Autor Thema: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting  (Gelesen 1358 mal)

Heptor Coleslaw alias Ogerpoet, Mithras und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline Herr Moin

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #25 am: Gestern um 13:24 »
Ach, ich liebe Harnworld, und das System fand ich auch immer cool.
Aber inzwischen würde ich die Welt mit Ars Magica (eine der früheren Editionen) bespielen, dann hätte ich mein Lieblingssystem mit einer meiner Lieblingswelten hybridisiert, und in meinen Augen passt das System auch sehr gut zur Welt.

Stimmt, das kann in der Tat sehr gut funktionieren. Auf die Idee bin ich bisher nie gekommen.

Offline HEXer

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #26 am: Gestern um 14:19 »
Ich bin da Purist. Und mit HM3 und später war es dann auch nicht mehr ganz so schlimm damit, an Wundfieber zu sterben.
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Online tarinyon

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #27 am: Gestern um 16:10 »
Wenn hier schon eifrig diskutiert wird, mit welchen Systemen man denn nun HârnWorld bespielen kann, dann muss ich ja weitermachen mit der Anleitung.

WAS BRAUCHT MAN, UM IN DER HÂRNWORLD ZU ZOCKEN?
Das ist die wichtigste und zugleich schwierigste Frage. HârnWorld ist ja schon ein sehr altes Setting, zugleich gab es gegenüber der ersten Auflage kaum Veränderungen, sondern nur Erweiterungen. Entsprechend kann man theoretisch auch auf die alten Veröffentlichungen zurückgreifen. Verkompliziert wird die Sache leider dadurch, dass es zwei konkurrierende Verlage gibt (Kelestia Games und Columbia Games) und dazu noch eine deutsche Übersetzung aus den frühen 1990ern. Weiterhin ist es für den nach HârnWorld im Internet stöbernden Laien nicht sofort ersichtlich, dass die verschiedenen Editionen von HârnWorld in verschiedenen Formaten veröffentlicht wurden. Während es sich bei der Erstauflage noch um Hefte handelt, war die Neuauflage eine Loseblattsammlung, die man in einem Ordner abheften musste. 2024 erschien dann eine Hardcover-Version. Außerdem gibt es nicht nur eine Settingbeschreibung (HârnWorld), sondern (ähnlich wie in der alten DSA-Box Land des Schwarzen Auges, die bei Hârn geklaut haben) eine Art Lexikon (den HârnDex). Um die Verwirrung perfekt zu machen, wurden danach nicht nur in Regional- und anderen Modulen, sondern auch in einer Reihe namens "Encyclopedia Hârnica" weitere Hintergrundinfos (zu Burgen und Städten, aber auch zu Hintergrundgeschichten usw.) publiziert, die dann später ab den 00er Jahren in Form von Loseblatt-Artikeln neu aufgelegt wurden. Last but not least gibt es in Deutschland nur wenige Online-Händler, die HârnWorld-Produkte vorrätig haben und dann oft nur in geringen Stückzahlen. Gott sei Dank kann man alles entweder direkt von Columbia Games (im Falle von Hârn) oder von Kelstia Games (wenn man sich für den östlichen Kontinent interessiert) in Form von PDFs beziehen. Auch die Regionalmodule gibt es fast alle in Hardcover, aber auch diese sind erstens teuer und teilweise schwer zu beziehen.

Ich rate dem HârnNeuling folgendes: erstmal die Finger lassen von den ganzen Artikeln, Modulen usw. Schließt auch nicht blindlings ein HârnQuest-Abo ab, dass euch gerne von HârnVeteranen empfohlen wird. Stattdessen sage ich: Besorgt euch das HârnWorld-Modul und den HârnDex. Das ist alles, was ihr für's Erste braucht. Ich empfehle hier folgende Optionen:

Option 1: Das deutsche HârnWorld-Buch von 199X (gibt es immer wieder mal auf Ebay oder Kleinanzeigen, aber ja nicht mehr als 30 bis 40 € inkl. Versand bezahlen) - alternativ kann man in der gleichen Preiskategorie die alten HârnWorld und Hârn-Dex-Ausgaben auf Ebay schießen, aber hier besteht erstens Verwechslungsgefahr und zweitens sind die oft in sehr schlechtem Zustand.
Option 2: Die neue HârnWorld-Hardcover-Ausgabe von Columbia Games (die beinhaltet sowohl HârnWorld als auch HârnDex, ist aber recht teuer)
Option 3: PDFs von HârnWorld und HârnDex kaufen und in schwarz-weiß ausdrucken (zum Kosten sparen) und dann in einen A4-Ordner klatschen oder als Ringbuch binden.

