Das ist es, was DSA auch negativ anhaftet: Die Spieler kennen sich ggf. mit dem Setting besser aus als der eSeL und wollen diese Detailtiefe auch erleben oder verbessern den eSeL gar, wenn der es nicht so genau nimmt. Wen wunderts, wenn da keiner DSA leiten mag, außer denen, die das Setting eingesaugt haben...
Naja, aber ernsthaft: was spricht dagegen, die Palisaden um die Stadt fetter zu machen? Das ist doch eine selbstinitiierte Versklavung, wenn Ihr Euch nicht mal traut, ne Grenzstadt in Größe und Bedeutung zu verändern. Zudem hängt das mit den lächerlichen Einwohnerzahlen zusammen. Das ist doch ein bekanntes Problem. Direkt alles verzehnfachen. Zack Bumm Ende. Punkt.
Und Spieler, die dauernd des SL korrigieren, haben eh etwas ganz Grundsätzliches nicht verstanden. Ich spüre eine Erschütterung in der Macht
Also, ich muss als SL nicht immer Recht haben. Ich brauche das nicht. Und ich finde, Kritikfähigkeit gehört zur Verantwortungsvollen Aufgabe des Spielleitens dazu. Wer keine besitzt, braucht sich eigentlich gar nicht hinter den Schirm zu setzen. Und um die Größe und den Ausbaugrad einer der wichtigen aventurischen Provinzhauptstädte zu kennen, braucht man meist nicht mal in eine Regionalpublikation zu schauen - das findet sich alles binnen weniger Klicks im Internet.
Auch hier eine Anekdote aus meiner Runde: Ich kenne mich ja insgesamt recht gut aus in Aventurien. Nun erklärte sich ein Mitspieler bereit, ein Abenteuer zu leiten, das in einer Stadt spielte, die er in einigen Teilen nicht so schilderte, wie sie in der RSH stand. Und er nahm Bezug auf Kaffee, von dem jeder Fanboy weiß, dass es ihn in Aventurien nicht gibt. Was mache ich also? Ich halte einfach die Fresse, denn nur zum Zwecke des Schlaumeierns torpediere ich doch nicht das Bemühen meines Mitspielers, selbst ein Abenteuer zu leiten. Dafür bin ich viel zu froh, dass mir mal jemand etwas Arbeit abnimmt und ich meinen tollen Helden endlich wieder spielen kann.
Ging mir mit dem Palisadendörfchen Trallop genau so. Hab einfach die Fresse gehalten und weitergespielt. Ich hab nicht einmal dann Kritik am Meister geäußert, als er den einzigen für die Helden ersichtlichen Hinweis in einem Höhlendrachenhort verortete und unsere Helden bei dem Versuch, den Hort zu erobern, grandios scheitern ließ, indem er uns blind in eine magische Feuerfalle rennen ließ, die uns beinahe gekillt hätte, inklusive anschließendem ausgeraubt werden vom völlig übermächtigen Höhlendrachen, Verstümmelung meines Ambosszwergs (Bart weggebrutzelt, Gesichtshaut verbrannt) und anschließender Hetzjagd mit kollektivem Beinahe-Herzinfarkt am Ende bis zum Rand des Drachenreviers.
Spaß bedeutet für mich natürlich was Anderes. Aber auch ich als Meister ertappe mich dabei, wie ich Stadtbeschreibungen aus dem Stehgreif erfinde, die dann der offiziellen Beschreibung nicht ganz entsprechen. Ich hab aber auch keine Skrupel, mich später dann im oder vor dem nächsten Spiel zu korrigieren.
Und das war früher (TM) eben nicht so, da konnte ich (Unwissender) einfach frei Schnauze leiten was ich Lust hatte und ohne Skrupel und hatte einfach Fun, und den Mitspielern wars egal, ob es jetzt...weiß ich... ewig schlafende goldene Drachen unter Gareth gibt oder sowas.
