Autor Thema: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren  (Gelesen 4748 mal)

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Offline Radulf St. Germain

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Ist es ein Rant? Oder Belustigung? Oder ein als Belustigung getarnter Rant? Finden wir es heraus.

Ich habe gestern eine Episode in einer Kaufkampagne gespielt und da gab es eine Szene in der in einer Gruft etwas Seltsames passiert. Sobald die SC die Monster besiegt haben sagt so ein Würdenträger, den sie seit 10 min kennen, sie sollen sofort den Dungeon verlassen.

Dadurch werden folgende Dinge ermöglicht: Der Rivale der SC geht in den (Mini-)Dungeon, findet einen magischen Kristall und richtet damit viel Schaden an. Die Hälfte der Szenen in dem Abenteuer basieren auf der (sehr waghalsigen) Annahme, dass die Spieler darauf verzichten den Minidungeon sofort zu durchsuchen, den Kristall finden und nach einer knappen Stunde fertig sind.

Warum?  ;D

Kennt Ihr auch so Beispiele?

Offline ElfenLied

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #1 am: 31.05.2025 | 18:54 »
Generell finde ich es bei Abenteuern hanebüchen, wenn nicht davon ausgegangen wird, dass die SCs sich wie gierige, libertäre Psychopathen verwöhnte Hauskatzen verhalten.

In einem D&D Abenteuer, bei dem es um einen Einbruch a la Ocean's Eleven geht, wird davon ausgegangen das die SCs den Schatz am Ende freiwillig der Regierung überlassen, weil es sich hierbei um gestohlene Schätze handelt. Da könnte man den durchschnittlichen Spieler genauso fragen, ob er sich mit einem rostigen Dosenöffner kastrieren möchte.
The belief that a cosmic Jewish Zombie who was his own father can make you live forever if you symbolically eat his flesh and telepathically tell him you accept him as your master, so he can remove an evil force from your soul that is present in humanity because a rib-woman was convinced by a talking snake to eat from a magical tree... yeah, makes perfect sense.

Offline Streunendes Monster

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #2 am: 31.05.2025 | 19:19 »
Im Pathfinder Schlangenschädel AP wird davon ausgegangen, dass neben den SC auch irgendwelche NSC von der Lage des seit Jahrtausenden verschwundenen El Dorados Wind bekommen.
Ist halt totaler Kokolores, weil KEIN SC DER WELT freiwillig mit solchem Wissen hausieren gehen würde.



In einem Midgard Abenteuer wird davon ausgegangen, dass die SC den falschen Zwilling töten.
Bei uns wurde ein angesagter nichttödlicher Angriff in tödlichen Schaden overrulded, damit es ins Konzept passt.



Das sind nur zwei Beispiele, ich könnte mit einigem Nachdenken mehr zum Besten geben.
Rollenspiele und insbesondere Abenteuer sind halt keine Romane. Weiß eigentlich jede/r. Eigentlich.
Willst Du Recht haben oder glücklich sein?

Offline Alter Weißer Pottwal

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #3 am: 31.05.2025 | 19:33 »
So ziemlich alle Abenteuer bei denen über einen längeren Zeitraum Dinge passieren, die SCs aber weg können oder keine nachvollziehbare Motivation haben sich damit zu befassen.
Besonders in Erinnerung ist mir da das erste Abenteuer aus dem "Geschichten aus dem alten Margreve"-Band geblieben.
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Online nobody@home

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #4 am: 31.05.2025 | 19:42 »
Kaufabenteuer (und über rein private zu reden, die außer den Beteiligten eh keiner kennt, dürfte hier wenig Sinn ergeben) haben natürlich generell das Problem, daß der Verfasser nicht mit am Tisch sitzt und sein Produkt spontan selbst anpassen kann, um auf die eigenwilligen Spieler einzugehen. ;) Das würde ich also gar nicht mal schon als "...nur mit Wunschdenken" einsortieren, sonst könnten wir ja gleich die komplette Kategorie eintüten.

