Autor Thema: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung  (Gelesen 2727 mal)

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Offline aikar

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Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« am: 26.01.2024 | 09:00 »
Wen der Titel verwirrt, sorry, ich tu mir da echt schwer es in wenige Schlagworte zu fassen.

Vorweg:
Auslöser war diese Folge des niveauvollen Trashtalks, der ein paar Gedankensteinchen, die schon am Wackeln waren, ins Rollen gebracht hat:
https://www.nerds-gegen-stephan.de/archives/1547-Der-niveauvolle-Trashtalk-55-Die-Medienzukunft-der-Rollenspiele-wie-koennen-sie-davon-profitieren-Podwichteln-2023.html
Kurz zusammengefasst: Eines der Themen in diesem Talk befasst sich mit der Frage "Wie können Indie-Rollenspiele vom D&D-Boom profitieren?"
Die Sprecher kommen zu dem Ergebnis: Gar nicht, die meisten D&D(5)-Spieler:innen (vor allem in den USA) wollen nicht aus ihrer Blase raus. Und da sich 5e-Sachen überproportional gut verkaufen (die Rede ist im Podcast vom Faktor 10) werden halt immer mehr Settings mit 5e rausgebracht als mit einem eigenen System.
Das ganze wird sehr ruhig und konstruktiv besprochen und endet mit dem Shoutout: D&D5-Spieler:innen, probiert doch mal was neues. Ihr anderen: Lasst den D&D5-Spieler:innen ihren Spaß mit D&D5.

Was hatte das jetzt für Folgen bei mir und worüber will ich reden?

Ich spiele jetzt seit knapp 26 Jahren Rollenspiele. VIELE Rollenspiele.
Ich interessiere mich, ich teste neue Sachen.
(Wen es interessiert, hier mal eine ungefähre, sicher nicht vollständige Liste:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
)

Ich bin also wohl das, was man einen Systemhopper nennt und die Antithese zu dem, was im Podcast erwähnt wird. Aber ich merke seit etwa 1-2 Jahren mehr und mehr eine Erschöpfung, was neue Sachen angeht.
Ich konsumiere immer noch viel neues Zeug, aber es ist mehr und mehr nur mehr Gewohnheit, weil ich das halt immer so gemacht habe und ein bisschen selbst anerzogene Panik, was zu verpassen, kein echtes Interesse mehr.

Und wenn ich es jetzt betrachte, haben nur die wenigsten dieser Systeme sich wirklich langfristig gehalten.
D&D5, das Cypher System, die Year Zero Engine und Fate.
DSA nimmt eine Sonderstellung ein, weil ich es lange gespielt und geleitet habe, aber das tatsächlich primär deshalb, weil ich nichts anderes kannte.
Alles andere ist meist nicht über ein paar One-Shots oder höchstens eine Kurzkampagne raus gekommen. Gründe sind Spieler:innenmangel, dass es mich doch nicht so begeistert hat wie gedacht, aber primär einfach Zeitmangel.

Und ich habe gemerkt, dass ich inzwischen mehr davon habe, mit einem System, dass ich schon gut beherrsche, einen Few-Shot, mehrere One Shots oder eine Kampagne durchzuziehen, als mich in 10 neue Sachen einzulesen.

Ein Nebeneffekt meiner bisherigen Herangehensweise ist auch, dass ich zwar viele Systeme rudimentär beherrsche, bei den meisten aber nie System Mastery erreicht habe.
Dazu kommt die schiere Menge an Material in meinem Regal, dass wahrscheinlich nie den Spieltisch erreichen wird, und das Geld das dafür rein geflossen ist.
Letztere Erkenntnis hat mich auch dazu geführt, dass ich inzwischen oft die Finger von System Matters-Produkten lasse, auch wenn mir der Verlag sehr sympathisch und ihre Sachen immer gut gemacht sind. Aber ich weiß, dass ich diese ganzen Spezialsysteme wie SPIRE oder World Wide Wrestling wahrscheinlich nie, oder höchstens 1-2 mal über die Jahre spielen werde. Und dafür gibt man dann doch eine ganze Menge Geld aus.

Dann gibt es noch den Faktor "Hab ich doch alles schon gesehen".
Mir tun immer die Autoren leid, die ihren neuesten Hearthbreaker präsentieren und ich mir nur denken kann: Ich brauch kein weiteres System für klassische Fantasy. Ich hab mir genug davon angesehen und meine Favoriten gefunden.

Ich engagiere mich in einem lokalen lokalen Verein für die Rollenspielszene. Mehr noch, ich habe diesen Bereich des Vereins von der Pike auf aufgebaut und ich bin ziemlich stolz auf das, was wir erreicht haben. Inzwischen haben wir viele engagierte Spielleiter:innen und ein sehr vielfältiges Systemangebot, bekommen ständig neue Spieler:innen dazu und das freut mich sehr.
Aber ich gehe trotz expliziter Einladungen extrem selten in Vereins-Runden (oder Kampagnen) anderer Spielleiter:innen. Ich bin einfach übersättigt.

Ich weiß noch nicht wo mich die nächsten Jahre rollenspieltechnisch hintragen werden. Momentan schließe ich nicht aus, dass ich mich noch weiter auf einige wenige Systeme spezialisiere.
Unter den Kampagnen, die ich in den nächsten Jahren vorhabe, findet sich überproportional viel D&D5-Zeug.
Also um den Bogen zu schließen: Nach all den Jahren und Experimenten, nähere ich mich wieder dem an, was den (vor allem D&D-)Neulingen oft vorgeworfen wird.

