Autor Thema: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting  (Gelesen 389 mal)

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Online tarinyon

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Schon seit längerem wollte ich den HârnMaster-Bereich im Forum wieder neues Leben einhauchen. Daher habe ich mir überlegt so etwas wie eine Art Anleitung zu schreiben, die es einem leichter macht, die HârnWorld zu erzocken. Als jemand, der selbst erst vor ca. 3 bis 4 Jahren das Setting und die damit verbundenen Rollenspielsysteme (HârnMaster sowie HârnMatster Gold und dessen Nachfolger HârnMaster Kethîrà) kennengelernt hat, kann ich total nochvollziehen, wenn man anfangs etwas ratlos vor diesem ehrwürdigen Rollenspiel-Setting steht, das mittlerweile auf eine über 40-jährige Geschichte zurückblicken kann. Der bis heute ungelöste Konflikt zwischen zwei konkurrierenden Herausgebern (Columbia Games in den USA vs. Kelestia Games in Kanada) hat dazu sicher seinen Teil beigetragen, soll aber nicht Thema dieses Beitrags sein. Für die Geschichte des Settings und des damit verbundenen Rollenspiels HârnMaster empfehle ich die Lektüre des Designers & Dragons-Bandes zu den 80er Jahren.

Bevor ich mit der eigentlichen Zock-Anleitung beginne, möchte ich in diesem ersten Beitrag ein paar Klarstellungen machen:

1. HÂRNWORLD IST NICHT FÜR JEDEN
HârnWorld ist eines der ersten Rollenspiel-Settings überhaupt (1984). Im Gegensatz zu anderen Fantasy-Systemen versucht es, einem hardcore-simulationistischen Ansatz folgend, eine pseudo-mittelalterliche Welt detailliert zu beschreiben, angefangen von der Schwierigkeitsstufe des Türschlosses zum Schlafgemach des lokalen Amtmanns bis hin zu den Garnisonen und wirtschaftlichen Statistiken einer Siedlung (klingt jetzt krasser, als es ist, wir reden da von vier bis fünf Zahlenwerten). Dabei ist HârnMaster sehr viel stärker als D&D und Konsorten (auch DSA) in einer mittelalterlichen Kultur verankert. D.h., in den Dörfern gibt es keine Bürgermeister und keine Beholder-Gangsterbosse, die das Sagen haben, sondern dem englischen System entlehnte Posten (Bailiffs, Sheriffs etc.), die alle jeweils einem anderen Amtsträger oder Lehnsherren unterstehen. Anders als bei vielen D&D-Settings ist die namensgebende Insel Hârn nicht der wilde Westen im Fantasy-Gewand, wo man die Sau rauslassen kann, sondern durch bestehende Herrschaftsstrukturen (inkl. ausdefinierter Kulturen und Religionen) beschränkte Welt. All das muss man natürlich mögen. Für Spieler und Spielleiter, die nicht an einem "realistischen" Hintergrund und einer (im Hintergrund ablaufenden) Simulation interessiert sind, ist das Setting mMn eher nix.

2. HÂRNWORLD IST NICHT LOW FANTASY
Oftmals stoße ich im Internet auf Texte, in denen HârnWorld als Low Fantasy oder "Mittelalter"-Setting beschrieben wird, gerne auch mal mit fragwürdigen Datierungen in dieses oder jenes Jahrhundert. Beides ist falsch. Weder lassen sich die Kulturen von Hârn einer irdischen Periode des Mittelalters eindeutig zuordnen, noch ist es ein echtes Low Fantasy-Setting. In Wirklichkeit ist das Setting ein Rare Fantasy-Setting. Klar, es gibt nicht wenige Gruppen, die spielen Hârn ohne fantastische Elemente, aber das kann und will ich nicht verstehen. Der Reiz von HârnWorld liegt für mich darin, dass es quasi die Elemente von D&D nimmt und in ein pseudo-historisches Setting transferiert und anpasst. So gibt es im Setting natürlich Elfen und Zwerge (die dort bezeichnenderweise Sindarin und Khuzdul heißen), es gibt Dungeons, es gibt riesige Orkhorden, es gibt einen unedliche Anzahl von Monstern, die von einem Gott, der in einem Vulkan lebt, erschaffen werden (eine ideale Möglichkeit, jedes D&D-Monster nach Hârn zu bringen), es gibt eine einem Mysterienkult ähnelnde Magiergilde, reale Gottheiten mit Wunder wirkendenen Priestern und Stargates mit Verbindungen zur Erde nach der Klimakrise und der der Welt von Herr der Ringe. Mehr High Fantasy geht doch gar nicht! Aber sie ist halt rare. Wer Hârn bespielt, um dort Bauergaming zu betreiben, der beraubt sich meiner Meinung nach einer wichtigen Erfahrung.

