Kapitalverbrechen im Dutzend, die aber keinen interessieren. Ist das möglich?
In der Tat. Zumindest in den Vereinigten Staaten der 20er Jahre, als ein Ölboom
in Oklahoma im Reservat der Osage dafür sorgt, dass der Stamm sehr reich wird,
und deswegen vor allem weiße Glücksritter, Tagediebe und Halunken anzieht, die
den lieben langen Tag nach Möglichkeiten suchen, sich an den Ureinwohnern zu
bereichern. All das ist machbar, weil die Taten im quasi rechtsfreien Raum statt-
finden, der außerdem noch unterfüttert ist von strukturellem Rassismus. Außer-
dem ließ man die Osage weitgehend entmündigen, damit sie bei findigen Anwäl-
ten um jeden ihrer Dollar betteln gehen müssen.
DiCaprio spielt in
Killers of the Flower Moon einen solchen Tunichtgut, der sich,
fast immer gesteuert von seinem Onkel, zu einem der perfidesten Helfershelfer oder
Go Betweens der jüngeren Filmgeschichte aufschwingt. Das ganze Geschehen ist
jedenfalls zutiefst unmoralisch, verkommen und widerlich.
Und auch hier, wie in vielen seiner Filme, stellt Scorsese die Vorgänge, die (Befehls)gewalt,
das Vertrauen und den Verrat in einer Familie in den Mittelpunkt.
Und die Osage? Sie sehen zwar weitgehend was vor sich zu gehen scheint, stehen den
Vorgängen aber ziemlich ohnmächtig gegenüber, und von den Behörden werden sie wohlweislich
im Stich gelassen.
Der Ensemblefilm ist stellenweise etwas fahrig inszeniert und streckenweise nichtlinear erzählt,
aber er bietet großartiges Kino, und zeigt, wie in einem Brennglas, was in der amerikanischen
Geschichte und Gesellschaft alles im argen lag und bis heute liegt.
Sehenswert, allein schon wegen Leo und den Fliegen. 8/10