Und ich frage mich: Ist es schlimm, dass sie in ihrer Blase hängen?
Natürlich ist es blöd für die Verlage, die ihre Rollenspiele verkaufen wollen, aber für die Spieler:innen an sich?
Klar würde ich allen, die Rollenspiele spielen, aber mit den Regeln nicht warm werden oder mal ein komplett anderes Spielgefühl anstreben, empfehlen, noch was anderes auszuprobieren. Aber wenn sie zufrieden sind? Warum nicht Kampagne um Kampagne und Setting um Setting mit D&D5 bespielen und damit Spaß haben?

Dazu kommt, dass vielen Rollenspielern die eigentlichen Regeln egal sind und sie keinen Spaß daraus ziehen, sich in die Regeln einzuarbeiten. Geschweige denn wieder und wieder aufs neue (Klar gibt es Ausnahmen, aber die Regelfuchser stellen heutzutage wohl nicht mehr die Mehrheit). Und ich verstehe das inzwischen (vor ein paar Jahren hätte ich es wohl noch ganz anders gesehen). Regeln lernen kostet wahnsinnig viel Zeit, die man genauso gut mit Spielen/Leiten/Runden vorbereiten verbringen könnte.
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline unicum

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #1 am: 26.01.2024 | 09:35 »
Hallochen,...

generell ist dieses "Ermüdung" etwas das ich auch bei mir betrachte - und auch bei dem ein oder anderen in meinem Bekanntenkreis aus dem Rollenspielverein.
Dabei gehöre ich eher zu den leuten die lange Kampangen mit immer dem gleichen Sytem spielen, das sind dann auch zugestanden eher jene Systeme die etwas schwerer in den Regeln sind. (und ja die anzahl der Systeme die ich erworben habe und die unbenuzt herumstehen ist auch bei mir groß genug)

Aber eigentlich war es am Ende der Kampange immer so (und zwar ziemlich egal in welcher Spielerkonstellation) - "Spielen wir was anderes" Das mag nur ganz zu beginn etwas anderst gewesen sein als es eben doch nur D&D gab.

Doch kenne ich auch eine Gruppe von Leuten die recht fest an ihrem System kleben und selbst wenn da ein Wechsel ansteht und die Versionsnummer wie bei Windows hochgezählt wird etwas ärgerlich werden "Wie schon wieder was neues lernen? Das alte funktioniert doch!"

Und ja den Faktor "hab ich alles schon mal gesehen" der ist mir auch schon oft über den Weg gelaufen, man liest was "neues" und denkt sich "ah das ist so wie bei dem anderen Spiel, das ist von hier und das ist von dort nur eben der Mix ist neu nicht die Zutaten (wie beim Kochen und Backen eben). Da ist mir aber auch durchaus bewusst dass das Problem vor dem Bildschirm sizt - wenn man selbst viel kennt dann erkennt man eben auch sehr viel wieder, wir menschen leben von der "Mustererkennung".

Ich glaube zum Teil kann man schon bei dem ein oder anderen von Rollenspiel-burnout sprechen.

Offline flaschengeist

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #2 am: 26.01.2024 | 09:40 »
Also um den Bogen zu schließen: Nach all den Jahren und Experimenten, nähere ich mich wieder dem an, was den (vor allem D&D-)Neulingen oft vorgeworfen wird.

Mir scheint alle deine Experimente waren nötig und wertvoll, um herauszufinden, was dein Lieblingssystem ist. Dass es für dich am Ende D&D5 wird, konntest du schließlich nicht vorher wissen.

Und ja den Faktor "hab ich alles schon mal gesehen" der ist mir auch schon oft über den Weg gelaufen, man liest was "neues" und denkt sich "ah das ist so wie bei dem anderen Spiel, das ist von hier und das ist von dort nur eben der Mix ist neu nicht die Zutaten (wie beim Kochen und Backen eben). Da ist mir aber auch durchaus bewusst dass das Problem vor dem Bildschirm sizt - wenn man selbst viel kennt dann erkennt man eben auch sehr viel wieder, wir menschen leben von der "Mustererkennung".

Edit: Guter Punkt, ein System macht ja am Ende der Mix verschiedener Regelelemente aus. Für die Qualität ist also nicht die einzelne Zutat entscheidend, sondern welches Geschmackserlebnis die Gesamtheit der Zutaten schafft.
« Letzte Änderung: 26.01.2024 | 10:01 von flaschengeist »
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline dicemice

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #3 am: 26.01.2024 | 10:28 »
Ich hatte Ende letzten Jahres ein ähnliches Problem, ausgelöst durch meinen neuen Kalender und eine darin enthaltende Doppelseite wo ich eintragen sollte was ich in diesem Jahr lernen möchte und was meine Ziele für 2024 sind. Mir ist dann nichts eingefallen und ich dachte "Das kann doch nicht sein, wieso bist du so unmotiviert, irgendwas musst du doch wollen" Klassiker wären zB gewesen "ich möchte mir mehr Zeit für mich nehmen", "ich möchte ein Instrument lernen" usw.. Nachdem ich den Jahreswechsel darüber sinniert hatte was ich denn jetzt so in 2024 machen könnte wurde ich ziemlich sauer, und dachte "Darf ich nicht zufrieden sein mit meinem Status Quo?" und wenn ja, warum nicht?

Ich lese deinen Beitrag so, dass du das auch so empfindest, auch wenn es einen anderen Teil deines Lebens betrifft.
Ich hab dann für mich entschieden diesen Optimierungszwang nicht mitzugehen, ich muss mich nicht ständig selbst verbesser. Ich mag mein Leben halt so wie es ist, ich muss da nichts dran ändern und wenn du mit D&D zufrieden bist, wieso solltest du dich dann immer noch um andere Systeme bemühen? Du hast über den Tellerrand geschaut und dort nichts besseres für dich gefunden, das ist völlig legitim.
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Offline Boba Fett

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #4 am: 26.01.2024 | 10:45 »
Aikar: Mir geht es sehr ähnlich wie Dir, auch ewiger Systemhopper (aus unterschiedlichen Motiven) und langsam hab ich einfach nicht mehr die Bereitschaft immer alles neu zu erfahren, vor allem, weil eben meistens gar nicht alles neu ist.
Auch ich hab inzwischen eine Handvoll Systeme, um die ich rotiere.

