-Retorte, die dann als Stufe 1 Krieger ihr Glück versuchen.

Sondern: was für eine Vergangenheit wäre plausibel für Kriegercharaktere? Oder Meuchelmörder? Oder Elementaristen des Eises?
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Offline Maarzan

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Zunächst einmal ist denke ich fest zu stellen, daß bei einem lifepath-system typischerweise Abstriche gemacht werden müssen bzgl. der GAM-orientierten Balance.

In der Praxis sollte aber eine Variante möglich sein, wo entsprechende Grundentscheidungen zur Art der gespielten Figur von Spieler getroffen werden könnten.
Chivalry und Sorcery hat da ein Modell, wo sich Spieler bei der Charaktererschaffung entscheiden können, ob sie gegen Punkte einen Eintrag auswählen, würfeln oder aus einer Auswahl mittelprächtiger Optionen oder auch nur einem Defaultwert wählen. Und die Punkte reichen wie üblich nicht, um alles auf Optimum zu setzen.

Des weiteren sollte ein anständiger Lifepath meiner Meinung nach aber die Entscheidungen, welche eine Figur selber treffen könnte,  zumindest direkt ansprechbar sein.
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Offline Swanosaurus

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Zunächst einmal ist denke ich fest zu stellen, daß bei einem lifepath-system typischerweise Abstriche gemacht werden müssen bzgl. der GAM-orientierten Balance.


Age of Ambition macht es so, dass du zu Beginn der Erschaffung eine Strichliste mit Boxen zum Abhaken hast. Immer, wenn dein Lifepath dir einen Punktewerten Vorteil verschafft, hakst du entsprechend viele Boxen ab. Die Charaktererschaffung ist abgeschlossen, wenn alle Boxen voll sind. Zumindest auf dem Papier sind damit alle SC gleichwertig (und es hat den netten Nebeneffekt, dass durchaus unterschiedliche Startalter herauskommen können).
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Season of the Snail für Troika!: https://www.drivethrurpg.com/de/product/524068/season-of-the-snail
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Offline Maarzan

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Age of Ambition macht es so, dass du zu Beginn der Erschaffung eine Strichliste mit Boxen zum Abhaken hast. Immer, wenn dein Lifepath dir einen Punktewerten Vorteil verschafft, hakst du entsprechend viele Boxen ab. Die Charaktererschaffung ist abgeschlossen, wenn alle Boxen voll sind. Zumindest auf dem Papier sind damit alle SC gleichwertig (und es hat den netten Nebeneffekt, dass durchaus unterschiedliche Startalter herauskommen können).

Ist eine Idee, du bist fertig, wenn dein Startpotential erschöpft ist  :d
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Offline flaschengeist

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Das...

Ein richtig cooles LifePath-System wäre mal  Top-Down gedacht.

Ich will also einen handfesten Krieger X spielen.
Dazu brauchte es diese-und-diese Ausbildung und jene Spezialisierung.
Um an der Kadettenschule von Dingens angenommen zu werden, musste das-hier erfüllt werden.
Mit diesen Basisinfos wird dann der gesamte Lebenslauf RÜCKWÄRTS gewürfelt.

Also keine verkrüppelten Schwächlinge aus einer Nekromanten-Retorte, die dann als Stufe 1 Krieger ihr Glück versuchen.

Sondern: was für eine Vergangenheit wäre plausibel für Kriegercharaktere? Oder Meuchelmörder? Oder Elementaristen des Eises?

kombiniert hiermit...

Age of Ambition macht es so, dass du zu Beginn der Erschaffung eine Strichliste mit Boxen zum Abhaken hast. Immer, wenn dein Lifepath dir einen Punktewerten Vorteil verschafft, hakst du entsprechend viele Boxen ab. Die Charaktererschaffung ist abgeschlossen, wenn alle Boxen voll sind. Zumindest auf dem Papier sind damit alle SC gleichwertig (und es hat den netten Nebeneffekt, dass durchaus unterschiedliche Startalter herauskommen können).

fände ich sehr interessant.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittel-crunchiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/download

Online gunware

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Ich bin da voll bei Feuersänger. Wenn ich viel lieber mit meiner Barbie spiele, warum sollte ich dann in einem Korb wühlen, um zufällig Ken rauszuziehen. Ergibt wenig Sinn, wenn die Zeit begrenzt ist, wann ich spielen kann.
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Offline Totemtier

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Weil hier geschrieben wurde, dass der SC bei den Lifepath-Systemen beim Erstellen stirbt... Meines Wissens ist das nur bei Classic Traveller aus dem Jahre 1977 der Fall gewesen, danach war das nicht mehr fix drin. Bei der aktuellen Version (Mongoose Traveller 2e, 2022 Version) ist das ebenso wenig fix drin.

