Autor Thema: Reading Challenge 2025  (Gelesen 15090 mal)

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Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #200 am: 17.11.2025 | 14:21 »
#26 - J.R.R. Tolkien - Beowulf

Dieses Werk gehört zum sprachwissenschaftlichen Kanon Tolkiens, und als solches, nimmt seine Übersetzung des Beowulf einen kleineren Teil des Buches ein. Ein viel größerer Teil ist seine Kommentierung, die er in diversen Kursen in seiner Lehrzeit entwickelt und weiterentwickelt hat. In seiner sprachwissenschaftlichen Verdichtung ist das Werk dann außergewöhnlich gut editiert von seinem Sohn, und man kann es mit einigem Erkenntnisgewinn lesen.

Es lässt sich aber mit entsprechendem Hintergrundwissen aus Tolkiens Schaffen deduktiv lesen, in Hinblick darauf, wie sehr seine Beschäftigung mit Beowulf und der flankierende Geschichte seine Darstellung Rohans geprägt hat, oder inwieweit sich das Motiv Smaugs darin wiederfinden lässt, oder in Erweiterung, was Túrin Turambar und sein Kampf mit Glaurung damit zu tun haben.
Dieses Verknüpfungen bildet Christopher Tolkien nicht, aber sie werden einem automatisch vor Augen geführt, wenn man sich mit Tolkiens Werk beschäftigt hat.

Die sprachlichen Einlassungen sind interessant und informativ, sodass dieses Buch auch ein wenig eine weiterverwertbare Schatztruhe an Eindrücken ist.

Letztlich sind die Infos auch in einen kulturell-historischen Zusammenhang - soweit der zu Zeit Tolkiens bekannt war - eingebettet, und das Werk zeichnet die Blaupause für einen tragischen Heldenweg nach, der im Beowulf archetypisch angelegt ist.
Häufig wird Beowulf ja nur bis zum Kampf gegen Grendel betrachtet, vielleicht darüber hinaus noch bis zum Kampf mit dessen Mutter; und noch weniger mit dem abschließenden, tragischen Kampf gegen den Drachen, der ihm und dem Drachen das Leben kostet.

Die Übersetzung selbst, ich kann sie nicht qualitativ beurteilen, liest sich gut, wenn auch bisweilen knöchern. Ich habe weitere Übersetzungen geordert, um das besser einordnen zu können.

Dieses Nachzeichnen, seine eigene Bearbeitung, v.a. aber die sprachwissenschaftlichen und kulturellen Einlassungen habe ich mit großen Gewinn gelesen.

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Offline Sard

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #201 am: 19.11.2025 | 20:19 »
#31 Die Rache der Rose von Michael Moorcock aus Die illustrierte Gesamtausgabe als Hörbuch
Ein längerer und späterer Roman um Elric und ein Wechselbad.
Die Figur des Ernest Wheldrake pendelt zwischen amüsant und nervig. Die Geschichte ist ein wilder Ritt und hat Phasen mit Längen,
aber irgendwie auch Spannungsphasen, Verknüpfungen und Wendungen, die einfach richtig gut erzählt sind.
10 von 15 Punkten

#32 Trost von Andrew Brown
Ein Kapstadt Krimi(thriller), den ich gut lesen konnte, zwar nicht ganz an die Romane von Deon Meyer und Mike Nicol heranreicht, aber dennoch ordentlich erzählt war. Der Autor hat als Deon Meyer-Fan seine Hauptfigur, den Ermittler Februarie, mit der Hauptfigur vieler Meyer-Romane Benny Griessel verknüpft - das war nett gemacht. Nicht perfekt oder super, aber kurzzweilig genug, so dass ich mir den zweiten Roman mit Februarie als Ermittelnden noch gebraucht geschossen habe.
10 von 15 Punkten
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Offline angband

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #202 am: 19.11.2025 | 21:12 »
56 Robert Galbraith / JK Rowling : The Ink-Black Heart (Strike 6)
Fokus liegt hier auf Social Media Dynamiken, Extremismus und Manosphere. Erzählerisch nicht ganz so stark wie andere Strike Romane
09/15

