Sodala. Wie versprochen kommt hier meine Wall of Text zum Thema "Warum DSA 2 besser als DSA 3 ist".
Viele Dinge wurden ja bereits schon genannt, aber ich würde da jetzt nochmal grundsätzlich anfangen auf die Gefahr hin, dass ein paar Inhalte redundant sind, dafür aber die Struktur der Argumentation gewahrt bleibt.
WENIGER EIGENSCHAFTEN
DSA 2 hat, wie bereits von anderen erwähnt wurde, nur 5 gute (Mut, Klugheit, Charimsa, Geschicklichkeit, Körperkraft) und 5 schlechte Eigenschaften (Aberglaube, Höhenangst, Raumangst, Goldgier, Totenangst). Das ist meiner Meinung nach ein Feature und kein Bug, weil die Unterschiede zwischen Fingerfertigkeit und Geschichklichkeit vernachlässigbar sind und Intution sich genauso gut durch Talente wie Gefahreninstinkt, Orientierung, Menschenkenntnis, Zwergennase etc. abbilden lässt. Noch krasser ist es bei den schechten Eigenschaften. Neugier ist einfach keine wirklich schlechte Eigenschaft, weil quasi jeder Held von Natur aus neugierig ist. Sonst wäre er ja kein Held. Und warum sollte jeder Held einen Wert in Jähzorn haben? Das passt zum Beispiel zu magischen Charakteren überhaupt nicht.
Es gibt außerdem keinen eigenen Fernkampfwert und keinen Ausweichenwert. Ausweichen ist stattdessen ein Wurf auf PAx2. Ausdauer taucht zudem nur als sekundärer Wert bei den Regeln für Reisen und Krankheiten auf.
GEBURTSMONATE
Bevor jetzt jemand schimpft: ja, die gab es in DSA 3 auch, aber sie waren in der Basisbox versteckt und waren in MSZ nicht enthalten (genauso übrigens wie die Regeln für Bewegung). Daher finde ich DSA 2 auch hier superior, weil man nicht zwei Boxen mit sich rumschleppen muss.
HELDENTYPEN
Bei DSA 2 gibt es folgende Heldentypen noch nicht (!): Amazone, Jäger, Medicus, Norbarde, Seefahrer, Söldner, Skalde, Barde. Außerdem gab es keine Regeln für die Modfikation der Typen nach Herkunft (MSZ 61). Das braucht man alles aber auch überhaupt nicht! Mal abgesehen davon, dass es bei DSA 3 einen immensen Rulesbloat hinsichtlich der Heldentypen in den Boxen gab, hatte DSA 2 was viel besseres, nämlich (wenn auch nur grobe) Richtlinien für das Erschaffen von Heldentypen. Damit ist für den geneigten Leser sofort klar, dass man sich alles, was man sich wünscht, einfach selbst machen kann und nicht auf die vorgefertigten Heldentypen begrenzt ist.
TALENTE
Das hier ist ein ganz wichtiger Punkt. DSA 2 hat einfach viel weniger Talente und das ist gut so. Außerdem sind Helden in den Talenten viel stärker, weil sie ja nur 5 Eigenschaften steigern müssen anstatt 7, um breit aufgestellt zu sein.
Anstatt einer Unzahl von Waffentalenten gibt es beispielsweise nur 3 unbewaffnete Kampftalente und 7 Waffentalente. Reicht vollkommen. Und so nutzlose/komische Talente wie Gaukeleien, Körperbeherrschung (das ist bei DSA einfach eine Talentkategorie), Selbstbeherrschung, Staatskunst oder Töpfern gibt es nicht. Auch nicht so einen Quatsch wie Berufstalente für Zuckerbäcker usw.
LERNZEITEN UND LERNKOSTEN
Bei DSA 2 gab es, ähnlich wie bei Midgard, außerdem Regeln für sogenannte "zeitaufwendige Talente" (z.B. Schusswaffen, Wurfwaffen, Pflanzenkunde, Fliegen, Abrichten) und "zeit- und kostenaufwendige Talente" (z.B. Hruruzat, Alchimie, Mechanik, Akrobatik). Erstere benötigen pro Steigerungspunkt eine bestimmte Anzahl von Tagen, die auf das Erlenen (z.B. in Eigenstudium oder mit einem Lehrer) investiert werden müssen. Zweitere müssen dazu außerdem noch bezahlt werden, z.B. kostet ein Punkt Hruruzat unglaubliche 20 D und braucht 60 Tage Training!!! Alle anderen Talente können frei gesteigert werden.