Zu Deinen Fragen: Ist das schlimm? Nö! Denn wir sind in der Menge aller Rollenspiele doch ohnehin nur Exoten.
Und ist es schlimm, dass die anderen einen eingeschränkten Horizont haben, in dem sie aber scheinbar glücklich sind? Eigentlich nicht.
Bei manchen macht es die Kommunikation schwierig, weil die eben gar nicht wissen, was vielleicht alles geht und ihr kleines Problem (dass sie vielleicht mal haben) mit "spiel doch mal XYZ" vielleicht gelöst wäre.
Aber manchmal wünsch ich mir, ich hätte gleich zu Anfang die richtigen drei Systeme gekannt und dann keine Möglichkeit gehabt, was anderes zu kaufen.
Okay, Roland wäre dann arm, aber der Fokus auf das Spiel wäre vielleicht viel konstruktiver und nicht auf "andere Regeln lernen, die doch irgendwo alle das gleiche machen" gewesen.
Ist aber ein großes vielleicht und es ist ja nicht so, dass wir keinen Spaß damit gehabt hätten.
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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #5 am: 26.01.2024 | 10:58 »
Also ich probiere ab und zu was Neues aus, wenn's interessant klingt, hab aber auch meine Kernsysteme, die ich fleißig betreibe.

Und die habe ich eben durch die früher viel exzessivere Ausprobiererei gefunden. Was auch das Ziel dieser Sucherei war - Systeme finden, die man länger betreiben will.
Klar, wir alle behaupten halb im Spaß, dass die alle-fünf-minuten-fang-ich-ein-neues-System-Schiene per se unser Modus operandi wäre, aber mal ehrlich, wir suchen da doch Spiele, mit denen wir uns länger beschäftigen wollen. Dass man irgendwann dann auch tatsächlich etwas hat, in das man dann die ganze Energie investiert, die man sonst fürs Ausprobieren ausgeben würde, ist doch nur logisch.

Ich fände es sogar eher bedenklich, wenn man nach 30 Jahren Rollenspieltesterei immer noch kein einziges gefunden hätte, das man mal länger betreiben möchte. ^-^
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Offline First Orko

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #6 am: 26.01.2024 | 11:25 »
Alles in allem: Jo, kann ich alle fast 100% unterschreiben.  Ich hatte mir mal den Spaß gemacht, und eine Liste gespielter Systeme/Welten mit (im Falle der älteren: Enorm grob geschätzen) Spielzeiten erstellt - Aktuell komme ich (je nach Zählweise) auf 95 ausprobierte Systeme!  Bei 100 werde ich mal Bilanz ziehen, ich merke aber jetzt schon, dass es im Endeffekt auf dasselbe hinausläuft:

Und ich habe gemerkt, dass ich inzwischen mehr davon habe, mit einem System, dass ich schon gut beherrsche, einen Few-Shot, mehrere One Shots oder eine Kampagne durchzuziehen, als mich in 10 neue Sachen einzulesen.

[...]

Dann gibt es noch den Faktor "Hab ich doch alles schon gesehen".
Mir tun immer die Autoren leid, die ihren neuesten Hearthbreaker präsentieren und ich mir nur denken kann: Ich brauch kein weiteres System für klassische Fantasy. Ich hab mir genug davon angesehen und meine Favoriten gefunden.

Einerseits feiere ich die Vielfalt nach wie vor und finde es toll, wie kreativ die Szene nach wie vor ist - insbesondere abseits der große, gehypten Kickstarter und Verlage. Allein, wenn man sich bei itch.io mal nach Supplements und Fan-Erweiterungen umschaut kann einem schwindelig werden!

Die andere Seite ist aber: Das derzeitige Angebot überwiegt bei Weitem das, was die Masse der Spielenden überhaupt in der Lage ist, bis zu ihrem Lebensende erstmal nur zu lesen! Und natürlich müssen nicht alle Alles lesen. Aber die Ausdifferenzierung in bspw. durch große Kickstarter und Fanfinanzierungen aufgeblähte Mini- und Mikrovariationen von kleinstthematischen Settings, die natürlich ALLE in EPISCHSTER Breite in 25-Jahre-Kampagnen und 4000 Seiten Zusatzmaterial erschöpfend erspielt werden "wollen"  :P sorgt halt dafür, dass die Szene sich entsprechend zersplittert und der Kanon dessen, was allgemein bekannt ist, sich wohl auf DnD5e reduziert.

Auch diese Mikrosettings finden natürlich ihre Fans. Ich finde es aber etwas.. eigentümlich, dass sich mittlerweile die Ansicht herausgebildet hat, man bräuchte für jeden Grad der Abweichung eines bestehenden Settings ein eigenes, komplett "neues" System. Einfach mal ein System nehmen, mit denen die Meisten klarkommen und kurz hacken um dann schnell loszuspielen scheint in vielen Gruppen mittlerweile undenkbar.

Mich ermüdet diese zugrunde liegende Einstellung mittlerweile. Ich merke, dass ich von den 95 Systemen eigentlich nur knapp 1 Dutzend wirklich brauche, um bis zu meinem Lebensende versorgt zu sein.

Trotzdem will ich den Blick nicht verschließen und schaue gern über den Tellerrand, probiere doch mal wieder Neues aus. Ich merke aber an mir, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen überaus kritisch geworden bin und sehr schnell merke, ob und wann ein System meine Zeit wert ist - da reicht mitunter schon ein Blick auf den Charakterbogen. Da muss ich dann immer aufpassen, wie ich das so formuliere, dass eine entsprechende Aussage nicht arrogant rüberkommt.