57 Ken Follett - Stonehenge
Das Gute: Der Autor beschreibt das Leben in der Steinzeit zu Beginn recht interessant. Und Stonehenge an sich. Das Schlechte: Leider lässt das schnell nach. Es gibt viele Figuren und die Erzählung schwenkt immer hin und her. Manche Figuren werden nach kurzer Zeit gar nicht mehr behandelt, sodass sich Handlungsstränge unvollständig anfühlen. Leider liest sich der Roman wie “Gute Zeiten Schlechte Zeiten” in der Steinzeit. Oberflächlich in aller Hinsicht. Am Ende wissen wir, dass Stonehenge errichtet wurde, weil es Ärger zwischen Stämmen gab und eine Priesterin (die alle lesbisch sind)  das dann beschlossen hat - als sie glücklicherweise gerade nicht mit einer anderen Frau geturtelt hat. Aha. Besonders Schlimm: Follett pflegt einen Altherrenstil in Bezug auf Sexszenen. Er kann nicht davon lassen, sie zu beschreiben, aber es fühlt sich manchmal so an, als fände er selbst es erregend sie zu formulieren. Ebenfalls schwer erträglich: wie auch in anderen Follett-Büchern gibt es Bösewichte (™) in der Form von Klischee-Abziehbild-Bösewichtern. Diesen gelingt immer fast alles, während sympathischere Figuren dumm und naiv sind. Zum Ende hab ich mich durchgequält.
05/15

58 SenLinYu - Alchemised
Ein Klopper von 40 Stunden Hörlänge.Nach einem Drittel abgebrochen, weil ich die Dynamik zwischen Protagonistin und Antagonist absolut fürchterlich fand. Es kommt mir so vor wie Fifty Shades of Grey ohne Porno, aber dafür mit mehr impliziter und emotionaler Gewalt. Schlimm.

59 Neil Gaiman - Stardust
Ebenso wie der Film ein toller kurzer Roman mit vielen ungewöhnlichen Ideen. Großartig!
12/15

60 Jack El-Hai - Der Nazi und der Psychiater
Zuerst recht interessant, aber zunehmend redundant. Wenig Neues.
07/15

61 Anne Applebaum - Der Gulag
Von 2004 und recht dick. Ich habe das Buch schnell komplett durchgehört. Die Autorin ist Expertin auf dem Gebiet und ich habe sehr viel Neues erfahren. Absolut empfehlenswert!
14/15

62 Robin Hobb - Der Weitseher (Weitseher-Trilogie 1)
Charmante freundliche Erzählweise und Protagonist. Für mich etwas zu langsam und es könnten mehr Konflikte und Spannung auftauchen für meinen Geschmack. Mal sehen ob ich die Reihe weiterhören werde.
09/15

63 Caroline Wahl - 22 Bahnen
Kurz und ganz nett.
10/15

64 Philipp Peyman Engel und Hamed Abdel-Samad - Was darf Israel?
Ich vermute, dass ich mich in dem Thema schon ganz gut auskenne. In diesem Büchlein findet man sämtliche Argumente beider Perspektiven auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Herr Engel ist Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen Zeitung, Herr Abdel-Samad ist seit Jahren als Islamkritiker bekannt, bei diesem Thema sehr klar auf der Seite der Palästinenser. Unbedingt lesen, wenn man sich in beide Standpunkte hineinversetzen möchte.
15/15

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #203 am: 20.11.2025 | 11:18 »
#27 Peter Sawyer (Hrsg.) - Die Wikinger - Geschichte und Kultur eines Seefahrervolkes

Das Buch ist umfassend und informativ geschrieben, da es einen weiten Überblick über verschiedene Aspekte der Wikingerzeit bietet, und das in zweierlei Hinsicht. 1. nämlich geografisch (Großbritannien und Irland, Skandinavien, in Osteuropa, im Atlantik etc.) und 2. thematisch von Schiffbau und Handel bis hin zu Bestattungsritualen und Sagas.
Was die Ordnung und die Bandbreite angeht, ist es für mich immer noch eines der Standardwerke zum Thema Wikinger. Formalistisch ist es sehr gut.