Kaufabenteuer dagegen, bei denen man sich wirklich an den Kopf greift und sich fragt, was um Himmels willen sich der oder die Verfasser an der Stelle XY gedacht haben mögen...schön, die gibt's immer noch auch, aber die sind vielleicht doch etwas seltener. :) Mir fällt persönlich gerade nicht mal eins ein, aber das gibt sich vermutlich mit etwas mehr Zeit -- meine Gedächtnisschublade für Dinge, die ich möglichst schnell wieder vergessen wollte, klemmt halt im Moment etwas.

Offline Issi

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #5 am: 31.05.2025 | 20:35 »
Wenn SC etwas sicher tun sollen oder etwas sicher nicht tun sollen, dann dürfen sie diesbezüglich keine Wahl haben.
Klingt vielleicht hart, ist aber so und nennt sich mW. "Flaschenhals."

Also entweder Abenteuer selbst schreiben oder Kaufabenteuer überarbeiten.

Beispiel:
Wenn es die Wahl gibt zwischen: "Macht das (nicht) oder ihr seid tot***" - Kann es natürlich trotzdem sein, dass sich jmd. für "tot" entscheidet.
Aber die Wahrscheinlichkeit ist doch eher gering.

***(habt versagt, habt verloren, habt der Finsternis Tür und Tor geöffnet, dem Täter zur Flucht verholfen, wehrlose Unschuldige getötet, seid dem Bösen verfallen, einen treuen Freund /geliebten Menschen verloren etc.)

Die SC müssen die drohende Konsequenz halt wirklich kennen und sie zumindest für halbwegs wahrscheinlich halten.

Sonst kann es immer sein, dass jmd. testet ob das wirklich eintritt. Inklusive Chance auf TPK.

Alternativ kann man, wenn es mehrere Wahlmöglichkeiten geben soll, (und die Spieler mit ihren Figuren einen Weg einschlagen, bei dem sich das Abenteuer selbst killt), natürlich auch damit leben.

A la " Sie befreien den einzigen NSC, der den König noch retten könnte nicht, weil keine Lust."

Oder " Sie paktieren lieber mit den Dämonen, weil die einfach so nett sind."

Oder" Sie verlassen das Dungeon einfach vorzeitig, weil sie gerade keine Hängebrücken mehr sehen können."
 ~;D




Offline Weltengeist

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #6 am: 31.05.2025 | 20:38 »
Im Pathfinder Schlangenschädel AP wird davon ausgegangen, dass neben den SC auch irgendwelche NSC von der Lage des seit Jahrtausenden verschwundenen El Dorados Wind bekommen.
Ist halt totaler Kokolores, weil KEIN SC DER WELT freiwillig mit solchem Wissen hausieren gehen würde.

Bin ich auch heftigst drüber gestolpert. Wird aber glaube ich damit begründet, dass gleich sämtliche Begleit-NSCs die Gruppe verraten. Das macht es aber natürlich null besser (und erklärt auch nicht, wie das Abenteuer weitergehen soll, falls diese NSC den ersten Teil nicht überleben oder die Gruppe Schutzmaßnahmen ergreift).

Aber @topic: Ja, das passiert immer wieder. Ist letztlich wohl nur eine Variante der alten Schienen- bzw. Bottleneck-Problematik, bei denen der Spielleiter die Gruppe notfalls mit Gewalt durch die Stelle zerren muss, wo sie unbedingt durchsollen. Besonders liebe ich Abenteuer, bei denen schon bei der Auftragsvergabe klar ist, dass mal wieder die uralte "der Auftraggeber wird die Gruppe verraten"-Nummer abgezogen werden soll. Da kann man dann als Spieler nur noch die Runde platzen lassen oder gute Miene zum abgekarteten Spiel machen.
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Offline Issi

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #7 am: 31.05.2025 | 20:59 »
Das Gegenextrem zum Flaschenhals hat mW. noch keinen Namen.
Ich würde es aber so beschreiben:
"Warum geht meine Figur nochmal mit Wildfremden in ein Abenteuer um für ebenfalls Wildfremde mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Gras zu beißen für einen Hungerlohn?"