Auf die theoretische Option Nummero 4, nämlich im östlichen Teil des Settings zu spielen (dem Kontinent Venarive), möchte ich hier (noch) nicht eingehen, weil der größtenteils erst nach dem Tod des Erdinders N.R. Crossby beschrieben wurde und daher mMn nicht den typischen HârnStil einfängt.

MOMENT, DAS IST JA NUR DAS SETTINGBUCH - WAS BRAUCHE ICH NOCH?
Die Antwort auf diese Frage hängt stark mit der auf die erste Frage zusammen. Auch bei den Regeln gibt es einige Verwirrung. Es existieren auf der einen Seite drei Editionen von HârnMaster, die von der Firma Columbia Games herausgegeben wurden. Die erste Edition, die auch ins Deutsche übersetzt wurde, war noch in Buchform verlegt worden. Die zwei weiteren Editionen sind dann Loseblattsammlungen in Boxen. Parallel gab es als Konkurrenzprodukt HârnMaster-Gold, das aber nur als PDF verfügbar ist. Mittlerweile wurde für HMG auch eine Art Neuauflage produziert, HârnMaster Kethîrà, das als Hardcover-Ausgabe zu beziehen ist. Nächstes Jahr soll zum 40-jährigen Jubiläum von HârnMaster (genau wie bei HârnWorld) eine Hardcover-Ausgabe erscheinen.

Leider bringen alle Editionen ihre Problemchen mit. Sowohl HârnMaster 2 als auch 3 passen wegen dem US-Letter-Format und der 3-Ring-Lochung nicht in normale Ordner (auch nicht in A4-Hüllen!). HârnMaster Gold hat ein furchtbar hässliches Cover und existiert nur in PDF-Form. Und HMK ist deutlich komplexer als HârnMaster 3. Wichtig ist dabei folgende Feststellung: die Regeln der einzelnen Firmen (also HM1 bis 3 und HMG sowie HMK) sind untereinander größtenteils kompatibel. HM 1 bis 3 sind sogar fast identisch. Man merkt das z.B. daran, dass das aktuelle Magieregelwerk von 1997 ist. 1997!!!!! Wo gibt es denn sowas bitteschön? Auch die Neuauflage (HM 4) wird sicher nur sehr wenig verändern.

Ich empfehle dem Neuling daher folgende Optionen:

Option 1: HârnMaster 3-Jubiläumsbox kaufen und dann die Loseblätter in einen Magic-Karten-Ordner (der hat auch 3 Ringe) abheften. Das kann dann bei Bedarf mit den Loseblattsammlungen zu Religion und Magic nachgerüstet werden und das Regelwerk ist komplett. Alternativ als Low-Budget-Lösung wie bei HârnWorld das PDF kaufen und in S/W ausdrucken und abheften oder binden lassen (aber alles low-effort, sonst wird es viel zu teuer).
Option 2: Auf HârnMaster 4 warten (das womöglich erst im Herbst 2026 gecrowdedfunded wird und dann rest 2027 erscheint).
Option 3: Das deutsche HârnMaster-Regelwerk gebraucht kaufen (auf keinen Fall Mondpreise zahlen! das Regelwerk gibt es sehr oft günstig zu erwerben!)
Option 4: HârnMaster Kethîrà kaufen

Für alle, die nicht warten können und die keinen Bock auf Loseblätter und komische Ordner haben, denen rate ich Folgendes:

Solltet ihr günstig an die deutschen Ausgaben von HârnWorld und HârnMaster rankommen. Nehmt einfach das! Ich habe beides daheim und es ist top für den Einstieg. Die Religionserweiterung (Libram des Pantheons) bekommt man auch recht günstig. Andernfalls kauft euch HârnWorld (in irgendeiner Form) und nehmt dazu HMK (auch wenn es hier und da etwas fiddly ist). Dort bekommt ihr das Gesamtpaket und müsst nicht noch zusätzlich Religion, Magic und Bestiary kaufen.