Die Beiträge selbst sind ebenfalls interessant, aber nicht gerade fesselnd geschrieben. Und dann in der Tiefe nicht so ergiebig, wie sie sein könnten. So wird nicht das gesamte kulturelle Spektrum bedient und auch die geografischen Zuordnungen sind nicht vollständig, wenn auch umfassend genug. Viele Querverweise - bspw. auf die Waräger - lassen sich nur dann einordnen, wenn man sich bereits mit der Geschichte der Wikinger/Skandinavier beschäftigt hat. Methodisch verweist das Buch noch auf eine alte Generation von Forschern, die v.a. Personengeschichte macht. Auf die Spitze getrieben ist das im Beitrag von Irland, Wales, Isle of Man und die Hebriden von Donnchadh Ó Corráin. Es ist ein Endlosband von Fakten und Personennamen sowie Schlachten, die kaum in einen gedanklichen Zusammenhang gebracht werden können und den Text unfassbar schwer lesbar machen.

Der Band ist aus dem Jahr 2000 und damit natürlich schon etwas in die Jahre gekommen, aber auch zur Jahrtausendwende hat es durchaus schon struktur- und sozialgeschichtliche Forschung im Bereich der Wikinger gegeben, und freilich auch kulturgeschichtliche Forschungen, die über Sagas, Edda und Runensteine hinausging. Das Buch ignoriert das und die doch sehr stark vertretende, archäologische Forschung, was die materielle Geschichte der Skandinavier angeht, soweit das den Autoren möglich ist. Sehr ergiebig ist der Sammelband hingegen religionsgeschichtlich, weil der Christianisierung viel Raum gegeben wird, und zwar durch alle Beiträge.

Wer sich aber durch die teilweise sehr trockenen Beiträge kämpft, wird mit einem guten und verwertbaren Überblick belohnt. Wer das Buch als Arbeitsmappe nutzt und weniger als Lesevergnügen, kann diesem Werk sogar noch mehr abgewinnen.

6,5 von 10 Punkten
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Offline Albrun Gebikung

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #204 am: 21.11.2025 | 17:02 »
"Kind 44" hab ich auch durch. Wurde ab der Hälfte richtig spannend.

Jetzt noch 2. Noch schaffbar bis Jahresende, obwohl das letzte fast 800 Seiten hat...

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #205 am: 23.11.2025 | 17:56 »
#28 Emanuele Arioli - Ségurant. Die Legende des Drachenritters. Das vergessene Mitglied der Artusrunde

Zunächst einmal ist es ein schönes Buch, welches der Autor hier ediert hat, und der Abschluss einer spannenden Forschungsgeschichte, die in der deutschen Variante aber auf das Notwendigste reduziert ist. Dasselbe gilt für die Einordnung des Werkes, welche zwar spannend zu lesen ist, aber durch die Einkürzung für Nichtkenner der Materie - zu denen ich auch gehöre - in der Luft bleibt und den Anschluss an andere Artussagen schwierig macht; und es dem Grund nach auch bleiben wird, da Ségurant eher eine Ergänzung als alter Kern der Materie ist.

Die Geschichten zu Ségurant sind ansprechend und sinnfällig kompiliert, und wie in der Übertragung von Texten aus Mittelalter und früher Neuzeit üblich natürlich nicht abschließend, so dass manche Fäden der Geschichte ins Nichts laufen, sich teils widersprechen oder Vorwissen benötigen, welches wir 500 bis 700 Jahre später nicht mehr ohne Weiteres vorhalten können.

Das Werk wird als Weltsensation gepriesen. Ob es das ist, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall ist es ein lesenswerter Exkurs in den (spät-)mittelalterlichen Ritterroman. Der Editor versucht damit ein Stück weit durch die Übertragungsgeschichte auch die Lücke zwischen den Zeiten zu schließen, sozusagen von Sigurd/Siegfried im Sinne der Nibelungen/nordischen Mythologie über Ségurant bis Don Quijote, was aber nur sehr ansatzweise gelingt.

