Oktar lächelt das milde Lächeln eines verständnisvollen Mannes während er Hirngar zuhöhrt. „Ich sehe ihr seit ein einfacher aber ehrlicher Mann, wenn ihr auch in der Vergangenheit vielleicht eine Sünde auf euch geladen habt, so seit ihr doch klug genug euch einem so wortgewandten Mann wie Gylfi Stryptatunge angeschlossen zu haben. Was ihm an Kraft fehlen mag scheint seine Weisheit wieder wett zu machen und was euch noch an Manieren und Verstand fehlt werdet ihr sicherlich in seiner Gegenwart lernen!“
Dann wendet er sich wieder Gylfi zu.
„Vielen dank für die Vorstellungen eurer Gefährten, wenn sie euch bis hierher begleitet haben und ihr die Axt meines Ziehsohns noch euer eigen nennt, dann scheinen es vertrauenswürdige Reisgefährten zu sein. Ich habe Gesindel schon für weit weniger Kämpfen und Morden sehen. Auch wenn Trauer mein Herz fest im Griff hat über eure Nachricht bin ich gespannt was ihr zu berichten habt und ein Essen soll es mir in jedem fall Wert sein. Ihr habt eine lange und beschwerliche Reise auf euch genommen und wenn mich nicht alles täuscht sind Rendres Seeleute nicht zimperlich mit euch umgegangen. Für ihr Verhalten entschuldige ich mich, aber Seewölfe bleiben Seewölfe. Ihnen ihr Temperament und ihre Abneigung gegen alle Fremden zu nehmen würde bedeuten ihnen den Waffenarm auf den Rücken zu binden. Sie mögen zwar Rüpel sein, aber sie sind meine Rüpel. Ich verspreche euch bei meiner Ehre als Schwertjarl, dass das Essen euch für alles entschädigen wird was ihr in den letzten Wochen entbehren musstet, folgt mir!“
Oktar führt euch weiter in die Tiefen seines Anwesens durch einen Raum der mit Runengravuren bedeckt ist. Regale voller Schriftrollen mit Runenkalendern nehmen die Wände ein, dünne schnüre halten die Schriftrollen zusammen. Die Wände selbst sind mit wunderschönen Holzvertäfelungen verziert. Große aus Hirschgeweih gefertigte Kronleuchter schmücken die Decke. In der mitte eine Runde Tafel. Die Stühle rund um die Tafel erinnern an Holzthrone welche mit kunstvollen Schnitzereien überzogen sind, Wolfsfälle polstern die Sitzflächen. Ochsenhörner auf Silbertabletten laden ein sich zu betrinken.
Weiter führt euch Oktar in einen runden Raum, den Speisesaal des Anwesens. Die Tische und Stühle hier sind alle aus Schwarzeiche gefertigt, gepolstert mit weichen Fellen. Die Wände sind ungewöhnlicherweise in einem ruhigen Blau mit weißen Streifen gestrichen. Der Boden ist aus hell polierter Eiche und mit verschiedenen Mustern bemalt, die mit heiligen Symbolen von Gerbanis durchsetzt sind. Ein breiter Kamin mit einem großen Holzschnitt von Oktar bedeckt eine der Stirnwände, und die längere, angrenzende Wand ist mit einer Reihe von Holzschnitten der Vorfahren und Verwandten bedeckt, die bis zu Gaul Grimme, dem Vorfahren der Familie Grimme, zurückreichen. Die abgerundete Seite, die an ein großes Erkerfenster erinnert, hat hohe Scheiben aus Zwergenglas, die zur Rückseite des Geländes zeigen, dort liegt ein kleiner, aber wohl gepflegten Garten. Unwillkürlich muss Gylfi an Irian den Gärtner und seine Nachtschattengewächse denken, auch wenn er keinen Morgentot unter den Gewächsen erkennen kann.
Diener eilen herbei und fangen an die Tafel zu decken. Aeryn kommt nicht drum herum zu bemerken, dass es sich meist um junge, schöne Frauen handelt deren Körpersprache und Blicke zeigen, dass sie eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Herrn zu haben scheinen.
Das Essen gleicht einem Festmahl. Es gibt Huhn und Fisch, Wildschwein und Rind, Pilze, Reis und Kartoffeln, Gemüse und Obst aus allen Ecken Trudvangs. Zu den Getränken gehören Bier, Met und karlonischer Gewürzwein aus der Westmark, ganz zu schweigen von einer Vielzahl anderer alkoholischer Getränke, von denen ihr noch nie gehört habt. Oktars Diener tun alles um eure Wünsche zu erfüllen und es scheint fast nichts zu geben an Speis und Trank was sie nicht bringen können. Keiner von euch wurde jemals auf diese Weise bedient, so muss sich das Leben als Jarl anfühlen.
Oktar sitzt an der Stirnseite, rechts und links neben ihm sitzen zwei Frauen, wunderschön. Ihre Ähnlichkeit ist unübersehbar, es müssen Geschwister sein, mit blondem lockigen Haar, welches ihnen lang über die Schultern fällt. Ihre Augen funkeln wie blaue Saphire und ihre Kleidung zeigt mehr von ihren weiblichen Rundungen als sie verbirgt. Die zwei sind mit Abstand die schönsten Frauen unter der Dienerschaft des Schwertjarls und mit Sicherheit seine Konkubinen. Als erster rechts neben ihm sitzt Rendre die restlichen Plätze stehen euch zur freien Verfügung.
„Lasst mich euch Ylva...
und Lise
vorstellen!“ sagt Oktar und die Mädchen nicken eines nach dem anderen während Ylva Oktar ein Horn voll Met reicht. „Sie vertreiben in dunklen, kalten Nächten die bösen Träume…“ keck ohne von Oktar ermahnt zu werden fällt Lise dem Schwertjarl ins Wort „…und auch in den heißen, wir sind für euch da!“ sie streicht dem Mann zärtlich durch den Bart.
Aeryn fällt auf das während Oktar durch Lise abgelenkt ist, Rendre und Ylva einen kurzen aber intensiven Blick austauschen. Die Elfe kann nicht sagen was zwischen den beiden läuft, aber Rendres Herr scheint davon nichts zu wissen, oder duldet er es? Doch was Aeryn bis jetzt von dem Schwertjarl gesehen hat, scheint nicht dafür zu sprechen, dass er jemanden neben sich duldet, oder gar seine Konkubinen teilen würde.
Oktar erhebt sich und die beiden blonden jungen Frauen gleiten anmutig beiseite.
„Lasst uns Azlahn mit diesem Mahl und eurer Geschichte ehren, ich bin mehr als Wissbegierig zu erfahren was ihm widerfahren ist!“