Was hat das im Endeffekt für Erkenntnisse gebracht, die Anderen vielleicht auch hilft?  :think:
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  • lass ein Auge immer offen und probiere aus - aber achte auf das Verhältnis
  • überlege, wofür die in deiner privaten Blase Spielende findest - und dann erst, ob du kaufst*


* Ausnahme: Dedizierte, klar definierte Sammlung oder reine Freude am Lesen! Ich gehe bei Rollenspiel immer von "Spielwerkzeugen" aus, andere Zwecke mögen Andere besser beurteilen
« Letzte Änderung: 26.01.2024 | 11:29 von First Orko »
It's repetitive.
And redundant.

Discord: maniacator#1270

Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Offline Ainor

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #7 am: 26.01.2024 | 11:38 »
Mir gehts ganz ähnlich. Früher habe ich mich mehr für andere Systeme, Umbauten, etc interessiert.
Aber irgendwann wurde mir klar dass ich die Energie besser in Abenteuer investiere.
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
Im Rollenspiel ist auch hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie zu unterscheiden.
Meine 5E Birthright Kampagne: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122998.0.html

Offline Freeport

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #8 am: 26.01.2024 | 11:47 »
Für mich ist es vor allem ein Zeitfaktor. Sich in ein neues System einzuarbeiten kostet (je nach Komplexität) einfach ein paar Stunden, die ich in den letzten Jahren zunehmend weniger hatte. Vollzeitjob, Familie und andere Hobbies (Sport, Filmen) lässt zunehmen weniger Zeit fürs Rollenspiel. Da ist die Motivation, sich in ein neues System einzuarbeiten ehrlich gesagt nicht sehr groß. Das ist weniger, weil ich nicht was Neues ausprobieren will, sondern einfach, weil ich keine Zeit dazu habe.
Now I'm confused. No, wait! Maybe I'm not...

Offline Murphy

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #9 am: 26.01.2024 | 11:49 »
System-Hopper finde ich persönlich mühsam. Damit sind aber sicher nicht Leute wie du gemeint, die sich neue Spiele anschauen und auf dem Laufenden bleiben wollen. System-Hopper sind für mich Leute, die immer alles kennen müssen, damit sie ganz vorne mitreden können und drum haben sie ständig alles, was rauskommt, schon gesehen, gekauft, gespielt. Am Ende kennen sie aber nichts davon tief und entscheiden sich für nichts.

Das ist der Gegenpol zu den Leuten in der Blase. Und diese finde ich absolut okay. Wenn ich mich für ein Setting, ein System, ein Spiel entscheide oder entschieden habe, dann ist das doch okay. Niemand ist verpflichtet, flexibel zu sein. Auch finde ich DnD ein sehr gutes System und Faerun ein gutes Setting, um hängen zu bleiben.

Was mir einzig daran nicht so gut gefällt, ist dass viele durch PC-Game, YouTube-Vorbilder und Kinofilm das Gefühl haben, dass man mit DnD genau nur diesen "Vibe" bespielen kann und soll. Dabei lässt sich damit noch so viel mehr machen. Doch solche Mainstream-Vorzeige-Projekte führen dazu, dass kein eigener "Vibe" mehr gefunden werden muss, sondern dass man ein bestimmtes "Bild" von DnD hat. Just saying.

Offline Kaskantor

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #10 am: 26.01.2024 | 11:52 »
Ich spiele auch schon seit über 30 Jahren Rollenspiele (bin selbst erst 43) und bringe die Systeme schon nicht mehr zusammen, die ich gelesen und/ oder gespielt habe, dazu gibt es noch einiges, was ich besitze und noch nicht mal gelesen habe.

Manche Systeme habe ich viel, andere nur als Oneshot gespielt und manche nur gelesen.

Ich bin oder war ein extremer Systemhopper so die letzten 10-15 Jahre [wobei wir bei uns meist ein D20-System (immer im Wechsel DnD und Pathfinder) in dieser Zeit gespielt haben] und dabei ist mir gerade in den letzten Jahren, wo ich fast nur online spiele folgendes aufgefallen.

Es gibt oft (Behauptung durch mich) einen extremen Unterschied zwischen Spielern und SL.
Ich war immer! derjenige, der in unserer Gruppe neue Spiele versuchen wollte und solange überzeugt hatte, bis wir dem Spiel eine Chance gegeben hatten und ich war so gut wie immer! derjenige, der das Spiel wieder abgebrochen hat, wenn ich irgendwo was entdeckte, was mir nicht getaugt hatte...die Suche nach dem heiligen Gral eben :(

Ich war auch der SL der Gruppe, der sich dann in das neue Spiel gestürzt hatte, als wenn es keinen neuen Morgen mehr geben würde.
Die Spieler? Tja, die haben sich maximal mit der Charerstellung beschäftig und manchmal nicht mal das...

Was ich damit sagen möchte, wir (SL) stehen deutlich mehr dazu Stunden über Stunden in unser Hobby zu investieren, um jede kleine information aufzusaugen und die meisten Spieler, wollen einfach nur spielen :).

Das ist ein wenig der Grund, warum sich bei mir auch eine Ermüdung gegenüber dem Hopping eingestellt hat. Viele meiner Spieler haben mir auch zu verstehen gegeben, dass sie kein Interesse an meinem unbeständigen Stil hegen und haben dementsprechend hier und da einfach nicht mitgespielt.

Ich zb. bin auch bereit fürs Rollenspiel jegliches andere Hobby zu streichen, zb. Videospiele. Aber andere, meist Spieler haben auch andere Hobbys und investieren weit weniger Zeit ins Hobby Rollenspiel.