Antwort 1: Sie will gerne Abenteuer erleben
Antwort 2: Sie ist im Herzen gut
Antwort 3: Sie hat gerade nichts Besseres zu tun.
Antwort 4: Weil Du uns doch jetzt nicht den Rollenspiel Abend versauen willst.
 ~;D

Offline Quaint

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #8 am: 31.05.2025 | 21:46 »
Hab mal ein DSA Kaufabenteuer angeschafft und geleitet, welches mir in einschlägigen Kreisen (DSA Subreddit usw) auch empfohlen wurde.
Das Problem: Die Auftraggeberin selbst ist die Oberkultistin, und eigentlich darf das aus Metaplotgründen nie rauskommen. Selbst ohne Metaplot funktioniert das Abenteuer nur so halb, wenn es rauskommt. Und man kämpft auch öfter mal gegen Kultisten, die alle die Auftraggeberin kennen, und die auch so bissle als Bauernopfer vorgeschickt werden. Das kann also eigentlich nur was werden, wenn man da nie Gefangene macht oder zwei linke Hände beim Verhören hat.
Abgesehen davon gibt es durchaus Hinweise, dass die Auftraggeberin nicht ganz sauber ist, und das Abenteuer tut so Dinge wie Wahrheits-Liturgien des Praios sehr salopp ab.
Unter anderem sitzt halt nach einer Anfangsphase die Auftraggeberin im Knast - und wenn man sie da lässt, ist halt das Abenteuer rum. Das erfodert, finde ich, schon brave Spieler, die da viel gutmütig mitmachen.
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
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Offline YY

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #9 am: 31.05.2025 | 22:03 »
Besonders liebe ich Abenteuer, bei denen schon bei der Auftragsvergabe klar ist, dass mal wieder die uralte "der Auftraggeber wird die Gruppe verraten"-Nummer abgezogen werden soll. Da kann man dann als Spieler nur noch die Runde platzen lassen oder gute Miene zum abgekarteten Spiel machen.

Ich erinnere mich an ein Earthdawn-Abenteuer, in dem der Auftraggeber den SC einen Schlägertrupp nachschickt, damit die den angeknacksten Helden bei deren Aufstieg aus dem Dungeon das anlassgebende Artefakt abpressen.

Nur war unsere Gruppe eben gar nicht so angeknackst, hat direkt den Braten gerochen und nach dem Einstampfen des Schlägertrupps auch noch den Auftraggeber erfolgreich in einen Hinterhalt gelockt und verschwinden lassen.
Das war die emotionale Entschädigung für viele, viele abgerippte Shadowrunner ~;D
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Online klatschi

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #10 am: 31.05.2025 | 22:33 »
Curse of Strahd, immerhin eines der hochgelobtesten Abenteuer von D&D, geht meiner Erinnerung nach davon aus, dass die Charaktere in Barovia auf die gute Ireena treffen und Mitleid mit ihr und ihrer Situation haben. Damsel in Distress und so.
Meiner Gruppe war das total egal, sie haben dem Grafen recht schnell angeboten, dass sie ihm alle Wünsche erfüllen, wenn er sie dafür in Ruhe lässt (was er nicht getan hat, aber das ist sowieso eine andere Geschichte)

Offline unicum

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #11 am: 31.05.2025 | 22:38 »
Das ist imho ein Kaufabenteuer problem und da vieleicht auch ein "Platzproblem"
Verlag:"Streiche bitte 3 Seiten aus dem Abenteuer raus!"

Und ja manche Kaufabenteuer sind auch einfach schlecht.

Aber es kann auch sein das ein SL ein kleines aber wichtiges Detail überlesen hat - das ist mir mal passiert das ich ein Abenteuer das ich selbst spielte so schlecht fand das ich mich weigerte es für andere zu leiten, mich aber breitschlagen lies und es dann gar nicht mal so übel fand, aber merkte das etwas kleines (aber wichtiges) siginfikant anderst drin stand als damals als ich es spielte.

----

Klar, auch bei mir machen die Spieler manchmal Dinge an welche ich nicht gedacht habe. Da muss ich mich halt darauf einstellen.