Spannend für mich selbst war eher der Aufbau und die Symbolik der Haupterzählung, in der Ségurant zwar unbesiegbar erscheint, aber eben nur was das Ritterhandwerk angeht, dann aber durch Zauber einer Illusion erliegt und einen mehr oder minder imaginären Drachen jagt und darüber verloren geht. Bei aller körperlicher Unantastbarkeit, eben doch anfällig bleibt; und damit insgesamt das Rittercredo spielerisch hinterfragt. Noch spannender war für mich der Charakter des Dinadan, der nicht nur spöttisch ist, wie im Begleittext beschrieben, sondern eher sogar starke, kynische Züge trägt, und selbst eine eher graue Gestalt ist. Darüber hinaus werden die Gestalten der klassischen Artusrunde in diesen Erzählungen eher kritisch behandelt, allen voran der unreflektiert folgsame Lancelot (Grüße gehen raus an Niniane ;)), welcher der Dame vom See blind und uneingeschränkt folgt, und der als äußerst schwach und semidebil dargestellte König Artus, der seine Schwester Morgana einfach nicht in den Griff bekommt.

Die Ausgabe ist ausnahmslos schön gestaltet und ansonsten gut kompiliert. Es ist jedoch mitnichten eine kritische Ausgabe, sondern eben eine Grundlagenkompilation, die eher ein Lesevergnügen sein darf und soll; und sicher eines Tages durch eine kritische Ausgabe ergänzt werden wird.

7 von 10 Punkten
« Letzte Änderung: 23.11.2025 | 17:59 von Menthir »
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Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #206 am: 30.11.2025 | 13:06 »
#29 Ray Nayler - The Mountain in the Sea

Dieses Buch hakt viele Checkboxen bei mir ab. Sci-Fi, teils sogar Cyberpunk-Elemente, Enviromentalism, der Umgang mit Sprache, die Bemühung alle Fäden der Geschichte zu verknüpfen und zumindest ansatzweise zu erläutern, philosophisch-wissenschaftliche Einwürfe, Entwicklungsgeschichte und die Beschäftigung mit der Frage, was Bewusstsein überhaupt ist, sowie last but not least: Oktopoden.

Anders ausgedrückt, es hätte - zumindest was meinen Geschmack und meine Vorlieben angeht - ein Meisterwerk werden können. Und doch zündet es nicht. Bei all den guten und vielleicht sogar sehr guten Elementen, drehen diese sich gegeneinander. Was meine ich damit?

Naylers Werk reißt letztlich alles an, führt die Fäden aber entweder nicht konsequent zu Ende oder schlägt sie unzeremoniell ab. Er verliert sich zu sehr in Symbolik und nicht in den Notwendigkeiten seiner begonnenen Erzählung. Beispiel: In einem der Subplot fährt ein KI-gesteuertes Schiff, welches vollständig auf zerstörerischen, ausbeuterischen Fischfang ausgelegt ist, hier wendet er die Frage nach Bewusstsein nicht an, während er das an seiner fast menschlichen KI Evrim tut. Auf der Insel leben augenscheinlich viele Affen, die aber bis auf Lärm keine Beachtung in dieser Hinsicht bekommen, und selbst die Oktopoden werden eher am Rande in ihrem Bewusstsein gestreift und bleiben Werkzeug/Vehikel seiner Geschichte, obwohl die Ansätze da sind. Dasselbe gilt für den KI-Companion der Protagonistin, wo sogar noch Verknüpfungen zu anderen Charakteren in der Geschichte gegeben sind, aber nicht verfolgt werden. Wären alle im Spiegel des Bewusstseins beleuchtet worden, hätte das ganze Werk leuchten können.