Derzeit erfahre ich Heilung, indem ich mich auf eine handvoll Spiele konzentriere und lieber lange Kampagnen leite.
DSA5 (ganz frisch:)), PF2, Starfinder. Wie wir hier sehen, alles komplexe Systeme und da finde ich immer Spieler zu, vor allem online :)
Da habe ich auch gerade sehr viel damit zu tun, mich in die Hintergründe und Regeln usw. einzugewöhnen, wodurch ich garnicht mehr die Gelegenheit habe, jedem kleinsten neuen Scheiß hinterherzurennen^^

Und das ganze geht auch abseits von DnD5.
Wir haben es auch Jahre seit Release gespielt, aber mittlerweile ist es bei uns komplett in der Versenkung verschwunden und ich persönlich trauere dem Spiel keine Träne hinterher.
« Letzte Änderung: 26.01.2024 | 11:58 von Kaskantor »
"Da muss man realistisch sein..."

Online tartex

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #11 am: 26.01.2024 | 12:12 »
Ich bevorzuge regelleichte Systeme. Deshalb ist Systemhopping für mich kein Problem.

Wer sich in jahrelang DSA oder oder Pathfinder oder D&D einarbeitet, der möchte das erlernte Know-How wahrscheinlich nicht wieder auf die Halde werfen. Das kann man auch verstehen.

In meiner Tischrunde sind wir aber alle sehr experimentierfreudig und wechseln auch Spielleiter durch. Deshalb haben wir es bis jetzt noch nichtmal geschafft dem lokalen Indie-RPG-Club beizutreten, der jeden Sonntag ein neues System testet.  (Hauptsächlich, weil ich Sonntag eigentlich immer was anderes zu tun habe.)

Wenn ich sehr lange Kampagnen spiele machen komplexere Systeme vielleicht einen Unterschied, aber selbst nach der 50. Session Torg Eternity, habe ich den Eindruck, dass wir eher noch an der Oberfläche kratzen, und weniger regeln auch reichen würden.

Bei Monster of the Week war nach eineinhalb Jahren irgendwie die Luft raus. Aber das ist ja ohnehin schon für meine Verhältnisse eine sehr lange Kampagne.

Ich würde aber jedem Fast-Immer-Spielleiter den Tipp geben sich auch mal auf die andere Seite des Tisches zu begeben. Der Perspektivenwechseln lässt einen sehr viel übers Spielleiten lernen.

Die Zwillingsseen: Der Tanelorn Hexcrawl
Im Youtube-Kanal: Meine PnP-Let's-Plays
Kumpel von Raven c.s. McCracken

Offline unicum

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #12 am: 26.01.2024 | 13:16 »
Edit: Guter Punkt, ein System macht ja am Ende der Mix verschiedener Regelelemente aus. Für die Qualität ist also nicht die einzelne Zutat entscheidend, sondern welches Geschmackserlebnis die Gesamtheit der Zutaten schafft.

Ich meinte damit nicht nur die Regeln, das gleiche betrifft auch Spielwelten die mal mehr und mal weniger Orginell sind. Gibt ja nicht umsonst die Diskussionen über die EDO Fantasy.

Und Geschmack - das kommt bei dem einen so und beim anderen anderst an.

Offline felixs

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #13 am: 26.01.2024 | 13:45 »
Ich bin ganz sicher, dass es zwar interessant ist, neue Spiele auszuprobieren, dass man aber nur dann wirklich etwas von den Spielen hat, wenn man sich längerfristig und häufiger damit beschäftigt. Gilt auch für Brett- und Zinnfigurenspiele.
Eine Ausnahme sind vielleicht manche Rollenspiele, die für genau ein einziges Szenario ausgelegt sind. Die hat man dann halt nach einem Durchgang durch.

Ich würde aber jedem Fast-Immer-Spielleiter den Tipp geben sich auch mal auf die andere Seite des Tisches zu begeben. Der Perspektivenwechseln lässt einen sehr viel übers Spielleiten lernen.

Ganz gewiss sogar. Das Problem ist fast immer nicht der Wille des Fast-immer-Spielleiters - meist ist es ja eher so, dass sonst niemand leiten will.
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Online Zed

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #14 am: 26.01.2024 | 13:52 »
Ich denke, dies ist ein Fall von „In die Breite oder in die Tiefe?“, wobei ich „Tiefe“ nicht unbedingt nur auf das System beziehe, sondern auch auf das Setting und die vielleicht langanhaltende Kampagne, die man mit einem System spielt.

Es gibt mir als Hobbyisten etwas unterschiedliches, ob ich nun eintauche in die Welt der Systemvielfalt oder eintauche zB in die Mittelerdewelt, die ich mit The One Ring bespiele. Dass das eine irgendwann mal langweilig wird und das andere dann interessanter, ist für mich nachvollziehbar.

Offline Leonidas

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #15 am: 26.01.2024 | 14:02 »

Und ich frage mich: Ist es schlimm, dass sie in ihrer Blase hängen?

Nee, daran kann ich absolut nichts schlimmes finden.
Ganz im Gegenteil:  Nicht immer, aber doch immer wieder, hat dieses 5e-Spieler-aus-der-Blase-holen-Attitüde schon einen unangenehm paternalistischen bzw. herablassenden Unterton, als wären die (wir!) alle zu doof. Das finde ich schlimm.

Offline AndreJarosch

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #16 am: 26.01.2024 | 14:03 »
Ich bin da am entgegengesetzten Ende des Spektrums von aikar:

Ich habe von 1984 - 1994 fast ALLES gespielt was es in deutscher Sprache an Rollenspielen gab.
Doch dann hatte ich meine Vorliebe gefunden und einige Abneigungen gegen andere Systeme entwickelt.

