Habe gestern mit meiner Runde ein neues System ausprobiert. Innerlich war ich darauf eingestellt, an allen Ecken und Enden Systemprobleme zu finden - aber meine Spieler haben das erfolgreich verhindert, indem sie gar nicht erst versucht haben, das System so einzusetzen, wie es gedacht war.
Das fängt schon bei der Charaktererschaffung an: Ein Spieler will unbedingt einen Norken (eine der spielbaren Spezies) spielen und weiß nichts über sie - und es kümmert ihn auch nicht, was er da spielt. Erst will er unbedingt einen Paladin spielen. Das wäre ja auch möglich. Ich hatte meinen Spielern angekündigt, daß sie, wenn sie irgendeine Idee gerne umgesetzt hätten, es nur mir zu sagen brauchen, damit ich sehe, wie es sich in den Hintergrund einfügen läßt - dieser Spieler aber meint, ich solle mir das einfach in zwei Minuten aus dem Ärmel schütteln; wohl damit er es wieder vergißt, denn auch sonst hat er sich keinen Deut um Stimmigkeit gekümmert. Als er dann endlich einen Charakter hatte, eine Art Waldläufer, weigerte er sich auch noch, eine Fremdsprache zu steigern, damit sein Charakter sich mit den anderen Charakteren verständigen kann. Schließlich steigert er sie doch um einen Punkt, was bedeutet, daß er nun beispielsweise "bitte", "danke" und "Bier bitte! - Danke." sagen könnte, aber nicht viel mehr. Dann habe ich eine größere Auswahl von Waffen vorbereitet, die zumindest theoretisch aufeinander abgestimmt sind, so daß sich für jeden eine finden sollte. Er beschwert sich jedoch, daß ich keine Axt eingebaut habe! Freilich, ich hatte schon Wochen vorher angekündigt, daß ich die Axt wohl nicht einbauen würde, aber natürlich kann ich Regeln dafür in zwei Minuten improvisieren.
Ein anderer Spieler füllt auf seinem Charakterbogen schon einmal fröhlich die Spalte "Leidenschaften" aus. Daß es sich hierbei um einen konkreten Regelmechanismus handelt, weiß er nicht und ignoriert er auch. Vielleicht war es nicht genug, daß ich das ganze zwei-, dreimal erklärt hatte. Nun besteht er darauf, als Feldarzt die Leidenschaften "Medizin" und "schöne Frauen" zu haben. Ersteres spielt im Abenteuer später keine Rolle, letzteres äußert sich dadurch, daß er, immer wenn eine Frau erwähnt wird oder vorkommt, fragt, ob sie hübsch ist, und versucht mit jeder zu flirten. Den Einwand, daß ich als SL keine Lust habe, ständig für ihn die Flirtpartnerin zu spielen, hat er nicht verstanden.
Ja, richtig gelesen: nicht verstanden.
Ein anderer Spieler läßt sich mit drei Worten charakterisieren: "Ich geh mit." Das tat er auch. Er spielt einen Alchimisten, denn die können mit Schießpulver umgehen. Der erste NSC, der der Gruppe über den Weg läuft ist "zufälligerweise" ein Apotheker, der eigentlich als Informant und Auftraggeber für die Gruppe in frage kam. "Ich geh mit" ignoriert ihn völlig. Nach mehreren Stunden Spielzeit hat er folgende Taten vollbracht: 2x Kaffe bestellt und erhalten; sich ein Zimmer für die Nacht beschafft; einmal seine Arkebuse geladen; einmal mit seiner Arkebuse geschossen (daneben); mehrmals gesagt, daß er mitgeht. Ganz großes Rollenspiel!
Was fand ich sonst noch enttäuschend?
Es ging mir darum, zwei Dinge einzuführen: Den Hintergrund und das Regelwerk. Auf den Hintergrund hat ein einziger Spieler bezug genommen, was vielleicht daran liegen könnte, daß er entweder neu für die Spieler war oder seit Wochen bekannt und schon wieder vergessen. Nur frage ich mich dann, warum sich niemand für das Blatt mit Kurzinfo interessiert hat, das ich herumgegeben habe. Jeder hat es kurz überflogen, weitergegeben und vergessen.
