Ich glaube, dass die Diskussion um den Compel-Mechanismus an einem ganz wichtigen Punkt vorbei geht!
Warum nehme ich einen bestimmten Aspekt für meinen Charakter? Normalerweise ist ein qualitativ guter Aspekt bei FATE, ein Aspekt, den ich verwenden kann um mir einen Vorteil zu verschaffen (Invoke) und der gleichzeitig von Gegner benutzt werden kann um sich einen Vorteil gegen mich zu verschaffen (Tag), und der als drittes vom Spielleiter verwendet werden kann, meine Handlungsoptionen einzuschränken (Compel).
Der "Invoke" kostet mich einen FATE Punkt, der "Tag" und der "Compel" geben mir einen FATE Punkt. Und als Spieler will ich so viele FATE Punkte wie möglich bekommen, denn damit kann ich das Spiel in meinem Sinne beeinflussen.
Wenn ich als Spieler also bestimmte Aspekte wähle, dann tue ich das doch, weil ich Probleme haben möchte.
Ist dieser Compel-Mechanismus Teil des Fate-Regelkerns, ohne den alles nicht mehr wirklich laufen kann, oder kann man einfach auf das "Freikaufen durch Fate-Punkt-Zahlung" verzichten?
Also, ich würde das nicht weglassen. Denn, wenn ich als Spieler einen Aspekt wähle, möchte ich ja auch von ihm profitieren. Wenn ich jetzt als Aspekt zum Beispiel "Flirte gerne mit Blondinnen" wähle, sage ich dem Spielleiter damit: ich will Blondinnen im Spiel sehen. Jetzt taucht eine Blondine auf, auf der ganz "Femme Fatale" steht. Ich will jetzt partout nicht mit ihr flirten. Der Spielleiter sagt: ich "compelle" deinen Aspekt "Flirte gerne mit Blondinnen" und bietet einen FATE Punkt. Ich sage: Nö, will ich nicht. Ich mag meine Handlungsoptionen jetzt nicht einschränken lassen. Ich schiebe den FATE Punkt rüber. Damit handele ich gegen die Natur meines Charakters, das schwächt den Spieler auf einer Metaebene. Daher ein FATE Punkt weniger.
Grundsätzlich will ein FATE Spieler ja über seine Aspekte angespielt werden. Wichtig ist nur, der "Compel" macht dich normalerweise nicht zur Marionette des Spielleiters, sondern schränkt deinen Handlungsrahmen ein. Ich kann mich im obigen Beispiel immer noch entscheiden, wie ich mit der Blondine flirte, wie weit ich den Flirt gehen lasse und ob ich ihr tatsächlich traue.
Persönliche glaube ich, wenn man den Compel-Mechanismus auf ein "freiwilliges Angebot" reduziert, kann immer noch FATE spielen. Interessanterweise ist es aber der Spielleiter, der dann "Biß" einbüßt und nicht der Spieler.
Falls man darauf verzichtet, welche FOLGEN hätte das für den Spielablauf, für den Fate-Punkte-Fluß, für die "Wertigkeit" von Aspekten wie von Fate-Punkten?
Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass sich der FATE Punkte Fluss verschiebt. Die meisten Spieler, mit denen ich FATE gespielt habe, nehmen den Compel an. Es kommt ganz selten vor, dass ein Spieler ablehnt. Meistens, wenn der Compel ihm gerade überhaupt nicht in den Kram passt, da er gerade eine ganz genaue Vorstellung davon hat, wie sein Charakter als nächstes handeln soll.
Diese Fragen hätte ich gerne von Systemkennern beantwortet bzw. abgeschätzt, um mir eine Meinung zu bilden, ob ich diesen für mich störenden Zwangsmechanismus eben "abschalten" kann und durch einen ANGEBOTS-Mechanismus ersetzen kann.
Es gibt eine weitere Möglichkeit, den Mechanismus in Bahnen zu lenken. Wenn man wie bei Houses of the Blooded klar vorher festlegt, was Invoke, Tag und Compel eines Aspekts sind. Dann gibt es keine bösen Überraschungen, aber natürlich auch keine Spielsituationen, in denen man den Aspekt überraschend positiv einsetzen kann.
Beispiel: der Aspekt "Ich habe in den Abgrund geschaut" wurde bei Houses vom Spieler so festgelegt, dass er ihm in scheinbar ausweglosen Situationen hilft. Ohne solch eine Festlegung hätte ich z.B. auch zugelassen, dass der Aspekt hilft, wenn es um wortwörtliche Abgründe geht.
Wichtig am Compel: Er zwingt den Charakter selten dazu, gegen seine Überzeugung zu handeln - sonst hätte der Spieler den Aspekt nie gewählt. Der Compel läßt den Charakter auch nicht zur Marionette des SL werden, sondern er beeinflusst eine Entscheidung im Spielfluss. Danach kann ich wieder völlig frei entscheiden, wie mein Charakter weiter handelt.
Wenn ich meine Aspekte wähle, weiß ich ja, worauf ich mich einlasse und welche Flanken für den Spielleiter öffne. Man könnte Aspekte auch als eine Art Wesenszüge sehen, die tatsächliche eine Auswirkung auf das Spiel haben.
Wenn Du den Compel als derart störenden Zwangsmechanismus siehst, dann würde ich Dir empfehlen, kein FATE zu spielen. Aber ich würde unbedingt vorher FATE ausprobieren, um festzustellen wie sehr Dich dieser Zwangsmechanismus, den aus den Regeln herausliest, wirklich stört. Ob er Dich im Spiel überhaupt stört.