In einer Kampange welche ich auf Cons leite, haben einige Gruppen den zweiten Teil so beendet das ich mir dachte "Oh so kann ich den dritten Teil nicht machen, sie haben den NSC den es dafür braucht gerade ans Messer geliefert." (Natürlich habe ich dafür nun eine Lösung)

Offline Dr. Beckenstein

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #12 am: 31.05.2025 | 22:43 »
Aber welcher SL wird solche Plots nicht an seine Gruppe anpassen, sodass diese Schnitzer den Spielern nicht auffallen werden?

Offline Runenstahl

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #13 am: 1.06.2025 | 00:00 »
Aber welcher SL wird solche Plots nicht an seine Gruppe anpassen, sodass diese Schnitzer den Spielern nicht auffallen werden?

Das wird langsam off-Topic aber mein Senf dazu: Ein Abenteuer ein wenig anzupassen ist eine Sache. Es gibt aber halt viele Abenteuer die im Prinzip komplett umgeschrieben werden müssen damit sie Sinn machen. Und da frage ich mich dann warum man die überhaupt benutzen sollte. Dann kann ich halt das Abenteuer auch gleich selbst schreiben. Das ist meist weniger Arbeit als ein kompletter Umbau.
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Offline Sashael

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #14 am: 1.06.2025 | 01:21 »
"Grabmal der Vernichtung" hat die dämlichste Prämisse aller Zeiten.

Da ruckelt und rackert die Weltvernichtungsmaschine stampfend vor sich, die Auswirkungen (ALLE Seelen von Verstorbenenen verschwinden auf Nimmerwiedersehen) sind in einem Setting, das vor Göttern, ihren Avataren und sonstigen Uber-NSCs nur so überquillt, am anderen Ende  der Welt zu spüren, aber die einzigen, die der Sache auf den Grund gehen wollen, sind eine bunte Truppe Erststufler, die von einer Händlerin angeheuert werden. Und dann hat das Abenteuer noch ein Zeitlimit, das selbst mit Kenntnis aller Informationen nur durch allergrößtes Glück zu schaffen wäre. Also ... nicht. Nicht mal im Ansatz.

Dazu an vielen Orten Annahmen, wie die SC sich verhalten werden und wenn sie das nicht tun, könnte es sie auch mal schnell eben das Leben kosten. Ohne dass die Informationen, welche Auswirkungen welches Verhalten nach sich zieht, vorher rausgegeben werden.

Dass man ein Abenteuer an die eigene Gruple anpassen muss, geschenkt. Aber ich kenne neben GdV noch viele andere, die ich beim evtl. nochmaligen Leiten einfach massiv umschreiben würde. Und manche sind einfach unrettbar schlecht geschrieben und ohne hartes Railroading gar nicht spielbar (MiBG, ich schaue dich an!).
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Offline Galatea

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #15 am: 1.06.2025 | 01:58 »
Das Gegenextrem zum Flaschenhals hat mW. noch keinen Namen.
Ich würde es aber so beschreiben:
"Warum geht meine Figur nochmal mit Wildfremden in ein Abenteuer um für ebenfalls Wildfremde mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Gras zu beißen für einen Hungerlohn?"
Mangel an Charakter-/Protagonistenmotivation (die einzige Spezies die immer eine wirklich gute Ausrede hat sind D&D-Elfen).

Das ist generell ein Problem von "5 Leute sitzen in der Kneipe und jemand kommt mit einem Problem daher"-Stories und "wir haben den irgendwo aufgegabelt"-Situationen, weswegen man sich imo im Vorfeld schonmal Gedanken machen sollte, warum die Gruppe überhaupt so zusammen ist (sofern das Spiel das nicht schon für einen eledigt, Settings wie Starship Troopers oder Warhammer40k sind da meist recht dankbar).
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Offline Johann

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #16 am: 1.06.2025 | 07:59 »
Ein interessanter Thread!

Ich werde diesen Sommer das erste Mal seit mindestens 15 Jahren ein paar Abenteuer mit 'Railroading' leiten -- und zwar irgendwelche klassischen Call of Chtulhu-Module.