3. HÂRNWORLD IST NICHT HÂRNMASTER
Ich liebe ja HârnMaster 3. Aber man muss ganz klar sagen: HârnWorld ist systemagnostisch. HârnMaster wurde erst zwei Jahre nach Veröffentlichung von HârnWorld publiziert. Der Erfinder bespielte das Setting zunächst mit Chivalry & Sorcery. Als die Publikation zu HârnWorld erschien, wurde es wohl von den meisten mit AD&D 1E bespielt. Mittlerweile gibt es viele Adaptionen (für D&D 3, D&D 5, Fate Core, GURPS etc.). Ich für meinen Teil würde sagen, man bespielt HârnWorld am besten mit HârnMaster oder mit (A)D&D 1-3. Wenn man es etwas regellastiger mag, gehen natürlich auch GURPS oder Chivalry & Sorcery. Aber vom Feeling her treffen es HârnMaster oder D&D am besten IMHO.

4. HÂRNWOLD IST NIX ZUM SCHMÖKERN
Das HârnWorld-Setting ist nicht da, um den Nachttisch zu schmücken. Das fängt schon damit an, dass nach den ersten Heftchen die meisten Module ab den späten 1990ern von Columbia Games in Form von Loseblattsammlungen herausgegeben wurden, die man in Ringbuch-Ordner (mit 3 Ringen weil amerikanisches 3-Loch-System) einordnen muss. Der Fokus liegt hier ganz klar auf der Produktion von Gaming-Material. Die Module beinhalten keine netten Ingame-Texte oder lange Fluff-Texte. Hier werden knallharte Infos (in einem etwas altmodischen, aber super funktionalem Layout) geliefert, in denen der geneigte Leser (der sich auf das trocken anmutende Material einlässt) nach einem aufmerksamen Studium Plothooks entdeckt. Gleichzeitig dient es auch der Ermöglichung eines ultimativen Sandbox-Spiels, bei der man den Spielern freien Lauf lässt, weil egal wohin sie gehen: man hat entweder das Material, um zu erzählen, was sie dort vorfinden oder um es (z.B. mit der Erweiterung HârnManor) aus dem Hut zu zaubern nach einheitlichen Regeln. Für mich gibt es nix besseres. Das ist der Rollenspiel-Olymp (für mich).

5. HÂRNWORLD HAT KEINEN METAPLOT
Der wichtigste Grund, für alle DSA-Hasser, einmal nach Hârn zu schauen. Seit 1984 hat sich die Welt von Hârn nicht verändert. Das Setting bleibt immer gleich, lediglich neue Module, die neue Städte/Siedlungen/Regionen beschreiben, werden herausgegeben. So etwas kenne ich quasi aus keinem anderen Rollenspiel und war für mich eine Erleuchtung. Nie wieder in Wikis nachschlagen oder mehrere Editionen von Settingbeschreibungen miteinander abgleichen. Stattdessen können die Spieler selbst die Geschicke von Hârn bestimmen durch ihre Aktionen. Niemand wird ihnen die Show stehlen. Und es gibt genügend Baustellen, denn in den einzelnen Modulen sind immer geschickt und ohne Holzhammer Ereignisse angedeutet, die sich in Kürze ereignen könnten (z.B. ein bevorstehender Thronfolgekrieg in Kaldor, dem sozusagen default-Königreich von Hârn).
« Letzte Änderung: Gestern um 17:05 von tarinyon »

Offline Namo

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #1 am: Gestern um 17:09 »
Ich will einfach einen like da lassen. Finde es interessant eine Kurzzusammenfassung zu HarnWorld zu lesen. Dachte eigentlich auch, dass wäre eher nichts mit Fantasy. Schon überhaupt nicht Elfen und Zwerg etc.  :d


Offline Ruhrpottspieler

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #3 am: Gestern um 18:24 »
Danke für die Darstellung, echt klasse!

Offline Settembrini

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #4 am: Gestern um 18:27 »
Ich kann all dem oben nur zustimmen. Als Spieler war es großartig mit den Liedern und Legenden aus HarnPlayer dem Übel von Ara-Ka-Kalai und Lothrim dem Grimmknecht versuchen die Ränke zu durchkreuzen.
Wir hatten so eine epische, großartige Kampagne, dass ich leider ein wenig das Gefühl noch habe, wir haben HarnMaster "durchgespielt"*, aber diese Erfahrung möchte ich um nichts in der Welt missen.
Hach, damals, als wir den Großen Krieg gegen die Thardische Republik führten, und dann, als die Gargun aus den Bergen kamen, brach fast überall das Chaos aus!
Ach ja.

Hach ja!
Vom mysteriösen Melderyn bis zum prosaischen Trobridge Inn reisten wir für Jahre, immer dem nächsten Erdmeistergeheimnis auf der Spur, auf der Jagd nach dem Vorletzten Buch. Das war schon groß. Nur auf dem Festland, das hat nie so richtig gezündet, und seit dem epischen Ende haben wir auch nicht mehr gespielt.

*was bestimmt garnicht stimmt, ganz hinter die Luftmeister und die Melderyni sind wir nie gestiegen, und diese Erbfolgegeschichte haben wir auch links liegen lassen. und nur Save K'Nor mag wissen, was auf dem Festlanfd vonShorkyne und so weiter noch alles abgeht...
« Letzte Änderung: Gestern um 18:29 von Settembrini »
caveat lusor, sie befinden sich in einer Gelben Zone - Der PESA RHD warnt!