Ob das nun ein Plus- oder Minuspunkt ist, muss freilich jeder selbst entscheiden. Ich finde es gar nicht mal so verkehrt, weil es den Helden einen Grund gibt, auf Abenteuer auszuziehen (man braucht ja das Geld, um besser zu werden).
KAMPFREGELN
Hier gab es die größten Änderungen zwischen DSA 2 und DSA 3.
Wie bereits erwähnt gab es bei DSA 2 keine fixen WV-Werte für die einzelnen Waffen, sondern stattdessen zwei Varianten: entweder man entscheidet sich für fixe Mali/Boni auf AT und PA, unabhängig davon, gegen wen man kämpft (z.B. hat ein schwerer Dolch dann immer AT-2 und PA-3). Oder man nutzt die Waffenvergleichstabelle, wo man nachschauen kann, welcher WV sich aus der Kombination von zwei Waffengattungen ergibt. Beispielsweise hat ein Kämpfer mit schwerem Dolch, der gegen einen Schwertkämpfer antritt, einen WV von -1/2. Ich würde da immer die Tabelle nehmen, weil das genauso schnell geht wie den WV nach DSA 3 zu berechnen.
Am allerwichtigsten aber sind die Regeln für Treffer und Trefferplatzierung. Generell ist es so, dass die Trefferpunkte bei DSA 2 qualifiziert sind. Würfelt man nach einer eigenen gelungenen Attacke und einer misslungen Parade des Gegners mit dem Trefferwürfel mindestens eine 4, bekommt der Gegner einen schweren Treffer (dieser wird in den Regeln nicht eplizit so genannt, steht aber im Fließtext). Hier gilt die Formel W-3, d.h. eine 4 gibt -1 auf AT, 5 gibt -1 auf AT und -1 auf PA, 6 gibt -2 auf AT und -1 auf PA. Durch gezielte Attacken kann man die Abzüge erhöhen. Das bedeutet, dass gezielte Attaken bei DSA 2 nicht nur mehr Schaden machen, sondern dem Gegner auch gleichzeitig "Wunden" (denn um solche handelt es sich, auch wenn sie nicht so genannt werden) zufügen. Gezielte Attacken sind dabei besonders wichtig gegen Gegner mit hohem Rüstungsschutz, weil der RS die AT-/PA-Minderung begrenzt. z.B. gilt bei einem RS von 4 (Kettenhemd) bei der Bestimmung von schweren Treffern nicht W-3, sondern W-4. D.h., erst bei einem Schadenswurf von 5 bekommt man einen Malus bzw. bei einer gezielten Attacke von +1. Gegner mit einem RS von 6 und höher kann man ohne gezielte Attacken gar keine schweren Treffer mehr zufügen.
Eine Ausnahme stellen hier glückliche Attacken dar. Diese verursachen nicht nur wie bei DSA 3 W20+x Schaden, sondern umgehen den RS und es wird auf der Treffertabelle gewürfelt.
Die Regeln für Trefferplatzierung sind dabei leider sehr unglücklich beschrieben, da die gleiche Tabelle sowohl für glückliche Attacken benutzt wird als auch für die Berechnung des nötigen AT+ um eine bestimmte Körperregion zu treffen. Um beispielsweise den Kop zu treffen (die Körperregion, mit dem höchsten Abzug bei einem schweren Treffer = AT-10/PA-10) muss man entweder eine 20 auf der Treffertabelle würfeln (nach einer glücklichen Attacke) oder eine um 17 erschwerte Attacke ansagen und dann beim Trefferwurf mindestens eine 3 würfeln (W-3). Das ist alles superverwirrend und überkompliziert formuliert und man muss es echt mehrmals lesen. Aber im Grunde ist es eine tolle Regelung, weil Kämpfe echt ultragefährlich werden und selbst bei hohen LP-Werten Gegner wie Helden nach ein, zwei schweren Treffern aufgeben müssen, weil sie keine Chance mehr haben, ihre Gegenüber zu treffen oder sich gegen seine Attacken zu wehren.
Daneben gibt es noch ein paar kleinere Differenzen bei Stangenwaffen unf Patzern. Außerdem wird BF nicht bei Natural 1 oder 20 getestet, sondern immer dann, wenn zwei Gegner die gleiche Zahl bei AT und PA würfeln. Außerdem gibt es Regeln für Wundfieber (finden viele lächerlich, aber als HârnMaster-Fan finde ich das natürlich großartig).