Am Ende versucht Nayler vielleicht ein paar zu viele Einflüsse konzise zu verbinden, und damit verbleibt das Buch in seinen unausgeschöpften Möglichkeiten gefangen. Darüber hinaus liest es sich dann nur als mäßig spannender Sci-Fi/Eco-Thriller, dessen Spannungsszenen dann jedoch wieder zu seicht und zu vorhersehbar sind, um wirklich zu begeistern. Insgesamt ist es akzeptables Buch. Hätte es seine Möglichkeiten ausgeschöpft, wäre viel mehr drin gewesen. Schade.

5 von 10 Punkten
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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #207 am: 1.12.2025 | 07:29 »
#30 - Andrew Roberts - Churchill - Walking with Destiny

An diesem Werk habe ich mich eine ganze Weile abgearbeitet, das liegt allen voran an der Länge (in der von mir gelesenen Variante 1105 Seiten) und der Detailtiefe. Davor ist zunächst einmal der Hut zu ziehen. Andrew Roberts hat ein außergewöhnlich dichtes, faktenbeladenes Buch geschrieben, welches sich auch immer wieder mit der inneren Haltung und der Reaktion Churchills als auch mit den äußeren Haltungen und den Reaktionen auf Churchill befasst.

Das Buch ist allerdings ein kleiner Churchill-Kosmos mit sehr singulärem Fokus, deswegen muss beachtet werden, dass viele historische Zusammenhänge - trotz der epischen Breite des Werkes - nur angerissen werden können und von dem Leser entweder eine grundsolide, historische Vorbildung erwarten oder zumindest die Aufgabe stellen, sich nebenher in die historischen Zusammenhänge einzulesen.

Gerade zu Beginn liest man das Buch aber mit Gewinn, weil man das Gefühl hat, Churchill in seiner Entwicklung kennenzulernen. Im Mittelteil ist dieses Verfahren, auch weil die Persönlichkeit Churchills in der Betrachtung von Roberts ab einem gewissen Punkt fixiert scheint, überfrachtet. Und dann erscheint bisweilen die Detailtiefe so groß, dass der Lesegewinn nicht mehr so groß sein kann. Aus der Entwicklung von Churchills Persönlichkeit wird ein Verharren in den Kontinuitäten seiner Persönlichkeit und damit aus der Faktenlage bisweilen Zuschreibung.

Das ändert aber nichts an dem Gesamteindruck, dass hier ein sehr wichtiges, wenn auch mit gewissen Caveats versehenes Buch entstanden ist. Churchill - auch wenn ich das jetzt ein wenig aus dem Zusammenhang reiße - hat einst gesagt: For my part, I consider that it will be found much better by all parties to leave the past to history, especially as I propose to write that history myself. Dieser Satz wird oftmals verkürzt zu: History will be kind to me. For I intend to write it. Dieser Teil wird sinngehaltlich sehr gut bearbeitet von Roberts, da er sorgsam herausarbeitet, wie Churchills eigene Beschäftigung mit Geschichte (bspw. mit seinem Vorfahren John Churchill, dem 1st Duke of Marlborough oder eben auch in anderen Werken) immer einerseits Geschichtswerk, und andererseits selbst politische Stellungnahme zu Themen seiner Zeit ist. Aber hier und da versucht Roberts das auch durchscheinen zu lassen, wenn er Churchill indirekt für den Brexit in Beschlag nimmt. Roberts - das darf bei der Lektüre nicht vergessen werden, auch wenn es meist stark in den Hintergrund tritt - ist am Ende konservativer Politiker.

Dieses wird dem Buch bisweilen vorgeworfen und sicher zurecht, dennoch gelingt Roberts m.E. der Drahtzeilakt zwischen Heldenverehrung (die ganz sicher beabsichtigt ist) und ausreichend kritischer Haltung, da die vielen Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen Churchills durchaus kritisch (auch in ihren Auswirkungen) thematisiert werden. Hier hätte noch ein bisschen mehr Kontextarbeit gut getan, um diese Punkte deutlicher zu machen; aber dann hätte das Werk ganz sicher noch mehr Volumen gehabt, und wäre vielleicht auch noch streitbarer gewesen.