Dasselbe kannst du heute immer noch tun. Du sagst halt einfach vor Kampagnenbeginn ganz klar an, dass dein Aventurien desöfteren vom offiziellen Hintergrund abweichen wird - mitunter sicher auch mal stark. Dann wissen alle Bescheid und fühlen sich nicht mehr dadurch gestört. Ging mir auch so, als ich einmal eine stark von D&D inspirierte Kampagne unter einem erfahrenen SL als Spieler erlebte, allerdings in Aventurien, am Rande des Orklandes. So viel High Fantasy hatte ich vorher noch nie in einem Spiel erlebt, aber es machte unheimlich Spaß.
Naja, früher war eh alles besser - so das musste jetzt auch mal geschrieben werden hier
Früher war alles EINFACHER. Nicht notwendigerweise "besser".
Das lässt sich alleine schon aus der Sache ableiten, das Magie in Aventurien einen viel kleineren Machtfaktor darstellt(Mal von diesen blödsinnigen Über-NPCs abgesehen die sich eh an keine Regel halten), als in anderen Settings.
Die NSCs machen aber vor, was mit dem Regelwerk theoretisch möglich wäre und daher auch für Helden irgendwann erreichbar ist. Die Sulman-Al'Nassori, Kholak-Kai, die illusionsgespickte Herrschaftsakademie von Fasar, der Artefaktemarkt von Khunchom, Dunkle Pforten, die die wichtigsten Magierakademien miteinander verbinden, Feentore in parallele Welten...
Es gibt so gut wie keine magischen Gegenstände die man mal verteilen könnte, ohne gleich die Balance zu gefährden
Noch nie in Khunchom eink(l)aufen gewesen, was?
wirklich abgefahrene Fabelwesen sind eher selten
In deinen Spielrunden vielleicht. Pandlaril, Farindel, Leriella sind bereits drei mächtige Holdenfürstinnen. Dann noch der Flussvater mit seinem Hofstaat, und das sind nur die, welche mir auf Anhieb einfallen. Das Sharr'Bag aus "Verwunschen und Verzaubert" war auch mal ein recht abgefahrenes Feenwesen, so gänzlich "unfeenhaft" und monströs.
Solche Item-Eskapaden wie in Schatten über Riva z.B. mit magischem Schild usw. kamen bisher bei uns, und in den 3 anderen Gruppen wo ich mal DSA gespielt habe nicht vor
Dann spiel mal eine Kampagne im Land der ersten Sonne. Dort wird der SL nach ein paar Abenteuern in Erklärungsnöte geraten, wenn den Helden KEINE Artefakte in die Hände fallen. Es gibt mit der Drachenei-Akademie praktisch eine magische Manufaktur für praktische Zauberdinge. Im Horasreich ist es ähnlich. In der Halle der Geistreisen von Belhanka wird für die Kinder der horasischen Oberschicht magisches Spielzeug (!) hergestellt.
Dazu kann ich dir nur mal wärmstens die Lektüre von "Hallen arkaner Macht" empfehlen. Danach wirst du Aventurien wahrscheinlich nicht mehr für so "low fantasy" halten wie bisher. Es kommt immer darauf an, wo man hinschaut. Das andergastsche Dorf Dreiseenbroich ist im Vergleich schon ziemlich Low Fantasy. Aber selbst dort hat es mal die Terrorherrschaft eines (Halb-)Elfenmagiers gegeben, der mittels eines unter Bann stehenden Waldschrats die an die Macht der Waldgeister glaubenden Einwohner erpresste, ihm Tribut zu zollen. Ganz offiziell. Und das ist in Aventurien wirklich am A*** der Welt. Wie geht es dann erst in Punin zu? Wo Magier, Zwerge, Elfen und Halbelfen ein gewohnter Anblick in der Stadtbevölkerung sind?
Offiziell ist zumindest schon einmal eine wandelnde Echsenstatue aus dem Draconiterhort ausgebrochen und hat eine Schneise quer durch die Stadt gebahnt, weil sie schnurstracks, sozusagen in Luftlinie, nach Süden wanderte. Und das am helligten Tag, bei vollem Verkehr. Low Fantasy?
I don't think so. Aber Meinungen sind ja wie Geschmäcker stets verschieden.