Der SC-Tod bei der Chara-Generierung ist als "Iron Man" Variante im separaten "Travellers Companion (2024)" eine Möglichkeit, aber kein Muss aus dem GRW. Im Companion gibts auch Optionen für mehr Mitbestimmung, Wahl bei den Sills etc. Da müsste der SL halt kurz mit der Gruppe reden, worauf alle Bock haben: Chaos und Zufall? Oder mehr Wahl/Kontrolle?

Natürlich gibt man beim Erstellen mit Lifepath etwas Kontrolle ab. Es ist aber nicht so, dass ich einen Söldner spielen will und dann via Würfelwurf gegen meinen Willen beim Entertainer lande. Oder um es im D&D-Jargon zu sagen: Die Wahl der Klasse ist ja nicht zufällig; ich kann da nicht statt eines Fighters plötzlich durch Würfelpech beim Wizard landen.

Und um Gunwares Bild aufzugreifen: Es wäre doch toll, wenn ich die Barbie wählen kann, aber im Korb der Zufall entscheidet, ob die Jacke/Hose/etc. blau, schwarz, grün oder eine komplett andere Farbe haben wird.  8)

Und bei STA ist der Lifepath ja auch kein kompletter chaotischer Würfel-Zufall. Ich kann kein Klingonen-Krieger-Konzept haben und gegen meinen Willen plötzlich bei einem Ferengi-Doktor landen...  ;D
Die Wahl der Spezies bspw. oder welche Punkte ich bei den einzelnen Departments (Abteilungen) hin- und herschiebe, entscheide ja ich beim Erstellen. Logisch, Lebens-Ereignisse kommen ergänzend hinzu, aber nichts, was mir meinen SC im Grundsatz kaputt macht.
 
« Letzte Änderung: Heute um 16:49 von Totemtier »

Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Zur Verteidigung des Traveller-Lifepathsystems:

Man bekommt schon ne coole Socke, die ungefähr dem entspricht, was man haben wollte.
Es ist aber halt viel immersiver - man ist nicht mehr der gottgleiche Schöpfer, der sich seinen Wunschhelden zusammenstückelt, nein, man ist tatsächlich Commander Jameson, der unbedingt hartgesottener Raumschiffcaptain werden wollte, und sich das in all seinen Lebensphasen hart zu erarbeiten versucht hat. Okay, man war mal gezwungen, eine Phase lang was anderes zu tun, und man hat es nie geschafft, sich den Skillwert 4 für Raumanzüge zu erhaschen (sondern nur 2), dafür aber hat man nebenbei ungeplant rudimentäre Kenntnisse in Xenologie ergattert.

Ist bei all meinen Traveller-SCs so gelaufen (Traveller Mongoose 1st Edition). Mein Marine musste sein erste Dienstphase in der Handelsmarine verbringen (daher kann er Steward 1), bevor ihn die Marines tatsächlich genommen haben, und ungeplant hat er sich zu einem tödlichen Messerkämpfer entwickelt (Wert 4 - der Skill wurde ständig ausgewürfelt, und er hat sogar den zweithöchsten Orden für ne Kampfaktion erhalten, bei der er seinen Messerskill eingesetzt hatte). Ich hätte ihn mir so nicht gebaut, aber er war am Ende sogar um einiges cooler. Ein harter Exmarine mit locker sitzender Klinge, der aber auch perfekt Tee servieren kann.  :)
Theirs not to make reply,
Theirs not to reason why,
Theirs but to do and die:
Into the valley of Death
    Rode the six hundred.

Online Skaeg

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Die (wenigen) Lifepath-Systeme die ich so kenne sind sehr zufallsgetrieben und lassen mir nur eher wenig Einfluss auf meinen SC übrig. Zufällige Charaktererschaffung ist aber insgesamt bei den meisten Spielern eher unbeliebt.
Naja, außer bei den Oldschool-Leuten. Und in die Kategorie fällt Classic Traveller, das ursprüngliche Standardbeispiel für "Lifepath" (der nicht so hieß) ja auch. "Charakterkonzept" kannst du - zumindest RAIW - bei den D&D-Varianten der 70er und 80er genau so vergessen, weil dir das die Attributswürfe schnell verhagelt haben.

Es kommt allerdings natürlich auch darauf an, was man unter "Charakterkonzept" versteht. Im Sinne von "Build" gibt CT da sowieso nichts her.
The Lord does not stand with those who are b*tch-like!