Insgesamt bleibt es ein sehr gutes Werk, da es zudem eine enorme Quellen-Fundgrube ist. Es bleibt aber auch ein herausforderndes Werk. Und eines, welches selbstverständlich auch nicht gänzlich neutral ist. Der Guardian hat es am besten ausgedrückt: Churchill becomes the mirror in which bewildered Britons can find consoling fantasies of national greatness.
Und damit schließt sich eben auch die zeitgeschichtliche Einordnung dieses Werkes.

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Offline Albrun Gebikung

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #208 am: 1.12.2025 | 16:40 »
Soooo, das vorletzte Buch des Jahres ist auch geschafft: "Miss Gladys und ihr Astronaut". Hat mir wirklich gut gefallen und war auch durchaus spannend. Dementsprechend schnell hatte ich es auch gelesen.
Jetzt "nur noch" Acacia" das ist ein 3in1-Wälzer mit 800 Seiten. Fantasygenre, soweit ich das einschätzen kann. Hoffe sehr, es ist einigermaßen spannend..

Offline Weltengeist

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #209 am: 2.12.2025 | 19:03 »
So, hier der vorletzte Lesebericht von mir, diesmal für den November 2025:
  • Jim Butcher – Warriorborn.
    Eine Novelle (rund 130 Seiten) aus dem "Cinder Spires"-Universum. Anfangs war ich vor allem davon begeistert, dass sich mal ein Autor die Mühe macht, die Welt wirklich durch die Sinne einer nichtmenschlichen Spezies zu beschreiben. Im Laufe der Geschichte ging es für mich aber immer mehr in Richtung "naja, ganz nett" über.
  • Michael Moorcock - Elric von Melniboné (Elric 1).
    Ein Klassiker, den ich einfach mal wieder lesen wollte. Und für mich immer noch so viel cooler und ideenreicher als das ganze 08/15-Fäntelalter-Zeug, das später das Genre in den zähen Brei verwandelt hat, als der er heute meist daherkommt. Wenn ich solche Welten schreiben könnte, hätte ich längst eine eigene Rollenspielwelt veröffentlicht...
  • Terry Pratchett - Witches Abroad.
    Ein Re-read. Und es hat mich erstaunt, an was ich mich fast 30 Jahre nach dem ersten Lesen noch alles erinnern konnte. Vor allem aber mache ich mir Sorgen, langsam ein alter Sack zu werden, wenn ich jedesmal beim Pratchett-Lesen denke: "They don't make them like this anymore"...
  • George Simenon – Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet.
    Ich hatte echt noch nie einen Maigret gelesen, aber das Buch hat mir gut gefallen. Vor allem auch die Tatsache, dass es mal Zeiten gab, in denen man auf 200 Seiten ein halbes Dutzend Figuren mit Tiefgang und eine komplette Handlung unterbringen konnte...
  • Manfred Spitzer und Norbert Herschkovitz – Wie wir denken und lernen.
    "Buch" ist schon fast übertrieben, eher ein Heftchen mit einigen Gedanken zur Entwicklung des Gehirns jenseits des 20. Geburtstags. Vom Hocker gerissen hat es mich nicht, aber manches habe ich doch dazugelernt. Quellenangaben wären allerdings nett gewesen...
  • Emmanuel Carrère – Ich lebe und ihr seid tot: Die Parallelwelten des Philip K. Dick.
    Ein Zufallskauf, der mich vom Start weg so richtig begeistert hat. Man merkt, dass Carrère kein Biograf, sondern Romanautor ist: der weiß einfach, wie man schreibt. Und auch wenn das Buch irgendwo in der Mitte auch mal Längen hatte (fand ich jedenfalls), bot diese Romanbiografie ein beeindruckendes Portrait eines wahrhaft getriebenen Meisters der Science Fiction.