Abenteuerpunkt. das fanzine des autorenkollektivs.
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Offline HEXer

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #5 am: Gestern um 18:33 »
Wart ihr auch in Panagas Turm oder der N-ten Niederhölle? :)

Als kleine Ergänzung:

- Was Systeme angeht: Leitchy, der Betreiber des Hârnforums, hat ewig lange HârnWorld mit einem angepassten Shadowrun 3 System gespielt.
- Auf den Ivinia-Cons ist es seit Ewigkeiten Usus, den Erbfolgekrieg, genauer den Succession Council als Larp auszutragen.
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
- Nietzsche

Online tarinyon

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #6 am: Gestern um 19:37 »
Sehr geil! Keep it coming! Bin gespannt, auf eure Erfahrungen mit Hârn. Der nächste Beitrag wird sich mit den Systemen beschäftigen, die man nutzen kann, um HârnWorld zum Laufen zu bringen.

Offline Luxferre

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #7 am: Gestern um 19:48 »
Wir spielen ja auf einer hârnifizierten eigenen welt mit Elementen des finsteren Mittelalters, Shadowworld und Aventurien.

Ansonsten muss ich sagen, dass ich sehr gerne und sehr viel, teils wiederholt, in den PDFs von Columbia Games schmökere. So viele gute Ideen auf engem Raum. Da relativiert sich auch schnell der gefühlt hohe Preis.

HârnMaster selbst ist mein liebstes System als Spieler. Edition egal.
Hart, dreckig, tödlich und fordernd.
In keinem anderen System sind so viele tolle Charaktere von mir verstorben.
Gabriel of Northhaven, mein altgedienter und eigentlich pensionierter Kreuzritter an einem Eigenbräu-Heiltrank des Priesters der Gruppe krepiert.
Dalamar, Monsterjäger, trotz kritischen Erfolges eine Falle nicht entdeckt und selbstbewusst in den Tod getreten.
Yuriannis Belearguár, der Feuerteufel von Havenna, ein Glücksritter mit zu viel Glück und einmal zu viel Pech ... Steintreffer (Troll) am Kopf.
Drei SC, jeweils sehr lange gespielt und sehr liebgewonnen.
Klingt für manchandere/n vielleicht nicht viel, aber meine SC neigen eher nicht dazu, draufzugehen  >;D
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Offline Weltengeist

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #8 am: Gestern um 20:05 »
Ich hab ja mit Hârn nichts am Hut, aber vor solchen Beiträgen wie den Startpost von tarinyon kann ich nur den Hut ziehen. Schade, dass es für sowas keinen Like-Button gibt.

Wir spielen ja auf einer hârnifizierten eigenen welt mit Elementen des finsteren Mittelalters, Shadowworld und Aventurien.

Eine Kreuzung aus Hârn, Shadowworld und Aventurien? :o
Jetzt komme ich den restlichen Abend nicht mehr aus dem Grübeln raus, wie sowas aussehen könnte...
On Probation.

Offline Luxferre

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #9 am: Gestern um 20:07 »
Ziemlich cool auf jeden Fall   :headbang:

Wenn mich die Muße packt, schreibe ich mal die Merkmale zusammen. Luxferella ist auf dem Weg nach Hause und für den Moment klinke ich mich aus ...
Ist ja nicht "meine" Welt, wobei ich fast sagen würde, dass ich neben dem SL dessen Welt am besten kenne  >;D
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Offline Gondalf

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #10 am: Gestern um 21:05 »
Ich fand es auch sehr interessant, vielen Dank!
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- Bernd Stromberg -

Offline Andropinis

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #11 am: Gestern um 21:09 »
Abo  :)
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George R.R. Martin

Offline Prisma

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #12 am: Gestern um 21:34 »
Auch ich bedanke mich für die interessanten Einsichten. Die machen richtig Lust sich mit Hârnworld und -master näher zu befassen.
Mit einem 7er-Set, stehen ganze Universen offen.

Offline Olania

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #13 am: Gestern um 22:14 »
Ewigkeiten her das ich Hârnmaster gespielt habe.

Glaube wir haben Hârnmaster Gold gespielt. Fand es immer etwas verwirrend das es Produkte von Kelestia und Columbia Games gibt.

Ich erinnere mich noch gut an meinen sehr jungen Magier Owain. In den Bergen um Azadmere, sind wir Opfer eines Gargun Hinterhalts geworden. Mit einer Kopfwunde saß Owain am Ende, an einen Baum gelehnt und rief seinen Meister an ihm zu helfen...

Leider haben wir dann tatsächlich nicht mehr weitergespielt. Vermutlich war das Ende unserer Gruppe schon besiegelt.

Hârnplayer ist bis heute eins meiner Lieblings Rollenspiel-Bücher.

Online klatschi

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #14 am: Gestern um 22:58 »
Danke für den Post. Ich bin ja Novize und noch in der Eichhörnchen-Phase: Sammeln für den Winter :-)