Das war's für's Erste. Im nächsten Post werde ich darauf eingehen, welche Systeme man nutzen kann (außer HârnMaster).
« Letzte Änderung: Gestern um 16:12 von tarinyon »

Offline HEXer

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #28 am: Gestern um 16:56 »
Vielen Dank für den Post. Sind Kommentare / Ergänzungen / Widersprüche erwünscht, oder soll das lieber in nem eigenen Thread passieren?
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Online tarinyon

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #29 am: Gestern um 17:11 »
Klar! Einfach kommentieren.

Offline JAW6

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #30 am: Gestern um 17:47 »
Was ist denn mit der Option, beide deutschen Reprints harnworld/harnmaster der ulisses Classic Reihe zu nehmen ? Zusammen für Neupreis 100€ zu bekommen.

Offline Luxferre

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #31 am: Gestern um 18:00 »
Kurz OT: wo bekommt man die beiden Bücher denn noch?
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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #32 am: Gestern um 18:07 »
Was ist denn mit der Option, beide deutschen Reprints harnworld/harnmaster der ulisses Classic Reihe zu nehmen ? Zusammen für Neupreis 100€ zu bekommen.

Klar. Wusste nicht, dass der Reprint noch verfügbar ist. Meines Wissens nach ist es aber ein limitierter Reprint. Und leider kann man anscheinend die Karten und Kampftabellen nicht rausnehmen.

Offline Der Nârr

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #33 am: Gestern um 18:19 »
Ein Hinweis: Die Hardcover von Columbia Games enthalten alle mehr als das eigentliche Modul.

Bei HârnWorld ist noch HârnDex enthalten (wurde ja bereits erwähnt), aber auch das Kethira- und Lythia-Modul (wie übrigens auch im alten deutschen HârnWorld). Dazu kommt noch eine Karte.

Bei den "Kingdom of ..."-Hardcovern sind auch City-, Castle- und/oder Keep-Module die zum Königreich gehören enthalten.

Wenn man mit der Auswahl überfordert ist, kann so ein Hardcover eine "einfache", wenn auch mitunter teure, Möglichkeit sein, zu einer Region gleich etwas mehr Material zu haben. Viele interessante Module werden über diese Hardcover aber nicht abgedeckt.

Zu HârnMaster Kethira gibt es mehrere Stunden Material im Mind your Manors Podcast mit dem Autoren, ein Vorstellungsvideo + mehrere Regelerläuterungsvideos enthalten einen Haufen Designer Notes und Tangenten über Systemdesign, die ich höchst aufschlussreich und interessant fand: https://www.youtube.com/watch?v=z1pHHPORYB4
Wenn der Sieger eines Kampfes an Wundfieber stirbt, ist es Hârn. Wenn der Sieger eines Kampfes an Wundstarrkrampf stirbt, ist es Midgard. Und wenn der Sieger eines Kampfes am Leben bleibt, ist das bloß Fantasy.

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #34 am: Gestern um 19:13 »
Ja, zu den Einzelheiten kommen wir noch. Ich werde ganz konkret zwei Einstiegsszenarien vorschlagen und Tipps geben, was man dazu am besten nimmt. Aber erstmal würde ich allen, die noch nie Hârn gezockt haben, davon abraten, sich irgendein Modul zu kaufen. Denn man muss erst verstehen, wie HârnWorld funktioniert, was man damit machen kann und was einen interessiert, bevor man sich wild Regionalmodule kauft.

Offline Andropinis

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #35 am: Gestern um 20:52 »
Ich habe mir mal irgendwann diese beiden Bücher von Ulysses geholt, wie sind die den zu verorten bzw. welche Edition ist das?

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George R.R. Martin

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #36 am: Gestern um 21:19 »
Das ist der Reprint der deutschen Übersetzung der Ersten Edition von HârnMaster. Die ist bis auf wenige Details sehr ähnlich zur dritten Version.

Offline Andropinis

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #37 am: Gestern um 21:59 »
Das ist der Reprint der deutschen Übersetzung der Ersten Edition von HârnMaster. Die ist bis auf wenige Details sehr ähnlich zur dritten Version.