Ich mache das allerdings mit Chtuhlu Dark, d.h. das 'Railroading' wird 100% transparent sein: Da würfelt man nur wie gut - und nicht ob! - man eine Probe schafft. Oder wie gut man sich in einer unabwendbaren Niederlage verkauft…

(Ich habe gehört, dass Gumshoe da einen ähnlichen Ansatz verfolgt, man also z.B. nicht bei der Spurensuche scheitern kann. Kenne ich aber nicht.)

Die Vorgaben für Spielleitungen in diesem Thread hier sind freilich kniffliger umzusetzen, weshalb es ganz nützlich ist, sich zu vergegenwärtigen, was für ein Mist teilweise erwartet wird.

Klassiker sind auch "die Spielercharaktere gefangen nehmen" oder "den Spielercharakteren Gegenstand X stehlen".  ::)

Als 'palate cleanser' - mir fällt da keine Übersetzung für ein - könnte ich Tunnels & Trolls nehmen -- damit habe ich derzeit weiterhin viel Spaß und letzte Woche hat es auch nur 4 von 9 Charakteren erwischt. Wir werden besser!

:headbang:

Wenn ich das selber leite, werde ich nach 35 Jahren endlich mal Grimmzahns Fallen einsetzen können, denn die passen perfekt zu diesem Spielstil (und sind ja auch von Flying Buffalo).
« Letzte Änderung: 1.06.2025 | 08:02 von Johann »
Im Reich der Nibelungen ist eine Spielwelt mit eigenwilligen magischen Gesetzen für Swords & Wizardry Continual Light. Mehr dazu bei Blogger und DriveThruRPG (dank Fans auch auf Französisch & Englisch).
Mein neues Projekt: Verschollen im Archiv des KfK für Electric Bastionland

Offline gilborn

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #17 am: 1.06.2025 | 08:03 »
Ich habe gestern eine Episode in einer Kaufkampagne gespielt und da gab es eine Szene in der in einer Gruft etwas Seltsames passiert. Sobald die SC die Monster besiegt haben sagt so ein Würdenträger, den sie seit 10 min kennen, sie sollen sofort den Dungeon verlassen.
Ich glaube hier unterliegt bisweilen oft der Abenteuerschreiber einer falschen Vorstellung, wie sich Personen gegenüber Authoritäten verhalten.

Meine Vermutung:
Im Mittelalter war Autoritätshörigkeit um einiges krasser, vor allem gegenüber kirchlichen Würdenträgern - wenn nun der heutzutage weit verbreitete Nihilismus (ohne Wertung) und Individalitätsfixierung (ohne Wertung) darauf angewandt wird, geht was nicht aus.
Das mag dann mit Method Actors funktionieren, mit einer Looten & Leveln Truppe nicht.

Folglich könnte es sein, dass, wenn ich die Begriffe mal lose benutzen darf, dass hier eine eher gamistische Gruppe auf ein narratives Abenteuer trifft.
Oder, oft ebenso eine Sollbruchstelle: Eine eher zwielichtige Gruppe spielt ein Abenteuer für rechtschaffende Abenteurer.

Ist zumindest bei mir oft so vorgekommen, gerade bei DSA Abenteuern, da ist ja eher gesetzt dass man einen Helden spielt. Wenn dann Spieler anderer Prägung kommen, knirscht es im Gebälk.

So oder so, ist so ein Flaschenhals natürlich blöd.

Offline Ainor

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #18 am: 1.06.2025 | 08:42 »
Tjo, wir haben letzlich mal Berlin: The Wicked City (CoC) gespielt. Da kommen anscheinend laufend ziemlich steile Annahmen
was die Ermittler jetzt so logischerweise machen werden, was dann logisch betrachtet nich so wirklich zwingend war...
Der etwas unerfahrene SL wusste teilweise auch nichts besseres als "das müsst ihr jetzt so machen" oder extrem offensichtliches Railroading.