Und ohne Abbrüche geht es scheinbar nicht:
  • Fred Saberhagen - Das erste Buch der Schwerter
    Das Buch habe ich als Jugendlicher mal gelesen, konnte mich aber überhaupt nicht mehr daran erinnern, als im Rolemaster-Bereich die Rede davon war, dass die Welt der Shadow World ähneln würde. Also habe ich mal wieder reingelesen. Es hat mich aber nicht mehr genug fesseln können, um es (oder gar die ganze Romanreihe) zu Ende zu bringen.

Zwischenstand zum Leseziel: 12.177 Seiten (von 12.000). Leseziel für 2025 erreicht! :cheer:
On Probation.

Offline Faras Damion

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #210 am: 3.12.2025 | 19:19 »
Ich bin offensichtlich besser im lesen als hier zu schreiben.

Das macht mir ein schlechtes Gewissen, weil ich eure Kritiken sehr gerne lese.
Aber im Augenblick muss ich auf der Arbeit ständig Berichte schreiben und mag Abends einfach nicht mehr.

Also hier kurz. Wenn jemand Fragen zu einem Buch hat immer her damit. :)

Stand 03.12.25 (42/25, 82/100)

Bücher
24 Voll im Bilde - Terry Prachett
25 Weiberregiment - Terry Prachett
26 Volle Wahrheit - Terry Prachett
27 Ab die Post - Terry Prachett
28 Schöne Scheine - Terry Prachett
29 Toller Dampf voraus - Terry Prachett
30 Das Erbe des Zauberers - Terry Prachett
31 MacBest - Terry Prachett
32 Total Verhext - Terry Prachett
33 Lord und Ladys - Terry Prachett
34 Mummenschatz - Terry Prachett
35 Ruhig Blut - Terry Prachett
36 Gevatter Tod - Terry Prachett
37 Alles Sense - Terry Prachett
38 Rollende Steine - Terry Prachett
39 Zwischen zwei Sternen
40 Unter uns die Nacht
41 Die Galaxie und das Licht darin

Shorts
61 Trawn Comic 1
62 Trawn Comic 2
63 Normal und die Zero Heroes
64 Trip mit Tropf - Josephine Mark
65- 82 Asterix - Tour de France,  Der Kampf der Häuptlinge, Asterix bei den Briten, Asterix und der Arvernerschild, Asterix bei den Olympischen Spielen, Asterix und der Kupferkessel, Die Lorbeeren des Cäsar, Der Seher, Das Geschenk Cäsars, Die große Überfahrt, Der große Graben, Der Sohn des Asterix, Asterix in Italien, Der Goldene Hinkelstein,  Asterix und der Greif, Die weiße Iris, Asterix in Lusitanien

Ich habe deutlich weniger Comics und mehr Bücher (wieder) gelesen als erwartet, da meine Quellen mehrfach ausgefallen sind. 

P.S. Glückwunsch, Weltengeist. :)
Method Actor: 92%, Storyteller: 67%, Tactician: 58%, Power Gamer: 46%, Casual Gamer: 29%, Butt-Kicker: 21%, Specialist: 13%

Offline Sard

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #211 am: 7.12.2025 | 15:49 »
#33 Der Fluch des Schwarzen Schwertes von Michael Moorcock aus Die illustrierte Gesamtausgabe als Hörbuch
In etwas auf einem Niveau mit "Elric von Melniboné". Drei Teile, eigentlich drei Geschichten (Der Seelendieb, Könige in Finsternis und Die Karawane der vergessenen Träume"), kurz, schwungvoll, mit Witz geschrieben und unterhaltsam.
12 von 15 Punkten

#34 Athos 2643 von Nils Westerboer
Ein SciFi-Roman, der sich - auch wenn ich weiß, dass ich einige Teile nicht wirklich verstanden habe -  gelesen hat wie ein warmes Messer in Butter. Aber auch eine Zukunft, die ich nicht wollen würde.
Interessante Perspektiven und Annahmen, sehr ambitionierter Inhalt - ich kann es gar nicht wirklich beschreiben: irgendwie ein Kriminalroman mit und um KI und deren Wille und Entscheidungsbasis *(Odysse im Weltraum lässt grüßen, aber moderner)*, Freiheit, Glaube, menschliche Entwicklung...
Mein Geschreibsel klingt nicht hilfreich, aber das Buch ist lesenswert.
12 von 15 Punkten
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Offline Sindaja