Danke, sehe gerade es gab mal einen Faden zu den Unterschieden von HM1 und HM3:

https://www.tanelorn.net/index.php?topic=86986.0
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George R.R. Martin

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #38 am: Heute um 10:51 »
Hier nun noch meine Ergänzung zum Thema Rollenspielsystem für HârnWorld. Ich möchte das schnell hinter mich bringen, damit wir zum interessanten Teil kommen können.

Disclaimer: Alles, was ich in diesem Post sage, spiegelt meine eigene subjektive Perspektive wider. Sicher kann man theoretisch mit jedem RPG-System in Hârn spielen, aber ich denke, es gibt einige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen.

DIE HÂRNWORLD-ENGINE
Ich werde im Folgenden bewusst nicht von Rollenspiel-Systemen oder Regelwerken sprechen, weil das oft auf Einzelheiten fokussiert und individuelle Vorlieben, Regeldiskussionen und Interpretationen von Regeln in den Vordergrund stellt. Ich möchte stattdessen das Wort "Engine" benutzen, um zu betonen, dass das RPG-"System" sozusagen nür den Antrieb bzw. den Betrieb des Settings sorgen soll. Die Egine soll folgende Aufgaben erledigen:

1) Mechaniken zur Erschaffung und Steuerung von Figuren in HârnWorld bereitstellen
2) Die Umwelt der Figuren (also die Hintergrundwelt) simulieren
3) Den Spielfiguren größtmögliche Freiheit bei der Interaktion mit der Umwelt bieten, dabei aber standardisierte Prozesse zur Abwicklung von Herausforderungen und Ereignissen an die Hand geben

Warum braucht es überhaupt ein Simulation der Umewelt in HârnWorld? Das ist deshalb wichtig, weil Hârn wie im ersten Post beschrieben keine "klassische" Sword & Sorcery-Fantasywelt ist. Die Taten der Spieler haben hier Auswirkungen. Wenn eine Spielergruppe in ein Dorf reist, dann ist dieses Dorf kein 08/15-Fantasy-Dorf im Nirgendwo, sondern eingebunden in eine pseudo-mittelalterliche Herrschaftsstruktur. Möglicherweise ist das Dorf sogar in einem offiziellen Artikel beschrieben und es existiert eine Karte, in der sogar alle Häuser eingezeichnet und die Dorfbewohner einzeln mit ihren Familien und Berufen beschrieben werden (mehr dazu im nächsten Post). Das ist keinesfalls Pedantismus, sondern ermöglicht es den Spielern erstens, die Welt in all ihren Facetten zu erkunden und führt zweitens dazu, dass es keine "random" NSCs gibt. Wenn ein Spieler z.B. einen Unfreien tötet, so wird er Probleme mit dessen Herrn bekommen. Und wenn er in ein Haus einbricht und dort etwas stiehlt, so beklaut er nicht namenlose Computerspielfiguren, sondern eine Familie mit einer eigenen Geschichte - vielleicht hat einer der Bauern in Wirklichkeit Verbindungen zur Kirche des Meuchelmördergottes Naveh (ja, solche Sachen stehen bei manchen offiziell beschriebenen NSCs dabei). Um was es mir geht: es gibt eine organisch gewachsene Welt, die lebendig ist und keine "Geisterbahn" mit Fake-Interaktion.

HârnWorld ist außerdem ein Setting, das eine immersive Erfahrung bieten will und das durch die Suggestion von Realismus erreicht. Um eine realistische Simulation ablaufen zu lassen, ist es wichtig, dass alle Simulationsprozesse nicht im Vordergrund sichtbar werden (z.B. wie bei Fate), sondern im Hintergrund ablaufen. Die Spieler müssen mMn nicht alle Regeln kennen - z.B. ist es für die Spieler unwichtig, wie der Spielleiter das Wetter bestimmt, wie er festlegt, wie viele Soldaten in einer Baronie ausgehoben werden können oder welche Werte ein Bandit hat. Wichtig ist nur, dass die Spieler darauf vertrauen können, dass es klare Regeln gibt und dass diese vom Spielleiter befolgt werden. Eine Simulation kann nur dann funktionieren, wenn die Engine nicht ständig willkürlich verändert wird. Lässt man sich darauf ein, wissen die Spieler auch, was sie erwartet und sie werden viel besser damit klar kommen, dass Spielfiguren bei Hârn sterben können, dass Zufallsereignisse eintreten können, die die Umwelt z.T. drastisch verändern usw.

