Autor Thema: [Rant] Warum ich keinen Realismus mag  (Gelesen 25839 mal)

0 Mitglieder und 4 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline OldSam

  • Maggi-er
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.912
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: OldSam
Re: [Rant] Warum ich keinen Realismus mag
« Antwort #200 am: 12.11.2012 | 23:36 »
Ähm, zurück zum Thema: Nein, wir wissen nicht, was realistisch ist, weil wir immer nur unsere individuellen Erfahrungen haben und dadurch die wirkliche Spannbreite der Möglichkeiten höchstens mit wissenschaftlichen Untersuchungen feststellen können - und selbst damit nur in Grenzen. Und die Ergebnisse davon wären dann für viele nicht plausibel, weil sie ihrer persönlichen Erfahrung widersprechen würden.

Sehe ich grundsätzlich auch so, es ist eben sehr unterschiedlich wie gut wir uns individuell mit verschiedenen Aspekten der Realität auskennen, der eine weiss viel über Physik, jemand anderes über Medizin, Waffentechnik, Funknetze, Autos, Pferde, mittelalterliche Geschichte usw. usf.

Die Frage ist allerdings wie gehen wir damit um, wenn ein Plausibilitätskonflikt auftritt...
Generell sollte (wenn es nicht grad final um das mögliche Ableben der Chars geht) i.d.R. sicherlich versucht werden den Spielfluß zu waren und erstmal weiter zu machen ohne nervige Diskussionen, in der Hoffnung, dass die Standard-Lösung des Regelwerks zumindest irgendwie vertretbar ist und man jedenfalls Spaß hat und weiterspielen kann (hier kommt es dann sehr auf die System-Qualität an, wie oft und wie stark man mit diesem Ergebnis hinterher eher (un)zufrieden sein könnte).

Wenn es dann aber (idealerweise hinterher) zur Diskussion kommt, wie man so etwas generell handhaben will, können wir uns jetzt entweder intuitiv auf irgendwas einigen was spontan halbwegs passend erscheint oder aber gemeinsam ergründen welche Lösung tatsächlich die wahrscheinlichste wäre, wenn man ein paar Grundlagen des entsprechenden Fachwissens mit berücksichtigt.

Ich persönlich finde hier die "fachliche" 2. Variante sehr viel geeigneter, da man sogar noch als Spieler etwas dazulernt  - sei es nun über Medizin, Physik, Waffentechnik, Geschichte oder sonstwas -  und hinterher eine wirklich plausible und nicht nur pseudo-plausible Lösung vorliegt. Es geht dabei sicherlich nicht um "die perfekte Antwort" (die man natürlich fast nie haben wird), aber es ist nicht so schwierig eine halbwegs fundierte, qualifizierte Aussage zu treffen, wenn man mal kurz ein paar Hintergründe nachliest und gemeinsam eine Lösung sucht.

Die intuitive Variante ist natürlich schneller u. bequemer, aber man bleibt unwissend und erhält Pseudo-Weisheiten, die bei erneutem Aufkommen im Spiel nicht besser werden, sondern vielleicht absehbar sogar wieder neue Plausibilitätsprobleme erzeugen, da sie ja aus einer Realitätssicht sehr fehlerhaft sind.
Falls man natürlich absichtlich cinematisch oder komödiantisch spielt, ist es wunderbar einfach irgendwas anzunehmen, da ist eine Übertreibung oder Parodie oftmals sogar das Ideal, aber davon bin ich jetzt mal nicht ausgegangen, that's a different flavor ;)

« Letzte Änderung: 13.11.2012 | 01:12 von OldSam »

Offline ArneBab

  • Legend
  • *******
  • Bild unter GPL von Trudy Wenzel.
  • Beiträge: 4.299
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: ArneBab
    • 1w6 – Ein Würfel System
Re: [Rant] Warum ich keinen Realismus mag
« Antwort #201 am: 14.11.2012 | 13:19 »
Ich persönlich finde hier die "fachliche" 2. Variante sehr viel geeigneter, da man sogar noch als Spieler etwas dazulernt  - sei es nun über Medizin, Physik, Waffentechnik, Geschichte oder sonstwas -  und hinterher eine wirklich plausible und nicht nur pseudo-plausible Lösung vorliegt
Das ganze sehe ich unter zwei Voraussetzungen:

  • Alle Beteiligten wollen etwas dazulernen (und haben die Zeit dazu)
  • Plausibel wird als „nah an der messbaren Realität“ definiert.


Plausibel ist aber erstmal nur „erscheint den Spielern logisch“, hat also gar nichts mit der wirklichen Realität zu tun, sondern nur mit deren Wahrnehmung durch ~5 Menschen.

Ein klarer Vorteil der fachlichen Variante ist, dass ihre Auswirkungen auf andere Bereiche schwächer sein dürfte: Wir haben zwar alle unterschiedliche Ansichten über die Realität, aber die darunterliegenden Regeln bleiben erhalten, und die Abweichungen liegen in gewissen Grenzen. Wenn wir einfach reine Plausibilität nutzen, allerdings Konsistenz fordern (wenn das einmal so ist, muss das immer so sein), kann das schnell Konsequenzen haben, die nicht mehr plausibel sind.

Beispiel: Wenn im Fußball einmal mit einem um 5 erschwerten Schuss beim besten Torwart des Landes ein Tor landen kann, dann kann ich das immer. Also gründen wir eine Mannschaft und schießen pro Spiel 20 Tore, obwohl die Tore pro Spiel in der Realität bei etwa 5 liegen. In unserer Welt hätten Fußballspiele also eher 20 Tore, und das wird für Fußballfans im höchsten Maße unplausibel sein. Vor allem, weil unsere Charaktere nicht unbedingt ihr Leben dem Fußball gewidmet haben, die echten Spieler aber schon.

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum viele Rollenspiele (und Animes) als Charaktere irgendwie besondere Leute nehmen: Da kann man etwas Unfug produzieren, ohne dass es gleich die Plausibilität der ganzen Welt zerbricht.
1w6 – Ein-Würfel-System — konkret und direkt, einfach saubere Regeln.
Zettel-RPG — Ein Kurzregelwerk auf Post-Its — für Runden mit Kindern.
Flyerbücher — Steampunk trifft Fantasy — auf einem Handzettel.
Technophob — »Wenn 3D-Drucker alles her­stel­len können, aber nicht dürfen, dann ist Techschmuggel Widerstand und Hacken Rebellion.«