Am allerallerwichtigsten ist aber, dass Schilde bei DSA 2 RAW funktionieren. Wer sich mal mit Verstand und Geduld die DSA-3-Schild-Regeln durchgelesen hat, wird schnell gemerkt haben, dass die totaler Schwachsinn sind. RAW hat ein Held mit Schild bei DSA 3 eine schlechtere PA als ohne Schild. Ich habe die Kampfregeln von DSA 2 genau studiert und bin mir wegen der exzessiven Regelexegese mittlerweile relativ sicher, dass es da einen Übertragungsfehler zwischen DSA 2 und 3 gab. Anscheinend hat man bei DSA 3 ohne Sinn und Verstand die neuen WV- und Behinderungsregeln auf die Schilde übertragen, aber eine wichtige Regel von DSA 2 weggelassen, sodass Schilde bei DSA 3 nun den Kämpfer stärker behindern, als das sie in schützen. Bei DSA 2 gibt es nämlich zwei Möglichkeiten: Schilde erhöhen entweder den RS oder sie reduzieren die AT um den gleichen Wert, um den die PA erhöht wird (kleiner Schild gibt -1/+1, großer Schild gibt -2/+2). Eine Behinderung entsteht nur durch Rüstungen, nicht aber durch den Schild. Das ist auch das einzige was Sinn macht!
HARNMASTER-EINFLÜSSE
Last but not least möchte ich erwähnen, dass DSA 2 meines Erachtens nach stark den Geist von HârnWorld und AD&D atmet. Im letzten Teil des Regelbuch II gibt es neben Regeln für Wundfieber auch Regeln für Opfergaben (jeder Held sollte 10 bis 90 Prozent seiner Einnahmen an die Götter spenden, um nicht deren Zorn zu erregen), Regeln für Steuern (!), Kosten für Waffenknechte (40 bis 80 Silbertaler pro Monat) und Regeln für Haus- und Schiffbau (auf einer Seite!!!).
MAGIE ETC
Auf was ich jetzt noch nicht eingegangen bin, ist die Magie. Da gibt es auch einige Unterschiede, insbesondere gibt es viel weniger Zauber (nämlich exakt 11 x 11 Zauber), keinen Sonderregelbloat wie bei Mysterium Arcana und die Mageirakademien modifizieren jeweils nur ein paar wenige Zauber und keine Talente.
RESUMEE
Das alles klingt jetzt vielleicht so, als wäre ich ein DSA 2-Fanboy (tut es das? keine Ahnung). Aber dem ist mitnichten so. Ich finde nur, dass DSA 2 die am besten spielbare Version von DSA ist. In Kombination mit dem Lexikon des Schwarzen Auges und evtl. noch dem Land des Schwarzen Auges hat man hier eine tolle Aventurien-Sandbox mit dem Spirit der frühen 90er. Leider leiden die Regeltexte an einigen wenigen Stellen unter der späthippiesquen autoritären Art von Ulrich Kiesow. Aber da kann man drüber hinwegsehen. Nicht hinwegsehen kann man leider darüber, dass die DSA2-Regionalmodule und -boxen (wie z.B. Havena) im Ansatz unfassbar coole Plothooks haben (im Fall von Havena z.B. die Unterstadt oder die in der Box angedeutete Intrige von der Schwester von Benain), aber das wird alles von seitenlangem Geschwurbel über belanglose Locations, die nichts zum Abenteuer beitragen erdrückt. Und dann gibt es da noch so unglaublich freche Abenteuerlocations wie Nahemas Turm, der einfach nur in Textform gegossenes Spielerbullying ist. Letztendlich habe ich mich beim Leiten von DSA 2 immer gefragt, warum ich eigentlich nicht HârnMaster spiele, weil das in meinen Augen sowohl hinsichtlich Setting als auch Regeln die bessere Wahl ist.
Der große Vorteil von DSA 2 gegenüber HM ist halt, dass 1) die meisten Spieler mit Aventurien vertraut sind und 2) die Welt den fantastischen Realismus als USP hat. Zauberer, Elfen, Zwerge und Drachen leben da dicht an dicht auf diesem kleinen Kontinent und trotzdem fühlt es sich stimmig und realistisch an. Wer "fantastischere" und von feudalen Strukturen losgelöste Abenteuer erleben will als es in Hârn möglich ist, der ist bei DSA 2 gut aufgehoben (solange man sich nicht in das Panopticon der DSA-Redax der 90er Jahre begibt).