TLDR; WIE SOLL DAS IN DER PRAXIS FUNKTIONIEREN?
Die Default-Engine für HârnWorld ist seit 1986 natürlich HârnMaster. Hier braucht man sich im Endeffekt keine Gedanken machen. Auf der Hardware ist sozusagen HârnMaster vorinstalliert und man kann damit loslegen. Gleichzeitig ist HârnMaster aber keine eingänge Engine. Ganz im Gegenteil: auf den ersten Blick ist HârnMaster supersperrig, wirkt an vielen Stellen sehr spießig und verstaubt. Es gibt eigenartige Abkürzungen und die Regeln sind äußerst zackig und knapp formuliert. Viele werden hier den Drang verspüren, das PDF, den Ordner oder das Hardcover-Buch schnell wieder zu schließen und lieber etwas anderes zu tun.

Ich rate hier zu Folgendem: Wenn man sich auf HârnMaster einlässt, dann wird man entdecken, dass hinter der sperrigen Fassade mit den Abkürzungen, Tabellen und kleinen Rechnereien bei den Skills ein der elegantesten Rollenspiel-Engines aller Zeiten steckt. Das System ist meiner Meinung nach das mit Abstand durchdachteste Rollenspielregelwerk, das es gibt. Wirklich alles hängt hier zusammen und das hat ganz stark damit zu tun, dass es seit 1986 nur ganz behutsam angepasst und nicht wie andere Engines mit Updates, Pateches und kosmetischen DLCs verschlimmbessert wurde. Außerdem hat die Sperrigkeit für mich Flair und verströmt Nostalgie. Gleichzeitig ist es aber kein rules-light-OSR-Heartbreaker, sondern eine umfangreiche Engine, die eigentlich alle wichtigen und abenteuerrelevanten Dinge abdeckt.

Trotzdem: wenn einem HârnMaster nicht zusagt, dann ist das total verständlich. Es ist eben kein System für jeden. Wenn man dennoch in der HârnWorld Abenteuer erleben will, dann kann man das auch super gut mit anderen Systemen. Diese sind halt nicht vorinstalliert und entsprechend muss man hier und da ein bisschen rumbasteln.

Bevor ich noch einmal auf die bereits im Eingangspost erwähnten Systeme eingehe, möchte ich noch kurz darlegen, welche weiteren Anforderungen ich an eine Fremdengine stellen würde (abgeleitet aus meinen vorherigen Anforderungen an die Engine):

1) Charaktere müssen zufällig erstellt werden können
Ja, bei HM gibt es auch ein Punktkaufsystem, aber das ist erstens total schlecht designed und zweitens führt jedes System, bei dem man Attribute usw. mit Point-Buy festlegt unweigerlich zu Min-Maxing. Das bricht dann wiederum die Simulation, weil die Figuren wie Leeroy Jenkins durch die Spielwelt fräsen können und natürliche Herausforderungen vom Spielleiter angepasst werden müssen (egal ob sozialer oder kämpferischer Natur). Dadurch scheiden für mich eigentlich so Systeme wie GURPS, HERO oder DSA 4.x aus.

2) Charaktere müssen sterben bzw. verletzt werden können
Die HârnWorld ist keine Ponyhof. Wer dort auf Abenteuer auszieht, der ist meist ein gesellschaftlicher Außenseiter. Und auf Abenteuer zu gehen heißt auch, Leib und Leben zu riskieren. Zwischen den pseudo-mittelalterlichen Königreichen liegt anders als im echten Europa eine z.T. riesige Wildnis, in der Barbaren, Orks und Monster lauern, die einem ans Leder wollen. Kämpfe sollten daher gefährlich sein. Wunden sollten wirklich Wunden sein. Wenn man mit dem Schwert gestochen oder geschnitten wird, dann ist das nicht lustig. Stellt euch mal vor, jemand würde euch mit einem langen Küchenmesser in den Bauch stechen oder euch die superscharf geschliffene Seite in den Hals hauen. Das ist es, was man beim Kampf in HârnWorld spüren sollte. Angst oder Nervenkitzel! Systeme wie D&D 5, wo der Fighter gähnend Frostriesen die HP runterprügelt und nach einer Schelle derselben kurz durchschnauft, um dann mit der Prügelorgie weiterzumachen, halte ich für ungeeignet (zumindest ohne Zusatzregeln). Wer sich trotzdem nicht losreißen kann von 5e, der findet auf DriveThruRPG eine kostenlose Systemkonversion für HârnWorld.

