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Gylfi
In Storhavn auf Ask Wulfrs Bestattung
Es war einer der seltenen Augenblicke in seinem nicht gerade kurzen Leben, in dem Gylfi anfangs die Worte fehlten. Er blickte Silgra aus traurigen Augen an, die sich langsam mit Tränen füllten. Sein Blick hielt dem ihren zunächst stand, dann senkte er sein Haupt mit dem schütteren Haar. Erst nachdem er einmal tief durchgeatmet und den Kloß in seiner Kehle mit einem Schlucken hatte erträglicher werden lassen, hob er den Kopf wieder. Für ihn gab es in diesem Moment nur das Antlitz dieser tapferen Frau, die dem Tod so gefasst entgegentrat.
Die ersten Tränen rannen aus den Augen über die Wangen in den weißen Bart des alten skwilden. Er richtete den Blick kurz gen Himmel, den er aber auf Grund des Nebels nicht sehen konnte. Nur die diffusen Lichter der aufgestellten Fackeln, die sich am Dach des schaurigen, imaginären Langhauses verloren und ihn an im Nebel verlorenen Seelen denken ließen.
Gylfi begann leise zu der Witwe zu sprechen, so leise, dass nur die Nächstehenden oder jene, mit besonders scharfen Sinnen, es zu hören vermochten. "Mutige Silgra, ich bewundere Euch und weiß, dass ich, so das Schicksal es will, Euer edles Benehmen an diesem traurigen Tag für den Rest meines Lebens in einer Saga über Asks Tod preisen werde. Ich fühle mich geehrt, dass Eure Wahl auf mich fällt, einen Fremden, der anscheinend mit seinen Worten an Euer Innerstes gerührt hat. Das ist das größte Lob, das einem skwildem zukommen kann." Er machte jedoch keine Anstalten, die angebotene Axt entgegenzunehmen.
Es schlich sich nun ein beschwörender Ton in seine Stimme, als versuchte er, Silgra mit Worten zu betören. "Aber ich bin nicht nur ein skwilde, ein Verseschmied und Meister der Sagas. Ich bin auch ein bruid, ein Diener der flowras. Und als solcher habe ich Eide geschworen." Seine Stimme wird noch eindringlicher, während die Tränen nun in stetem Strom flossen. "Einer der Eide gilt der gnadenvollen Magh. Er verbietet es mir, die Waffe gegen Euch zu erheben, wie sehr ich es mir auch wünsche, um Eurer letzte Bitte auf dieser Welt zu entsprechen. Aber Ihr verlangt, was mir unmöglich ist zu geben. Ich vermute, dass Ihr dies nur als ehrenlose Zurückweisung eines gerechtfertigten Ansinnens verstehen könnt. Seid versichert, dass nichts mir ferner liegt. Ich werde Euch jedoch nicht erschlagen!"
Der Alte sprach nun lauter, so dass die Anwesenden ihn hören konnten. Während er sich einmal im Kreis drehte, um alle Versammelten kurz anzuschauen, ließ er gefasst und mit fester Stimme verlauten: "Ich werde es nicht tun, ich kann es nicht tun. Wenn die edle Silgra es will, falls ich unverzeihliche Schande auf mich geladen habe, so werde ich sie in den Tod begleiten." Die Tränen waren nun versiegt. Er wandt sich wieder der Frau zu, die nun sein Schicksal in den Händen hielt. Die flowras mögen Dir beistehen, Du alter Narr...