Ich habe zwei einhalb Spielrunden mit einer eher konstanten Besetzung (also viele Überschneidungen) und wir haben eigentlich immer eine ewige Lines and Veils Liste, die auch recht konstant bleibt. Ich hab mal die X-Card angesprochen, aber der Konsens war, dass das nicht gebraucht wird.
Nun kennen sich die Spieler*Innen alle gut, sind befreundet und würden sich auch gegenseitig "stützen", wenn irgendwas triggert.
Eine Spielerin hat in den letzten 2-3 Jahren in kurzer Abfolge Mutter und Bruder verloren, inklusive stetig schlechter werdende Krankheitssituation und natürlich ist das für den Spielleiter irgendwo ein NoGo, dass man sowas dann nicht als Schicksal für den SC oder nahestehenden NSC aussucht.
Und bevor jetzt die Frage kommt, wo sowas vorkommen kann:
In der Kampagne "Fluch des Scharlachroten Thrones" kommt eine Stadt in eine Epidemie, wo viele dahinsiechen und sterben. Und das "Vampir sucht nachts einen Angehörigen heim, dessen Gesundheitszustand dann immer schlechter wird, bis der NSC verstirbt (und selbst Vampir wird)" ist auch so ein klassisches Klischee, was seit Dracula immer wieder aufgewärmt wird. Und auch das kann einen dann mächtig fertig machen.
Also, keine X Card aber Lines & Veils aus dem langen Freundschaftsverhältnis heraus. Und empathische Umgang mit den Dingen, die die Leute am Tisch in letzter Zeit berührt haben.
Ich würde die X-Card aber nicht abtun - auf Cons oder Treffen, wo sich die Leute nicht kennen, aber auch nicht genug Zeit ist, um alle wenns und abers zu besprechen (und man vielleicht auch nicht sofort alle Dinge publizieren möchte, die einen emotional triggern können) halte ich das für ein gutes Werkzeug.
Insbesondere, weil es Rollenspiele gibt, die sich wirklich grenzwertigen Themen widmen. KULT möchte ich da mal nennen, oder Unknown Armies. Und wie oben schon beschrieben, muss es gar nicht gleich das "wir loten mal die Abgründe der Seele Rollenspiel aus" sein. Selbst heroic Fantasy wie Pathfinder kann in einem Abenteuerpfad die Leute unversehens triggern.
Im übrigen hat man die Ursachen für solche lauernden Trigger manchmal auch verdrängt und vergessen - was nicht bedeutet, dass der Trigger nicht trotzdem ausgelöst werden kann. Auch deswegen sollte man nicht nur seine Grenzen absprechen, sondern eben auch wahrnehmen, ob es allen im gemeinsamen Spiel gut geht.
Rollenspiel ist ein Spiel und soll unterhalten - das Spielen entbindet aber nicht von Verantwortungen gegenüber den Mitspielenden...
Und Lebenssituationen ändern sich - so wie oben beschrieben.
Folter (im Spiel beschrieben oder von SC ausgeübt), Gewalt gegen Schwache/Wehrlose haben mich wären für mich immer schon ein NoGo gewesen. Und da gab es in den letzten 40 Jahren auch immer mal Spielsituationen, wo Spieler auf ein "du kannst doch nicht..." in völligem Unverständnis mit "...wieso?" geantwortet haben. Das hat meistens die Spielsitzung beendet, weil entweder Leute anfingen zu streiten oder Charaktere PvP starteten. Auch deswegen: Grenzen sollte man vorher absprechen!
Seit dem ich Vater bin, ist die Empfindlichkeit bzgl. Gewalt gegen Kinder (und Frauen) noch mal ganz extrem gestiegen - und das auch mehr, als ich mir selbst diagnostiziert hätte.
In der TV Serie Hill House gibt es eine Szene, wo ein Kind im Bett liegt, Angst hat und ein "Monster" hinter dem Rücken lauert. Das ist ganz am Anfang der Serie (erste Folge?) und das hat dann dazu geführt, dass ich den Rest dieser Serie niemals weiter gucken werde. Im Vorfeld hätte ich das aber niemals erwartet und mit "Quatsch!" abgetan - und früher hätte es mich auch nicht getriggert. Mir hat es gezeigt, dass es eben sehr wohl unvorhersehbar von "wohlig schauernd" ganz schnell zu "unerträglich" gehen kann (und "unangenehm" überspringt) - da reicht ein einzelnes Bild im eigenen Kopfkino.
Und deswegen ein klares JA zu solchen Sicherheitswerkzeugen und auch zu entsprechender Sensibilität (aller) am Spieltisch.
Und sucht Euch Leute, die Lust zu dem Content haben, und sich sicher sind, dass sie die gesteckten Grenzen aushalten, wenn der Inhalt grenzwertig sein kann.
besser is das!