Seit dem spiele (und vor allem leite) ich mit wenigen Ausnahmen fast ausschließlich W100/BRP-basierende Systeme.

Innerhalb meines bevorzugten Spielsystems gucke ich aber gerne über den Tellerrand und gucke welches W100-System etwas anders regelt wie ich es bisher spiele, oder vor alle: welche neuen Settings für W100 neu erscheinen.

Im Grunde genommen bin ich nicht anders wie der klassische Nur-D&D-Spiel(leit)er... nur dass ich mich auf W100 spezialisiert habe und nur in Ausnahmefällen für ein Setting ein anderes Spielsystem wählen würde als W100.

Offline Sashael

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #17 am: 26.01.2024 | 14:29 »
Meine Systemhüpferei springt immer wieder auf D&D als mein Fantasysystem zurück, aber sonst hab ich auch vieles ausprobiert. Dabei war ich aber auch immer auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten.

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Ich hab immer nach einem leicht erlernbaren System gesucht, mit dem ich schnelle OneShots spielen kann, ohne Setting- und Traditionsbalast und trotzdem noch einem Crunchgrad, der meinem bevorzugten Spielstil entgegenkommt.
Ich hoffe, ich hab mit dem Fortunesystem jetzt endlich gefunden, wonach ich gesucht habe.

Feste Verbindungen von System und Setting á la DSA oder TOR machen mich dagegen kaum bis gar nicht an. Am besten kann ich noch mit den Modifizierungen der YearZeroEngine leben. Coriolis hab ich lange gespielt. Aber generell bin ich eher für Kurzabenteuer zu haben, weil mir einfach immer drölf Ideen gleichzeitig im Kopf rumspuken, die teils auch komplett inkompatibel sind, was das Setting angeht.

Meine CatchMostPlayer Basis wird wohl weiterhin D&D bleiben und für anderes bin ich wohl auch bis auf weiteres ausgesorgt. Neue Systeme kommen mir erstmal nicht mehr ins Haus.
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


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Online tartex

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #18 am: 26.01.2024 | 14:37 »
Nicht immer, aber doch immer wieder, hat dieses 5e-Spieler-aus-der-Blase-holen-Attitüde schon einen unangenehm paternalistischen bzw. herablassenden Unterton, als wären die (wir!) alle zu doof. Das finde ich schlimm.

Also ich finde man muss da doch klar zwischen Leute, die viele Systeme ausprobiert haben und ihren Liebling gefunden, und solchen, die jedes Experiment als Verrat an der reinen Lehre empfinden, unterscheiden.
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Offline flaschengeist

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #19 am: 26.01.2024 | 14:41 »
Und ich frage mich: Ist es schlimm, dass sie in ihrer Blase hängen?

Auf keinen Fall, das sehe ich ähnlich wie Leonidas. Jeder soll auch im Rollenspiel nach seiner Facon seelig werden. Schade finde ich allerdings, wenn Leute stark mit ihrem Erstsystem hadern aber gleichzeitig nicht offen für Neues sind - etwa wenn ein typischer Tanelorni (richtig!) erkennt, dass zur Spielweise der Gruppe Dungeon World viel besser passt als DSA 4.1 oder vice versa, und eine entsprechende Empfehlung gibt. Wohlgemerkt schade für diejenigen, die die Empfehlung ignorieren, da sie in der Konsequenz weiter damit leben müssen, dass ihr Erstsystem schlecht zum Spielstil passt.

Und Geschmack - das kommt bei dem einen so und beim anderen anderst an.

Da sind wir uns völlig einig - dachte es versteht sich von selbst, dass Geschmack nicht bei jedem gleich sondern eben Geschmackssache ist ;).
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline JS

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #20 am: 26.01.2024 | 18:34 »
Ich war auch der SL der Gruppe, der sich dann in das neue Spiel gestürzt hatte, als wenn es keinen neuen Morgen mehr geben würde.
Die Spieler? Tja, die haben sich maximal mit der Charerstellung beschäftig und manchmal nicht mal das...
Was ich damit sagen möchte, wir (SL) stehen deutlich mehr dazu Stunden über Stunden in unser Hobby zu investieren, um jede kleine information aufzusaugen und die meisten Spieler, wollen einfach nur spielen :).

Das ist wohl generell das Schicksal breit aufgestellter und stets neugieriger SL, die viel ausprobieren wollen. Und ich muß als mehrjähriger Mitspieler bei dir anmerken, daß wir dieses "Hopping" nicht nur hatten, weil du den heiligen Gral nicht gefunden hattest, sondern weil wir oft genug auch als Gruppe merkten, daß ein System "versagte" oder seinem Hype NULL gerecht wurde. Sicherlich war das Hopping hin und wieder auch mal verwirrend, aber alles in allem haben wir in dieser Zeit und durch dich auch viel kennengelernt und - amüsant - gemeinsam nicht schätzen gelernt.

Und ich muß auch sagen, daß mir dieses wilde Systemtesten und -besprechen auch mit den anderen SL sehr gut gefiel, weil wir vieles kennenlernten und bei grauenvollen Erlebnissen auch einfach zuverlässig weiterzogen. Ich hätte ohne das alles wohl nie erfahren oder mir selbst schmerzhaft aneignen müssen, daß dieses ganze Year Zero Zeug mir total mißfällt, Warhammer Fantasy RSP 4 eine erbärmliche Weiterentwicklung des grandiosen WFRS 2 ist und ich die 2D20-Systeme sehr gelungen finde (MEINE Meinung). So kam ich freudvoll zu Star Trek und Dune in meinem Schrank. Und auch meine "Rückkehr" in den wohligen Schoß von D20 und nun Pathfinder 2 wurde durch dich initiiert. Das war eine schöne Zeitreise zurück in die Zeiten, als auch mein altes Umfeld vor Ort noch richtig unter Feuer im Rollenspielhobby war.