Das Gegenextrem zum Flaschenhals hat mW. noch keinen Namen.
Ich würde es aber so beschreiben:
"Warum geht meine Figur nochmal mit Wildfremden in ein Abenteuer um für ebenfalls Wildfremde mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Gras zu beißen für einen Hungerlohn?"

Das ist eigentlich oft kein Problem des Abentnteuers sondern des Systems. Mittelaltersimulator oder "in X kannst du alles spielen", vom Grafen bis zum Zuckerbäcker, ist ja recht verbreitet. Da wird dann selten ein Gedanke daran verschwendet warum so jemand auf Abenteuer auszieht.

Nur war unsere Gruppe eben gar nicht so angeknackst, hat direkt den Braten gerochen und nach dem Einstampfen des Schlägertrupps auch noch den Auftraggeber erfolgreich in einen Hinterhalt gelockt und verschwinden lassen.
Das war die emotionale Entschädigung für viele, viele abgerippte Shadowrunner ~;D

Solange das so läuft kann man nicht sagen dass das Abenteuer nicht funktioniert...
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
Im Rollenspiel ist auch hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie zu unterscheiden.
Meine 5E Birthright Kampagne: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122998.0.html

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #19 am: 1.06.2025 | 10:31 »

Meine Vermutung:
Im Mittelalter war Autoritätshörigkeit um einiges krasser, vor allem gegenüber kirchlichen Würdenträgern - wenn nun der heutzutage weit verbreitete Nihilismus (ohne Wertung) und Individalitätsfixierung (ohne Wertung) darauf angewandt wird, geht was nicht aus.
A Ich lache mal ganz laut
B Seltsamerweise gilt das nicht für SCs

Zitat
Eine eher zwielichtige Gruppe spielt ein Abenteuer für rechtschaffende Abenteurer.
Eher umgekehrt und ignoriert btw auch die Rechte und Privilegien
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
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Offline Radulf St. Germain

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #20 am: 1.06.2025 | 10:36 »
Ich glaube hier unterliegt bisweilen oft der Abenteuerschreiber einer falschen Vorstellung, wie sich Personen gegenüber Authoritäten verhalten.

Das könnte tatsächlich der Punkt sein. Ich habe auch nicht so viel Probleme mit ein bisschen Railroading, wo ich als Spieler sage, OK, hier erwartet man von mir, dass ich X mache, also mache ich X. (Shady Auftraggeber, Einladung in ein Spukschloss etc.) Das passiert vor allem in der Phase des Abenteuerstarts. Hier weiß ich, dass ich für meine Dummheit belohnt werde mit einem spannenden Abenteuer. (Soll halt nicht dauern passieren und nicht so sein, dass man sich verarscht fühlt, aber hier gehen die Geschmäcker auseinander.)

 Komisch wird es dann, wenn ich nicht weiß, was von mir erwartet wird. In meinem Eingangsbeispiel - ist der Würdenträger inkompetent und durch mein forsches Auftreten rette ich den Tag? Oder muss ich dumm verhalten damit das Abenteuer passieren kann? Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht die Entscheidung treffen, die zur spannenderen Geschichte führt (was eines meiner persönlichen Spielziele ist). Mir fehlt schlichtweg das Wissen und wenn der/die SL mir das verrät, dann fühle ich mich wirklich nicht mehr im Spiel.

Offline Fillus

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #21 am: 1.06.2025 | 10:58 »
Das könnte tatsächlich der Punkt sein. Ich habe auch nicht so viel Probleme mit ein bisschen Railroading, wo ich als Spieler sage, OK, hier erwartet man von mir, dass ich X mache, also mache ich X. (Shady Auftraggeber, Einladung in ein Spukschloss etc.) Das passiert vor allem in der Phase des Abenteuerstarts. Hier weiß ich, dass ich für meine Dummheit belohnt werde mit einem spannenden Abenteuer. (Soll halt nicht dauern passieren und nicht so sein, dass man sich verarscht fühlt, aber hier gehen die Geschmäcker auseinander.)