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Re: Reading Challenge 2025
« Antwort #212 am: Heute um 12:51 »
Endspurt:
    33. Hannu Raittila: Canal Grande
Ein finnischer Roman. Es ist lange her das ich etwas von einem Finnen gelesen habe. Der Humor ist schon sehr charakteristisch, ähnlich wie auch bei finnischen Filmen, etwas schwarz etwas absurd, aber hat mir Spaß gemacht. Ein Team von Finnen soll Venedig vor dem Versinken retten. Da gibt es den „Dozenten“, der zwar kein Italienisch kann, aber mit den Italienern auf Latein kommuniziert und den Ingenieur der quasi einen Kulturschock erleidet, weil seine sehr strukturierte Herangehensweise sich nicht mit der unbürokratischen Spontanität der Südländer verträgt, dann die Kulturrätin, der das Technische eher egal ist und die den Venezianern lieber die finnische Kultur nach bringen möchte. Geschrieben ist es aus der Perspektive des Ingenieurs und eines Kunsthistorikers. Die ein oder andere Anspielung auf z.B. den „Tod in Venedig“ lässt sich auch finden.
    34. James Bowen: Bob, der Streuner
Kein komplexes Buch, aber ich mag Bücher mit Katzen…und vor allem Katzen, die einem Leben Sinn geben.
    35. Bernadine Evaristo: Girl, Woman, Other
3*4 Frauengeschichten. Ausgehend von einer Theaterpremiere werden Geschichten von anwesenden Frauen und mit ihnen verknüpften Frauen unterschiedlichster Generationen erzählt. Je mehr Puzzleteile hinzu kamen, desto mehr hat mich das Buch gefesselt. Fast alle Frauen haben visuell afrikanische Wurzeln, so dass es sozusagen ein englischer Roman mit Twist ist.
    36. Julian Barnes: The Sense of an ending
Wenn in der späteren Lebensphase unerwartet wieder Kontakt zu einer Ex-Freundin entsteht und alte Konflikte in einem neuen Licht erscheinen. Ein recht kurzweiliges Büchlein, fand ich. Fast wie ein kleine Thriller, ohne das Drama. Sehr ruhig, reflektierend erzählt. Der Protagonist versucht, die Ereignisse der Vergangenheit zu verstehen, die er auch damals schon nicht ganz erfasst hat. Es wird einiges erkannt, aber nicht unbedingt „gelöst“.Es geht um Verantwortung, Fehler die man im Laufe des Lebens macht, den Charakter der unterschiedlichen Lebensphasen...
    37. Becky Chmbers: A Psalm for the wild built
Ein Mönch verlässt die Stadt auf der Suche nach ? Das weiss xier selbst nicht so genau. Dort trifft xier einen Roboter. Die Roboter hatten sich vor Jahrhunderten in die Wildnis zurückgezogen und somit ist dies eine Art Erstkontakt. Man kommt ins Gespräch über verschiedene Themen. Cozy SF. Gefällt mir, auch wenn die Wayfarer noch facenttenreicher sind.
    38. Becky Chambers: A Prayer for the Crown-shy
Mönch und Roboter, der schauen will, wie die Menschen sich so „entwickelt“ haben ohne sie, reisen jetzt gemeinsam zu Begegnungen mit anderen Menschen. Wieder sehr unaufgeregt. Gespräche und Philosophieren . Das Buch bietet wieder einen frischen Blick auf das Alltägliche. Eine nette Fortstzung, aber nichts für Leser, die Drama erwarten.
    39. Genki Kawamura: If Cats Disappeared from the World
Der Protagonist hat nicht mehr lange zu leben, aber der Teufel bietet ihm an, dass sein Leben für jede Sache, die er verschwinden lässt, um einen Tag verlängert wird. Schönes Buch mit viel Reflektion über Freundschaften, Familie, den Sinn des Lebens, Bedeutung von Dingen.