Diese eigentlich guten Erfahrungen führten für mich dann auch zu meinem heutigen Stil: Laut meiner Buchführung las und spielte ich in den letzten Jahrzehnten genau 119 Systeme. Gerade in den Coronajahren und dank Kaskantor und Co kamen noch mal so einige dazu - parallel zu einer längeren DSA-Runde, die mir zeigte, daß ich DSA als System und Welt (und die Produktpolitik von Ulisses) endgültig nicht mehr in meinem Hobbyleben haben möchte. Der kritische Blick auf meine Hobbygeschichte zeigte mir dann, welche Systeme und Welten die längsten Runden und besten Erlebnisse für mich und in meinem Umfeld generiert hatten, woraufhin ich mich dann auf diese 6 Kernsysteme zurückzog. Seitdem gibt es kein System-ADHS mehr und kein Interesse daran, die Sammlung der aktiven Systeme noch zu erweitern. Ich spiele gerne andere Systeme mal mit (weil ich bei Nichtgefallen einfacher aussteigen kann) und halte mich auf dem neusten Stand am Markt (gern auch mit Neuerwerbungen), aber spielerisch biete ich meine 6 wohlbekannten Systeme, die auch die Spieler gut genug kennen, und profitiere davon enorm. My way. :D
« Letzte Änderung: 27.01.2024 | 18:00 von JS »
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

Offline Runenstahl

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #21 am: 26.01.2024 | 19:44 »
Und ich frage mich: Ist es schlimm, dass sie in ihrer Blase hängen?

Da schliesse ich mich der Mehrheit an: Nein, das ist nicht schlimm. Es gibt auch genug Menschen die überhaupt nicht wissen was ein Rollenspiel ist und auf eine mir unbegreifliche Art und Weise trotzdem glücklich sind ;)

Es kann sicherlich nicht Schaden anderen anzubieten mal in andere Dinge reinzuschnuppern. Aber man sollte auch akzeptieren wenn jemand das nicht möchte. Das ist so wie mit allem im Leben. Wenn mir Kumpels ihr Hobby beibringen wollen sollte es alleine meine Entscheidung sein ob ich das ausprobiere (Bouldern war spassig) oder nicht (Angeln spricht mich sowas von gar nicht an).

PS: Es gibt auch noch eine andere Art von System-Hoppern. Leute die ich unter "Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite" einsortiere. Diese Leute lesen viele Systeme und finden stets System X besser als das Aktuelle. Allerdings nur solange bis wir das dann ausprobieren. Dann ist plötzlich das neue Y System soooo viel besser. Und so weiter. Das finde ich schade, denn diese Leute werden wohl nie wirklich mit einem System glücklich werden und stets mehr oder weniger Sinnlos zwischen allen möglichen Systemen hin- und herspringen. Mal was neues ausprobieren ist ja durchaus Sinnvoll, aber zumindest für mich ist es auch schön ein halbwegs festes System zu haben mit dem man mehr als nur 3 Abenteuer spielt.
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Offline YY

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #22 am: 26.01.2024 | 19:46 »
Regeln lernen kostet wahnsinnig viel Zeit, die man genauso gut mit Spielen/Leiten/Runden vorbereiten verbringen könnte.

Zumindest bei Spielen und Leiten gehe ich nicht mit.
Wenn man die Zeit genau so gut damit verbringen könnte statt mit Regeln lernen, hieße das doch auch, dass ich schon mal eine Runde abgesagt haben oder zumindest einen Termin nicht gesetzt haben müsste, weil ich mir Regeln anschauen musste. Das findet aber offensichtlich dann statt, wenn sowieso keine Sitzungen sind.

Dass man die Zeit mit Vorbereitung verbringen könnte - stattgegeben. Oder mit ganz anderen Dingen, für die man sich eben eher die Zeit nehmen will.

Denn:
Und die habe ich eben durch die früher viel exzessivere Ausprobiererei gefunden. Was auch das Ziel dieser Sucherei war - Systeme finden, die man länger betreiben will.

Die ganze Systembetrachtung und -lernerei ist doch gerade kein Selbstzweck, sondern soll eine tatsächliche oder gefühlte Lücke schließen.
Sofern sich das nicht zu einer sinnlos gewordenen Gewohnheit oder anderweitig ins Ungesunde entwickelt, muss das irgendwann ein Ende finden oder zumindest reduziert werden. Schließlich hat man dann Erkenntnisse irgendeiner Art gewonnen und entweder Systeme entdeckt, mit denen man zufrieden ist, etwas eigenes gebaut oder aufgegeben und sich mit den Macken der bestehenden Optionen abgefunden.


Andersrum: wer diese Lücke nicht hat oder meint zu haben, der sucht auch nicht.
Ein echtes Problem entsteht nur da, wo wie hier auch schon angesprochen eine große Unzufriedenheit mit dem genutzten Spiel zusammenfällt mit der Unwilligkeit, sich etwas anderes anzugucken.
Das ist dann selbstverschuldetes Elend.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Weltengeist

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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #23 am: 26.01.2024 | 20:22 »
Ich selbst habe auch sehr, sehr viele Regelwerke (ich beschränke mich mal auf das Thema "Regeln") gelesen, aber nicht mit dem Ziel, die alle spielen zu wollen oder auch nur, mich so gut wie möglich auszukennen. Ich habe vielmehr nach einem Regelwerk gesucht, mit dem ich endlich zufrieden sein und alt werden kann. So die Hoffnung.