 Komisch wird es dann, wenn ich nicht weiß, was von mir erwartet wird. In meinem Eingangsbeispiel - ist der Würdenträger inkompetent und durch mein forsches Auftreten rette ich den Tag? Oder muss ich dumm verhalten damit das Abenteuer passieren kann? Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht die Entscheidung treffen, die zur spannenderen Geschichte führt (was eines meiner persönlichen Spielziele ist). Mir fehlt schlichtweg das Wissen und wenn der/die SL mir das verrät, dann fühle ich mich wirklich nicht mehr im Spiel.

Ich glaube bei den Spielenden ist in diesem Falle die Erfahrung wichtig. Wenn schon viele Abenteue  geleitet oder gelesen hat, erkennt einfach eher was der Plot vom Charakter möchte und man tut es dann einfach weil es ja so soll. Nicht gegen Neulinge im Hobby, die ich immer wieder gerne am Tisch habe. Aber das Verhältnis zwischen Charakterspiele, Gruppenspiel und Plotspiel muss sich oft auch erst noch einspielen. Was meine ich damit ... Man kann nicht auf Teufel komm raus seinen Charakter ausspielen (Mein Char würde das Kind nie retten, er hasst Kinder), sondern muss auch Rücksicht auf die Gruppe und den Plot nehmen. Kompromisse eben.

Ändert nichts daran das sich Railroaden oft nicht gut anfühlt. Aber so viele Kaufabenteuer sind wirklich sehr unoffen geschrieben. Wenn ich ehrlich bin in bestimmten Systemen sogar fast alle. Ich finde immer wieder solche stellen.

Offline Haukrinn

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #22 am: 1.06.2025 | 11:05 »
Klassische Kaufabenteuer (also solche mit Geschichtenstruktur) funktionieren nur, wenn man auf der Metaebene gewisse Absprachen trifft.

Und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was daran das Problem ist. Da setzt man sich bei einer Szene halt hin und sagt: Leute, hier wird jetzt von euch das und das erwartet. Und dann läuft das halt so.

Wenn man das nicht mag: einfach keine (derartigen) Kaufabenteuer spielen.

What were you doing at a volcano? - Action geology!

Most people work long, hard hours at jobs they hate that enable them to buy things they don't need to impress people they don't like.

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #23 am: 1.06.2025 | 11:15 »
 Leute, hier wird jetzt von euch das und das erwartet. Und dann läuft das halt so.

Wird gerne mal problematisch wenn das nicht passt
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
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Offline Johann

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Re: Abenteuer, die nur mit Wunschdenken funktionieren
« Antwort #24 am: 1.06.2025 | 11:20 »
Klassische Kaufabenteuer (also solche mit Geschichtenstruktur) funktionieren nur, wenn man auf der Metaebene gewisse Absprachen trifft.

Und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was daran das Problem ist. Da setzt man sich bei einer Szene halt hin und sagt: Leute, hier wird jetzt von euch das und das erwartet. Und dann läuft das halt so.

Offene Kommunikation auf der Metaebene ist das A und O.

Wenn man das nicht macht, führt das u.U. auch zu unnötigen Verrenkungen wohlmeinender Spieler:innen, die Railroading erwarten und es mehr oder minder okay finden:

Ich erinnere mich, wie ich und meine Mitspieler (vor dreißig Jahren...) selbst krampfhaft nach Gründen für unsere Charaktere gesucht haben, um nicht die Autoritäten einzuschalten, weil wir dachten, dass wir den Fall bestimmt selbst lösen müssen. Und dann sind wir drei Stunden herumgeeiert, bis die verzweifelte Spielleitung uns per Zaunpfahl signalisiert hat, dass es im Abenteuer so vorgesehen ist, dass man Hilfe holt und das Abenteuer sonst nicht weiterlaufen kann.

Eine riesige Zeitverschwendung -- und der Fall zeigt auch, welche völlig unnatürliche Spielweisen entstehen können, wenn man nicht offen kommuniziert. Wir haben quasi Co-Spielleitung gespielt und hier imaginierte Probleme der Spielleitung antizipiert und unser Spiel vorauseilend angepasst, statt einfach unsere Charaktere zu spielen. Eine kranke Spielkultur. Grauenhaft.
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