Als ich später meine Spieler darauf ansprach, meinte der Möchtegern-Weiberheld, daß er doch die Norken geringschätzig behandelt habe und somit seinen Hintergrund eingebracht habe - Verachtung für dieses oder jenes Volk ist übrigens nirgendwo im Hintergrund verankert - und daß er seiner Gruppe die Geschichte des Helden Markward Mareskal erzählt habe - nun, eigentlich habe ich sie erzählt, nachdem er eine Geschichtswissen-Probe geschafft hatte, aber offenbar gilt richtig zu würfeln schon als Einbringen des Hintergrundes.
Hierbei stellt sich natürlich auch die Frage nach der Motivation der Charaktere. Tatsächlich hatte einer einen konkreten Grund zum Reisen. nämlich unser Alchimist, der zu seinem reichen Onkel reisen wollte, damit der ihm sein weiteres Studium finanziert. Ich wäre ja damit zufrieden gewesen, wenn es nicht genau das gewesen wäre, was ich ihm bei der Hinfahrt zu unserem Spielort als Beispiel genannt hatte.
Was die Regeln betraf, so konnte ich in der Tat eine Schwäche feststellen, nämlich daß es am Anfang nahezu unmöglich ist, im Fernkampf ein kleines Ziel zu treffen. Außerdem muß ich noch das Kampfsystem stellenweise vereinfachen, aber das nur in Bereichen, die gar nicht berührt wurden. Was mich wirklich geärgert hat ist, daß niemand das Probensystem verstanden hat. Ich habe es nur einmal in Worten erklärt und einmal als Powerpoint-Folie dargestellt und einmal schriftlich formuliert. Ich habe es vor Spielbeginn nicht noch einmal erklärt, weil ich dachte, meine Spieler wüßten entweder bescheid oder würden nachfragen, wenn sie es nicht wüßten. Stattdessen wurden am Tisch erst einmal die Würfel gerollt, dann wurde mir das Ergebnis gesagt und schließlich sollte ich dann wissen, was dabei herauskam. Problem: Ich als Spielleiter kann nur die Art der Probe bestimmen. Ob sie Erfolg hat, sollten die Spieler eigentlich dann aus ihrem Charakterbogen ablesen können. Immerhin haben sie DSA verstanden!
Ich könnte noch viel erzählen, von Spielern, die während des Spieles aufstanden, umhergingen, versuchten in meine Unterlagen zu schauen, versuchten, einen mit einem Saugnapf versehenen Stoffbären so gegen einen Schrank zu werfen, daß er hängenbleibt ...
Ich lasse es, weil es mir nicht weiterhilft.
Von den fünf Spielern, die teilgenommen haben, sind wohl nur zwei geeignet, um mehr aus dem Rollenspiel zu machen als Hack&Slay mit Geblödel.
Der eine fiel mir vor allem mit der lebhaften Beschreibung seiner Gestik auf, die bei seinem Katzenmenschen vor allem auf Ohren und Schwanz basierte. Er war auch der einzige, der auf den Hintergrund bezug genommen hatte, indem er nämlich seinem Charakter die fixe Idee verpaßte, er sei der Nachkomme eines im Hintergrund erwähnten Helden.
Dem anderen ist das Rollenspiel gänzlich neu. Er hat die Entwicklung meines Systems mit Interesse verfolgt und möchte gerne weiterhin spielen. Noch fehlt es ihm ein wenig an Möglichkeiten sich einzubringen, und so beobachtet er die meiste Zeit das, was die anderen tun - unnötig zu sagen, daß ihn dieses Vorbild nicht weiterbringen wird.
Wir habe das erste Abenteuer nicht beendet, weil ein Spieler wegmußte. Weiterführen könnten wir es wohl in der nächsten Zeit, aber ich schätze, daß ich weiß, woran dies scheitern wird: an mir. Ich habe keine Lust auf Geblödel am Spieltisch, auf teilnahmslose Spieler, denen ich alles vorkaue und die dennoch auf nichts eingehen, außer man kann es totwürfeln. Schade um das Potenzial, daß in zweien der Spieler vorhanden wäre, aber es macht einfach zu viel Arbeit und ich erhalte nichts dafür zurück.