Hat natürlich nicht funktioniert. Meine Entscheidung, jetzt einfach Savage Worlds zu nehmen und dabei zu bleiben, war daher auch ein Stück Resignation - nach ungefähr hundert gesichteten Systemen hatte ich einfach die Hoffnung aufgegeben, das zu finden, was ich gesucht habe.

In der Wissenschaft ist diese Aufgabenstellung übrigens als Exploration-Exploitation-Dilemma bekannt: Will ich weiter Zeit (in der ich sonst spielen könnte) in die Suche nach besseren Optionen investieren in der Hoffnung, damit in der Zukunft mehr Spaß zu haben? Oder beende ich die Suche und nutze künftig das Beste, was ich bisher befunden habe? Für mich war der Punkt Anfang 2020 erreicht, so dass ich meine Systemsuche quasi von einem Tag auf den anderen beendet habe.
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Spielt derzeit: The Wild Beyond the Witchlight (Savage Worlds - Prismeer), Troubleshooter (Savage Worlds - Starfinder)
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Re: Probier-doch-mal, Systemhopper und Ermüdung
« Antwort #24 am: 26.01.2024 | 21:11 »
Systemhopping? Yepp, da bekenne ich mich schuldig im Sinne der Anklage. ;)
Das betreibe ich nun mehr oder minder regelmäßig seit ~ 20 Jahren. Ich bin zwar -mit Pausen- noch etwas länger im Hobby aktiv, aber zu dem Zeitraum habe ich begonnen, als SL zu fungieren und dementsprechend auch mehr Bücher zu lesen.
Eine Müdigkeit , wie sie im Startposting erwähnt wird, habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt; aber ja, phasenweise ist es weniger stark ausgeprägt als noch in den Anfangsjahren.
Man merkt einfach, dass man mit zunehmenden Alter :korvin: leider immer weniger Zeit hat...und natürlich hat man dann im Laufe der Jahre schon etliche Systeme & Settings gesehen und kennengelernt. Gerade als Systemhopper. Aber ja, inzwischen schaue ich bei dem ein oder anderen System das mich reizt/interessiert dann doch genauer hin, informiere mich mehr/tiefer darüber...und in einigen wenigen Fällen hat das dazu geführt, dass ich gesagt habe: " Ok, brauche ich dann doch nicht". Wo ich früher einfach mehr oder minder blind gekauft und gesagt hätte: " Shut up and take my money".

Auch wenn das Systemhopping zwischenzeitlich immer mal wieder abgenommen hat...die Grundfaszination des Systemhoppings hat tatsächlich über all die Jahre hinweg bei mir nie abgenommen. Okay ich gestehe, ich habe etliche Bücher bei mir im Schrank rumstehen- teilweise seit Jahren- in die tatsächlich nicht mehr als einen flüchtigen Blick werfen konnte. Aber da ärgere ich mich nicht darüber, dass ich so viele verschiedene Systeme im Schrank stehen habe, sondern ich ärgere mich darüber, dass ich nicht die Zeit habe oder finde, die alle mal zu lesen und auszuprobieren. Letzteres wird ja dann auch dadurch erschwert, dass man - so meine Erfahrung- gerade bei den älteren Spielern immer weniger Leute findet, die ebenso experimentierfreudig sind und mal was Neues ausprobieren und kennenlernen wollen. Das finde ich schade, ich kann es nicht oder nur bedingt nachvollziehen, denn der Grundgedanke oder einer der Grundgedanken des Rollenspiels ist es doch, neue fremde Welten kennenzulernen und zu erkunden (frei nach dem Star Trek -Motto).  Manche Leute haben da auch eine etwas eigenwillige um nicht zu sagen fragwürdige Ansicht dazu. Anstatt sich darüber zu freuen, dass jemand verschiedene Systeme anbieten kann, beschweren sie sich darüber, dass man sie mit der Auswahl an mehreren Systemen überfordern würde. :gaga: Naja, zum Glück gibt's aber immer noch genug experimentierfreudige Spieler z.B. grade auf Conventions- sonst wäre es echt arm um die RPG-Szene bestellt.

Und ich frage mich: Ist es schlimm, dass sie in ihrer Blase hängen?
Das finde ich per se erstmal nicht schlimm. Gerade bei Neulingen/Anfängern kann ich das verstehen, dass sie erstmal ein bisschen Routine und Sicherheit entwickeln und daher erstmal bei einem System bleiben wollen.
Ich finde es allerdings dann schlimm, wenn Leute gar nichts Anderes mehr spielen oder ausprobieren (wollen). Extrem schlimm finde ich dann die Leute (ich kenne da einige), die selbst auch auf Conventions das System spielen, das sie seit Jahren spielen (und teilweise auch noch in der gleichen Besetzung wie in der privaten Tischrunde). Da fragt man sich schon, warum diese Leute überhaupt auf Conventions gehen, wenn sie da doch den selben Einheitsbrei wie zu Hause spielen ("Bauerngaming" betreiben)?
Und das andere, was ich extrem schade finde, ist, wenn zu viel(e) auf den Systemhype aufspringen und Individualität des Systems nicht mehr gewährleistet ist. Z.B. bei D&D 5: Da gibt es einige fertige (Kauf)Settings wie z.B. Fateforge, Lost Citadel, Grim Hollow, etc.die mich einfach schon von der Grundthematik- und Stimmung interessieren würden. Aber wenn ich dann lese, dass die allesamt auf 5e basieren, ist mein Interesse meistens gleich wie weggeblasen, da ich kein Freund von D20 bin. Und die Zeit & Muse, das alles von 5e auf ein anderes Regelsystem zu konvertieren, das mir liegt, habe ich nicht (mehr). Die Zeit investiere ich dann lieber ins Systemhopping und schmökere entsprechend in einem neuen oder bis dato noch ungelesenen System(buch).
« Letzte Änderung: 26.01.2024 | 21:13 von Blizzard »
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