3) Kein Bauergaming
Ja, es gibt so Leute, die stehen voll drauf, bei Hârn Bauern zu spielen, die Milch melken und die Ernte einbringen. Wenn ich bei so etwas mitspielen müsste, würde mein Kopf instant auf der Tischplatte aufschlagen nach dem sofort einsetzenden Sekundenschlaf. HârnWorld ist nicht das mittelalterliche Europa!!!! Und auch im mittelalterlichen Europa hatten nicht alle Leute so ein scheißlangweiliges Leben. In der HârnWorld gibt es, wie bereits erwähnt, einen lebenden Gott, es werden Wunder gewirkt, Priester können mächtige Heilmagie wirken und es gibt eine Insel, wo Zauberer wohnen. Also bitte kein Bauergaming, am besten noch garniert mit "authentischem Mittelalter". Stattdessen muss die Engine in der Lage sein, Magie und religiöses Wirken, aber auch Monster usw. zu simulieren.

Ich empfehle auf dieser Basis:

1) AD&D 1E --> Klassiker! Figuren werden zufällig erstellt, sterben schnell und Monster können nach HârnWorld importiert werden. Lediglich die Gold- und Magieregeln müsste man etwas anpassen.

2) Genauso gut kann man D&D 3.5e bzw. 3e nehmen. Manche schreien jetzt sicher: WTF? Das ist ja ein Superhero-System, alle sind voll mächtig und minmaxen nur usw. Aber 3.5 ist nicht von Haus aus ein Min-Maxer-System - es wurde nur durch die Community und ihre Sucht nach Splatbooks dazu gemacht. RAW bietet 3.5 zufällige Charaktererschaffung. Gleichzeitig ist es supertödlich (im Gegensatz zu D&D 5). Außerdem kann der Spielleiter entscheiden, dass Zauber nicht automatisch vergeben werden, dass es keine Magic Item-Shops gibt und Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht automatisch gelernt werden (siehe dazu DMG). Es gibt darüber hinaus eine interessante Sonderregel im Unearthed Arcana, wo man auf HP verzichtet und stattdessen den Schaden als Save würfelt. Ich würde schließlich nicht die normalen Klassen nehmen, sondern nur die NSC-Klassen zulassen. Fertig ist die HârnKonversion. Das offizielle d20-Heftchen von Columbia Games für Hârn der frühen 00er Jahre kann man aber total vergessen. Das ist nicht gut gemacht. Auch die d20-Konversion, die man bei DriveThru kostenlos runterladen kann, ist nicht gut durchdacht (leider).

3) Chivalry & Sorcery: Passt natürlich perfekt, weil es ja die ursprüngliche Engine war und der Vorgänger von HM. Ich persönlich finde C&S superspannend, aber es ist schon superkomplex und ich glaube nur wenige Spielleiter (mich nicht eingeschlossen) werden in der Lage sein, die Hintergrundwelt ohne Weiteres im Hintergrund zu simulieren. Es gibt einfach zu viele Regeln für meinen Geschmack.

Ansonsten wurden hier im Thread ja schon weitere Beispiele genannt, z.B. Ars Magica. Kann man sicher machen, aber ich halte Ars Magica nicht für eine supergeeignete Engine, weil es sich sehr stark auf die Simulation des Konvents fokussiert (zumindest ab AM 3 oder so). Ich sehe da einfach nicht den Benefit. Da kann man einfach HM1 oder HM3 nehmen und gut ist.
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Offline klatschi

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Re: Eine Zock-Anleitung für das HârnWorld-Setting
« Antwort #39 am: Heute um 14:43 »
Ich lese gespannt weiter mit und freu mich auf jeden zusätzlichen Post, vor allem, weil heute die Versandbestätigung für meine letzte Hârn Bestellung in der Post war ^^